11: Lágrimas Negras*

Soweit es mich betraf, war 'das Date' eine totale Katastrophe gewesen. Nachdem er mitbekommen hatte, das er auf Insekten herumgekaut hatte, war Kurt eiligst zur Toilette verschwunden, hatte in etwa zwanzig Minuten dort verbracht und seinen Magen von dem scheußlichen Inhalt befreit. 

Obwohl er auf der Herrentoilette war, hatte Eden mich hinein geschoben, um ihn zu trösten, während er sich übergab. Ich hatte einfach nur unbeholfen hinter ihm gekniet und mit meiner Hand kreise auf seinem Rücken gezogen. Peinliche Bindungs-Erfahrung? Jup. 

Edens Nacht schien, anscheinend besser zu laufen, wenn man danach urteilte, das sie und Matt nach dem Abendessen auf einen 'Spaziergang im Mondlicht' gegangen waren, während ich einen von Übelkeit geplagten Kurt, via U-Bahn zurück zum Hotel begleitete. 

Wir beide liefen die Treppe zur nächsten U-Bahn-Station hinunter, und Kurt warf einen Euro in den Instrumentenkoffer eines Mannes, der an der Seite saß und eine Melodie anstimmte, die ich als 'Lágrimas Negras' von Bebo & Cigala, ein spanisches Jazz Duo, erkannte. Ich summte den Song leise mit und ging, mit Kurt im Schlepptau, durch das Drehkreuz und in den wartenden Zug. 

Als die Schiebetüren der U-Bahn sich geräuschvoll hinter uns schlossen, entdeckten Kurt und ich zwei leere Plätze und ließen uns kurzerhand darauf nieder. Die Bahn setzte sich in Bewegung, was mich für einen kurzen Moment auf Kurt fallen ließ, bevor ich mich wieder hastig in eine aufrechte Position schob und seinen Oberschenkel als stütze nutzte. Er grunzte als Antwort auf den plötzlichen Druck auf sein Bein. 

„Ähm, tut mir leid...." murmelte ich. 

Er schüttelte seinen Kopf. „Mach dir keinen Kopf deswegen." 

Wir sanken in eine peinliche Stille, die fünf volle Minuten andauerte. Ich hatte keine Ahnung, was ich tu sollte, um der Situation Abhilfe zu schaffen. Ich meine, was sagte man zu der Person, der man gerade dabei zugesehen hatte, wie sie ihr Abendessen wieder ausgekotzt hatte. Nun offensichtlich, wenn ihr an meiner Stelle wärt, würdet ihr das Wetter kommentieren. 

„Es ist wirklich feucht draußen, nicht wahr?" 

Kurt warf mir einen seltsamen Blick zu. „Klar, ich denke schon." 

Ich wünschte, er hätte seine Antwort ein wenig mehr ausgeschmückt, damit ich nicht nach noch mehr Themen für eine Unterhaltung suchen müsste, aber das hatte er nicht. Offenbar war der Kranke Kurt genauso still, wie der Gesunde Kurt gesprächig war. Entweder das, oder ich hatte etwas getan um ihn zu verärgern. 

„Bist du sauer auf mich?" fragte ich, und war mir nicht ganz sicher, warum mich das überhaupt interessierte. Er schaute überrascht zu mir. 

„Nein, natürlich nicht. Wie kommst du denn darauf?" 

Ich zuckte mit den Schultern. „Du bist nur einfach ziemlich still, das ist alles." 

„Mir ist immer noch schlecht von den verdammten Heuschrecken." fauchte er und starrte auf den Boden. „Ich kann nicht glauben, das Matt mir nicht gesagt hat was ich da bestelle." 

„Vielleicht ist er ein heimlicher Sadist." schlug ich vor, wenn auch nur scherzhaft. 

„Mmm." murmelte Kurt zustimmend. „Er sollte jetzt besser wilden und hemmungslosen Sex mit Eden haben, ansonsten wird er als Jungfrau sterben, sobald er zurück ins Zimmer kommt." 

„Kurt!" rief ich aus und schubste ihn. Ich war ein wenig schockiert, das er vorgeschlagen hatte, dass meine beste Freundin mit jemanden auf ihren ersten Date schlafen würde, etwas von dem wir beide wussten, das sie das niemals tun würde. 

„Ja ich weiß, es ist Eden." erwiderte Kurt, da er meinen Unmut spürte. „Ich betone einfach nur die Tatsache, das ich stinksauer auf Matt bin. Ich habe voll und ganz die Absicht, wenn ich ihn das nächste Mal sehe, ihn mit einem rostigen Löffel zu kastrieren." 

Ich schnaubte. „Müsstest du dafür nicht seine Eier berühren?" 

Kurt dachte eine Minute lang darüber nach. „Okay, vergiss das. Ich werde stattdessen einen Amboss auf ihn fallen lassen." 

„Müsstest du dafür nicht genau genommen einen Amboss besitzen?" Ich grinste wegen all der Schlupflöcher, die ich in seinen rachsüchtigen Plänen fand. Kurt schmollte. 

„Hörst du wohl auf, an jedem Rache-Plan den ich entwerfe, etwas Falsches zu finden?" blaffte er. 

Ich hielt meine Hände ergeben nach oben. „Entspann dich, Mann." 

„Entschuldige." murmelte Kurt und schaute etwas verlegen drein. Er wandte seinen Blick erneut wieder zum (eher schmutzigen) Boden. Als sein Blick zufällig auf ein Porno-Magazin fiel, das jemand offensichtlich hat fallen lassen, errötete er wie ein schüchterner Schuljunge, der dabei erwischt worden war, in die Mädchenkabine geschaut zu haben, und richtete seinen Blick stattdessen auf seine Hände, die im seinen Schoß lagen. 

