𝟒.𝟑 | 𝐄𝐢𝐧 𝐠𝐮𝐭𝐞𝐬 𝐆𝐞𝐬𝐜𝐡ä𝐟𝐭
Mich? Zarja erstarrte. Nein, sie musste sich verhört haben.
„Sie?", wiederholte der Geschäftsmann ihre Gedanken. „Verzeihen Sie, aber ich verstehe nicht."
Die schwarzen Augen des Fremden verloren an jeglicher Wärme, die sich darin noch hätte befinden können. „Sie sagten, ich bekäme hier, was immer ich will – und ich will sie."
Benommen tasteten Zarjas Sinne nach seinem Herzen, suchten nach einem Hinweis darauf, dass das alles ein Scherz war, doch es pochte in einem derart ruhigen, ernsten Takt, als wollte es seine Worte noch feierlich unterstreichen.
Eisige Kälte breitete sich durch ihre Adern aus. Warum, bei den zehn Heiligen, würde jemand sie kaufen wollen? Zwar beantwortete Zarja sich die Frage nicht, doch sie wusste, dass es darauf nur unangenehme Antworten geben konnte. Welche auch immer es davon war, sie würde nicht zögern, sich sofort aus den Fängen dieses Mannes zu befreien und dazu wäre ihr jedes Mittel recht.
Jaromir räusperte sich. „Ich fürchte, votre Excellence, sie steht nicht zum Verkauf."
Als hätte er in dieser Antwort etwas anderes gehört als das Gesprochene, nickte der Fremde und bedeutete einem Lakaien etwas mit einem jovialen Wink. „Verstehe, es ist also eine Frage des Geldes. Sagen wir fünfhundert."
Ein geringschätziges Lächeln, das Jaromirs Lippen zucken ließ, verriet, dass er seine Contenance vollständig wiedergewonnen hatte. „Verzeihung, aber ich muss das Angebot ablehnen. Sie steht nicht zum Verkauf. Schon gar nicht für fünfhundert Kruna."
„Sie missverstehen mich, ich biete Ihnen fünfhunderttausend Kruna."
Zarja spürte ihre Kinnlade herunterklappen, bevor sie es verhindern konnte. Fünfhunderttausend? War der Mann denn völlig verrückt? Warum um alles in der Welt würde er so etwas tun?
Der Lakai schien Jaromir diskret etwas zur Bestätigung zu zeigen, das Zarja nicht erkennen konnte. Das Geld? Wertpapiere? Was es auch war, es musste etwas von Bedeutung sein.
„Aber Eure Maje –", setzte der kleine Mann hinter ihm mit geweiteten Augen an, nun sogar noch blasser im Gesicht, wurde allerdings von seinem Herrn, wie Zarja annahm, sofort zum Schweigen gebracht.
Zum ersten Mal sah sie so etwas wie ehrlichen Schock in Jaromirs Gesicht – zumindest insoweit er so etwas empfinden konnte. Seine Augen weiteten sich ein wenig und die in die Höhe schießende Augenbraue verkündete sowohl seinen Zweifel als auch die Tatsache, dass doch ihnen beiden klar sein musste, dass sie diesen Preis nicht wert war.
„Ich sehe, ich habe Sie noch nicht überzeugt", unterbrach der Fremde die Stille. „Achthunderttausend."
Wie bitte?! Was, im Namen der Rozhanitsi, wurde hier gespielt?
„Seid Ihr verrückt geworden? Das ist diese Sklavin doch nie im Leben wert!" In den bleichen Begleiter war das Leben zurückgekehrt und er begann wild gestikulierend um die Aufmerksamkeit des jungen Mannes zu kämpfen, der ihn mit einer Handbewegung, als würde er ein lästiges Insekt verscheuchen, bedeutete ruhig zu sein.
„Ich weiß", antwortete er leichthin. „Und deshalb ist es auch ein Geschäft, dass Sie unmöglich ausschlagen können, Gospodin Ganediev, nicht wahr?"
Jaromir musterte sein Gegenüber mit funkelnden Augen und ließ bereits seine Antwort erahnen. Ein „Nein". Zarja wusste nicht, ob sie das enttäuschen oder erleichtern sollte.
Doch der merkwürdige Besucher kam ihm zuvor: „Oder gibt es einen bestimmten Grund, weshalb Sie dieses einmalige und großzügige Angebot nicht annehmen würden?"
