Kapitel 21
Helles Licht blendete mich als ich meine Augen öffnete und zwang mich sie wieder zu schließen. Als ich sie abermals öffnete konnte ich in diesem Licht ein paar Umrisse erkennen. Es schien so als würden sich ein paar Gestalten über mich beugen. Ob sie in guter Absicht über mich gebeugt haben? Ob sie mich töten wollen oder nur helfen? Wieso haben sie sich über mich gebeugt? Wer sind die überhaupt? Und noch weitere Fragen stiegen in meinen Kopf und ich wollte wieder meine Augen öffnen, aber meine Lider fühlten sich schwer wie Beton an also ließ ich sie unten und genoss die Dunkelheit um mich herum, welche meine Augen schonten und welche ihnen nicht so sehr weh taten wie das Licht. Es fühlte sich angenehm in der Dunkelheit an. Am Rande nahm ich noch mit, wie sich die Gestalten unterhielten und wie mein Körper immer schwerer wurde. Meine Gedanken füllten immer mehr meinen Kopf aus bis für nichts anderes mehr Platz war. Immer wieder tauchten Erinnerungen und unerklärte Fragen auf. Alle reichten nicht weit in meine Vergangenheit. Es waren meistens Erinnerungen von den letzten paar Tagen, ab und zu tauchten noch welche aus meiner Kindheit auf, aber diese hielten sich in Grenzen.
Die Erinnerungen überfluhten mich und rissen mich ohne Probleme mit. Ihnen war es egal, ob ich von ihnen überrollt werden wollte oder nicht, ich konnte sowieso nichts dagegen machen außer sie über mich ergehen zu lassen. Ich konnte sie weder stoppen noch verdrängen, sie nahmen einfach zu viel Platz und Aufmerksamkeit. Die Erinnerungen spielten sich erst langsam und detailliert ab, so dass mir auch Sachen auffielen auf die ich zuvor nicht geachtet hatte, wie dass Jane gar keine Maske trug als ich sie zum ersten Mal sah. Mit der Zeit wurden sie immer schneller und meistens waren es nur vereinzelnde Bilder die auftauchten und sofort wieder verschwanden. Sie wurden immer schneller bis sie schließlich in einem weißen Licht untergingen und die Dunkelheit verschwand.
Das weiße Licht wurde dunkler und schwächer. Es nahm nur das rechte Auge ein und nach kurzer Zeit leuchtete es rötlich bis es mein linkes Auge für einen kurzen Moment einnahm und dann verschwand. Ich fühlte mich immer noch benommen und meine Muskeln fühlten sich schwer und schwach an. Auf meiner Haut konnte ich kalte Gegenstände fühlen und von weit entfernt konnte ich Stimmen ausmachen. Sie redeten über irgendwas und manche hörten sich verzweifelt an, wiederum andere hörten sich selbstsicher und wiederum andere verängstlich an. Die Stimmen kamen mir vertraut, aber wiederum auch fremd vor. Ich wusste, dass ein paar Stimmen mir nahe stehen, aber ich konnte sie zu niemanden zuordnen, auch wenn sie immer klarer und näher kamen.
Mit der Zeit konnte ich auch ein paar Sätze aufschnappen, wie »Sie wird es schaffen.« oder »Es war eine schwere Operation, aber...«. Die Stimmen verstummten und Rauschen machte sich in meinen Ohren breit wie schweres Atmen. Ich konnte jede einzelne Zelle in meinem Körper spüren und es fühlte sich an, als würden sie zerplatzen und meinen ganzen Körper auseinander reißen. Ein höllischer Schmerz breitete sich aus und ließ mich erzittern. Er zerrte an mir und brachte mich fast um. Er riss mich mit wieder in die Dunkelheit und hätte mich beinahe nie wieder losgelassen, aber etwas Stechendes und Warmes befreite mich aus dem festen Griff des Schmerzes und ein warmes und gelbes Licht griff nach mir.