Das verdammte betretene Schweigen, war wieder zurück. 

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Ich fühlte mich zutiefst verlegen, als Kurt und ich aus dem Fahrstuhl im Hotel stiegen, und begannen den warm beleuchteten Flur, in Richtung unserer Zimmer entlangzulaufen. Wir hatten den ganzen Weg zurück zum Hotel in einem virtuellen Nebel aus Unbehagen und Unruhe zurück gelegt. Ich hatte ab und an versuchte, die Anspannung zu brechen, indem ich wahllose Kommentare von mir gab. 

Das hier, zum Beispiel, war unser 'Gespräch', nachdem wir aus der U-Bahn gestiegen waren, und die Straße entlang zu unserm Hotel liefen. 

Ich: „Das ist ein schönes Gebäude, nicht wahr?" 

Kurt: *zustimmendes Grunzen* 

Stille. 

Ich: „Mir gefällt das Kleid der Frau. Was denkst du?" 

Kurt: „Äh...es ist schön?" 

Ich: „Nun, natürlich ist es das, was du sagen würdest. Du bist ein Mann." 

Kurt: *zog seine Augenbrauen in die Höhe* 

Stille. 

Lasst mich euch sagen, es war so eine Erleichterung, endlich die Drehtüren des Hotels zu erreichen. Andererseits, bedeutete das ein oder zwei weitere Minute unbehaglichen Schweigens im Fahrstuhl. Kurt schien über etwas nachzudenken und ich beschloss ihn nicht zu unterbrechen. Trotzdem, peinliches Schweigen ist an normalen Plätzen schon schlimm genug, aber wenn sich eine in einem geschlossenen Raum, aus dem man nicht entkommen konnte heranschlich, war es fast unerträglich. 

Als Kurt und ich schließlich vor meiner Tür standen, fischte ich meinen Schlüssel aus meiner Tasche und erwartete das Kurt weiter den Flur zu seinem eigenen Zimmer entlang lief. Ich war daher von dem leisen hustenden Geräusch das er hinter mir machte, überrascht. 

Ich drehte mich zu ihm um und sah wie er entschlossen auf den Teppich starrte. „Hm?" hackte ich nach. Zögernd hob er seinen Kopf, um mich richtig anzusehen. 

Wie üblich, war die Emotion in seinen Augen unlesbar, wenn auch sehr stark „Lotte," begann er nervös. „Ich, ähm...na ja...danke." 

„Für was?" fragte ich. Kurt errötete heftig. „Das du bei mir geblieben bist als ich....na ja, du weißt schon. Das hat mir eine Menge bedeutet. Du weißt schon, gerade in solch einer Zeit jemanden da zu haben." 

Ich lächelte sanft. „Gern geschehen." 

Langsam grinste auch er. „Abgesehen davon, hatte ich eine schöne Zeit." 

„Eiswürfel Kämpfe sind immer ein Knaller." kicherte ich. 

Er lachte mit mir, wenn auch ein wenig unbehaglich. „Absolut." 

„Auch wenn du schrecklich zielst." Ich stieß ihn locker in die Rippen, und versuchte verzweifelt, die Unbehaglichkeit mit Humor zum Schmelzen zu bringen. Anstatt zu lachen, warf Kurt einen kurzen Blick auf die Stelle, wo sein schlecht geworfener Eiswürfel gelandet war, und wurde sogar noch verlegener, als er es ohnehin schon gewesen war, wenn das überhaupt möglich war. „Das...das tut mir wirklich leid...." murmelte er. 

„Mach dir darüber keine Sorgen." erwiderte ich fröhlich. „In der Liebe und in Eiswürfel Kriegen ist alles erlaubt, oder?" Kurts Mundwinkel zuckte nach oben, ein sicheres Anzeichen dafür, das ihn die Anspannung verließ. Ich freute mich innerlich. 

„Ja." er scharrte ein wenig mit seinen Füßen, und lächelte mich dann schüchtern an. „Ich habe es wirklich genossen, Zeit mit dir zu verbringen." 

Ich errötete. „Dito." 

Plötzlich beugte sich Kurt zu mir. Innerlich geriet ich in Panik. Hatte er vor mich zu küssen? Wollte ich das er mich küsste? Würde ich ihn weg schubsen, wenn er es täte? Würde ich seinen Kuss erwidern? Warum sollte er mich küssen wollen? HEILIGE SCHEIßE, KURT WIRD MICH KÜSSEN! Ich schloss meine Augen und wartete auf den Weltbewegenden, Angst einflößenden und vorgeahnt-zerstörende Kuss. 

Gott sei Dank, war es auf die Wange. Kurts Lippen waren überraschend weich und als er sich wieder zurück zog, spürte ich, wie sich meine Wangen noch dunkler färbten. Sein Blick traf den meinen, aber war erneut unlesbar. „Gute Nacht." seufzte er leise. 

Er zögerte noch einen Moment und schlürfte dann verlegen zu seinem Zimmer, und ließ mich mit weit aufstehenden Mund, was ein wenig wie ein verwirrter Fisch aussah, auf dem Flur stehen. Was zum Teufel war gerade passiert? 

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Um viertel vor zehn, platze Eden, in einem Zustand absoluter Euphorie, durch die Tür unseres Hotelzimmers. „Ich glaube, ich bin verliebt!" schwärmte sie, machte eine Ballett-artige Umdrehung und ließ sich auf ihr Bett fallen. 

Brigid schaute von ihrem Magazin auf und kicherte. „Ich nehme an, das Date lief gut." 