Jedes einzelne Wort rollte so leise und präzise über seine Lippen, dass es das volle Gewicht seiner Bedeutung entfalten konnte. Und zum ersten Mal sah Zarja jemanden Jaromirs stechenden Blick ebenso eindringlich erwidern. Wie glühende Kohlen bohrte sich das Schwarz in das Grün.
Die Drohung, die in der Luft lag, war mehr als spürbar. Wusste dieser Fremde etwas über ihre Kräfte? Aber wie ...? Holte sie nun doch ihre Begegnung mit der Kresniknina letzte Nacht ein? Aber weshalb würde man zahlen, wenn man sie schlicht verhaften konnte? Vielleicht hatte dieser Mann seine Informationen auch aus anderen Quellen oder wusste rein gar nichts. Ja, möglicherweise spielte er bloß. Jaromir wäre dumm, dieses Angebot abzuschlagen, so verdächtig dumm, dass dieser merkwürdige Kerl spätestens dann etwas gegen ihn in der Hand zu haben wusste – oder zumindest, wo er suchen musste.
Überschätz deinen Wert nicht. Nicht einmal mit ihren Kräften besaß sie für ihn den von achthunderttausend Kruna. Alles, was Jaromir wirklich zurückhalten musste, war sein eigener Unwille, die Zügel in einem Geschäft einem anderen zu überlassen.
Als würde all das kein bisschen an seinem Stolz rühren, lächelte er geradezu zufrieden. „Nein. Wenn Sie es unbedingt wünschen, dann sollen Sie sie haben. Ich dachte nur, in Finience sei Leibeigenschaft verboten."
Wieder zogen sich die sanft geschwungenen Lippen des Fremden nach oben. „Sie haben mich wieder missverstanden. Ich kaufe sie nicht, ich kaufe sie frei."
Hatte sich Zarja zuvor schon der Kopf gedreht, so war sie spätestens jetzt bereit in Ohnmacht zu fallen. Das konnte doch unmöglich wirklich passieren, oder? Wie oft geschah es denn schon, dass irgendein wildfremder, reicher ... Graf? Fürst? Ja, vielleicht wirklich Zarewitsch, wie Zina behauptet hatte – oder wie auch immer man nun einen Herrschersohn in Asen'ja nannte – in irgendeine Fabrik marschierte und eine beliebige Leibeigene um den Preis eines halben Palastes freikaufte? Wohl nie. Und sollte so etwas geschehen, dann wäre sie selbst doch die letzte, die in ein solches Glück stolperte. So gewogen waren ihr die Schicksalsgöttinnen einfach nicht.
Dumpf registrierte Zarja Jaromirs Worte, das Geschäft in seinem Büro zu Ende zu bringen, und folgte den Herren dann ebenso. Merkwürdigerweise war das einzige, das noch so recht zu ihr durchdringen wollte, das wütende Schimpfen und Fuchteln dieses kleinen Herren.
„Seid Ihr des Wahnsinns?!"; und als erinnere er sich erst jetzt wieder seiner Position und der des anderen, setzte er mit einer tiefen Verneigung, die niemand mehr sehen konnte, ein demütiges „wenn Ihr mir die Frage gestattet, Eure Hoheit" nach.
„Geh auf dein Zimmer und hol deine Sachen", befahl Jaromir wie beiläufig, ehe er sich sofort wieder an den Asenkij wandte.
„Wenn Sie mir bitte folgen würden, Exzellenz."
Die Tür wurde hinter Jaromir geschlossen und Zarja blieb alleine auf dem düsteren Flur zurück. Wie nur kurz zuvor stieg sie die vertrauten Treppenstufen hoch ins Dachgeschoss, mit dem merkwürdigen Gefühl in der Magengrube, dass die Türen dieses Käfigs, der sich ihr Zuhause schimpfte, bald geöffnet werden könnten.
Knarzend öffnete sich auf ihren leichten Stoß hin die Tür und gab den Blick auf das wenige frei, das ihr gehörte – und das viele, das es bald nicht mehr würde. Ihr Zimmer, diese kleine Kammer, bestand aus nicht mehr als einem steinharten Bett mit verrostetem Metallgestell, einem Tisch mit Waschschale und Kamm unter einem stellenweise blinden Spiegel, einer kleine Holztruhe für Kleidung und einem Stuhl. Durch das winzige Fenster, hinter dem ein trüber Himmel sich kurz für zarte Sonnenstrahlen öffnete, fiel nur wenig Licht.
