Red Christmas
Kapitel 1: Ein kranker Feind
Heiligabend. Ein Abend voller Wunder. Besinnlichkeit gepaart mit Zusammenhalt. Abendliches Zusammensitzen mit der Familie. Dem Partner. Freunden. Was für eine Scheiße...Habe weder Familie noch eine Partnerin. Bin verdammt froh darüber. Der Einzige, der mit mir zu dieser Zeit um die Häuser zieht; Ein blonder, einäugiger Kerl, der der Einzige ist, den ich als "Freund" bezeichnen kann. Sein Blick fest auf unseren Weg gerichtet, welcher durch die verschneite Innenstadt führt.
"Warum nochmal sind wir Nachts zu dieser beschissenen Kälte unterwegs, Sleepless?", fragt mich Einauge frierend. Muss grinsen.
"Weil wir diesen Freak jagen.", erwidere ich knapp und belustigt bei dem Gedanken. Gestern hat mich ein anonymer Tipp von Nadja, der Bardame aus meiner Stammbar erreicht. Ein als Weihnachtsmann verkleidetes Wesen soll sich in dieser Stadt herumtreiben und zum Festabend Kinder entführen. Nicht nur entführen. Jämmerlich abschlachten und dessen Haut und Haare an die Eltern zurücksenden.
"Kranke Scheiße...", kommentiert Einauge, der sich ebenfalls an die Missionsdetails zu erinnern scheint. Nicke zustimmend.
"Irgendeine Idee, wo wir mit der Suche anfangen sollen, du Rächer der Kinderseelen?" Wir lachen beide. Nur habe ich tatsächlich keine Idee. Bedenke meinen Kompagnon mit einem Seitenblick.
"Du bist doch der mit den angeblichen Connections. Sag du es mir.", antworte ich mit grinsender Herausforderung. Einauge beginnt leise zu glucksen. Er verschweigt mir viel. Dieser Kerl ist niemals so harmlos, wie er zu sein vorgibt. Aber das ist ok. Er ist nützlich und loyal. Reicht mir.
"Hier gibt es eine andere Bar. Dort werden nützliche Informationen zum Tausch von anderweitigen nützlichen Informationen gehandelt.", erklärt der Einäugige munter.
"Haben wir nützliche Informationen?", gebe ich zu bedenken. Mein Begleiter erwidert darauf nichts, sondern schaut mich an und grinst. Dieser Teufel.
Eine halbe Stunde Fußmarsch. Habe das Gefühl, dass mir die Eier abfrieren. Den Schal fest um mein Gesicht gewickelt, sodass nur meine leuchtenden verschiedenfarbigen Augen zu sehen sind. Wie hält es Einauge nur mit dieser offenen violetten Robe aus!? Da fallen mir allein vom hinsehen vor Frost die Finger ab.
"Alter, du holst dir noch den Tod mit dieser leichten Kleidung.", sage ich grinsend. Mein Schal dämpft meine Stimme. Leicht silbriger Dampf verlässt den Stoff meiner halbwegs wärmenden Vermummung. Einauge lacht schallend auf.
"Tut mir leid, Papa.", kommt von ihm zurück. Zeige ihm den Mittelfinger. Biegen nach links ab. Ein leuchtendes Schild mit dem Namen "Zur blutenden Leber", kommt in Sichtweite.
"Im Ernst!?", spotte ich in Anbetracht des Barnamens. Mein Kompagnon zuckt lediglich mit seinen breiten Schultern. Dann öffnet er die Glastür und die warme stickige Luft schlägt mir wie eine übel stinkende Gasfaust ins Gesicht. Ein widerlicher Geruchsmix aus verschiedensten alkoholischen Getränken, Zigarettenrauch, Gras, Urin, Kotze und Schlimmeren gibt mir eine fast unwiderstehliche Verlockung zum Erbrechen.