Eden steckte ihre Hände zufrieden hinter ihren Kopf und strahlte hinauf an die Decke. „Mehr als gut. Es war absolut...perfekt!" 

„Einzelheiten, Frau!" forderte Jane und steckte ihren Kopf aus dem Badezimmer. „Lotte hat uns rein gar nichts erzählt!" 

Ich funkelte sie böse an, auch wenn das, was sie gesagt hatte, wahr war. Von dem Zeitpunkt an, indem ich mich selbst ins Zimmer gelassen hatte, hatte ich mehr oder weniger nur auf meinem Bett gesessen und verwirrt drein geschaut. 

„Also," begann Eden. „Das Abendessen war sehr schön -" (diese Äußerung erntete ein Schnauben von mir) „- und danach, haben Matt und ich zusammen, einen Spaziergang unter den Sternen gemacht. Wir haben über alles mögliche geredet - Kunst, Literatur, Religion, Liebe..." sie seufzte. „Es war alles so romantisch." 

„Hat er dich geküsst?" fragte Brigid und fing an Interesse an dem Gespräch zu gewinnen. Die Kombination von Edens 1,000 Watt Lächeln und ihren Purpur roten Wangen beantwortete die Frage wortlos. 

„Aw, Eden hatte ihren ersten Kuss!" gurrte Jane und kam aus dem Badezimmer geschwebt, um Eden Großmutter-mäßig in die Wange zu kneifen. 

Eden scheuchte sie weg. „Hör auf damit!" 

„Ja, Jane, du ruinierst die Stimmung." gluckste ich. „Lass Eden sich einfach in ihren romantischen Glanz sonnen." 

Jane drehte sich zu mir. „In Ordnung, Lotte, wie wäre es dann, wenn du uns erzählst, wie du das Date fandest!?" 

Verdammt. Ich hatte gehofft, dieses bestimmte Gesprächsthema auf unbestimmte Zeit, zu umgehen. Es war eine Schande, das meine Freunde solche Wichtigtuer waren. Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte mir eine angemessene Antwort einfallen zu lassen, die nicht Verdächtig erscheinen würde. „Äh....es war...annehmbar?" 

Brigid zog eine Augenbraue in die Höhe. „Annehmbar?" 

Ich zuckte mit den Schultern. „Sicher." 

Ich schaute in die Gesichter meiner Freunde und konnte sehen, das sie wegen meiner Einwort Antworten, skeptisch waren. Nun jedenfalls Jane und Brigid waren das. Eden war viel zu weit im La-La-Land, um überhaupt irgendwas von meinem merkwürdigen Verhalten wahrzunehmen. 

Unter normalen Umständen, hätte ich mich ihr wohl anvertraut, und ihr von dem....unerwarteten Moment mit Kurt vor der Tür erzählt. Aber ich entschied mich dafür, sie nicht zu stören, während sie im siebten Himmel schwebte. 

„Definiere 'Annehmbar'." forderte Jane, wohl wissend, das ich versuchte, um das Thema herumzutanzen. 

Ich fühlte mich ein wenig wie eine Maus, die von einer hungrigen Hauskatze, in die enge getrieben wurde und versuchte Sarkasmus als Ausweg für meine missliche Lage zu verwenden. „Soll ich ein Wörterbuch für dich holen?" 

Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und schaute mich weiterhin erwartungsvoll an. Sie wusste, das ich irgendwann unter ihrem Blick nachgeben würde. 

Mit einem Seufzen, tippte ich schnell die 'denkwürdigen Momente' des Abends, an meinen Finger ab. „Wir waren Abendessen, Kurt hat einen Eiswürfel in meinen BH geworfen, Kurt hat Heuschrecken gegessen, und sie wieder ausgekotzt, und wir kamen wieder zurück. Ende. Zufrieden?" 

Natürlich ließ ich den kleinen Zwischenfall an der Tür aus. Obwohl sie die Angelegenheit fallen ließ, konnte Jane spüren, das ein Teil von meiner Geschichte fehlte. Schließlich erklärten Eiswürfel und Heuschrecken mein ungewöhnliches Verhalten nicht. 

Brigid blieb anderseits meiner Geheimhaltung, total ahnungslos gegenüber. „Könntest du das nochmal wiederholen, Lotte? Ich könnte schwören, das du gesagt hast, das Kurt Heuschrecken gegessen hat." 

Ich zuckte mit den Schultern. „Das hat er." 

Ihr Augen weiteten sich, als sie ein lautes Lachen ausstieß. „Ernsthaft? Mit Absicht?" 

„Igitt, natürlich nicht." ich rümpfte meine Nase angewidert, bei dem Gedanken, das jemand so was tun würde. Andererseits, standen die Heuschrecken auf der Karte, was darauf hindeutete, das jemand so was tatsächlich mögen musste. 

„Also?" fragte Brigid eifrig. 

Die Erkenntnis traf mich, dass sie wollte, das ich es weiter ausführte, also begann ich zu erklären wie es zu Kurts unglücklichen kulinarischen Erlebnis gekommen war. „Na ja, Kurt wusste nicht was er bestellen sollte, als wir im Restaurant waren, also hat er einfach seine Augen geschlossen und auf etwas gezeigt. Sein Pech Finger landete eben genau auf den Heuschrecken." 

„Und das hat er nicht gemerkt?" fragte Jane und zog eine Augenbraue in die Höhe. 

„Es war alles auf Spanisch." erklärte ich. „Matt spricht eigentlich Spanisch, aber ich schätze er dachte, es wäre lustig, wenn er Kurt nicht sagen würde, was er da bestellte." 

