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Celias Wohnung war das, was man als aufgeräumtes Chaos bezeichnen könnte. Überall standen Pflanzen in allen möglichen Größen rum und ich kam mir ein bisschen vor wie in einem Tropenhaus. Die Schreie von Celias Wellensittichen, die frei in der Wohnung rum flogen verstärkten diesen Eindruck noch mehr. Der Platz, der nicht von Pflanzen besetzt wurde, war vollgestopft mit Bücherregalen und antiken Vasen. Dazwischen standen ein Sofa, ein Sessel und ein großer Tisch mit passenden Stühlen. Nele war hellauf Begeistert und stöberte bereits in einem der Bücherregale. Oma stand neben und mir und sah etwas erschlagen aus. "Sieht das hier immer so aus" raunte ich ihr zu und beobachtete Celia dabei, wie sie einen der Wellensittiche auf ihre Schulter lockte. "Ja und es war auch schon immer so. Kein Wunder das es hier kein Mann länger als 6 Monate bei ihr Aushält. Komm, ich zeig dir Neles und dein Zimmer." Sie hob ihren Koffer hoch und ging zurück in den Flur. Ich folgte ihr. Sie stieg eine schmale Treppe nach oben, die ins Obergeschoss führte. Auch hier standen Pflanzen. "Hat das mit den Pflanzen irgendeine Bedeutung?" fragte ich, neugierig wie ich nun mal war. Oma seufzte. "Ehrlich gesagt weiß ich das nicht genau. Sie hat mal irgendwas von einer Aura und spiritueller Stimmung gesagt. Ich habe aber keinen Schimmer was sie damit meint." Sie drückte die Klinke von einer der insgesamt vier Türen auf. "Hier" sie trat zur Seite. Das Zimmer war komplett hell grün. Die Wände, der Teppich, sogar die Bettdecke. Nur das Doppelbett vor dem Fenster hatte ein weißes Gestell. "Hübsch" sagte ich und ich meinte das auch so. "Sag ruhig, dass du scheußlich findest." Oma grinste matt. "Nein, mir gefällt es wirklich. Auf die Dauer wäre es vielleicht etwas viel, aber für ein paar Nächte ist es okay." Ich zog meinen Koffer in eine Ecke des Zimmers und stellte ihn da ab. Dann öffnete ich das Fenster. Die frische Frühlingsluft schlug mit entgegen. Es roch nach Rosen und Meer. Ich atmete tief durch. "Ich werde dann mal Nele hochschicken, damit die Koffer verstaut sind. Falls ich sie von Celia losreisen kann." Oma schloss die Türe hinter sich und ich stand alleine in dem grünen Zimmer. Sofort schoss mir wieder Kirans Gesicht durch den Kopf. Das passierte immer, sobald ich alleine war und wie so oft fragte ich mich ob ich ihn wiedersehen würde. Vor allem ob ich das überhaupt wollte. Seufzend schloss ich das Fenster wieder. In diesem Moment öffnete Nele die Türe. "Himmel, da bekommt man ja Augenkrebs. Gott sei Dank, schlafen wir hier nur und dann ist es dunkel." Kommentierte sie das grüne Zimmer. Skeptisch begutachtete sie den einzigen Schrank im Zimmer und ihren Koffer, der so voll war, dass man meinen könnte wir würden Jahre wegbleiben. "Ich lass meine Sachen im Koffer. Kannst den Schrank nehmen" sagte ich. "Ich geh mal duschen." Ich schnappte mir mein Kulturbeutel und schloss die Zimmertüre hinter mir. Da ich nicht wusste, wo das Badezimmer war öffnete ich wahllos die Türen. Die erste Türe entpuppte sich als zweites Gästezimmer. Hier würde meine Großmutter wohl schlafen. Es war fliederfarben gestrichen und der Boden war mit einem flauschigen weißen Teppich ausgelegt. Auch hier stand ein Bett mit weißem Gestell direkt am Fenster. Ich schloss die Türe wieder und öffnete die nächste. Volltreffer. Skeptisch begutachtete ich die Badewanne, die auf goldenen Füßchen in der Mitte des Raumes stand. Der Waschtisch war aus weißem Marmor und das Waschbecken goldbezogen. Alles in einem wirkte das Bad ziemlich kitschig. Eine Dusche sah ich nicht. Also musste ich wohl mit der Wanne vorlieb nehmen. Ich schlüpfte aus meinen Klamotten und stieg in die Wanne. Das Wasser prasselte über meinen Körper und wusch das Salz von meinem Gesicht und aus meinen Haaren. Ich schnupperte an dem Shampoo und als mir der Geruch von Äpfeln in die Nase stieg, schäumte ich meine Haare damit ein. Als mein Körper mit Schaum bedeckt war, duschte ich mich ab und stieg danach tropfend aus der Wanne. Das Handtuch war warm, als ich es mir um den Körper schlang. Zum ersten Mal seit zwei Monaten fühlte ich mich wieder rundum wohl.