Langsam streckte ich meine zitternde Hand dem Licht entgegen und bekam etwas Weiches zufassen. Das Weiche streifte meinen ganzen Körper und ich spürte einen starken, aber sanften Druck auf meiner Brust, welche mich in das Weiche drückte. Es fühlte sich angenehm und geborgen an. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie ich ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen habe, aber davon bekam ich in meinem jetzigen Zustand nichts mit. Was ich noch spürte war, wie irgendwas auch etwas Weiches über meinen Körper legte. Es fühlte sich an als würde jemand mich in einem weichen Bett mit einer weichen Decke zudecken und damit sagen, dass es Zeit fürs schlafen war. Ich bereitete mich auf die Dunkelheit vor, welche immer kam, wenn ich meine Augen schloss und einschlief, aber sie kam nicht. Das gelbliche Licht war immer noch vor mir und es war egal, ob ich nach rechts oder nach links schaute – es war einfach überall.
Ich fühlte mich die ganze Zeit schwerelos und in zwei Stücke gerissen. In Licht und Dunkelheit. In Gut und Böse. Ich wusste nicht, ob es so für immer bleiben würde oder ob ich wieder festen Boden unter mir spüren würde. Ich fragte mich auch, ob ich die ganzen Menschen aus meinen Erinnerungen wieder sehen werde und ob dieser Umfall echt war oder doch aus einem Film welcher mir im Gedächtnis blieb, sowie das Gesicht von dem attraktiven und gruseligen Jungen. Ich fragte mich, ob ich irgendwie mit ihm verwand bin oder was mit ihm zu schaffen hatte. Ob ich mich bei ihm wegen irgendwas rächen möchte? Ob ich ihn vielleicht liebe? Oder sind wir sogar zusammen?, fragte ich mich in die unendliche Stille, durch die nichts drang.
Langsam drehte ich meinen Kopf über meine Schulter, um zu schauen, ob auch dort das Licht war oder ob ich das weiche Etwas ausfindig machen konnte, aber hinter mir befand sich nur die Dunkelheit. Ich drehte meinen Kopf wieder zum Licht und bemerkte, dass ich mich genau zwischen dem Licht und der Dunkelheit befand. Hatte das irgendwas zu bedeuten? Bin ich gestorben? War dieser Unfall real? War alles real? Ich spürte ein mulmiges und ängstliches Gefühl in mir aufsteigen, aber ich wusste nicht, was es war oder wie man es nannte. Ich vergaß alles, außer das Licht und die Dunkelheit bis ich etwas im Licht ausfindig machen konnte. Es waren drei dunkle und verschwommene Gestalten, welche aber mit der Zeit immer mehr Konturen annahmen bis ich erkennen konnte, dass in der Mitte ein Mädchen war und neben ihr zwei Jungs, aber ich konnte nicht ihr Gesicht erkennen, dafür waren sie noch zu unscharf.
Aus Neugierde und Verwirrtheit drehte ich mich um und starrte in die Finsternis hinter mir, aber ich konnte niemanden erkennen. Werder schwarze Gestalten noch helle Gestalten und als ich mich wieder umdrehte zu den drei Gestalten waren sie weg, dachte ich für einen Moment bis dicht vor mir ein Gesicht auftauchte. Es war ganz entstellt und gehörte nicht zu den drei Gestalten, welche ich davor gesehen hatte, denn durch das Gesicht dieser Person ging ein Ast und ihre Haare hingen verdreckt mit Blut und verstrubelt an ihrem zerkratzten Gesicht herunter. Ihre Augen starrten leer in meine und ihre einst farbigen Pupillen waren weiß und auch zerkratzt. So schnell wie das Gesicht vor mir auftauchte, verschwand es auch wieder und ließ mich alleine in der Schwerelosigkeit zwischen Licht und Dunkelheit zurück. Alleine mit dem Schock in den Knochen. Am liebsten würde ich schreien. Um Hilfe schreien und weine, aber ich bekam werde einen Ton über meine Lippen noch liefen mir Tränen über die Wangen. Jedenfalls dachte ich es, da ich nichts hörte noch etwas Nasses auf meinen Wangen spürte, dafür spürte ich etwas ledriges sanft über meine Wangen streifen, ganz kurz und schnell.