„Was ein Arsch." lachte Jane. 

„Hey, das ist MEIN Arsch!" rief Eden empört und zeigte mit ihren Finger auf das Mädchen, das es wagte, ihren Freund als etwas anderes als perfekt zu bezeichnen. Jane verdrehte nur die Augen. 

Ich fühlte jedoch, ein seltsames zusammenziehen, in meinem Magen, bei den Worten 'Mein Arsch'. Das hatte vermutlich mit den einst verhassten Jungen zu tun, der mich vorhin irgendwie auf den Flur geküsst hatte. Ich beschloss das es an der Zeit für eine Gefühls-Analyse war. 

Seit den Waffenstillstand, war Kurt eigentlich recht nett zu mir gewesen. Eigentlich schien es so, als hätte er sich tatsächlich bewusst angestrengt, mir nicht auf die Nerven zu gehen. Was wirklich eine ziemliche große Sache war, da es, seit wir sieben waren, mehr oder weniger seine Lieblings-Beschäftigung gewesen war. Vielleicht änderte sich Kurt, und wurde sogar reifer. 

Ich fing an, es für unmöglich zu halten, ihn länger zu hassen. Im Gegenteil, ich begann ihn sogar irgendwie als Freund zu sehen. Sicher, ich hatte den Waffenstillstand anfangs skeptisch gegenüber gestanden, aber ich genoss es jetzt sogar eher, einen weiteren Kerl um mich herum zu haben, mit dem ich herumalbern konnte. 

Immer noch in meinen Gedanken versunken, nickte ich entschieden mit meinem Kopf. Kurt Matthews war meiner Meinung nach in Ordnung.  

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„Im Ernst?" rief ich, mit weit aufgerissenen Augen und erstickte fast an meinem Tee. Ein paar Leute an den Nachbartischen drehten sich um und schauten mich eigenartig an. Mr. Faulkner nickte, nahm einen Schluck von seinem Kaffee, und war blind gegenüber der Blicke, die seine Tischbegleitung erhielt. „Jawohl. Er wird wirklich da sein. Ich weiß, das du bereits in Harvard angenommen würdest und das alles, also wird er dich nicht beurteilen oder dergleichen. Er möchte dich nur singen hören, vielleicht einen kleinen Vorgeschmack dessen, was du nächsten Herbst in sein Programm bringen wirst." 

„Warum ist der Leiter von Harvads Musikabteilung überhaupt hier?" fragte ich und versuchte immer noch das ganze vollständig zu begreifen. 

„Als er anrief, sagte er, das er seinen Bruder hier besuchen würde." antwortete er Schulterzuckend. „Aber wie auch immer, ich wollte dich nur wissen lassen, das er da sein wird. Mach dir jedoch keine Sorgen, Lotte. Du hast nichts zu verlieren. Kein Druck." 

„Kein Druck." wiederholte ich für mich selbst und schüttelte meinen Kopf. Mr. Faulkner sollte mich gut genug kennen, um zu wissen, das ich mir sehr wohl Sorgen wegen so einer wichtigen Person, die sich meinen Auftritt ansah, machen würde. 

Vielleicht hatte er das gewusst, was erklären würde, weshalb er mich zum Kaffee eingeladen hatte, bevor er die Bombe platzen ließ. 

„Lotte." murmelte Mr. Faulkner in einer beruhigenden Stimme, und tätschelte sanft meine Schulter. „Ich weiß, das du jetzt wahrscheinlich nervös bist, aber das solltest du nicht sein. Du hast eine wunderbare Stimme und wenn du dir keine Sorgen darüber machst und singst, wie du es immer tust, wirst du Mr. Harvard Professor aus den Socken hauen!!!" 

Ich schüttete mir in aller Ruhe eine weitere Tasse Tee ein, rührte sie vorsichtig um, und versuchte die Tatsache zu vertuschen, das ich innerlich in Panik geriet. „Keine Sorge, mir geht's gut!" lächelte ich, in der Hoffnung, das auch irgendwie so herüber zu bringen. 

Natürlich hätte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein können. Ich machte mir die ganze restliche Zeit, während Mr. Faulkners (eher langweiligen) Reden über Mendelssohn im Cafe, den ganzen Weg lang zurück zum Hotel und die Aufzugfahrt nach oben in mein Zimmer, Sorgen. 

Mein Zimmer war zum Glück leer, was mir erlaubte, meinen kleinen Nervenzusammenbruch in Frieden zu haben. Ich lief unruhig im Zimmer hin und her, meine Gedanken rasten. Nach etwa fünf Minuten von diesem Verhalten, begann mir Schwindelig, von all den Drehungen, die beim hin und her laufen von Nöten waren, zu werden. Ich setzte mich mit meinem Kopf in den Händen und gerunzelter Stirn, auf die Bettkante. 

Obwohl ich noch nie einer dieser 'Ich-muss-die-beste-in-allem-sein' Komplexe hatte, wollte ich dennoch den Harvard Typen beeindrucken, da er mehr als wahrscheinlich, ab den Herbst, ein Teil meines Lebens sein würde. Ich ging im Geiste meine komplette Arie durch, Note für Note, um mich so selbst ein wenig auf das Konzert später am Abend vorzubereiten. 

Ein Gedanke schlich sich plötzlich in meinen Verstand: während der Vorstellung so ausgeflippt zu sein, würde auf jeden Fall die Möglichkeit erhöhen irgendeinen gigantischen Fehler zu machen. Ich brauchte eine gesunde Portion Selbstvertrauen. 