"Widerlich...", murre ich, während ich meinen Schal langsam abwickele. Der Augenklappenkiller nickt zustimmend. Die Bar ist vollbesetzt. Nur vereinzelt finden sich freie Plätze. Glücklicherweise entschließen sich zwei großgewachsene Schlägertypen, ihren Platz an dem Tresen zu verlassen. Nicke zu den Barhockern. Setzen uns auf Selbige. Der Barkeeper starrt mich unentwegt an. Hat mich wahrscheinlich erkannt. Grinse diabolisch und bedeute ihm, sich zu uns zu begeben.
"Hätte ich gewusst, dass wir prominenten Besuch bekommen, hätten wir eine Bekanntmachung gegeben.", spottet der Barkeeper seltsamerweise. Irgendwie ist sein Blick von eben nicht passend zu der Aussage.
"Irgendwas stimmt hier nicht.", flüstert mir Lars im Kopf. Den gleichen Gedanken habe ich eben auch gehabt.
"Red keinen Scheiß, sondern bring mir lieber 'ne Bloody Mary. Und für den Zyklopen neben mir ein Dunkelbier.", fordere ich barsch, während sich Einauge neben mir in der Bar umsieht. Der schlanke, bebrillte Barkeeper zieht nickend von dannen.
"Potentielle Gefahr?", murmele ich zu Einauge.
"Nichts, was wir zwei nicht zu erledigen wissen. Mir macht nur diese gesprächige Ruhe sorgen.", erwidert der Angesprochene nachdenklich. Jetzt wo er es sagt. War schon in so einigen zwielichtigen Spielunken. Zwar sind dort stets andere Personen, aber niemals ein anderes Klima gewesen. Drückend. Angespannt. Laut. In stetiger Erwartung einer Eskalation. Hier wirkt die Szenerie fast schon entspannt. Hier sind ganz klar Leute der Unterwelt. Schlägertypen. Kleinkriminelle. Ein oder zwei höherrangige Bandenmitglieder. Dazu würde lautes Gelächter, betrunkenes Gelalle und sonstiges passen. Aber keine ruhige Kaffeeklatschatmosphäre.
"Du hast Recht.", gebe ich knapp zurück. Kurze Zeit später stellt der Barkeeper, wie beordert, meinen blutroten Drink und Einauges schwarzes Bier ab.
"Wir wollen einen Informationsdeal.", sagt mein Begleiter sofort, als die Drinks zu uns gelangt sind. Der Barkeeper bedenkt uns einige Momente lang mit einem schweigenden Blick.
"Was habt ihr anzubieten?", erwidert er mit einem interessierten Blick auf mich. Kann mir denken, dass brisante Informationen über mich durchaus von Nutzen für andere sein können. Einauge holt aus der Innentasche seiner violetten Robe einen Briefumschlag hervor.
"Informationen über meine Anführerin.", erwidert er knapp und lässt das Papier über den Tresen gleiten. Hebe meine Augenbrauen. Durch meine lange Zeit mit Einauge und viele unerzählten Begebenheiten, weiß ich von Einauges Tätigkeiten. Er hat mir erst einmal etwas über seine Anführerin, Melissa erzählt. Ist nicht seine Art, Informationen über sich selbst und / oder anderen seiner Organisation preiszugeben.
Der Barkeeper nimmt den Umschlag interessiert an und beginnt den Inhalt zu studieren. Als er endet, wirkt sein Gesicht ziemlich selbstzufrieden. Hasse sowas. Habe gerade nicht wenig Lust, ihm seine verschissene Drecksvisage mit meinem Skalpell zu ruinieren. Nippe stattdessen an meiner Bloody Mary und spüre, wie der brennende Vodkaanteil meine Speiseröhre hinabrinnt.