Kaum spürte ich das ledrige Etwas nicht mehr, machte sich ein ungemütliches Gefühl in mir breit. Es fühlte sich an, als würde mein Magen sich umdrehen und die Schwerelosigkeit verschwand, dafür fühlte ich, wie ich fiel. Ich spürte wie der Wind an meinen Armen und Beinen strich, aber ich hörte ihn nicht pfeifen. Ohne irgendwas zu machen, schaute ich zu wie ich mich immer weiter vom Licht entfernte und immer schneller fiel. Die Dunkelheit umhüllte mich wieder und kälte machte sich auf meiner Haut breit. Eine Gänsehaut bildete sich und meine Nackenhaare stellten sich auf, während ich sprachlos in das immer weiter schrumpfende Licht schaute bis ich aufhörte zu fallen. Ich wusste nicht, was jetzt passieren wird, denn ich spürte weder das schwerelose Gefühl noch das fallende Gefühl. Es fühlte sich an, als würde ich in der Dunkelheit hängen, gefesselt an dunkle Fäden, welche mich nicht loslassen wollten.
Nach einiger Zeit fühlte es sich so an, als würde ich von was angezogen werden und anstatt weiter in die Dunkelheit zu fallen, flog ich den Weg zurück. Zurück zur Grenze zwischen Licht und Dunkelheit und viel weiter zurück. Ich durchbrach die Grenze. Als ich die Grenze überschritt fühlte es sich an als würde etwas vor mir zerbrechen, denn ich hörte Geräusche. Geräusche von der Natur und von irgendwelchen Geräten und ich spürte den Schmerz vom Anfang. Er überraschte mich und zerquetschte fast meine inneren Organe. Auf dieses Gefühl, folgten viele weitere Gefühle, wie die Kälte von irgendwelchen Geräten oder etwas Erdrückendes an meinem Körper.
Ich flog immer weiter in das Licht und es verfärbte sich von gelb in einen hellen weiß Ton bis es meine Augen zum schmerzen brachte und ich sie notgedrungen schloss, danach war das Licht weg und Dunkelheit breitete sich wieder auf. Anstatt das die Stille wieder einbrach und die Gefühle verschwanden, blieben sie da, alles bis auf den Schmerz. An dessen Stelle fühlte ich etwas Mulmiges und warmes. Ich hörte das Piepen von Geräten und das Zirpen von Grillen, sowie das Atmen von zwei Personen. Ich spürte Kälte auf meiner Haut sowie etwas Warmes, welches sich an meiner Hand ausbreitete. Ich konnte auch an ein paar Körperstellen etwas Enges und Erdrückendes spüren, sowie etwas, was in meine Haut reinging.
Aus Panik, dass mit mir irgendwas angestellt wurde, riss ich meine Augen auf und saß alles verschwommen. Ich blinzelte ein paar Mal bevor sich meine Sicht aufklarte und ich eine Decke erkennen konnte, welche mit Schatten der Nacht überzogen wurde. Ich blickte mich weiter um und konnte erkennen, dass ich mich in einem Krankenzimmer befand, welches von den Schatten der Nacht eingenommen wurde und das neben meinem Bett jemand saß und meine Hand hielt. Er oder Sie schien zu schlafen, was ich an den sanften Rhythmus der Atmung hören konnte und ich ließ sie auch schlafen, während ich sie dabei beobachtete. Ich versuchte herauszufinden, wer es war, aber dafür war es zu dunkel und ich wollte diese Gestalt nicht aufwecken, denn ich wusste nicht, ob ich vor ihr sicher war oder nicht. Ich wusste nicht, ob sie böse Vorsichten hatte oder gute. Ich wusste nicht, ob sie zu den Gestalten gehörte, welche sich über mich gebeugt hatten oder eine nahestehende Person war, welche hoffte, dass ich irgendwann wieder aufwachen würde. Ich wusste nicht, ob ich mich in der Realität befand oder immer noch in einem Traum gefangen war.
Ich sank immer tiefer in meinen Gedanken, sodass ich nicht bemerkte, wie die Gestalt neben mir aufwachte und mir tief in die Augen schaute, bis sie mich ansprach und ich zu ihr blickte.
»Endlich bist du wach. Ich dachte, du würdest nie wieder aufwachen. Die Chancen standen anfangs gut um dich... Doch... Doch sie wurden immer schlechter... «, zum Ende des Satzes wurde er immer Stiller und trauriger. Seine sanfte, tiefe Stimme berührte mich, aber nicht so sehr wie verrückte, raue und wahnsinnige Stimme.
Lied: Forgotten Voyage ~ Lindsey Stirling
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