Ich stand mit einer gewissen Zielstrebigkeit auf und ging hinüber zu meinem Koffer, öffnete ihn und wühlte mich durch seinen Inhalt, bis ich fand wonach ich gesucht hatte: der rote Spitzen-BH plus passenden Tanga, das Set was Eden mir in der zehnten Klasse geschenkt hatte. Mit einem leisen kichern stellte ich fest, das es dieselben beiden Artikel waren, mit denen ich Kurt einst erwischt hatte, wie er sie inspizierte. Ach, diese Erinnerungen. 

Jedenfalls, war dieses Set, so seltsam das auch klingen mag, schon immer meine 'Selbstvertrauen Unterwäsche' gewesen. Also zog ich in diesen Moment, in meinem verzweifelten Bedürfnis nach Selbstsicherheit, meine Klamotten aus, und dafür den Tanga und den BH an. Ich drehte mich zum großen Ganzkörperspiegel an der Wand und redete mir selbst aufmunternd zu. 

„Okay, Lotte. Du kriegst das hin. Es ist nur ein weiteres Konzert, richtig? Richtig. Du hast nichts zu verlieren. Du hast bereits deine zusage fürs College. Sing einfach und denkt nicht..." 

Ich hörte sofort auf, als die Tür (welche ich dummerweise wieder einmal vergessen hatte abzusperren) zu meinem Zimmer auf schwang und Kurt über die Schwelle trat. 

„Lotte, kann ich mit dir ÜBER-?" Seine Frage brach ab, als seine langsam größer werdenden Augen aufnahmen, was ich da trug. Mit offenen Mund stand er einfach nur vermutlich unter Schock da, und starrte mich an. Da ich ebenfalls überrascht worden war, stand ich wie angewurzelt da und starrte einfach nur zurück. Ich war völlig unfähig mich zu bewegen oder mich zu bedecken. PEINLICH. 

Wir beiden standen einfach nur so da und starrten einander für mindestens eine ganze Minute an. Die Peinlichkeit sickerte in unser tiefstes inneres. Plötzlich grinste Kurt (wenn auch ein wenig unbehaglich), und trat näher zu mir. Oh Scheiße. 

Ich schickte dringende Gehirnwellen zu meinen Beinen, und schrie sie innerlich an sich zu bewegen und einen Schritt zurückzugehen, aber sie weigerten sich, mir zu gehorchen. Ich hing fest wo ich war, in meiner Unterwäsche, mit einer grinsenden Person des männlichen Geschlechts auf mich zu kommend. 

Ich war mir nicht ganz sicher, was Kurt tun würde, wenn er bei mir angekommen war, aber als er mich erreichte, schaute er einfach nur zu meinem Körper hinunter und dann wieder in mein Gesicht. „Ich erinnere mich an dies." teilte er mir mit und deutete auf meinen Aufzug. „Ich hatte gehofft, das du sie mir eines Tages vorführen würdest..." 

Auf diesen eher anzüglichen Kommentar hin, fing mein Körper wieder an zu funktionieren Na ja, genau gesagt, meine Schulter, mein Arm und meine Hand begannen zu funktionieren. 

„AU!" schrie Kurt auf, als meine Hand, Kontakt mit seiner Wange machte. „Lotte, was zum Teufel....?" 

Er unterbrach sich selbst abrupt, als er den Ausdruck auf meinem Gesicht wahrnahm und ich konnte ihn das nicht mal verübeln. Er musste leicht Angst einflößend gewesen sein.  

„DU...." flüstere ich barsch, und zeigte mit einem zitternden Finger auf ihn. „Du lüsterner, taktloser kleine BASTARD! Ich kann nicht glauben, das du einfach....wie kannst du es wagen zu sagen....jemals was von ANKLOPFEN gehört? Verdammter Hurensohn!" 

Ich begann wütend auf und abzulaufen und warf immer noch wahllose deutsche Schimpfwörter in Kurts allgemeine Richtung. 

„Lotte, ich-" begann er kleinlaut.  

UNTERBRICH MICH NICHT!" zischte ich und wirbelte zu ihm herum. 

„Ähm, du schreist mich auf Deutsch an!" wies er mich eher mit kleiner Stimme hin. 

„ICH WECHSEL INS DEUTSCHE WENN ICH WÜTEND BIN!" bellte ich. „Und ja, falls du es nicht bemerkt hast, ICH BIN wütend! Ich kann nicht glauben, das du einfach so hier hereinspazierst kommst, während ich in meiner Unterwäsche herum stehe und du hast nicht einmal den Anstand, den Blick abzuwenden! Und hast du dich für dein Eindringen entschuldigt? Nein, du machst stattdessen anzügliche Bemerkungen, du verfluchtes Arschloch!" 

Als ich eine Pause von meiner Tirade machte, um Luft zu holen, versuchte Kurt sich schwach zu verteidigen. „Ich hab nur versucht -"  

FICK DICH INS KNIE!" brüllte ich. „Genau aus diesem Grund sind wir nie miteinander ausgekommen, Kurt! Du machst mich verdammt nochmal wütend! Du denkst immer, das die Dinge die du zu mir sagst lustig sind, aber du kapierst einfach nicht, das sie es nicht sind! Sie sind einfach nur zweifelhaft!" Ich funkelte ihm finster an, meine Hände in meine (spärlich bekleideten) Hüften gestemmt. „Jeder Mensch hat Grenzen, Kurt, und du hast meine immerzu geschubst. Ich hab eine Weile geglaubt, das du dich besserst. Verdammt, ich hab sogar angefangen, dich als Freund zu sehen. Aber jetzt hab ich einfach die Schnauze voll! Scheiß auf den ganzen Waffenstillstands-Mist! Es kann einfach nicht funktionieren." 