"Ok. An was für Informationen seid ihr beiden interessiert?", kommt der Barkeeper zum Punkt. Nun bin ich derjenige, der redet:"So ein Freak, der sich Weihnachten als Weihnachtsmann verkleidet, Kinder entführt, abschlachtet und unvollständig zu ihren Eltern zurücksendet. Wir wollen seinen Namen.", sage ich kalt. Starre den Barspasten in seine dunklen Augen. Er zögert. Seine Augenlider zucken. Der Kerl starrt auf etwas hinter uns. Seufze schwer.
"Wer will was über den Sammler hören?", krächzt eine tiefe raue Stimme hinter uns. Langsam und fast gleichzeitig, drehen mein Partner und ich uns um. Sehe mich der Personifizierung des Wortes grobschlächtig gegenüber. Ein Hüne. Breite Schulter. Mindestens zwei Meter Körperlänge. Grauer Vollbart. Schwarze Bikerkutte. Zerrissene Bluejeans. Schwarze Springerstiefel. Einauge und ich schauen uns kurz an. Kurzes Grinsen über unser beider Münder.
"Und da dachte ich, dies sei die erste Bar, in der uns kein Stress erwartet.", kommentiert mein Partner die Lage schnippisch.
"Hätte es nicht besser sagen können.", pflichte ich ihm grinsend bei. Wir erheben uns von unseren Plätzen. Ziehe eines meiner Skalpelle. Liebe diese Dinger so sehr. Einauge zerschlägt sein Bierglas auf dem Tresen und hält den scherbenbesetzten Rest in die Richtung unseres Gegenübers.
"Toll. Frischfleisch.", brummt der Hüne freudig erregt und knackt mit seinem Hals. Die Gesamtheit der Bar hat ihre Aufmerksamkeit auf uns gerichtet. Bin das durchaus gewohnt. Hier ist es anders. Normalerweise ist es Gespanntheit. Aufregung und dergleichen, die die Gäste beseelt. Dieses Mal wirkt es, als würde sie über uns urteilen. Als seien die Anwesenden Jurymitglieder eines Showkampfes. Was zum Teufel wird hier gespielt...
"Faustschlag von links", warnt mich Lars vor. Einen Moment später fliegt dessen Faust. Weiche ihm spielend mit einem seitlichen Dreher aus. Verpasse dem Schläger Schlitzer mit dem Skalpell in die Hüfte. Keine Reaktion. Kein Keuchen, stöhnen oder ächzen. Er nimmt meinen Treffer kommentarlos hin.
Der Tritt unseres Feindes trifft Einauge in die Seite. Dieser taumelt etwas.
"Konzentriere dich, Alter.", höhne ich grinsend.
"Ich habe keinen, der mir Angriffe voraussagt, du Genie.", erwidert Einauge, der sich schnell wieder fängt und auf den Gegner zustürmt. Er holt zum Angriff aus und ehe mein Kompagnon mit den Scherben zustößt, befindet er sich innerhalb eines Wimpernschlages hinter unserem Ziel. Ein Hieb. Scherben vereinen sich mit Rückenfleisch. Blut beginnt hinterrücks auf den holzigen Boden der Bar zu tropfen. Keine Reaktion. Der scheinbar schmerzresistente Hüne schaut mich verständnislos an.
"Alter. Bist du ein Zombie oder sowas in der Art?", sage ich etwas amüsiert und verwirrt zur gleichen Zeit.
"Ihr werdet dem Sammler nicht zu nahe kommen.", krächzt der Große dümmlich dahin. Verdrehe meine Augen. Hirnlose aber loyale Schläger. Auf sowas legen Kriminelle wert? Kein Wunder, warum viele leichte Beute abgeben. Seltsam aber, dass er wohl keinen Schmerz spürt. Dann halt anders. Ziehe meine Pistole.
