2: Come Fly With Me*

30. Juni, fünf Monate später.

„Lotte, hast du deinen Pulli eingepackt? Es wird vielleicht kalt."

Meine Mutter rannte in ihrer traditionellen Vor-Ausflugsbeginn Panik durch das Haus. Jedes Mal, wenn wir irgendwohin fuhren, war sie immer davon überzeugt, das ich etwas vergessen hatte. Dieses Mal war keine Ausnahme. Ich verdrehte die Augen, als ich ihr antwortete.

„Mein Gott, Mama, es ist Sommer! Auf keinen Fall wird es kalt."

„Du wirst schon sehen!" rief sie mir entgegen, als sie die Treppen hoch rannte. „Eines Tages wird es kalt sein! Dann fängst du dir eine Lungenentzündung ein, und ich werde nur sagen 'Ich hab es dir ja gesagt'."

Als Meisterin aller Schwarzseher, glaubte meine Mutter fest an die 'Besser auf Nummer sicher gehen' Theorie und wendet sie auf alles an, was sie im Leben tat, einschließlich dem herumkommandieren von mir. Ich ignorierte sie und wartete weiterhin, mit meinem Gepäck an der Haustür, und tippte dabei ungeduldig mit meinem Fuß. Wenn sie nicht mit all dem Unsinn aufhören würde, würde ich mein Flugzeug verpassen.

Schließlich davon überzeugt, das ich in der Tat all meine Unterwäsche eingepackt hatte, kam meine Mutter die Treppe wieder hinunter gerannt und wir schleppten meine Koffer nach draußen zum Auto, wo mein Vater geduldig wartete. Ich schob mein Gepäck in den Kofferraum, lief um das Auto und sprang auf den Beifahrersitz, bevor meine Mutter dort Platz nehmen konnte. Ich musste Kontrolle über das Radio haben, ansonsten würde ich ständig Lautstärke-Änderung und Kanalwechsel vom Rücksitz durchgeben.

Meine Mutter kletterte etwas verärgert auf den Rücksitz, schloss ihre Tür und schnallte sich an. Mein Vater startete das Auto und fuhr aus unserer Einfahrt, und verfehlte nur knapp die Steinmauer an der Vorderseite unseres Gartens. Ich schaltete sofort das Radio an und auf einen Classic Rock Sender. Mit einem genervten Blick, schaltete mein Vater auf einen klassischen Sender. Ich knurrte. Der tägliche Krieg, hatte begonnen.

Es war keine besonders lange Fahrt, von unserem Haus in der Vorstadt, nördlich von Boston, zum Logan Flughafen, aber es schien ewig zu dauern. Mein Vater, vom dem ich meine Sturheit geerbt hatte, weigerte sich, die Kontrolle über das Radio aufzugeben. Ich hatte auch nicht vor einen Rückzieher zu machen, also schaltetet wir den ganzen Weg in die Stadt, immer hin und her, bis meine Mutter zu jammern begann, das wir ihr Kopfschmerzen bereiteten. Am Ende schalteten wir das verdammte Ding einfach ab.

Als wir am British Airways Ausstieg anhielten, bemerkte ich verärgert, wie eine vertraute Gestalt seinen Koffer Richtung Tür zog. Meine Mutter sprang natürlich aus dem Auto, um ihn zu helfen, und ignorierte die Tatsache, das ihre eigene Tochter ebenfalls einen Koffer zu transportieren hatte.

„Kurt!" rief sie und riss ihn in eine Riesen-Umarmung. „Wie geht es dir? Aufgeregt, oder?"

Strahlend, antwortete er ihr, aber nicht laut genug das ich ihn hören konnte. Er schaute kurz zu mir rüber und grinste. Ich funkelte ihn als Antwort darauf böse an und zog mein Gepäck aus dem Kofferraum. Kurt beugte sich zu meiner Mutter und flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie kicherte und etwas darauf antwortete, in dem ich eindeutig meinen Namen hörte. Das ärgerte mich. Ich hasste es, wenn sie hinter meinen Rücken über mich redete, vor allem mit Menschen, gegen die ich eine entschiedene Abneigung hatte.

Zugegeben, es gab nicht allzu viele von diesen Leuten, aber ist ja nicht so, als würde das wirklich eine Rolle spielen. Ich stapfte mit meiner Reisetasche zu ihnen hinüber und mein Dad folgte mir mit meinem Koffer.

