Kapitel 4

Ein Klopfen weckte Paolo. Er hörte, wie die Tür surrte und sich öffnete. Schritte traten ein und die Tür schloss sich. „Aufwachen, Cap. Du kannst nicht ewig pennen."

Paolo murrte. Seine Hand fuhr zur rechten Seite des Bettes und tastete sie ab.

„Er ist nicht mehr da", sagte Sammy mit verschränkten Augen und Paolo richtete sich auf. „Ich pack es nicht, dass du einfach einen unserer Gegner gebumst hast." Er schüttelte den Kopf.

Mit einer Hand fuhr sich Paolo über sein Gesicht, schaute seinen besten Freund an. „Wovon redest du?"

Sammy holte sein Handy heraus und hielt es ihm hin. Ein Video lief ab und auf einmal war er hellwach. Das Video zeigte sein Dance Battle mit Pat gestern und wie sie verschwunden waren. „Die Gerüchteküche ist am Überkochen. Verdammt Paolo, hättest du das nicht diskreter machen können?"

Fuck. Das war nicht gut. „Und wenn, er ist kein Tänzer."

„Er ist ihr Trainer und fucking Choreograph. Das macht ihn praktisch zum Captain. Denk doch nach. Noch wissen sie nicht, wer das ist, weil man ihm nicht viel Beachtung geschenkt hat, doch ich bin nicht der Einzige, der das weiß." Riku hatte ihm von Pat erzählt, als er gefragt hatte, wer der Mann an der Seite sei.

Paolo legte das Handy zur Seite.

„Die Truppe weiß noch nicht, wer er ist, doch ich weiß nicht, wie seine Truppe reagiert, wenn sie-" Paolos Ausdruck wurde für einen Moment unlesbar... „Weiß er, wer du bist?", fragte Sammy. Sein Freund schwieg. Bisher waren die Battles zwischen ihrer und der anderen Truppe zeitlich nah beieinander gewesen oder früher, zudem in einer anderen Halle. Das wird kein gutes Ende nehmen. Doch sie konnten nichts tun, nur abwarten.

༻✧༺

Als Pat in seinem Zimmer ankam, duschte er schnell, dann ging er nach unten, um sich mit den anderen am Frühstückstisch zu treffen. Als er dort ankam, war es beunruhigend still. Sie schauten ihn an. Etwas stimmt nicht. Misstrauisch setzte er sich. „Was ist los?", fragte er direkt.

Keiner sagte etwas. Jamie war der Erste, der antwortete, doch nicht mit Worten. Er hielt ihm ein Handy hin, auf dem ein Video war mit „Captain der Blue Shadows tanzt mit Fremden". Dahinter drei Feuerflammen. Als das Video abspielte, konnte Pat sich sehen, wie er mit Paolo tanzte. Jemand hatte es aufgenommen. „Willst du uns das erklären?", fragte dieser.

Pat hob den Blick. „Ich wüsste nicht was."

Dieses Mal war es Joyce die auf den Tisch schlug. „Verdammt, Pat. Das ist unser Gegner. Was hast du mit ihm gemacht? Woher kennt ihr euch?"

Pat schaute ruhig zu ihr. „Zum einen, ich kenne ihn seit zwei Tagen. Wir haben uns hier getroffen. Zum anderen ist das irrelevant. Ich bin kein Tänzer, also geht es euch auch nichts an, was ich in meiner Freizeit mache." Die Truppe schaute ihn an.

„Hast du uns verkauft, ihm Infos über uns geliefert?"

Nun war Pat es, der aufstand. „Ok, jetzt hört ihr mir genau zu. Ich habe das hier freiwillig angenommen, habe dir einen Gefallen getan, damit ihr euren Traum verwirklichen könnt."

„Das ist auch dein Traum", erwiderte Joyce.

„Ist es nicht, verdammt. Mein Traum war es mit Jason, Emma, Celine, Creston, Payton und dir zu gewinnen, doch das habe ich nicht und werde ich auch nicht. Das Tanzen ist für mich vor vier Jahren gestorben mit dem Traum. Wenn du das nicht begreifen kannst, dann lass es. Was ich in meiner Freizeit mache und mit wem ich mich treffe, ist verdammt noch mal meine Sache. Werd endlich erwachsen, Joyce."

Keiner sagte etwas. Pat war in all den Jahren nie laut geworden. Ihr fehlten die Worte.

„Du hast doch nur Angst. Dein Bein ist geheilt und das weißt du. Du hast nur Angst wieder zu tanzen, du Feigling", sagte sie und man konnte sehen, das Tränen in ihren Augen standen.

Pat zog den Stuhl zurück, dann schaute er in die Runde. Sein Gesicht sagte nichts. „Die Vereinbarung endet mit Beginn der letzten Runde, damit bin ich raus. Ich wünsche euch noch viel Erfolg." Daraufhin drehte er sich um und ging.

Joyce stand dort, wie erstarrt. Keiner sagte etwas.

༻✧༺

Pat lief in sein Zimmer und packte seine Sachen. Er hatte genug. Jedes Mal kam das, was er vier Jahre lang verdrängt hatte, hoch. Als er fertig war, klopfte es an seiner Tür. Er ignorierte es, denn er wollte keine weitere Diskussion führen. Als es erneut klopfte, ging er genervt zu der Tür. Vor der Tür stand jedoch nicht Joyce oder eines der Truppenmitglieder, es war der Grund für dieses Chaos.

„Was willst du?", fragte er.

Paolos Blick fiel auf die Tasche, dann wieder auf Pat. „Hast du vor wegzulaufen?"