"Sag uns lieber freiwillig, was wir wissen wollen.", drohe ich ihm und ziele auf seine hirnlose Fresse. Einauge steht mittlerweile wieder neben mir. Auch er hat eine Pistole gezogen und hält sie auf den Großen gerichtet. Die Barkundschaft beginnt zu lachen. Jeder lacht über uns. Dann begreife ich es. Es sind keine einzelnen Kriminellen. Sie gehören alle zusammen. Und wenn mich nicht alles täuscht...Einen Versuch ist es wert. Schwenke meine Waffe zu einem wichtig aussehendem Kerl im Nadelstreifenanzug. Sein Lachen erstirbt im Klang der abgefeuerten Waffe. Blut und Hirnmasse verteilen sich in der Bar und auf den Leuten in dessen unmittelbaren Umgebung.
"Alter, der war nicht unser Ziel", maßregelt mich Einauge.
"Entspann dich.", gebe ich konzentriert zurück, ziele mit der Pistole auf den nächsten etwas wichtig aussehenden Kerl. Die Bar gerät in Panik.
"Vorsicht. Schlagfolge Links, Rechts, Rechts.", alarmiert mich Lars. Weiche Grinsend den Schlägen des Hünen aus und schneide ihm in der ausweichenden Bewegung, mit der Klinge den rechten Arm auf. Wie erwartet keine Reaktion, doch in der Hast seiner Angriffsabfolge ist etwas interessantes zu erkennen. Lars hilft mir beim Zielen. Ein weiterer Schuss. Der nächste wichtig aussehende eklige Kerl ist zu einem Schweizer Käse geworden. Nun rastet der Hüne völlig aus. Unkontrolliert prügelt er auf Einauge und mich ein. Schaffe es seinen unkontrollierten Schlägen Einhalt zu gebieten. Mein Kollege hat sich in Sicherheit teleportiert. Der Riese wird allmählich müde. Seine Bewegungen langsamer. Meiner Chance. Tausche mein Skalpell gegen eine Lähmspritze. Jage sie ihm gezielt in die Vene. Lars macht's möglich. Augenblicklich erstarrt mein Gegner. Hätte es früher tun können, nur hätte das Gift bei einem fitten Hünen keinen durchschlagenden Erfolg gehabt.
Da liegt er nun. Unser großer hirnloser Schlägeraffe. Richte die Pistole auf ihn. Erinnere diese Bar daran, wer ich bin. Wozu ich fähig bin. Die Krankheit befällt auch diese Unwürdigen. Mehrere Schüsse. Ohrenklingeln. Der Kopf des Hünen platzt. Bekomme unglaublich viel Lebenssaft ab. Es beflügelt mich. Gott, wie ich diesen Blutgeruch liebe. Muss mich beherrschen, nicht in völligen Blutrausch zu geraten. Die Barkundschaft hat inzwischen das Etablissement verlassen.
"Du kranker Wichser.", sagt Einauge munter grinsend, als er mein Werk betrachtet. Muss lachen. Er auch.
"Wir haben, was wir brauchen.", erwidere ich und blicke zum Tresen. Der Barkeeper ist ebenso verschwunden. Das ist alles, was ich wissen muss.
Kapitel 2: Sammelwahn
"Was zum Fick sollte das mit den anderen Toten, Sleepless!?", fragt mich Einauge, als ich in unserem Versteck frisch geduscht und neu eingekleidet aus dem Bad komme. Hat ihn wohl keine Ruhe gelassen. Ist zwar erst eine Stunde her, dennoch fühlt es sich wie gestern an. 19:40 Uhr zeigt meine Handy-Uhr an.
"Ist dir nicht aufgefallen, dass alles ruhig war, solange wir von dem Schlägerspacken abgelenkt worden sind?", beginne ich mit ruhigen Worten zu erklären. Einauge streicht sich über seinen Drei-Tage-Bart. Gebe ihm die Zeit, den Kampf revue passieren zu lassen.
"Jetzt wo du es sagst."