Obwohl Kurt sichtlich angeschlagen war, war ich viel zu wütend, um nachzulassen. Ich bemerkte jedoch, das ich ihn die ganze Zeit, in meiner roten Spitzenunterwäsche angeschrien hatte, was unter Umständen die Angst-von-Lottes-Allmächtigen-Zorns, mit der ich versuchte ihn vernichtend zu treffen, untergrub. 

Knurrend stapfte ich hinüber zu meinem Koffer und zog meinen flauschigen, schwarzen Bademantel hervor. Als ich ihn um meinen Körper wickelte, sah ich das Kurt mich immer noch verloren anstarrte. 

Verpiss dich!" fauchte ich also. 

Alles, was ich im Gegenzug bekam, war ein verirrter Blick. 

„Verpiss dich!" übersetzte ich.  

Kurt stand einfach nur da, und verstand mich immer noch nicht. 

„VERSCHWINDE AUS MEINEM VERDAMMTEN ZIMMER!" Ich denke nicht, das ich es noch verständlicher hätte ausdrücken können. 

So wie man normalerweise einem Hund das Zimmer verlassen sehen würde, wenn man ihn ausgeschimpft hatte, weil er die Möbel angeknabbert hatte, in übertragenden Sinne, mit dem Schwanz zwischen den Beinen, schlürfte Kurt langsam zu Tür. Mit einem letzten, besiegten Blick zu mir, verließ er das Zimmer. 

Erschöpft von meinem Ausbruch und immer noch stinksauer, ließ ich mich auf mein Bett fallen, vergrub meinen Kopf in mein Kissen und erlaubte Schlaf mich zu überkommen. 

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„Lotte..." 

Eine Hand schüttelte mich und ich stöhnte als Antwort darauf. 

„Lotte!" 

Ich stöhnte lauter. 

„Lotte, du bist dir bewusst, das wir in fünfzehn Minuten zum aufzuwärmen, unten sein sollen, oder?" 

Meine Augen öffneten sich ruckartig und ich schoss wie eine Rakete aus dem Bett und hatte Brigid, die über mir gebeugt dagestanden hatte, damit vermutlich zu Tode erschreckt. „WAS?" 

Sie starrte mich nur verwirrt an. „Äh, Aufwärmübungen...fünfzehn Minuten?" 

Ich warf sofort meinen Bademantel von mir, sprintete zu meinem Koffer und begann verzweifelt nach meinem Konzert Outfit (einen schwarzen Rock und einer weißen Bluse) zu suchen. Und schmiss dabei in meiner eile, andere Kleidungsstücke über meine Schulter und auf den Boden. 

„Alter, beruhige dich, du wirst dir noch selbst weh tun." warnte Brigid. 

„Ist mir egal." grunzte ich. „Keine Zeit." 

Ich erinnerte mich schließlich daran, das ich meine Konzert-Klamotten in den großen Wandschrank auf der anderen Seite des Zimmers gehangen hatte, damit sie nicht knitterten. Ich drehte mich schnell um und flitze durchs Zimmer und ignorierte die ganzen Hosen, Hemden und was sonst noch alles so auf dem Boden verstreut lag. 

Mein Fuß trat plötzlich auf etwas Seidiges, das unter mir weg rutschte, genau wie es die Bananenschalen in den alten Slapstick-Komödien immer taten, und dafür sorgte, das ich rückwärts flog und auf meinen roten Spitzen-Tanga gekleideten Hintern fiel. 

Ich ignorierte den 'Ich habs dir ja gesagt'-Blick, den Brigid mir zuwarf und funkelte stattdessen demonstrativ das schwarze Leibchen, auf dem ich ausgerutscht war, an, als ob es mich absichtlich, wegen irgendwelcher Rache gelüste, weil ich es neben meine Socken gepackt hatte oder so etwas, zum Stolpern gebracht hätte. 

Jane steckte ihren Kopf aus dem Badezimmer und starrte mich ungläubig an. „Alter, warum sitzt du auf den Boden? Wir haben Aufwärmübungen in...." 

„ICH WEIß!" schnauzte ich und sprang auf meine Füße. Ich war mit meinen Nerven völlig am Ende. Ich hastete zum Schrank, riss meine Bluse vom Kleiderbügel und zog sie an. Ich machte mir nicht mal die Mühe sie aufzuknöpfen. Als ich versuchte meinen Kopf durch die obere Öffnung zu zwingen, schwang die Tür auf und Eden trat, mit einem missbilligenden Blick auf ihren zarten Gesichtszügen ein. 

„Lotte," begann sie und nahm Blickkontakt mit mir auf, als die obere Hälfte meines Kopfes durch die Öffnung rutschte. „Wir müssen reden." 

Ah, die drei schlimmsten Wörter in der englischen Sprache. Ich riss meinen Kopf, den Rest des Weges durch die Öffnung und schüttelte meine Haare frei, dann griff ich in den Schrank für meinen Rock. „Worüber?" 

„Kurt." 

Ich hielt inne, der Rock auf halber Höhe meiner Oberschenkel. „Was ist mit ihm?" 

Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Was hast du mit ihm gemacht?" 

Ich begann mich weiter anzuziehen. „Können wir später darüber reden?" 

Sie seufzte. „Ja." 

„Okay." murmelte ich, Band meine Haare zu einem Dutt zusammen und trug so schnell wie ich konnte Mascara auf. „Fertig!" rief ich und drehte Stolz die Kappe wieder auf die Wimperntusche. Ich stürzte in Richtung Tür und begann den Flur in Richtung Fahrstuhl entlangzusprinten. 

„Lotte!" 