„Kurt." bestätigte ich schweren Herzens, seine Anwesenheit mit einem Nicken.

„Lotte." antwortete er mit einem Grinsen. Er schien meinen Hass auf ihn, als lustig zu empfinden.

„Oh, sieh sie dir an, Heinrich!" rief meine Mutter strahlend. „Dabei auf ihre ersten gemeinsame Reise zu gehen! Sind sie nicht bezaubernd? Kommt, wir müssen ein Foto machen."

Sie zwang uns unser Gepäck abzulegen, und schob Kurt und mich zusammen, während mein Vater den Fotoapparat heraus holte und offenbar meine Folter genoss.

„In Ordnung." sagte er und schaute durch den Sucher. „Jetzt ein wenig näher." Kurt und ich rutschten unbehaglich näher zueinander. „Ja, das ist gut."

„Warte." unterbrach meine Mutter. „Kurt, mein Schatz, leg deinen Arm um sie. Das wäre so süß."

Völlig außer mir, warf ich ihr den bösesten Blick überhaupt zu. Kurt schlang glücklich seinen Arm um mich, erfreut darüber, das er in der Lage war, mich zu ärgern. Ich Versuchte mein bestes nicht zusammen zu zucken, lächelte als mein Vater das Foto schoss und duckte mich dann sofort aus Kurts Umarmung.

„Kein Grund sich so zu beeilen." sagte er in einen gedämpften Ton zu mir. „Ich bin sogar ziemlich verletzt, das es dir nicht gefällt in meinen Armen zu liegen. Das ruiniert meine Pläne für die Reise total." grinste er.

Ich wartete, bis ich mir sicher war, das meine Eltern nicht schauten und zeigte ihn dann den Mittelfinger. Wir brachten dann unsere Koffer zur Gepäckabgabe. Einige Leuten aus unseren Chor standen schon in der Check-in-Schlange. Ich küsste meine Eltern zum Abschied und gesellte mich zu ihnen. Kurt folgte aber erst, als meine Mutter in einen dicken Schmatzer auf die Wange und ein paar bayrische Plätzchen für den Flug, gegeben hatte.

„Deine Mutter ist so nett." sagte Kurt, als er seine Taschen abstellte, während wir in der Schlange warteten. „Wie kommt es, das du mir gegenüber so ein Miststück bist?"

Ich musste wegen seiner Direktheit kichern. „Oh Kurt," antwortete ich mit einem Seufzen. „Warum ist der Himmel blau? Warum ist das Gras grün? Warum fliegen Vögel? Das ist einfach die Art, wie die Welt funktioniert. Es ist einfach die natürliche Ordnung der Dinge. Wir beide mögen einander nicht."

„Wer sagt das?" erwiderte er mit einem grinsen. Ich dachte, ich hätte die Dinge ziemlich deutlich erklärt, aber er dachte offensichtlich anders darüber.

„Alle, die wir kennen." antwortete ich. „Es ist offensichtlich."

Zu diesem Zeitpunkt, hatten wir den Check-in-Schalter erreicht. Ich stelle meine Taschen auf die Waage und war sehr dankbar, zu sehen, das sie kein Übergewicht hatten. Die Dame hinter dem Tresen, klebte Aufkleber auf mein Gepäck und ließ sie auf das Förderband hinter sich laufen. Ich zeigte ihr mein Ticket und mein Pass und machte mich dann auf zum Gate.

Ich kam ohne Probleme durch den Security Check. Kurt jedoch nicht. Sehr zu meinen Vergnügen, musste er abgetastet werden, weil sein Gürtel immer wieder den Metalldetektor auslöste, und er zu dumm war, das zu bemerken. Ich hab mich gut amüsiert, als er vom bewaffneten Personal 'gefilzt' wurde. Schließlich davon überzeugt, das er kein Terrorist war, ließen sie ihn gehen.

Am Gate sah ich Eden, auf einen der Plastikstühle sitzen, und eine Zeitschrift lesen, ich ließ meine Tasche fallen und rannte zu ihr, um sie zu umarmen.

„Eden!" schrie ich.

„Lotte!" erwiderte sie, sprang auf, um mich auf halben Weg zu treffen. Ihr rotes Haar wehte hinter ihr.