"Genau. Mir ist während des Kampfes ein Gedanke gekommen. Was, wenn der "Sammler" schon die ganze Zeit vor Ort gewesen ist? Der Hüne sein Bodyguard gewesen ist oder so etwas in der Art.", führe ich meinen Gedankengang fort und ziehe mir meine braune Lederjacke über.
"Du wolltest rausfinden, ob sich der Hüne vor die Kugel wirft, wenn du mit der Waffe durch die Bar schwenkst. Darum hast du auch die abgeknallt, die aussahen, als seien sie wichtig.", schlussfolgert Einauge und mit jedem Wort breitet sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. Lächele ich zustimmend an. Doch das Grinsen meines Partners erstirbt sehr schnell.
"Aber dem war nicht so. Du hast die beiden, die aussahen wie wichtige Leute, abgeknallt und das einzige, was passierte, war das Ausrasten vom Pseudo-Frankenstein.", gibt Einauge zu bedenken. Mein Lächeln bleibt.
"Du vergisst jemanden. Der Hüne hätte sich vor die Waffe geworden, wenn ich den richtigen anvisiert hätte. Was aber, wenn sich der Sammler die ganze Zeit hinter uns befunden hätte..."
"Der beschissene Barkeeper...", platzt es aus Einauge hervor, der mit einem Mal stocksteif auf dem Sessel sitzt. Nicke zustimmend.
"Du Genie...", brummt Einauge erstaunt, kommt zu mir und klopft mir anerkennend auf die Schulter. Im nächsten Augenblick stehen wir in einem mattbeleuchteten Hausflur. Einauge hat mich direkt zum Aufenthaltsort unserer Zielperson gebracht. Wenn er einmal das Gesicht gesehen, Hautkontakt oder den wahren Namen einer Person erfahren hat, ist er in der Lage sich zu dessen Position teleportieren zu können. Praktisch diese Informanten-Fähigkeit. Im Wohnzimmer, direkt hinter der verschlossenen Tür zu unserer Rechten, sind hektische Geräusche zu hören. Poltern. Rascheln. Nicke Einauge zu. Trete die scheiß Tür ein. Im Wohnzimmer spielt sich groteskes ab. Ein dünner, als Weihnachtsmann verkleideter Kerl, der ein zappelndes Kind über seine Schulter hält. Daneben zu seinen Füßen. Die Eltern. Blutend aber noch am Leben. Sind noch nicht zu spät. Der Sammler blickt uns erschrocken an.
"Sleepless. Einauge. Das schlimmste Duo der Unterwelt. Ihr habt mich gefunden. Was wollt ihr tun? Mich töten!?", spricht der Hurensohn mit schriller Stimme, wirft das Kind achtlos zur Seite und stellt sich uns entgegen.
"Mein Gegner. Schaff das Kind und die Eltern hier raus.", sage ich leise zu meinem Kompagnon. Er nickt. Teleportiert sich zu den Opfern und danach mit ihnen zusammen davon. Der Sammler knurrt bestialisch.
"Du bist ein Serienmörder. Nicht besser als ich. Oder die anderen Creeps. Was scheren dich Kinder? Eltern? Generell Menschen? Ich kenne deine Geschichte. Du bist dieser Welt nichts schuldig.", blafft der lächerlich kostümierte Pseudo-Weihnachtsmann verächtlich. Gehe einige Schritte auf ihn zu.
"Diese Welt interessiert mich auch nicht. Bin eine Krankheit. Ein Monster. Ein Raubtier. Die Eltern sind mir egal. Nur Kinder nicht. Sie tragen keine Schuld an der Verkommenheit dieser Welt. Ihnen etwas anzutun ist abartig.", erwidere ich angewidert und zücke zwei Skalpelle. Mein Feind lacht spöttisch. Macht sich über mich lustig. Mal sehen wie lange noch. Lasse das innere Raubtier freien Lauf. Stürme auf ihn zu. Bereit dieses Wohnzimmer mit seinen gottverdammten Eingeweiden zu schmücken. Mein Stahl trifft auf seinen Körper. Nicht. Es fühlt sich an, als treffe ich lediglich ins Leere. Aber er steht genau vor mir. Wie zum Teufel kann das sein!?