„Ich wirbelte herum, um Jane anzuschauen, die ihren Kopf aus dem Zimmer gesteckt hatte. 

„Was?" fragte ich verärgert. 

Sie hob eine Augenbraue. „Hast du nicht was vergessen?" 

„Was denn?" 

Sie schaute demonstrativ auf meine Füße. Ich schaute ebenfalls hinunter, nur um festzustellen, das ich keine Schuhe trug. Ich spürte, wie meine Wangen anfingen sich zu erhitzen. 

„Ja, das." kicherte Jane. Sie verschwand kurz im Zimmer und warf dann meine schwarzen Schuhe aus dem Zimmer. „Hier." 

Ich lächelte dankbar und zog sie an. „Danke, Kumpel." 

Sie grinste. „Kein Problem." 

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„Da ist sie, Mr. Esquiada!" Ein aufgeregter Mr. Faulkner erarbeitete sich seinen Weg durch die Menge auf der Bühne und zog einen großen Mann, mittleren Alters, mit grau braunen Haaren und einer Brille, hinter sich her. „Das ist Lotte Leisch!" 

Als das Paar mich erreichte, klopfte Mr. Faulkner mir begeistert die Schulter. „Fantastische Arbeit heute Abend, Lotte! Ich würde dir gerne Mr. Esquiada, den Leiter von Harvards Musik Abteilung vorstellen." 

Mr. Esquiada schüttelte mit einem warmen Lächeln auf dem Gesicht, meine Hand fest. „Es ist mir eine Freude sie kennenzulernen, Ms. Leisch." 

„Gleichfalls." antwortete ich strahlend. 

„Sie haben eine wundervolle Stimme." fuhr er fort. „Ich freue mich im Herbst auf die Zusammenarbeit mit ihnen. Sie sollten sich überlegen für die Pitches, unsere weibliche A-Cappella Gruppe, vorzusingen. Ich bin der Berater der Gruppe. Wir könnten eine starke Sopran-Stimme wie ihre, gut gebrauchen." 

Mein Lächeln wurde breiter. „Vielen Dank, Sir, das werde ich." 

„Gut." Er warf einen Blick auf seine Uhr „Leider, muss ich gehen. Mein Zug fährt in fünfzehn Minuten los." 

Ich schüttelte seine Hand erneut. „Es war wundervoll sie kennenzulernen, Sir." 

„Ebenso, Ms. Leisch. Ich hoffe, wir werden mehr voneinander sehen." Und damit machte er sich auf den Weg zum Ausgang, Mr. Faulkner redete fröhlich an seiner Seite. Ich stieß einen enorm großen und Erleichterten Seufzer aus, verließ die Bühne in Richtung Umkleidekabinen und setzte mich auf den ersten Sessel den ich sah, schloss meine Augen zufrieden, und wollte einfach nur entspannen. 

„Lotte!" 

Schläfrig öffnete ich meine Augen. Eden machte sich auf den Weg zu mir. „Was?" stöhnte ich. 

„Komm schon." drängte sie, packte meine Hand und zog mich auf meine Beine. „Wir müssen reden, erinnerst du dich?" 

„Eeeeden!" jammerte ich, als sie mich den Flur entlang führte. „Ich bin müde!" 

„Im diesen Fall, können wir reden, während du dich fürs Bett fertig machst." beharrte sie und zog mich in den Aufzug. Ein Kellner mit einem Zimmerservice Wagen folgte uns und schnitt die Unterhaltung ab. 

Als sich die Fahrstuhltüren endlich auf unserer Etage öffneten, gingen Eden und ich, in einer eher angespannten Stille zu unserem Zimmer. Ich wusste das sie nicht sauer war, aber ich konnte sehen, dass sie etwas störte, das mich irgendwie involvierte. Ich wusste auch, das es um Kurt ging, und ich hatte den leisen Verdacht, das es etwas mit der Tatsache, das ich ihn vorhin angeschrien hatte, zu tun hatte. 

Bei diesem Gedanken, überkam mich ein kleiner Hauch von Schuldgefühl. Obwohl ich immer noch sauer auf Kurt war, erkannte ich ebenso, das ich überreagiert hatte. Vermutlich, weil ich wegen des Konzerts nervös gewesen war. Ich neigte dazu ein wenig explosiv zu sein, wenn ich nervös war. 

Eden öffnete die Tür zu unserem Zimmer mit ihrem Schlüssel und ich lief geradewegs auf mein Bett zu, ließ mich darauf fallen und kuschelte mich in die Kissen. Ein leises klicken erklang, als Eden die Tür hinter sich schloss. 

„In Ordnung, Lotte." begann sie, die Hände in die Hüften gestemmt und ein argwöhnischer Ausdruck auf ihrem Gesicht. „Was hast du mit Kurt gemacht?" 

„Was meinst du?" fragte ich, obwohl ich genau wusste, was sie meinte. 

„Ungefähr eine halbe Stunde vor den Aufwärmübungen, bin ich rüber zu Matts Zimmer. Wie du weißt, ist Kurt einer seiner Mitbewohner. Ich ging hinein und fand Matt auf und ab laufend, und Kurt auf den Bett liegend und an die Decke starrend vor. Ich hab ihn gegrüßt, aber er hat nicht einmal gemerkt das ich da war. Er war einfach völlig neben sich. Ich fragte Matt was mit ihm los ist, und er sagte das er es nicht wüsste, aber das es etwas mit dir zu tun hätte." Sie schaute mich erwartungsvoll an. „Also, was ist mit euch passiert?" 

„Setz dich." seufzte ich und tätschelte das Bett neben mir. „Es ist irgendwie eine lange Geschichte." 