„Es ist Wochen her, Mädchen." sagte ich, als wir uns umarmten. „Wie war Maine?"

„Fantastisch." antwortete sie strahlend. „Ich glaube, wir haben wirklich nützliche Arbeit geleistet."

Eden, die nun mal der Engel war, der sie war, war gerade von einer zweiwöchigen Missions-Reise mit ihrer Kirche, entlang der Küste von Maine, um dort sauber zu machen, zurück gekehrt. Der Ort an dem sie war, lag so ländlich, das sie dort keinerlei Handy Empfang hatte, also hatten wir nicht mehr miteinander geredet, seit sie gefahren war.

„Irgendwelche heißen Jungs auf der Reise?" fragte ich sie und wackelte viel sagend mit den Augenbrauen. Sie kicherte.

„Oh Lotte," erwiderte sie, und tat so, als würde sie es mir bereits zum hundertsten Mal sagten. „Was ist nur mit dir und Jungs, hä?" Wir lachten beide.

„Außerdem." fuhr sie fort. „Auch wenn die Jungs in meiner Kirche wunderbar sind und ich sie über alles liebe, tun sie es einfach in dem Sinne nicht für mich, weißt du? Nicht, das irgendwas mit ihnen nicht stimmt, oder so."

Ich nickte. Ich bin sicher, das Eden es, als eher gemein erachten würde, das ich das dachte, aber die Jungs in ihrer Kirche waren eindeutig unattraktiv. Also, alle bis auf einer, aber dieser war bereits fünfundzwanzig und verheiratet, und weder Eden, noch ich machten jagt, auf verheiratete Männer. So oberflächlich waren wir nicht.

Etwas Links von mir, fiel mir einer der Jungs in unserer Gruppe auf, wie er am Fenster saß, und ziemlich konzentriert auf Eden schaute, und dabei völlig seine Freunde ignorierte, die versuchten seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Eden." sagte ich leise, und achtete darauf, mich nicht komplett umzudrehen, um zu dem Jungen zu schauen. „Da drüben ist ein Typ, der dich die ganze Zeit anstarrt." Ich deutete mit einer leichten Augenbewegung an, welche Richtung ich meinte und Eden warf einen verstohlenen Blick hinüber.

„Gehört er nicht zu Tenor Abteilung?" fragte sie.

„Ja, ich glaube schon." antwortete ich und gab vor woanders hinzuschauen. Eden machte daraus keinen Hehl, sie schaute einfach.

„Er ist süß." sagte sie.

Ich schaute wieder zu ihm. Er hatte zum Glück wieder angefangen mit seinen Freunden zu reden und schaute nicht in unsere Richtung. Er hatte hellbraune, lockige Haare, Baby-blaue Augen und ein sehr angenehmes Gesicht, das ein allgemeine sonniges Gemüt andeutete.

„Ja, ist er." stimmte ich ihr zu. „Ihr würdet ein süßes Paar abgeben." Ich stieß sie leicht mit meinen Ellbogen an.

„Hör auf damit." protestierte sie, während sie heftig errötete und mir einen kleinen Schubser verpasste. „Ich hab ihn noch nicht einmal kennen gelernt."

„Na und, geh hin und lerne ihn kennen." erwiderte ich, als ob es das offensichtlichste auf der Welt wäre.

„Ich kann nicht einfach zu ihm hingehen und anfangen mit ihm zu reden." antwortete sie und schaute wegen meines Vorschlags völlig geschockt drein.

„Warum nicht?" fragte ich. „Du bist eine freundliche Person, Eden. Die Leute erwarten sowas von dir. Du versteckst nicht gerade die Tatsache, das du jedes menschliche Wesen liebst."

„Ich weiß." sagte sie. „Aber das wäre mir zu peinlich."

„Wie du willst." antwortete ich mit einem Schulterzucken.

„Hey, ist das eine Zwei-Mann Party, oder kann ich mitmachen?" fragte jemand hinter mir.

Ich drehte mich mit einem breiten Lächeln um. „Jane!" rief ich aus und zog meine Freundin in eine Umarmung. Sie schlang ihre kleinen Arme ebenfalls um mich und drückte mich leicht, dann gab sie Eden eine ebenso liebevolle Umarmung. Ihre mandelförmigen, braunen Augen funkelten vor Begeisterung.