"Mein Körper verflüchtigt sich. Deine Angriffe wirken bei mir nicht. Schade, dass deine kleine Freundin Sunny nicht bei dir ist. Sie hätte eine reelle Gefahr für mich dargestellt.", blafft mein Feind bösartig und seine Fäuste prallen in meine Magengegend. Keuche auf vor Schmerz. Hätte fast meine Klingen fallen gelassen. Kann mich noch auf den Beinen halten. Was ist da oben los, Lars!? Warum hast du mich nicht gewarnt?
"Keine Ahnung. Ich habe nichts kommen sehen. Er verschleiert sich vor mir. Werde dir leider keine große Hilfe sein.", entschuldigt sich mein Alter Ego reuevoll. Blecke meine Zähne. Dann halt oldschool. Wenn er übernatürlich ist, wird schon bald ein ernsthaftes Problem bekommen. Richte mich wieder zu voller Größe auf. Werfe meine Lederjacke zur Seite. Krempele die Ärmel meines grauen Oberteils hoch.
"Ohhh. Macht der große Todesengel jetzt etwa ernst? Willst du mich per Hautkontakt etwa schwächen? Das wirkt zwar bei mir. Dafür musst du mich aber erst einmal in die Hände bekommen.", verspottet mich mein Feind und im selben Moment löst er sich in Luft auf. Der gesamte Raum wird matter. Es ist, als würde sich ein grauer Nebel über dieses Zimmer legen. Meine Augen huschen suchend durch den ganzen Bereich. Kein Anzeichen einer Manifestation wahrzunehmen. Plötzlicher Schmerz an meiner linken Schläfe. Werde zur Seite geschleudert. An der Wand taumelnd, knallt mir etwas mit voller Wucht ins Gesicht. Nervenbahnen kollabieren. Meine Schmerzrezeptoren überarbeiten sich. Adrenalin lähmt nicht schnell genug. Mir ist schwindlig. Etwas glitschiges rinnt über meinen Oberkörper. Mein Blut.
"Verteile es über deinen Körper, Raphael.", schlägt Lars in meinem Kopf vor. Gute Idee. Gesagt, getan. Beginne den Blutfluss mit meinen Händen über meine Arme, Hände, Shirt-Bereich und Gesicht zu verteilen. Ist leider nicht genug, um alles komplett abzudecken. Weiterer Schlag gegen meinen Arm. Er knackt lauthals. Wird taub. Schreie auf vor Schmerzen. Meine Skalpelle landen klirrend auf den Boden. Eine skurrile Erscheinung spielt sich vor mir ab. Etwas von meinem Blut scheint in der Luft zu schweben. Grinse breit. Schmiere mit meiner noch funktionierenden Hand Blut auf Selbige und greife zu der ansonsten unsichtbaren Erscheinung. Bekomme tatsächlich etwas zu greifen. Wische mein Blut auf alles, was sich nach Widerstand anfühlt. Ein animalisches Kreischen ist die Reaktion. Der Neben lichtet sich allmählich. Der Sammler in seinem beschissenen Weihnachtsmann-Kostüm wird sichtbar. Versucht sich das Blut aus seinem Gesicht zu wischen. Super Treffer.
"Du Hurensohn!", keift er von Sinnen. Schmerzattacken verhindern, dass ich mehr als ein Grinsen zustande bekomme. Hebe mit der funktionierenden Hand eines meiner zu Boden gefallenen Skalpelle wieder auf. Setze zu einem finalen Angriff an. Stürme los. Ramme meinen Feind mit der heilen Schulter zu Boden. Er keucht überrascht. Wird immer schwächer. Knie über ihn. Sein Blick: Von Todesangst gezeichnet.