Nachdem ich meine Mähne trocken geföhnt hatte, schlüpfte ich in BH und Slip und wickelte mich in den flauschigen apfelgrünen Bademantel. Dann tapste ich zurück in unser Zimmer. Nele lag auf dem Bett und las. Als sie mich kommen hörte, legte sie das Buch zur Seite und kicherte leicht. "Also mit diesem Bademantel passt du farblich prima zur Tapete." Zur Antwort streckte ich ihr nur die Zunge raus und ging zu meinem Koffer. Inzwischen war es sieben. "Weißt du schon, was du anziehen willst?" fragte ich Nele, während ich eine rote Bluse, eine schwarze Jeans, ein lila Top und einen königsblauen Rock aus dem Koffer fischte. "Noch nicht. Ich würde das Top mit dem Rock anziehen. Das steht dir total gut." Nele erhob sich und öffnete den Schrank. "Sag mal, willst du hier einziehen? Das sind doch deine ganzen Klamotten oder?" Entgeistert starrte ich in den Schrank. "Hey, man muss auf alles vorbereitete sein" meinte Nele nur und zog eine schwarzes Spitzenkleid aus dem Schrank, dass mit rotem Stoff unterlegt war. Nele war die einzige Person, die ich kannte an der das nicht billig aussah. Um halb acht waren wir fertig. Nele hatte meine rote Mähne zu einem hohen Zopf zusammen genommen und meine Augen nur mit einem dicken schwarzen Lidstrich betont. Ihre blonden Locken umspielten ihr eigenes hübsches Gesicht und das schwarze Kleid betonte ihre Kurven. "Jetzt komm schon." Nele war aufgeregt wie ein kleines Kind kurz vor der Bescherung. "Ich komm ja schon. Darf ich vielleicht vorher noch was essen?" Wie zur Unterstreichung meiner Worte, fing mein Magen ziemlich laut und fordernd zu Knurren an. "Also gut, aber mach schnell. Ich warte draußen." Mit diesen Worten flitzte sie schon zur Haustüre. Ich ging in Richtung Küche, wo ich Oma und Celia am Küchentisch vorfand. Sie hatten sich beide nach vorne gebeugte und starrten auf etwas, was ich nicht erkennen konnte. "Was macht ihr da?" fragte ich und die beiden fuhren ziemlich heftig auseinander. "Kind, hast du uns erschreckt" rief Celia aus und hielt sich die Brust. "Ich hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen." "Jetzt übertreib nicht" grummelte Omi. "Was machst du überhaupt noch hier? Ich dachte, du gehst mit Nele aus?" Ich öffnete die Kühlschranktür und fischte einen Jogurt hervor. "Wollten wir auch, aber ich habe Hunger. Ich muss zuerst was essen, sonst kipp ich im Club um." Celia erhob sich von ihrem Stuhl. "Ess was Richtiges, Alina. Du fällst und hier noch vom Fleisch." Mit diesem Worten nahm sie mir den Jogurt aus der Hand und drückte mir eine Schüssel Nudeln in dir Hand. "Aber..." wollte ich protestieren, doch Celia lies nicht mit sich reden und drückte mich schon auf die Eckbank. Ich hoffe nur Nele würde mich nicht köpfen, wenn ich raus kommen würde. Schnell stopfte ich eine Gabel Nudeln in den Mund, kaute und schluckte dann alles hinunter. Celia beobachtete alles mit zufriedenem Blick. Sie war schlimmer, als Oma. Als die Schüssel leer war stand ich auf und stellte sie in die Spüle. Mit einem "Tschüss, bis später" verschwand ich aus der Küche. Im Flur schnappte ich meine Lederjacke und schloss die Haustüre hinter mir.