„Es ist ewig her, Leute, wie geht's euch?" fragte sie.

„Wunderbar, danke." antwortete Eden strahlend.

„Ganz okay, schätze ich." fügte ich hinzu.

„Nur 'ganz okay'?" fragte Jane skeptisch. „Komm schon, Mann, wir sind dabei nach London zu fliegen! Auf keinen Fall kann es dir nur ganz okay gehen."

Ich lächelte. „Na schön, mir geht's sehr gut."

Eden kicherte über Janes verärgertes Stirnrunzeln.

„Sag was du willst, Lotte." fuhr Jane fort. „Diese Reise wird einigen ernsthaft in den Hintern treten."

„Nun sagt mir schon." sagte ich mit einem künstlichen aristokratischen schwingen. „In welchen Hintern genau, wird sie treten?" Meine beiden Freunde brachen, wegen meiner lächerlichen Frage, in Gelächter aus. Ich muss sagen, ab und an hatte ich schon Sinn für Humor.

„Vielleicht haben wir Glück und es ist Georgianas." lachte Jane leise. „Sie könnte wirklich einen guten Tritt in den Hintern gebrauchen."

„Ich wette, du würdest ihn ihr auch liebend gern geben, nicht wahr Jane?" scherzte ich.

„Verdammt richtig." antwortete sie und nickte dabei heftig. Ich musste über Janes rebellische Natur lächeln. Ihre Eltern, beide Einwanderer aus Taiwan, waren ein wenig streng, also hatte Jane eine wilde Ader, die sie liebte zu entfesseln, nur um sie zu verärgern. Es war nicht ihre Art, unterwürfig zu sein.

„Oh ihr zwei." protestierte Eden. „Ihr solltet solche Dinge nicht sagen. Georgiana ist nicht so schlimm. Ich meine, ich weiß, das sie ein wenig...."

„Zickig." unterbrach ich sie.

„Eingebildet." schlug Jane vor.

„Materialistisch."

„Versnobt."

„Verwöhnt."

„Schweinisch."

„Genug, ihr zwei! Ich habe es verstanden." sagte Eden und wedelte mit ihren Händen, als Signal für uns aufzuhören. „Sie ist dennoch ein Mensch, wisst ihr?!"

Da war ich mir nicht so sicher. Ich schaute zu den Plätzen in der Nähe der Eingangsschleuse, wo unser Objekt der Verachtung saß und sich offensichtlich über etwas, bei ihren Groupies beklagte. Ein missbilligender Blick lag auf ihren feinen Gesichtszügen und ihre braunen Augen schauten gelangweilt drein. Ihr blondes Haar sah aufgebauscht wie üblich aus, und ihre langen Beine endeten in ein paar Designer-Stöckelschuhen. Sie gähnte dramatisch und ich stieß einen leises prusten aus.

Zusammen mit Kurt, war Georgiana Bancroft einer der wenigen Menschen, die ich einfach nicht Leiden konnte. Die einzige Tochter, der reichsten Familie in der Stadt, sie wurde mehr oder weniger von ihrem Kindermädchen aufgezogen, da beide Eltern hochkarätige Business Moguls waren. Unaufmerksam wie sie waren, kaufen sie ihr viel zu viel Scheiß, was nicht gerade zu ihrem Besten war. Ich kannte Georgiana, seitdem ich in diese Stadt gezogen war, und ich hatte sie niemals als etwas anders als materialistisch und arrogant kennengelernt. Ich war mir ziemlich sicher, das sie auch eine ziemlich große Abneigung gegen mich hatte, obwohl ich nicht ganz sicher war, weshalb.

Ein lautes Klatschen durchbrach plötzlich die Geräuschkulisse in der Wartezone. Mr. Faulkner hatte sich auf einen Stuhl gestellt, damit wir ihn alle sehen konnten und klatschte in die Hände.

„Leute, Leute, beruhigt euch bitte." sagte er unnötigerweise, wir schenkten ihm bereits alle unsere Aufmerksamkeit. Es war unmöglich das nicht zu tun. Sein Hemd war in seine Unterwäsche gestopft, die unübersehbar aus seiner Hose lugte. Er trug weißte enge Unterhosen und vereinzelt erklang ein Kichern in den Reihen der Schüler.

