Der Duplikator

Die stechend blauen Augen bohren sich in die Meinen. Meine Kontaktperson faltet gemächlich seine Hände ineinander und verbleibt zurückgelehnt in der gemütlichen Sitzposition. Einige Augenblicke vergehen wortlos, seit ich dem eigenartig vertrauenswürdig wirkenden Kaleido meine Anfrage gestellt habe.
„Der Seeker, also?", wiederholt Kaleido nachdenklich, weicht jedoch mit seinem Blick nicht von mir ab.
„Gibt es damit ein Problem?", frage ich ruhig, doch versuche in meine Stimme einen Funken Drohung beizufügen. Meinen hoffentlich eisigen Blick fest starrend in den meines Gegenübers gebohrt. Kann diesen seltsamen Kerl nicht einordnen, doch so wie es aussieht, ist er momentan der Einzige, der mich zum Seeker bringen kann.
„Wissen Sie, mein lieber Raphael-" Zucke unwillkürlich zusammen, als Kaleido meinen richtigen Namen erwähnt. Könnte schwören ein flüchtiges Lächeln auf seinem aalglatten Gesicht erkannt zu haben.
„Verzeihung. Wissen Sie, Sleepless, der Seeker ist kein sonderlich geselliger Mann. Wenn man ihn zu Gesicht bekommt, dann auf Auktionen fernab des öffentlichen Interesses", erklärt Kaleido mit weiterhin offenherzigem Blick. Klingt für mich wie eine Absage. Kann mir ein enttäuschtes „Tzz" nicht verkneifen.

„Ich kann Ihnen helfen", fügt der Dunkelhaarige eilig hinzu und streicht sich elegant über seinen perfekt zurechtgestutzten Bart. Spüre in der Betonung, dass da ein Aber kommen wird. Ist so ein Gefühl.
„Jedoch hätte ich da ein kleines Anliegen, das für den gefürchtetsten Serienmörder der Welt sicherlich kein Problem darstellen wird", ergänzt Kaleido so ehrlich freundlich, dass ich nicht einmal im Entferntesten einen Hauch von Falschheit erahnen kann. Etwas in mir befeuert die Motivation dem Anliegen nachzugehen.
„Um was geht es?", frage ich, mich etwas nach vorne lehnend.

Einige Zeit später befinde ich mich wieder am Rand des Ortes, an welchem das Treffen mit den beiden Vermummten stattgefunden hat. Wurde von den Schlägertypen wieder zurückgebracht, nachdem ich den Auftrag angenommen habe. Klingt gar nicht mal so schwer. Ein einfacher Job für mich.
Dieser Kaleido hat etwas Seltsames an sich, findest du nicht auch?", hallt meine zweite Persönlichkeit Lars unvermittelt fragend durch meinen Geist, als sich das Auto meiner Chauffeure gleichmäßig ratternd davon bewegt.
„Er hat definitiv eine Kraft", gebe ich knapp zurück. Setze mich langsamen Schrittes in Bewegung. Richtung Stadt.
Du warst eindeutig freundlicher, als du es für gewöhnlich bist", kommentiert Lars schnippisch.
„Ach halt's Maul", knurre ich, mir der Wahrheit seiner Worte bewusst werdend. Bin mir nicht sicher, warum ich so offen gewesen bin.
„Hatte das Gefühl, dass ich ihm vertrauen kann", sage ich in Gedanken versunken, während ich allmählich in die für mich viel zu grellen Lichter der Ortschaft eintauche. Stadtgeräusche werden klarer. Straßen sind beinahe leer. Vereinzelt wandelt rastloser Menschenabfall umher. Der ein oder andere Blick trifft mich. Habe meine Sonnenbrille nicht aufgesetzt. Meine leuchtenden Augen sind sichtbar.
Kann es sein, dass genau das seine Kraft ist?", fragt Lars unvermittelt. Halte inmitten meiner Bewegung kurz inne. Lasse die Frage sinken. Habe das eigensinnige Gefühl, als könnte ich still stehend effektiver nachdenken. Lasse die gesamte Begegnung Revue passieren. Für gewöhnlich willige ich Gegengefallen nicht so unbedacht ein.