Nele lehnte an der weißen Mauer, die das Grundstück umgab und starrte, wie ein hypnotisiertes Kaninchen in den Mond. "Hey, Nele! Alles klar?" Sie zuckte merkliche zusammen und schaute mich kurz irritier an. "Was?" fragte sie dann. "Ich wollte wissen, ob bei dir alles okay ist." Nele nickte nur. Innerlich wappnete ich mich schon auf einen Rüffel, weil ich so lange gebraucht hatte. Aber nichts der Gleichen geschah. Stattdessen nahm Nele meine Hand und zog mich hinter sich her. "Wo willst du denn hin? Zur Stadt geht es da lang!" Ich deute mit dem Daumen in die entgegengesetzte Richtung doch Nele achtete gar nicht auf mich, sondern zog mich einfach weiter. Ich versuchte meine Hand aus ihrem Griff zu lösen, doch ihre Hand lag wie ein Schraubstock um mein Handgelenk. "Nele, was soll das? Wo gehst du hin? Du tust mir weh!" Zielsicher und ohne auf meine Fragen zu antworten oder ihren schmerzhaften Griff zu lockern zog Nele mich weiter. Schon bald war ich außer Atem und meine Füße taten weh. Sie hatte auch ein ganz schönes Tempo drauf. "Nele...Stopp!...langsamer..." keuchte ich. "Gleich da" war Neles knappe Antwort. Ich hörte das Rauschen des Meeres, Wellen, die an den Strand klatschten. Ohne Zweifel, Nele schleppte mich zum Strand. Dann spürte ich den weichen Sand unter meinen Füßen. Sehen konnte ich schon lange nichts mehr, da es einfach zu dunkel war. "Nele, wo schleifst du mich hin? Rede mit mir!" So langsam aber sicher bekam ich es mit der Angst zu tun. "Nur noch ein paar Meter" murmelte sie, wie zu sich selber. "Hast du was genommen? Irgendwelche Drogen? Bist du Mondsüchtig?" "Jetzt sei doch einfach mal still" fauchte Nele mich an und bleckte die Zähen. Erschrocken wich ich zurück, so gut es eben ging. Immer hin hatte Nele meine Hand immer noch in ihrem Schraubstockgriff. Schließlich spürte ich, wie das Wasser meine Füße umspülte. Panik stieg in mir hoch. Sie würde mich doch nicht ertränken? "Bleib da" meinte sie und lies meine Hand los. Dann zog sie sich mit einer flinken Bewegung das Kleid über den Kopf und watete nur in BH und Slip neben mich. "Du auch." Ich zitterte, das Wasser war kalt und eine frische Briese wehte mir meine Haare um den Kopf, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten. "Jetzt mach schon. Sonst kommen sie nicht" ungeduldig nestelte Nele an dem Knopf meines Rockes und warf ihn dann achtlos in den Sand. Ich war zu benommen, um mich noch zu wehren. Die Kälte kroch immer weiter in meine Knochen und in meinem Kopf dreht sich alles. Mein Herz pochte wie verrückt, die Angst kroch wie zäher Nebel durch meinen Körper. Plötzlich färbte sich das Wasser um uns herum grünlich, Algen schlängelten sich wie giftige Schlangen an den Strand, wickelten sich um meine Beine. Was passierte hier?? Panisch riss ich die Augen auf und warf einen hektischen Blick zur Seite. Nele hatte die Augen geschlossen, kleine zufriedene Laute kamen über ihre Lippen. Ich konnte nicht anders, als sie entgeistert anzustarren. Dann schwammen plötzlich vier dunkle Schatten auf uns zu. Haie schoss es mir durch den Kopf. Erst wurden wir von Algen gefesselte und jetzt von Haien gefressen. Ich hatte mir meinen Tod auf jeden Fall anders Vorgestellt. Der erste Kopf taucht auf, als ich gerade dabei war die Augen zu schließen und zu beten, dass sie mich ganz schnell fressen mögen. Zuerst erkannt ich nur blonde Haare. Strohblonde Haare, dann blickte ich geradewegs in stahlgraue Augen. Der junge Mann, der vor mir aus dem Wasser schoss war