Im Vergleich zu den Schlafsälen im Lagerhaus, die sie sich jahrelang auf engstem Raum mit anderen hatte teilen müssen, war es purer Luxus.
„Pack deine Sachen." Guter Witz. Welche Sachen denn auch? Was gehörte ihr eigentlich?
Zarja ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und schritt dann zielstrebig auf die Holztruhe zu, aus der sie ihre allabendliche Arbeitskleidung fischte und abermals gegen das Kleid austauschte. Das und die Unterkleider und Strümpfe, die sie besaß stopfte sie in eine abgewetzte Tasche. Da Jaromir sie ja wohl kaum nackt würde gehen lassen können und dafür ohnehin keine Verwendung mehr hätte, durfte Zarja auch so frei sein und die Kleidung als Geschenk betrachten. Dem ließ sie Kamm, Seife und Zahnpulver folgen.
Ein kleines Grinsen breitete sich auf ihren Lippen aus.
Dann hielt sie inne und lauschte für einen Moment auf das Geräusch von Schritten oder das Pochen eines Herzschlags – Stille. Ein Zeichen, dass sie sich nun gefahrlos um ihren wirklichen Besitz kümmern konnte.
Vorsichtig schob sie das Bett ein wenig beiseite und nestelte an einer der Holzdielen, die sich mit einem wehmütigen, leisen, aber für ihren Geschmack doch jedes Mal zu lauten, Knarzen anheben ließ und den hohlen Raum unter sich frei gab.
Hier sammelte sich alles, was Zarja vor Jaromirs Augen verbergen wollte: das bisschen Geld, das sie durch Boxen und Wetten gewonnen hatte, Koljas altes Lieblingsbuch – sentimentale Albernheit, weil sie damit nichts anzufangen wusste – und die gravierte Taschenuhr ihres Vaters. Es überraschte sie immer noch, dass man sie ihr damals im Lagerhaus nicht abgenommen hatte, wo sie mitsamt Zarja selbst abgegeben wurde.
Die Magierin verstaute alles achtsam in ihren Taschen, schloss das Geheimfach wieder und wandte sich zum Gehen. Ohne einen Blick zurück zu werfen, die Tasche um die Schulter geschwungen, schlich sie zu Jaromirs Arbeitszimmer und lauschte, was dort gerade besprochen wurde.
Doch sie hatte nicht einmal einen Satz dumpf vernommen, da erhob der Geschäftsmann auch schon seine Stimme.
„Du kannst reinkommen."
Wie machte er das nur? Diese Frage würde sie sich wohl nicht mehr beantworten können. Wie schade.
Jaromirs Blick, der sofort an ihr heftete, war schon das zweite Déjà-vu dieses Tages. Nur diesmal war es nicht seiner allein, sondern auch der des Asenkijs. Der Diener dagegen hatte den Blick teilnahmslos und starr auf einen unbestimmten Punkt im Raum gerichtet, ganz wie es seine Rolle gebot.
Da ihr Jaromirs Augen fast so viel über seine Gefühle verrieten wie sein Herzschlag, beachtete Zarja sie nicht weiter, sondern konzentrierte sich stattdessen auf ihren unverhofften Retter. Wo zuvor kleine Flammen sprossen und das ungewöhnliche Nachtschwarz leuchten ließen, lag nun eine merkwürdige Leere, die das Dunkel noch tiefer erscheinen ließ und ihn weniger wie einen rücksichtlosen, verschwenderischen Adeligen denn einen verlorenen Jungen. Doch in dem Moment, da er Zarjas Blick bemerkte, glomm wieder etwas darin auf, das einem belustigten Funkeln am nächsten kam.
„Herzlichen Glückwunsch, Mrazova, du bist frei", riss Jaromir sie aus ihren Gedanken.
Frei, wiederholte sie in Gedanken und kostete zumindest dort den Klang des Wortes ganz aus, der in ihrem Brustkorb eine flatternde Wärme hinterließ. Frei. Ich gehöre niemandem mehr, außer mir selbst.
Hinter sich vernahm sie ein Räuspern.
„Damit ist diese Sache für mich abgeschlossen. Es war mir eine Freude mit Ihnen Geschäfte zu machen. Guten Tag. Seint Ael dans votre cœur."
„S bgovima", erwiderte Jaromir mit der velischen Abschiedsfloskel, jedoch ohne Zarja aus den Fängen seines stechenden Blickes zu entlassen.
Hinter ihr fiel die Tür zu.