„Würde Sinn ergeben", antworte ich Lars und setze mich wieder in Bewegung. Will in mein Versteck. Mich ein wenig ausruhen. Den angenommenen Auftrag durchgehen. Jetzt ziehe ich den auch durch.
Pass auf dich auf, Raphael"
„Versteh die Frage nicht", erwidere ich und lache kurz auf. Stehe vor der braunen Eingangstür eines etwas abseits anderer Gebäude stehenden weißwandigen Einfamilienhauses. Habe es mir für meine Zwecke mittels aggressiver Verhandlungen angeeignet. Vor einiger Zeit, als ich hierhin „gezogen" bin. Die vorherigen Besitzer „wohnen" nun in einem gemütlichen Heim in der Gartenerde hinter dem Haus. Betrete mein geräumiges Versteck. Werde von eingezogenem Blutgeruch begrüßt. Wohlige Gänsehaut überkommt meinen erschöpften Körper. Spaß in der Bar und dann das wichtige Treffen gehen hin und wieder schon an die Substanz.

Hole mir aus dem Kühlschrank eine Flasche Wasser. Setze mich auf das bequeme Ecksofa. Strecke mich genüsslich. Nehme gierig einige Schlucke und lasse meinen Blick durch das große Wohnzimmer schweifen. Ein Flachbild-TV an der Wand zu meiner Linken befestigt. Ein flacher Holztisch direkt vor mir. Lege eine Akte auf diesen ab. Darin stehen die Details meines Auftrags. Kaleido hat ihn mir gegeben, als ich diesem zugestimmt habe. Einige Zimmerpalmen an den Ecken verteilt. Hinter meinem Sofa ein Fenster, dessen Rollläden ich vorsorglich heruntergelassen habe. Brauche das Licht nicht anzuschalten. Sehe auch in der Dunkelheit durch meine Augen genug, um die notierten Details meines Auftrages nochmals durchlesen zu können. Habe mir das Ganze bereits angeschaut, als Kaleido mir diese in einem braunen Umschlag befindliche Akte gegeben hat.
„Zu Eliminieren und Zielgegenstand in Gewahrsam nehmen", lese ich mir leise vor. Ein Bild ist darunter zu sehen. Eine jung wirkende Frau. Kurzgeschorene Haare. Nur das Gesicht ist zu sehen. Kleine Stupsnase. Helle Augen. Kann die Augenfarbe nicht deuten. Dünne, mit wahrscheinlich rotem Lippenstift geschminkte Lippen.

Ein paar Notizen darunter.
„- Name: Saskia V.
- Alter: 33
- Gehört zum Orden der weißen Säuberung.
- Standort: Junghafen , St. Michaels Kirche
- Keine Kräfte
- Kämpft mit bloßen Händen
- Zielobjekt: „Duplikator", fahre ich leise fort. Noch ein weiteres Mal lese ich mir das Dokument durch. Unter dem Zielgegenstand befindet sich ein Bild des Objektes.
„Sieht aus, wie so eine Gießkanne", kommentiere ich das angefügte Bild.
Duplikator? Seltsam", höre ich Lars murmeln. Nicke. Sehe ich auch so. Vermute, dass dieses Ding alles, aber keine normale Gießkanne ist. Dazu ist das Interesse daran zu lächerlich hoch. Niemand würde jemanden für so ein verficktes Ding umbringen lassen.
Wo geraten wir da nur wieder rein? Nur weil du unbedingt diesen Seeker aufsuchen mu-"
„Fang nicht wieder damit an, Lars!", blaffe ich ihm dazwischen.
Und wofür!? Damit du jemanden zurückbrin-"
„Halt deine gottverdammte Fresse, oder ich schwöre bei allem was mir heilig ist", knurre ich wütend.
Was willst du tun? Ich bin deine scheiß zweite Persönlichkeit, Alter!", spottet Lars. Spüre den Zorn, der sich weißglühend durch meinen Geist brennt.
„Die letzte Erinnerung vernichten", gebe ich kalt zurück. Stille tritt ein. Die letzte Erinnerung an unser „altes Leben". Ein Bild von Mutter und Vater. Trage es seit jeher in meinem Rucksack mit mir herum. Lars zuliebe. Sichert mir seine Unterstützung. Stille hält an.