"Sleepless. Jetzt warte einen Moment. Du hast gewonnen. Ich kann dich nicht besiegen. Das muss nicht so en-", weiter kommt er nicht. Hat mein Skalpell zu fressen bekommen. Schneide munter in seiner scheiß Fresse herum. Hab doch gesagt, dass ich ziemliche Lust habe, in seiner Visage herumzuschneiden. Schön, wenn man das bekommt, was man sich wünscht. So kann Weihnachten immer ablaufen. Nur kotzt mich sein Gejammer an.
"Egal ob übernatürliches Wesen oder jämmerlicher Mensch...Im Angesicht des Todes betteln sie alle um ihr Leben. Abartig.", erniedrige ich meinen gefallenen Feind. Er gibt blutgurgelndes Röcheln von sich. Halte ihm die Fresse plus Nase zu. Er erstickt jämmerlich, während sich seine Lunge mit Blut füllt.
Erschöpft nach Luft schnappend, lasse ich mich nach hinten fallen, doch erreiche nicht wie angenommen den Boden, sondern werde von kräftigen Armen gestützt.
"Guter Kampf, Sleepless.", sagt Einauge, der mich aufgefangen und auf die Beine gehievt hat, grinsend. Nicke schmerzgepeinigt. Als ich innerlich den Kampf revue passieren lasse, fällt mir etwas auf. Der Sammler sagte einen Satz über Sunny. Stimmt. Sunny ist tot. Alice ist tot. Einauge eigentlich auch.
"Stimmt. Something Worse hat uns alle umgebracht.", stimmt Einauge meinen Gedanken zu.
"Aber warum...warum bist du dann hier?", gebe ich schwach zurück. Werde langsam aber sicher müde.
"Weil du noch nicht aufgewacht bist. Wach auf....Wach...auf...", sagt eine Stimme. Eine Stimme die nicht die Einauges ist.
Epilog: Just a dream!?
Meine Augen reißen auf. Befinde mich in meinem Zimmer. Der mir bekannte Unterschlupf. In meinem Gesichtsfeld ein mittlerweile fast erwachsener Typ mit weißer Gesichtsmaske und zerschlissenem Anzug. Er ist über mich gebeugt. Vergo hat mich geweckt. Wow...der Traum war hyperrealistisch. Scheiße. Etwas nasses rinnt meinen Augen hinab.
"Du hast dich herumgewühlt und im Traum geweint, Sleepless. Ein Albtraum?", fragt der Kannibale fast schon besorgt. Wische meine Augen trocken und erhebe mich aus dem Einzelbett. Schüttele den Kopf.
"Im Gegenteil.", erwidere ich mit einem Lächeln und klopfe dem letzten Menschen, den ich ansatzweise Kollege nennen kann, auf die Schulter.
"Lass mich raten. Du willst nich drüber reden?"
"Nur so viel. Einauge kam darin vor.", sage ich in Gedanken versunken.
"Dann kann es nur ein witziger Traum gewesen sein. Er war ein wirklich cooler Typ. Mächtig und loyal.", gibt Vergo munter von sich. Ziehe mein Shirt an.
"Stimmt allerdings.", sage ich wehmütig und verlasse den Raum. Mein Blick fällt auf die Karte der Stadt. Ist in der Postapokalypse viel wert.
"Also dann. Wie weit sind wir?", frage ich letztendlich mit ernster Stimme.
"Willst du es noch immer durchziehen? Du weißt, was letztes Mal geschehen ist, Sleepless.", gibt Vergo zögerlich zu bedenken.
"Ja. Werde es durchziehen. Habe noch eine Rechnung mit Something Worse zu begleichen. Und dieses Mal: Wird es endgültig. Einer wird sterben. Entweder er oder ich.", antworte ich diabolisch lächelnd und mache mich auf den Weg, um die letzten Teile des Rituals zu besorgen...
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