„Wir werden in ein oder zwei Minuten ins Flugzeug steigen" fuhr er fort, blind gegenüber der Tatsache, das er im stillen ausgelacht wurde. „Ich habe alle eure Tickets hier. Nate hat die Sitznachbarn in alphabetischer Reihenfolge aufgeteilt, um das ganze einfacher zu machen."

Es war so typisch das Nate etwas Derartiges tun würde. Er war der Chorpräsident und widmete sich dem ganzen völlig.

„Wenn ich eure Namen aufgerufen habe, kommt bitte und holt eure Tickets." wies Mr. Faulkner an. „Anderson, Bett; Andrews, Michelle; Arden, Giles; Bancroft, Georgiana...." („Das sollte interessant werden." flüsterte ich Eden und Jane zu. „Georgiana und Giles knutschen den ganzen Flug lang miteinander rum, wenn sie nebeneinander sitzen.") „....Buckley, Will; Calhoun, Bryn; Chang, Jane; Davies, Lauren...." („Oh mann," murmelte Jane. „Sie wird mich den ganzen Flug lang voll jammern.") „.....Eaton, Conner; Evers, Adam; Frost, Chris; Garrison, Rachel; Gibson, Stephanie; Harper, Brian; Harris, Carey...." („Armer Brian," sagte ich. „Carey ist so ein Schwulen feindlicher Sportler. Er wird ihm die ganze Zeit niedermachen.") „....Ives, Grant; Jensen, Eden; Kelly, Brigid; Kramer, Otto; Leisch, Lotte; Matthews, Kurt...."

Meine Gedanken erstarrten. Ich konnte nicht glauben, was ich gerade gehört hatte. Wie konnte ich nur vergessen, das Leisch und Matthews so nah beieinander standen? Und noch viel wichtiger, warum hatte ich nur so ein unglaubliches Pech? Ich konnte mir nichts vorstellen, was schlimmer war, als acht Stunden lang, mit Kurt Matthews auf begrenzten Raum zu verbringen. Das Schicksal musste mich ja sowas von hassen.

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Als ich mir meinen Weg durch den engen Gang des Flugzeuges bahnte, und dabei versuchte, nicht an meine eigenen Probleme zu denken, und zu vermeiden über Gepäckstücke zu stolpern, die die Leute achtlos auf dem Boden haben stehen lassen (und nicht unter den Sitz vor ihnen, diese bösen Passagiere), fielen mir die verschiedenen plänkelein zwischen den Mitgliedern meines Chors auf.

Georgiana versuchte Michelle Andrews lautstark davon zu überzeugen, den Platz mit ihr zu tauschen, damit sie neben ihren geliebten Freund, Giles, sitzen konnte. Carey Haaris quetschte sich, in eindeutiger Abneigung für den extravaganten Brian Harper, welcher ziemlich verletzt und befangen von dieser Aktion aussah, so nah wie er konnte, ans Fenster.

Weiter in Richtung des hinteren Teils des Flugzeugs, war die arme Sara Richards, ein kleiner Bücherwurm, zwischen Devin Parker und John Rockwell, oder anders ausgedrückt, zwischen der größten Schlampe und der männlichen Hure auf unserer Schule, eingeklemmt. Sie sah ziemlich unbehaglich aus, da die beiden schamlos über sie hinweg flirteten, als ob sie nicht da wäre.

Mehrere Chormitglieder und andere Passagiere versuchten immer noch ihr Gepäck, in die Gepäckfächer zu schieben, einige mit geringen Erfolg. Endlich erreichte ich meinen Sitz, und war ziemlich verärgert darüber, herauszufinden, das ich den Sitz in der Mitte hatte. Otto Kramer hatte sich bereits gegen das Fenster gelehnt und sah ziemlich müde aus. Ein schwaches, recht markantes Aroma ging von ihm aus. „Na toll." dachte ich bei mir. „Einfach toll. Der Idiot hat sich total zugekifft."

Ich stopfte meinen Rucksack ziemlich verärgert unter den Sitz vor mir (der zufälligerweise Edens war) und setzte mich. Otto bemerkte meine Anwesenheit fünf Sekunden nachdem er es hätte sollen, und grüßte mich mit einem Nicken. Ich erwiderte die Geste.