„Deine Dokumente. Und eine Unterschrift, wenn ich bitten darf." Über den Schreibtisch, der nun überraschend ordentlich aussah, hinweg, schob der Fabrikant ihr lächelnd ein Stück Papier zu. Zarja hatte keine Ahnung, ob das üblich war oder pure Provokation, doch selbst wenn ihre Freilassung einer solchen Unterschrift bedurfte, blieb der Hohn offensichtlich. Ohne ein einziges konkretes Wort wusste er sie an ihre Schwächen zu erinnern, ihre Abhängigkeit. Denn Jaromir Ganediev war vollkommen klar, dass sie nicht unterschreiben konnte, ebenso wenig wie sie erkennen, was sie denn unterschrieb.
Zarja biss die Zähne zusammen und ballte die Hände hinter ihrem Rücken zu Fäusten. Dennoch schritt sie möglichst selbstbewusst und ungerührt auf den Tisch zu und musterte nur für einen Moment zögerlich Papier und Schreibfeder, ehe sie letztere ergriff und in die Tinte tauchte.
„In meiner Firma ist eine Stelle freigeworden. Alte Arbeit, neue Bezahlung", sagte Jaromir. Was er damit meinte, war schwer zu überhören. Das ist ein gnädiges Angebot. Ohne mich bist du in dieser Welt verloren.
Zarja hob den Blick und erwiderte Jaromirs mit eisiger Kälte. „Wie gut, dass du jetzt mehr als genug Geld hast, um dir dafür jemanden zu kaufen."
Mit leicht zitternder Hand setzte sie einen unleserlichen Schnörkel auf das Dokument, der genauso wenig bedeutete wie das, wonach er aussah.
„Für verhasste Mädchen kann die Welt da draußen gefährlich sein, so ganz alleine, Zarka."
Wie immer traf er ins Schwarze. Der Status als Jaromirs Schatten hatte ihr keine Beliebtheit eingebracht und ohne seine Protektion war sie dem Hass seiner Opfer schutzlos ausgeliefert. Doch Zarja gab sich den Anschein als würden die Worte völlig an ihr abprallen, während sie frech nach seinem Glas Mastika griff und ihm zwinkernd zuprostete.
„Aber, aber, Jaromir Todorovich, wollen Sie mir etwa drohen? Unser dienstliches Verhältnis ist Geschichte. Sie wissen doch: Das Geschäft beendet, wer am meisten zahlen kann."
In einem Zug stürzte sie den Alkohol hinunter und knallte das Glas auf den Tisch zurück. Ohne Jaromirs Antwort abzuwarten, machte Zarja auf dem Absatz kehrt und verließ das Arbeitszimmer.
Erst als die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, beschleunigte sie ihren Schritt, stürzte die Treppe hinab und hinaus. Hoffentlich kam sie nicht zu spät. Hektisch zuckten ihre Blicke erst rechts, dann links die Straße entlang.
Von dem Fremden fehlte jede Spur. Keine weißen Pferde, keine Kutsche – und damit keine Chance darauf, eine Antwort zu erhalten. Sie würde nie erfahren, wer ihr merkwürdiger Retter war oder warum er sie aus den Ketten der Sklaverei befreit hatte. Vielleicht, nein, wahrscheinlich würde sie diesen Mann nie wieder sehen. Enttäuschung prickelte in ihrem Inneren.
Aber dann schob sich ein klappriges Fuhrwerk mühsam vorbei und gab den Blick auf die luxuriöse Equipage frei. Ihr Herz machte einen kleinen Satz.
Bevor Zarja sich bewusst dazu entschließen hätte können, fuhr Energie in ihre Beine und ließ sie mit einem Tempo darauf zujagen, dass einige Passanten ihr irritierte Blicke hinterherwarfen. Euphorie schoss durch ihren gesamten Körper, ließ ihr Herz tanzen und sie musste sich zurückhalten, einen kleinen Freudenschrei auszustoßen. Frei.
Als sie die Kutsche erreichte, saß der kleine Verlier bereits halb zusammengesunken auf der Bank, während sein Herr im Begriff war einzusteigen.
„Warten Sie!" Die Dringlichkeit in ihrer Stimme überraschte Zarja selbst.
Langsam, den Fuß bereits auf der Trittstufe gesetzt, wandte er sich zu ihr um. Mit wachsamen, funkelnden Augen musterte er sie und machte keinerlei Anstalten, das Schweigen zu brechen, das sich sofort zwischen ihnen auszubreiten begann.