Eden tat was ich wollte, und ich erzählte die ganze Geschichte, beginnend mit der Nachricht, vom dem Harvard Typen und endete damit, wie Kurt das Zimmer verließ. Eden nickte, oohed und ahhed an all den angemessenen Stellen, und warf obendrein auch noch ein paar 'hm's und 'huh's ein. Sie stöhnte sogar ein oder zweimal. 

Ich holte tief Luft nachdem ich fertig war. „Also ja, ich hab vielleicht meine Nervosität wegen des Harvard Typen, ein klein wenig an Kurt ausgelassen." 

„Meinst du?" erwiderte Eden sarkastisch. „Herrgott, kein Wunder das er so fertig ist."  

Ich biss mir auf die Lippe. „Bist du sauer auf mich?" fragte ich und schaute verlegen zu meiner besten Freundin. Sie schaute mich wegen der Frage ein wenig überrascht an. „Weswegen?" 

Ich zuckte mit den Schultern. „Weil ich ein Miststück gewesen bin." 

Ein beruhigendes Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Natürlich nicht, süße." Sie zog mich in eine Umarmung. „Jeder benimmt sich hin und wieder wie ein Miststück." 

Ich kicherte. „Ja." 

Eden seufzte, als wir uns voneinander lösten. „Du solltest dich jedoch wirklich bei ihm entschuldigen." 

„Ja, ich weiß." gab ich zu. „Ich weiß nur wirklich nicht, was ich sagen soll. Ich denke, darüber werde ich mir Gedanken machen, wenn es soweit ist." 

Sie lächelte. „In Ordnung." 

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In dieser Nacht, wälzte ich mich in meinem Schlaf hin und her. Ich konnte Kurt scheinbar nicht aus meinen Kopf bekommen. Er verfolgte mich sogar in meinen Träumen...  

Ich rannte auf dem Spielplatz herum und jagte hinter Eden her. Ich war 'Es'. Ich hasste es, diejenige zu sein, die mit fangen dran war. 

„Haha, Lotte, du kriegst mich nicht!" spottete sie. „Du bist zu laaaaaaangsaaaam!" 

„Sei still, du Flohkopf!" rief ich zurück. Obwohl ich erst seit einem Jahr im Land gewesen war und immer noch meinen Akzent verlieren musste, fing ich an die einheimischen Schimpfwörter zu lernen. Ein kleines asiatisches Mädchen in meiner Klasse, namens Jane, hat sie mir beigebracht. 

„Ich bin kein Flohkopf!" erwiderte Eden. Du bist der Flohkopf! Und du kriegst mich immer noch nicht." kicherte sie. 

„Aber ich hole auf!" prahlte ich. Plötzlich tauchte ein Fuß vor meinen rennenden Beinen auf, brachte mich zum Stolpern und schickte mich fliegend über den Asphalt. Ich landete mit einen dumpfen Schlag, schürfte mir dabei mein Knie auf und begann laut zu heulen. 

Ein Junge kam zu mir gelaufen. „Ups, geht's dir gut?" 

Ich funkelte ihn böse an und wischte mir wütend die Tränen von meinen Wangen. „Kurt Matthews, du hast mir mit Absicht Beinchen gestellt." 

Er scharrte mit seinen Füßen. „Vielleicht...aber ich hatte nicht vor dir weh zu tun." 

„Das hast du aber!" schrie ich empört und zeigte auf mein aufgeschürftes Knie. 

„Ups." Er schaute verlegen hinunter auf seine Füße und knabberte an seiner Unterlippe. 

„Es tut weh!" 

Kurt kniete sich neben mich. „Willst du das ich es küsse, damit es besser wird?" fragte er. 

Ich rümpfte meine Nase angewidert. Jungs hatten Läuse. Eden hatte mir alles darüber erzählt. „Ew! Nein! Du bist eklig!" 

Er grinste schelmisch. „Was für ein Pech." Mit diesen Worten ergriff er mein Bein und gab mir einen dicken, nassen Kuss genau auf mein Knie. 

„EW!" kreischte ich und sprang auf. „Du hast mich geküsst! Ekelig! Das sag ich meinen Bruder! Er ist zehn und er ist größer als du!" 

Ich lief rüber zu dem Spielplatz Bereich, wo die Fünftklässler normalerweise herum hingen.  

HANS!" schrie ich. „Ein ekeliger Junge hat mein Knie geküsst!" 

Hans runzelte die Stirn, und kam zu mir hinüber. „Welcher Junge?" fragte er. 

Triumphierend zeigte ich auf Kurt. Jetzt würde er die gerechte Strafe erhalten. Hans kniff seine Augen zusammen. Die meisten Drittklässler hätten sich vor Angst in die Hose gemacht. 

Kurt schien jedoch unbeeindruckt, obwohl er erst neun war (er war einer der älteren Jungs in meinem Jahrgang, da er Mitte August geboren wurde). Er warf mir selbst dann, sein Markenzeichen Grinsen zu. „Bye-bye!" rief er, rannte dann über den Asphalt und versuchte einen sauberen Abgang zu machen. 

Hans jagte ihm nach und holte schnell auf. Ich beobachtete wie sie Kreuz und quer über den Spielplatz rannten. Kurt schaute über seine Schulter, um nachzusehen, wie nah mein Bruder schon war. Unglücklicherweise für ihn, sah er die große Schlammpfütze direkt vor ihm nicht. 

PLATSCH 

Ich krümmte mich vor Lachen, als Kurt mit dem Gesicht voran in den Schlamm fiel. Geschah ihm ganz Recht. Blöder Junge.

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