„Besser ist", beende ich unseren Disput lächelnd und nehme einen großen Schluck aus der durchsichtigen Wasserglasflasche. Danach lese ich mir ein letztes Mal die Akte meines mitleiderregenden Zieles durch. Junghafen. Nur zwei Orte weg von hier. Erinnere mich an einige Morde, die ich dort begangen habe. Erneute wohltuende Gänsehaut über meine Arme.
„Wir sollten schlafen gehen. Morgen wird ein spannender Tag", sage ich, mich ein weiteres Mal streckend.
Bin am nächsten Morgen eher früh auf den Beinen. Circa 5 Stunden geschlafen. Reicht für mich. Gehe während des Frühstücks ein weiteres Mal die Details des Auftrages durch. Will mir alles an Infos, was ich bekomme, vollkommen verinnerlichen. Immer wieder stolpere ich über den seltsamen Namen des ominösen Ordens.
„Orden der weißen Säuberung", murmele ich leise vor mich hin. Frage mich, was es mit denen auf sich hat. Habe noch nie von denen gehört. Aber wenn das Syndikat eine von ihnen tot sehen will, dann gehören die wohl auch nicht unbedingt zu Friedensnobelpreis-Kandidaten. Kann mir letztendlich auch egal sein. Sie soll sterben. Diese komische Gießkanne soll mitgenommen werden. Dann komme ich zum Seeker. Hoffentlich. Sollte mich Kaleido verarschen, töte ich den halt auch. Aber wie komme ich dann zum Seeker? Verpasse mir selbst eine unangenehme Ohrfeige. Kann es mir nicht leisten zu grübeln. Irgendwie finde ich einen Weg ihn zurückzuholen. Überprüfe in der Küche meinen Vorrat an Skalpellen. In einer langen hölzernen Zigarettenbox, die auf der schwarz glänzenden Küchenzeile liegt, befinden sich gerade mal noch vier meiner scharfen Lieblingsmordwaffen.
„Reicht noch für den Auftrag. Danach muss ich mir Nachschub holen", grummel ich genervt zu mir selbst. In Gedanken füge ich hinzu: „Hoffentlich will der mir nicht wieder irgendwelche Klappmesser andrehen. Oder andere klischeehafte Fleischmesser-Hackebeil-Prototypen" In einer zweiten Zigarettenbox, die auf dem verkramten Essenstisch hinter mir steht, bewahre ich meine Lähmspritzen auf. Prallgefüllt. Die gelbe Flüssigkeit innerhalb der Einwegspritzen scheint mich förmlich anzuschimmern. Das Syndikat versorgt zuverlässig, wenn das Geld stimmt. Als ich auch meine mittlerweile matt-silberfarbene M1911 und deren Magazin auf Funktionalität und Vollständigkeit überprüft habe, ziehe ich mir meinen braunen, abgetragenen und an manchen Stellen bereits löchrigen Staubmantel über, um mich dem Auftrag zu widmen. Packe alles, was ich brauche zusammen. Vier Skalpelle. Drei Lähmspritzen. Diese verschwinden in meiner Manteltasche. Befestige meinen Pistolenhalfter samt Waffe an meine rechte Hosengürtelseite.

Verlasse mein Versteck. Strahlender Sonnenschein. Muss meine Augen zusammenkneifen. Brauche einige Sekunden, um mich an das blendende Sonnenlicht zu gewöhnen. Tippe eine Nummer auf mein Handy. Eine Stimme antwortet.
„Bin soweit", sage ich knapp und lege auf. Schätzungsweise 15 langweilige Minuten später, sitze ich in einem blassgelben, typisch deutschen Taxi. Brauche kein Wort zu sagen. Die ältere Dame, welche das Auto fährt, weiß wohin ich muss. Auffälligerweise gibt es kein Taxameter, das mir den Preis der Fahrt anzeigt. Die ältere Fahrerin scheint meinen Blick bemerkt zu haben.
„Die Fahrt geht auf Kosten Ihres Arbeitgebers", beantwortet die grauhaarige, untersetzte Frau meine nicht gestellte Frage. Hebe kurz meine Augenbraue, ehe ich mich anschnalle und zurücklehne. Gehe während der Fahrt im Kopf die spärlichen Informationen durch, die mir gegeben worden sind. Weiß nicht, ob sie alleine ist. Wie ihre Tagesroutine aussieht. Blicke in die Wiesenlandschaft. Schweife mit dem Blick ab. Vorfreude beginnt sich in mein permanentes Grübeln zwischenzudrängen. Verziehe meine trockenen Lippen zu einem Lächeln.
„Erster Auftrag für das Syndikat?", fragt die Dame mit leicht brüchiger Stimme neugierig. Werde durch die Frage ins Hier und Jetzt zurückgeworfen. Aus dem Rückspiegel blickt mich kurz ein braunes Augenpaar an.
„Kein Auftrag", beginne ich. Keine Ahnung, wer diese Schachtel ist, aber sie wird ebenfalls für das Syndikat arbeiten. Vielleicht ist sie ja wirklich eine Taxifahrerin, aber kutschiert nebenher Leute wie mich umher. Natürlich nur, wenn sie für dieselbe Organisation arbeiten. „Eher ein Gefallen", beende ich kurz angebunden meinen begonnenen Satz.