Als das Objekt meiner absoluten Verachtung den Mittelgang entlang schlenderte, bemerkte er mich und grinste. Sein Grinsen war die sadistischste Sache auf der Welt. Die Vorstellung, das er in der Lage war, mich die ganze Nacht zu quälen, musste Kurt vor Aufregung fast schwindelig werden lassen. Ich würde keinen Schlaf bekommen, das konnte ich förmlich spüren. Warum mussten nahezu alle Flüge nach Europa Nachtflüge sein?

„Hey." sagte Kurt, als er sich hinsetzte. „Was ist los?"

„Nichts." murmelte ich verärgert.

„Ach wirklich?" fragte er, seine Augenbrauen hoben sich in vorgetäuschter Neugier. „Also, es tut mir wirklich leid zu hören, das du so ein langweiliges Leben führst. Schon mal dran gedacht es aufzupeppen?" Er stieß mich leicht mit seinen Ellbogen.

Ich funkelte ihn böse an. Er wusste, das ich es hasste, wenn er sich wie ein Lustmolch benahm. Das machte er mit Absicht, nur um mich zu ärgern. Und es funktionierte auch noch. „Nicht mit dir, Matthews." knurrte ich.

Kurt lachte halbherzig. „Na, na Lotte." erwiderte er. „Das ist wirklich nicht sehr nett. Das könnte mein Ego wirklich ernsthaft verletzen."

„Dein Ego hat ein paar Blessuren dringend nötig, Kurt." mir war kurz davor der Kragen zu platzen. „Du glaubst das du all das bist, und das ist wirklich nervig."

„Ich bin nicht halb so schlimm wie Conner Eaton." antwortete er und deutete mit seinem Kopf in Richtung des vorderen Teils des Flugzeugs (Conner saß ein paar Reihen vor uns).

Ich seufzte. In diesen Punkt hatte er Recht. Conner dachte im Grunde, das er die ganze Welt regieren würde, und das wir alle, irgendwie seine verehrenden Untergebenen wären. „Ja, ich schätze das stimmt." murmelte ich niedergeschlagen.

„Siehst du, so schlimm bin ich nicht." erwiderte Kurt mit einem ekelhaft, dämlichen Lächeln.

Ich verdrehte die Augen und wandte mich von ihm ab, und bevorzugte es, lieber auf den dösenden Otto, als in die funkelnden braunen Augen von Kurt zu schauen. Ich kam auf seine Augen nicht klar. Kurts Augen hatten mich, seit ich ihm getroffen hatte, schon immer fasziniert. Sie waren unglaublich ausdrucksstark, dennoch war es unmöglich zu sagen, welche Emotion, sie zu einem bestimmten Zeitpunkt übertrugen.

Die einzigen beiden, die ich erkennen konnte, waren Freude und Traurigkeit, denn im ersten entfachte ein Funke des Lebens und im letzteren wurde dieser ausgelöscht. Alle anderen Gefühle, waren für mich unmöglich zu entschlüsseln. Ich liebte seine Augen wirklich, ich hasste nur den Rest von ihm.

„Hey, Lotte." flüsterte Eden vom Sitz vor mir. „Wie geht es dir da hinten?"

Ich rutschte näher an den Zwischenraum, zwischen den Sitzen in ihrer Reihe, um sie besser hören zu können. „Ganz gut, schätze ich. Es wird jedoch eine lange Nacht werden."

„Halte durch, Kumpel." Sie streckte ihre Hand zwischen die beiden Sitze um meine zu drücken. „Ich werde da sein, wenn du mich brauchst, okay?"

„Danke, süße." erwiderte ich dankbar und ein echtes Lächeln zierte meine Lippen, das Eden aber leider nicht sehen konnte. Ich lehnte mich in meinen Sitz zurück und warf einen flüchtigen Blick zu Kurt. Er hatte den 'Großen Gatsby' herausgeholt und las ihn mit großen Interesse. Das Buch sah ein wenig mitgenommen aus, als ob er es schon viele Male zuvor gelesen hatte. Ich widerstand dem Drang, einen Kommentar darüber abzugeben, wie sehr ich dieses Buch (und sogar die meisten Bücher von F, Scott Fitzgerald) liebte, da es unweigerlich ein Gespräch beginnen würde. Ich wollte nicht mit Kurt reden, wenn ich es nicht unbedingt musste. Dennoch beeindruckte es mich, dass er meinen Geschmack in der Literatur teilte.