Diesem merkwürdigen Mann mit den pechschwarzen Augen verdankte sie wahrscheinlich ihr Leben, wurde ihr schlagartig bewusst. Plötzlich spürte sie das Gewicht seiner Schuld, in der sie stand, drückend auf ihren Schultern und meinte wieder Jelisavetas mahnende Stimme zu hören. Bleibe nie jemandem etwas schuldig. Irgendwann holt es dich ein.
„Danke", brachte Zarja leise hervor. „Ich weiß nicht –"
„Alberne Floskeln. Deswegen bist du nicht hier. Was willst du wirklich?"
Überrascht blinzelnd sah sie zu ihm hoch. Das waren keine Worte, die sie aus dem Mund eines jungen, schwerreichen Adeligen erwartet hatte. Schon gar nicht so freundlich und weich gesprochen, was in hartem Kontrast zu ihrer harschen Direktheit stand.
„Wieso haben Sie das getan?", fragte Zarja und suchte synchron dazu bereits in seinen Augen und seinem schnellen Herzschlag nach einer Antwort, bevor seine Mund ihr eine geben könnte.
Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. „Weil ich nicht viel von Leibeigenschaft halte, aber sehr viel von der Vorstellung meinen Vater in den Wahnsinn zu treiben. Er wird begeistert sein, wenn ich ihm erzähle, wie gut ich sein Geld investiert habe. Und, weil ich es kann."
Vom Inneren der Kutsche meinte Zarja ein gequältes Stöhnen zu vernehmen.
Das war es also? Purer Zufall? Nur ein Streich eines aufmüpfigen Sohnes? Immer noch suchte sie in dem Schwarz und dem steten Pochen nach einer Wahrheit, die er ihr verwehrt haben könnte, doch nichts wies darauf hin, dass er log oder ihr etwas verschwieg.
„Wenn ich mich irgendwie bedanken kann ...", murmelte sie, um nur irgendetwas zu sagen, das ihre Gedanken übertönte. Etwas noch Dümmeres hätte es aber wohl nicht sein können. Wie willst du dich denn bei so einem bedanken?
„Ich werde auf das Angebot zurückkommen." Nun meinte Zarja, dass das nur eine Floskel sein musste, doch ehe sie darauf antworten konnte, hatte er bereits zwei Finger zu einem Salut gehoben. „Leben Sie wohl, Gospodichna Mrazova. Genießen Sie Ihre Freiheit; sie ist etwas Kostbares. Bogovi s teboj." Die Götter mit dir.
In einer fließenden Geste schwang er sich in die Kutsche und befahl die Abfahrt. Sofort setzte sich das Gefährt die unebene Straße entlang in Gang.
Zarja sah ihr hinterher und mit jedem Moment, da sie in der Ferne kleiner wurde, wuchs in ihr das Bewusstsein, was so eben geschehen war. Das erste Mal seit über zehn Jahren durfte sie selbst über sich entscheiden.
Doch obwohl sie gehen durfte, wohin sie wollte, gab es keinen Ort, an den sie konnte. Obwohl sie tun durfte, was sie wollte, gab es nichts, was sie wirklich tun konnte. Hier draußen war sie schutzlos und alleine.
Letztlich war die Freiheit alleine alles, was ihr blieb. Das Schicksal hatte ihr das größte Geschenk bereitet, aber es reichte es ihr in Form einer Strafe.
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𝐀 𝐍 𝐌 𝐄 𝐑 𝐊 𝐔 𝐍 𝐆 𝐄 𝐍
So lange hat das Kapitel nun also doch nicht auf sich warten lassen. Diesmal mit etwas weniger Cliffhanger.
Abermals wäre ich gespannt, welchen Eindruck Amias hinterlassen hat. Irgendwie ist er wesentlich einfacher aus seiner eigenen als aus fremder Perspektive zu schreiben. Und ja, ich hab dem Guten Timothée Chalamet als Face Claim verpasst, weil er der einzige Schauspieler ist, der ihm im Entferntesten ähnlich sieht. Wenn auch immer noch deutlich anders. Macht ihn das jetzt schon zum Crush-Material? :'D
Ich hab hier auch mal versucht etwas mehr von den Sprachen meiner Welt und vor allem "Velisch" einfließen zu lassen, aka eine hoffentlich halbwegs kohärente hauptsächlich von alten slawischen Sprachen inspirierte Kreation. Ob das geglückt ist, überlasse ich euch zu entscheiden.
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