Der Rest der Fahrt verläuft wieder so, wie ich es am Liebsten habe. Wortlos. Gedanken schweifen solange umher, bis ein gelbes Ortsschild am Fenster vorbeizieht. Junghafen. Kleine, eher neuere Ortschaft. Nach der Halbapokalypse aufgebaut, wenn ich mich nicht täusche. Egal. Vorfreude steigt immer weiter. Darf mich gleich austoben. Kein einziger Mensch auf den Straßen. Seltsam. Selbst für diese frühe Uhrzeit. Auto kommt zum Stehen.
„Viel Erfolg, junger Mann. Wenn Sie wieder nach Hause möchten, einfach die Nummer wählen" Nicke stumm. Steige aus dem Wagen. Es braust davon. Schaue mich um. Keine einzige Menschenseele. Nur hier und da ein Einkaufsladen, eine Sparkasse und ein paar Wohnhäuser. Vor mir eine rund gebaute, grau-braune Kirche, deren dunkel stählerne Eingangstür offen steht. Eigenartig. Das alles gefällt mir überhaupt nicht. Greife in meine Manteltasche. Berühre den kalten Stahl meiner Skalpelle um mich zu beruhigen. Setze meine ersten Schritte in die nicht sonderlich einladend wirkende Kirche. Der kleine, mit weinrotem Teppich ausgelegte Eingangsbereich des Gotteshauses endet einige Schritte weiter vor einer ebenfalls offenstehenden mattbraunen Holztür. Betrachte im Vorbeigehen die angehängten Bilder rechts und links von mir. Bilder von Jesus und anderen Bibelspastis.

Betrete einen riesigen Kirchensaal. Säuberlich aufgereihte Sitzbänke. Dunkel mit Rückenlehne. Die betenden Vollidioten sollen es ja gemütlich haben, wenn sie ihrer Heuchelei nachgehen. Rechts und Links an den Wänden – hoch hängende Emporen mit Sitzplätzen. Ganz vorne. Der „heilige" Altar. Epizentrum der Doppelmoral. Alte von Nächstenliebe predigende Männer, deren Nächsten ihre Minderjährigen Mitglieder sind. Spucke angewidert zu Boden, während ich durch die Bankreihen entlang schreite. Da fällt mir ein dunkelhaariger, kurzgeschorener Kopf auf, der über einer Rückenlehne in der vordersten Reihe herausragt. Herz hüpft freudig. Beute gesichtet. Die junge Dame hat ihren Blick scheinbar auf das irrwitzig große Kreuz gerichtet, an dem eine Figur hängend eingearbeitet ist, die Jesus darstellen soll. Nehme Anlauf. Renne los. Springe auf die leicht erhobene Tribüne. Schreite hinter das Redepult. Breite die Arme aus.
„Enomine-Dui-Wirstibus-Baldigus-Sterbikus", rufe ich lauthals. Hoffend, dass es ordentlich durch den Saal schallt. Starre dabei die durchaus hübsche Frau an. Sie hat gar nicht das Kreuz angeschaut, sondern ihre Augen zum Gebet geschlossen. Langsam öffnet sie sie. Schaut mich wortlos an.