Das fehlt mir noch. Er drehte sich um und stopfte das letzte T-Shirt in die Tasche und zog den Reißverschluss zu. Mitten in der Bewegung hielt ihn eine Hand auf, die sich um seinen Unterarm schlang. Er schaute auf, schaute in schwarze Augen. „Ich werde abreisen, es ist besser so", sagte er ruhig. Zeit, dieses Kindertheater zu beenden, von dem er von Anfang an kein Teil hatte sein wollen.

„Ich habe auf dich gewartet. Jedes Jahr bin ich hier gewesen, doch du bist nicht mehr gekommen, el Diablo. "

Die Worte ließen Pat innehalten und er schaute ihn auf. Woher kennt er diesen Namen?

Doch Paolo war noch nicht fertig. „Du warst derjenige, der mit gezeigt hat, was es heißt zu tanzen, es zu leben. Ich habe nie jemand getroffen, der das Tanzen mehr geliebt hat als du, und das hat jeder gesehen. Sie haben dich nicht umsonst el Diablo genannt, den Tänzer, der einen Vertrag mit dem Teufel abgeschlossen haben soll, weil niemand ihm das Wasser reichen konnte."

Jede Truppe des Landes hatte sich um diesen Tänzer gerissen, wollte ihn abwerben, doch er blieb seiner Truppe treu. Er wollte es nur mit dieser schaffen, mit niemandem sonst. Vor vier Jahren waren sie bis ins Finale gekommen, doch dann geschah es. Im Dance Battle der Captains war ein Fan von der Bühne gestürmt und hatte ihn angegriffen, ihm mit einem Baseball-Schläger das Bein zertrümmert. Paolo war im Publikum gesessen, hatte es mit angesehen. „Wenn ich dich nicht haben kann, soll es niemand", hatte dieser geschrien. Doch das trat in den Hintergrund, denn alles, was er damals gehört hatte, waren Pats Schreie und alles, was er gesehen hatte, war das Blut auf der Matte gewesen.

Ein Knochenbruch verheilte in ein paar Monaten, mit Reha war man spätestens nach eine Jahr wieder fit, doch el Diablo war verschwunden. Er war nicht zurückgekehrt. Mit jedem Jahr war Paolos Hoffnung mehr geschwunden, bis zu dem Tag, an dem er ihn auf der Bank gesehen hatte. Sein Aussehen hatte sich verändert. Er hatte nicht mehr schwarze Haare und auch keinen Bartschatten mehr. Er sah reifer aus, doch sein Blick war kühl. Kein Feuer, keine Leidenschaft.

„Als ich dich zum ersten Mal da unten gesehen habe, hast du ausgesehen, als ob du das Tanzen hasst. Ich hatte die Hoffnung, dich zurückzuholen, und für einen Moment war es wieder da – dieses Feuer. Für den Moment, als wir getanzt haben, als du in meinen Armen gelegen hast. War das Einbildung, war das gespielt?", fragte Paolo. Seine Faust war geballt und er starrte den Rücken an, den er so oft gesehen hatte.

Pat richtete sich auf. „Ich bin nicht el Diablo." Diese Figur hatte seine Truppe zum Spaß erschaffen. Sie hatten ihm die Haare getönt und ihn geschminkt. Niemand hatte ihn außerhalb erkannt, denn es war ein Maske, die er nur für sie getragen hatte. Wieso hat er mich erkannt?

„Doch. Ich war mir in dem Moment sicher, als ich dich im Studio tanzen sehen habe. Ich kenne jede deiner Bewegungen", sagte Paolo trat nahe an den Mann heran.

Pat drehte sich und machte einen Schritt auf Paolo zu, sodass er zurücktrat. „Hör zu. Ich weiß nicht, wer du bist. Zwischen uns hat ein Feuer gebrannt, das gebe ich zu, doch dieses Theater ist vorbei. Geh und tanze, leb deinen Traum, doch du wirst merken, dass Träume nur Schall und Rauch sind."

Dieses Mal ging Paolo auf ihn zu und er wich zurück. „Tja, da muss ich dich enttäuschen. Mein Traum ist bereits in Erfüllung gegangen und das kann mir niemand nehmen."

„Was?"

Plötzlich war er ganz nahe. „Ich habe sieben Jahre davon geträumt, dir nahe zu sein, dass die Person, die ich liebe, meinen Blick erwidert. Gestern hast du das getan und das kannst nicht einmal du mir nehmen. Nun gibt es nur noch einen Traum, den ich habe, ich möchte dich nochmal tanzen sehen."

Pat schaute den Mann vor sich an. Seine Worte hallten in ihm nach. Liebe?

Paolo beugte sich vor, presste einen Kuss auf seine Lippen. In diesem Moment spürte Pat erneut die Wärme von gestern, ließ zu, dass sich warme Arme um ihn schlangen. Als er sich von Paolo löste, wusste er nicht mehr, was er denken sollte. „Was ist dein Traum, Patrick?"

Pat antwortete nicht.

„Wir sehen uns auf der Tanzfläche, denn dort wirst du ihn finden. Wenn du nicht kommst, werde ich meine Position als Captain abgeben und mit dem Tanzen aufhören." Mit diesen Worten drehte er sich um und ging.

Sprachlos schaute er dem Mann nach, der wegen ihm das aufgeben würde, was er liebte. Langsam setzte er sich auf das Bett und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Verdammt. Er nahm sein Handy und tippte auf die Nummer. „Pam. Ich möchte dich um einen Gefallen bitten."

Er schaute auf die Uhr. Noch eine Stunde.

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