Mein Versuch kein Gespräch zu beginnen, war vergebens. Kurt fand eine Stelle, die er offensichtlich mochte, lachte leise und kommentierte wie toll es war, dann drehte er sich zu mir und fragte: „Hast du jemals den Großen Gatsby gelesen?"

„Ja...." antwortete ich zögernd.

„Hat es dir gefallen?" fragte er weiter.

Ich konnte nicht lügen. Ich hatte Probleme damit. „Es ist eins meiner Lieblingsbücher." antwortete ich resigniert.

Kurt strahlte. „Von mir auch." erwiderte er. „Ich hab manchmal das Gefühl, als könnte ich mich wirklich mit Gatsby identifizieren, weißt du? Die ganze Sache, immerzu die grüne Laterne am Ende von Daisys Dock zu beobachten, immerzu auf etwas zu hoffen, was außerhalb der Reichweite liegt." Er murmelte etwas und konzentrierte sich dann wieder auf das Buch.

Ich war aus zwei Gründen, ziemlich geschockt. Erstens: Ich hatte meine Englisch-Facharbeit über die Symbolik der gleichen grünen Laterne geschrieben, und ich war erstaunt und ein wenig verärgert, das Kurt die gleiche Metapher entdeckt hatte, von der ich dachte, das es meine Entdeckung sei (obwohl ich mir sicher war, das irgendein Literaturkritiker das irgendwo schon herausgefunden hatte). Und zweitens: Das ich doch tatsächlich eine, höfliche, ja sogar intelligente Unterhaltung mit Kurt Matthews führte. Es war wie in einer Art Paralleluniversum, und es begann mich wirklich wahnsinnig zu machen.

„Ja, das ist eine gute Metapher." erwiderte ich leise und schaute runter auf meine Hände, um zu versuchen, den Eindruck zu erwecken, das ich keine Lust hatte, mich weiter zu Unterhalten. Kurt verstand jedoch die Nachricht nicht. Seine nervige Seite tauchte wieder auf, als er weiter mit mir redete. „Es gibt jedoch nicht wirklich jemanden wie dich im Buch. Du bist zu schlau, um Tom zu sein, zu ehrlich um Nick zu sein, und zu loyal für Daisy." Irgendwie ließ er die Komplimente wie Beleidigungen klingen.

„Kurt," begann ich. „Da du mich als 'ehrlich' bezeichnet hast, werde ich dir ganz ehrlich sagen, lass mich bitte in Ruhe. Ich würde heute Nacht gerne wirklich etwa Schlaf bekommen."

Trotz meiner Offenheit, grinste Kurt schelmisch. „Wie ihr wünscht." erwiderte er und zitierte damit 'Die Braut des Prinzen', dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Buch zu.

Ich war ziemlich überrascht, dass er so leicht aufgegeben hatte mich zu ärgern, und zuerst, war ich stolz auf mich selbst, weil ich es geschafft hatte, das er mich in Ruhe ließ. Aber dann dachte ich mir, das ich wahrscheinlich, bevor die Nacht zu Ende war, wieder von ihm hören würde. Ich rümpfte bei den Gedanken daran verärgert die Nase und ließ mich dann zurück in meinem Sitz sinken, als die Flugzeug-Monitore angingen, um uns das Sicherheitsvideo zu zeigen. Ihr wisst schon, das mit der wirklich schlechten Animation, das einem zeigte, wie man sich anschnallt, nur für den Fall, das man noch nie in einem Auto gesessen hatte, seit diese erfunden wurden.

Während das Video immer noch lief, setzte sich das Flugzeug in Bewegung, entfernte sich vom Gate und fuhr die Rollbahn entlang. Es blieb am Ende der Strecke des schwarzen Asphalts stehen und bereitete seine Triebwerke für den Start vor. Ich spannte mich in meinen Sitz vor Aufregung und Vorfreude an. Dies war mein Lieblingspart beim Fliegen. Er sorgte immer dafür das mein Magen einen Looping machte, wie als würde ich einen großen Hügel einer Achterbahn hinunter rasen. Ich liebte dieses Gefühl.

Plötzlich machte das Flugzeug einen Ruck nach vorn und begann auf der Startbahn auf volle Touren zu beschleunigen, was dafür sorgte, das wir alle zurück in die Sitze gepresst wurden. Ich spürte wie die Räder den Boden verließen, mit einmal waren wir in der Luft, und flogen höher und höher in den Himmel und hoch über Bosten hinaus. „Das ist es." dachte ich. „Wir sind auf dem Weg."