„Nimm es mir nicht übel, doch jemand verlangt deinen Tod", gebe ich etwas ruhiger zurück und trete hinter dem Redepult hervor.
„Das Syndikat hat demnach beschlossen, ihren Waffenstillstand endgültig zu brechen", erwidert meine zierliche Zielperson so gelassen, als wäre das hier ein entspannter Nachmittagsplausch. Hüpfe von der Tribüne. Stelle mich direkt vor sie. Schaue auf sie herab.
„Keine Ahnung. Kann sein. Bin nur ausnahmsweise der Laufbursche. Keine Ahnung, was du oder dieser komische Orden dem du angehörst für Angelegenheiten mit dem Syndikat hast. Ist mir auch ziemlich egal. Jedoch", setze eine kurze Pause, lege meinen Kopf ein wenig schief und breite meinen Mund zu einem hoffentlich diabolischen Grinsen aus. Fahre fort: „Kannst du mir vorher sagen, wo sich der Duplikator befindet?" Stille antwortet. Eisige, kalte, jedoch nur kurz andauernde Stille. Saskia lässt ihren eisblauen Blick auf mich gerichtet.
„Im Nebenraum", erwidert meine Beute mit lächerlich entspannter Stimme. Irgendetwas passt hier nicht zusammen. Das geht viel zu einfach. Mein Lächeln schwindet.
„Warum verrätst du mir das?", frage ich ehrlich neugierig und spanne meinen Körper an.
„Weil mein Orden mir die Ehrlichkeit vermacht hat", antwortet sie freundlich sanft und nun ist sie es, die mich anlächelt. Nicht bösartig. Sondern eher liebevoll. Warm. Der karmesinrote Lippenstift trägt zu diesem eigenartigen Bild deutlich bei. Was zum Teufel soll das!? Ziehe eines meiner Skalpelle hervor. Packe ihren Kopf. Drück ihn nach hinten, sodass ihr Kehlkopf deutlich zum Vorschein kommt. Setze mein Skalpell an.
„Du scheinst nicht zu verstehen, was gleich mit dir passieren wird!? Werde dir verfickt nochmal die scheiß Kehle aufschneiden!", brülle ich sie in verwirrter Wut an. Hatte mir das Ganze hier anders erhofft.

„Ich weiß das, mein lieber Sleepless", erwidert sie zwar mit gedrückter Stimme, jedoch ist diese unverändert freundlich. Sie kennt meinen Namen!? Woher? Aber was noch wichtiger ist.
„Warum zum Teufel wehrst du dich dann nicht!? Bekämpfe mich! Mach es mir spannend!", schreie ich sie außer mir vor Zorn an und beginne ein wenig in die Halshaut zu ritzen. Nicht tief. Will ihr nur verdeutlichen, dass ich es ernst meine.
„Weil du nicht zu denen gehörst, die ich jage", sagt Saskia so wohlwollend, dass mir beinahe schlecht wird. Wovon zum Teufel redet sie da!?
„Was meinst du damit, dass ich nicht zu denen gehöre, die du jagst!?", blaffe ich sie an und bohre die schneidende Seite meines kalten Stahls ein wenig in die entstandene Wunde. Ein minimaler Blutfluss entwickelt sich und fließt gemächlich ihren Hals hinunter.
„Du bist ein Mensch", ist ihre knappe Antwort darauf. Diese Antwort überrascht und erzürnt mich zeitgleich. Alles, was ich noch zu sagen habe, ehe ich meiner devoten Beute die Kehle durchschneide: „Gerade darum töte ich dich

Der Schnitt ist gesetzt. Für gewöhnlich würde der Mensch sich nun die Wunde zuhalten. Verzweifelt hoffend, ihrem unausweichlichen Tod zu entgehen. Dieses Mal jedoch nicht. Sie lässt alles geschehen. Klar, sie röchelt nach Luft. Aber alles an ihr scheint mir zu sagen, dass der Tod jeglichen Schrecken verloren hat.
„Du bist seltsam. Wenn der ganze Orden so drauf ist, habt ihr keine allzu lange Existenzwahrscheinlichkeit", sage ich ihr, während sie mich röchelnd anschaut. Für einen Augenblicke könnte ich schwören, dass sie mich noch einmal angelächelt hat, ehe sie diese Welt verlässt. Betrachte unbefriedigt mein Werk. Habe irgendwie mehr erhofft. Seltsame Frau. Kann nicht anders, als Respekt vor ihr zu haben. Auf eine seltsam verschrobene Art und Weise. Mir ist noch nie ein so tapferer und prinzipientreuer Mensch begegnet.
„Was meinte sie damit, dass sie mich nicht bekämpft, weil ich ein Mensch bin?"
Vielleicht hat sie ja Kreaturen gejagt? Geister oder so?", antwortet Lars nachdenklich.
„Gut möglich. Aber hey. Mission erfüllt", sage ich schulterzuckend und stecke mein blutiges Skalpell wieder ein. Jedoch nicht, ohne vorher das Blut von der Klinge abzulecken. Wenigstens das ist nicht enttäuschend. Gott, wie ich diesen Blutgeschmack liebe.
Zücke danach mein Handy. Schieße ein paar Fotos von der Leiche. Schicke sie als Anhang an dieselbe Nummer, die mir vorhin auch das Taxi geschickt hat. Zeit, den dubiosen Duplikator zu holen. Wie Saskia gesagt hat, befindet sich ein Objekt, dass wie die Gießkanne auf dem Bild in der Akte aussieht im Nebenraum direkt zu meiner Rechten. Zusammen mit einigem anderen eher nutzlosem Zeug. Eine kleine Rumpelkammer mit ein paar Stühlen, Bibeln, einer Kollekte und etlichem anderen Zeug. Und auf einem der Stühle. Die Gießkanne. Packe sie am Griff und hebe sie in die Luft. Nichts ungewöhnliches passiert. Schieße ein Foto von dem Ding und schicke es ebenfalls an die Nummer. Keine zwei Minuten später eine Nachricht.
„Gute Arbeit. Taxi ist auf dem Weg" Zeit zu verschwinden. Was für ein seltsamer Start in den Tag.