ein Gott. Sofort erloschen sämtliche Fluchtgedanken in meinem Kopf und wurden ersetz durch ein Begehren, wie ich es noch nie erlebt hatte. Der Mann vor mir öffnete den Mund und begann zu singen. Seine tiefe Stimme lullte mich ein, schürte das Begehren. Aus den Augenwinkeln sah ich Nele, die wie eine Puppe in den Armen eines dunkelhäutigen Gotts lag. Als er kurz aufblickte erhaschte ich einen Blick auf pechschwarze Augen. Dann spürte ich die Hand des blonden Schönlings an meiner Taille. Sie schlängelte sich nach hinten zu dem Verschluss meines BHs. Mein Verstand sagte mir, dass ich mich wehren sollte, in meinem Kopf klingelten die Alarmglocken Sturm doch ich konnte, nein wollte mich nicht wehren. Als ich seine feingliedrigen Hände an meinen Knospen spürte, schoss die Lust wie ein Blitz durch meinen Körper, vernebelte meinen letzten klaren Gedanken. Sein Gesicht kam meinem ganz nahe. "Du weißt gar nicht, wie lange wir auf diesen Moment gewartet haben, Einzige." In meinem benebelten Zustand bekam ich mit wie vor mir zwei weiter Männer aus dem Wasser stiegen und über meinen Körper strichen. Erst als ich den gellenden Schrei von Nele hörte löste sich der Nebel in Luft auf. Sie lag auf den Boden, Blut sickerte aus ihrem Hals und sie röchelte mühsam nach Luft. "Was passiert mit ihr?" brüllte ich panisch. "Sie übersteht die Transfusion nicht." Meinte der dunkelhäutige Typ kalt. Ich schrie ihren Namen immer wieder, wollte zu ihr rennen und mich über ihren zuckenden Körper beugen. Doch die Algen um meine Knöchel machten ein Wegkommen unmöglich. "Keine Sorgen, Alina. Das hier bleibt dir erspart. Du bist besonders, du überlebst die Transfusion." Kalt Lächelnd trat der blonde Mann vor. "Und dann wirst du mein sein. Meine Kinder bekommen und die Sirenen somit vor dem Aussterben retten." Ich realisierte seine Worte nicht. Meine Augen lagen auf Nele, die sich nach einem letzten Aufbäumen und qualvollen Schrei nicht mehr rührte. Salzige Tränen rannten über meine Wangen, ich schrie, wehrte mich, schluchzte und dann hatte mich das blonde Wesen mit einem Griff praktisch unbeweglich gemacht. Ich spürte seine Lippen auf meiner Halsschlagader. Ich wollte den Kopf zurückreißen und meinen Hals aus seiner Reichweite bringen. Doch da schlug er schon die Zähne in meinen Hals. Ein langgezogener gellender Schrei entwich meinen Lippen. Dann schlug ich hart auf den Boden auf. Ich hörte ein schrilles Kreischen, so hoch, dass es in meinen Ohren schmerzte. Mein Körper brannte und meine Beine fühlten sich an als würde sie jemand mit einem Messer bearbeiten. Schluchzend wälzte ich mich auf den Boden wollte nur, dass es aufhörte. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich das Wasser um mich herum rot verfärbt hatte und das Kreischen verstummt war. Dann umschlangen mich starke Arme, hoben mich hoch. Ich zuckte zusammen, wollte wegrennen, doch die Hände hielten mich eisern fest. Immer wieder redete eine Stimme beruhigend auf mich ein. Dann wurde ich auf einen weichen Ledersitz gesetzt und angeschnallt. Kurz darauf schlug eine Autotür zu und das Fahrzeug brauste davon. Inzwischen haben sich die mörderischen Schmerzen in meinen Beinen in ein dumpfes Pochen verwandelt. Aber ich traute mich nicht, die Augen zu öffnen. Ich wollte nicht sehen, wer mich mitgenommen hatte. Erst jetzt fiel mir der Geruch auf. Diesen Geruch würde ich überall wiedererkennen. Frisch, rein und unverkennbar männlich: Kiran.
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