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Ich musste irgendwann, als das Flugzeug seine Flughöhe erreicht hatte und ziemlich ruhig daher flog, über den Atlantik eingeknickt sein. Ich war mir nicht sicher wie lange ich geschlafen hatte, und döste so vor mich hin, hielt meine Augen aber geschlossen, und versuchte wieder richtig einzuschlafen. Alles war recht ruhig und ich wollte unbedingt weiter schlafen, damit ich Morgen früh, wenn wir London erreichten, frisch und munter war. Ich lächelte bei dem Gedanken daran, wie viel Spaß es machen würde.

Obwohl ich mir nicht ganz sicher über meine Körper- und Schlafposition war, war ich mir vage darüber bewusst, das mein Kopf auf etwas sehr bequemen ruhte. „Mmm." dachte ich schläfrig. „Das Ding ist weich." Ich kuschelte mich enger an was immer es auch war. Es kuschelte zurück.

Zufrieden mit meiner Position, begann ich wieder einzudösen, und genoss die Weichheit und Wärme meines improvisierten Kissens. Das Kissen begann jedoch meine Haare zu streicheln. Zuerst gefiel es mir, da es sich beruhigend anfühlte. Doch schließlich dämmerte es mir, das mein Kissen Hände haben musste, um meine Haare zu streicheln, und daher ein Mensch sein musste.

Ich riss meine Augen auf und sprang zurück in eine sitzende Position. Kurt, der offenbar mein Kissen gewesen war, sah erschrocken aus. Ich schaute in eine Minute mit weit aufgerissenen Augen an, bevor ich eine verlegene Entschuldigung murmelte.

„Schon in Ordnung." erwiderte er grinsend. „Ich kann dich eigentlich sogar besser leiden wenn du schläfst. Du bist viel weniger streitlustig. Du solltest viel öfter schlafen."

Ich warf ihm einen genervten Blick zu und beschloss dann, meinen iPod heraus zu holen. Ich steckte die Kopfhörer in meine Ohren und drückte dann auf shuffle. 'Codo' ein österreichischer Pop Song aus den 80igern begann. Mit der Auswahl zufrieden, legte ich meinen iPod auf meinen Schoss, schloss die Augen und lehnte mich in meinen Sitz zurück. Ich lächelte, als der bekannte Refrain meine Ohren füllte.

'Und ich düse, düse, düse, düse im Sauseschritt,

Und bring die Liebe mit,

Vom meinem Himmelsritt

Denn die Liebe, Liebe, Liebe, LIEBE DIE MACHT VIEL SPAß...'

Ich zuckte zusammen und riss mir die Kopfhörer aus den Ohren, als die Musik plötzlich unglaublich laut wurde. Ich schaltete meinen Ipod schnell aus und funkelte Kurt böse an, der sich total kaputt lachte. Er hatte offensichtlich hinüber gegriffen und die Lautstärke aufgedreht, als ich nicht aufgepasst hatte.

„Oh Mann." lachte er. „Du hättest dein Gesicht sehen sollen. Einfach unbezahlbar!"

Ich schlug ihm gegen den Hinterkopf. „Idiot." knurrte ich. „Warum musst du mich immerzu quälen?"

„Weil du es so einfach machst." antwortete er strahlend. „Und ich werde nicht leugnen, das es verdammt lustig ist."

„Für dich vielleicht." murmelte ich.

Kurt lehnte sich in seinen Sitz zurück und streckte seinen langen, durchtrainierten Körper, soweit er es auf so engen Raum konnte.

„Wie auch immer, Lotte." sagte er. „Wenn du mich nicht so sehr hassen würdest, müsste ich mich vielleicht auch nicht wie so ein Idiot benehmen."

„Ich muss dich hassen." erwiderte ich.

„Warum?"

„Einfach weil es einen Grund gibt."

„Der da wäre?"

„Weil ich es immer habe. Und du bist ein Idiot."

„Und du bist stur."

„Ich weiß. Du bist aufdringlich."

„Ich weiß."

„Arsch."

„Miststück."

„Schwachkopf."

„Schnepfe."

Die Reihe an Beleidigungen ging weiter. Das würde noch eine lange Nacht werden.

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