Das Taxi wartet bereits auf mich, als ich die Kirche verlasse. Darin sitzt nicht nur die ältere Dame. Auch Kaleido befindet sich in dem blassgelben Wagen. Er öffnet mir die Tür von innen und rutscht auf die andere Seite. Setze mich neben ihn und schließe die Autotür. Wieder ist kein Wort notwendig. Die Fahrerin fährt augenblicklich los, als ich mich angeschnallt habe. Überreiche wortlos die Gießkanne.
„Ah. Der Duplikator", haucht Kaleido so respektvoll, als würde er den verdammten heiligen Gral in Händen halten. Ach verdammt. War zu lange in dieser Kirche. Denke schon in biblischen Metaphern. Ist das Ding überhaupt biblisch?
„Gute Arbeit, Sleepless", sagt mein Auftraggeber lobend und nickt mir anerkennend zu. Aus den Gedanken gerissen frage ich ihn, was das Ding überhaupt kann.
„Wenn man den Informationen glauben schenken darf, kann er Lebenszeit halbieren und verdoppeln", erwidert Kaleido fasziniert. Hebe ungläubig eine meiner Augenbrauen.
„Hab ja schon einiges gesehen. Gesichtslose Tentakelviecher. Typen mit weggeätzten Augenlidern oder blauen Masken, aus denen schwarzer Scheiß glibbert. Katzenfrauen. Halbdämonen. Aber so etwas ist mir wirklich noch nie untergekommen", erwidere ich fast schon spottend. Kaleido streicht über seinen Bart, bevor er herzlich zu lachen beginnt und mir kumpelhaft auf die Schulter klopft.
„Wenn der Seeker danach sucht, wird da schon was dran sein"
„Der Seeker will das Di- nun verstehe ich. Wir brauchen einen Gegenstand zum Tausch?", frage ich, als mir der Verdacht während des Sprechens aufkommt. Mein Auftraggeber nickt mir lächelnd zu. Dann ist dieses Objekt nicht für das Syndikat. Das alles hat nur dem Zweck gedient, dass ich etwas habe, dass ich eintauschen kann. Soweit komme ich mit. Aber was ist mit Saskia? Was hat sie damit zu tun? Hat sie das Objekt beschützt? Wenn ja, dann offenkundig nicht sehr effektiv. Das Ganze verwirrt mich mehr, als dass es mir Antworten bringt.
„Das heißt"
„Genau, mein Guter", beginnt Kaleido wohlwollend grinsend „wir beide fahren nun zum Seeker"  

Bevor Sleepless ins Taxi einstieg

„Guten Tag, mein Lieber"
„Was gibt's?"
„Gute Nachrichten. Sleepless hat es erledigt"
„Beides?"
„Ja. Saskia ist tot. Wie du wolltest"
„Gut"
„Sleepless wird enttäuscht sein. Saskia hat keine wirkliche Bedrohung dargestellt"
„Ihr Tod war notwendig"
„Dir ist bewusst, warum Sleepless zum Seeker will?"
„Ich habe einige unschöne Vorahnungen, Kaleido"
„Er wird ihn wahrscheinlich zurückholen wollen"
„Wahrscheinlich. Sleepless ist geradezu besessen von ihm"
„Das geht nicht gut"
„Nein"
„Was wirst du tun?"
„Beobachten"
„Schließlich ist Sleepless ja dein Projekt, mein lieber Einauge"
Damit endet das Telefonat. Kaleido bemerkt den aus der Kirche kommende Sleepless und öffnet diesem die Taxitür.

Fortsetzung folgt...  

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