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Tränen brennen in meinen Augen, der Schmerz in meiner Brust ist heftig und alles, was ich will, ist, in mein Auto zu steigen, nachhause zu fahren und mich dort hemmungslos in Selbstmitleid zu suhlen.
Doch gerade als ich die Fahrertür öffnen will, spüre ich plötzlich eine warme Hand an meiner Taille, die mich sanft zurückzieht.
Ich drehe mich überrascht um und sehe in Tuans dunkelbraune Augen.
"Wo willst du hin?", fragt er sanft, legt den Kopf schief und sieht mir fest in die Augen. "Ich habe doch gesagt, dass ich dich immer noch kennenlernen will, daran hat sich nichts geändert."
Ich höre seine Worte zwar, aber im ersten Moment kommen sie gar nicht richtig bei mir an. Es dauert einige Sekunden, bis ich verstehe, was er gesagt hat.
Mein Herz rast und ich weiß nicht, ob ich ihm glauben kann. Warum sollte er mich kennenlernen wollen, nach allem, was er heute über mich erfahren hat? Meine Gedanken rasen, doch bevor ich etwas sagen kann, zieht Tuan mich noch ein Stückchen näher an sich.
Seine Arme umschlingen mich, drücken mich fest an seine breite Brust. Der Duft seiner Haut, die Wärme, die er ausstrahlt - alles an dieser Umarmung lässt den Schmerz in meinem Inneren für einen Moment verblassen. Es ist so schön, bei ihm zu sein, in seiner Nähe zu sein. Es fühlt sich an, als ob die Welt um uns herum für einen Moment stillsteht.
Ich schließe die Augen und lasse mich in seine Umarmung sinken, während ich die Tränen zurückhalte, die sich anbahnen.
"Willst du alleine sein", fragt er leise, seine Lippen nah an meinem Ohr, "oder können wir jetzt endlich ein vernünftiges Date haben, nachdem du deinen ganzen Ballast los bist?"
Ich ziehe mich leicht zurück, sehe ihn an und suche in seinen Augen nach irgendeinem Zeichen, dass er es nicht ernst meint. Doch was ich sehe, ist nur Aufrichtigkeit und Zuneigung.
"Ich... ich weiß nicht", flüstere ich, meine Stimme bricht beinahe. "Nach allem, was passiert ist..."
Tuan spürt meine Unsicherheit und zieht mich sanft zurück an seine Brust, während er mir durch mein langes, dunkelbraunes Haar streicht. "Canim", sagt er leise, seine Stimme so voller Wärme, dass sie mir eine Gänsehaut verpasst. "Du musst dich zu nichts gedrängt fühlen. Wir können es ruhig angehen lassen, aber ich möchte einfach bei dir sein, wenn du das auch willst. Ich denke ich würde nach so einer nervenaufreibenden Woche gerne auf andere Gedanken kommen."
Ich zögere, doch ich merke, dass er Recht hat. Ich muss dringend auf andere Gedanken kommen und ich will auch nicht alleine sein. Die Idee, Hals über Kopf abzuhauen und in meine einsame Wohnung zurückzukehren, erscheint mir plötzlich schrecklich.
"Ich will nicht alleine sein", antworte ich schließlich.
Ein sanftes Lächeln breitet sich auf Tuans Gesicht aus. "Gott sei Dank", sagt er und streichelt mir leicht über die Wange. "Dann lass uns etwas Zeit miteinander verbringen. Nur wir zwei. Kein Druck, keine Erwartungen, keine Probleme mehr. Einfach ein richtig schöner Abend."
Ich steige dieses Mal in meinen Wagen und fahre Tuan hinterher, unwissend, wohin, doch das ist mir ehrlich gesagt auch egal. Und wenn wir nur zu McDonals fahren, hauptsache er ist endlich wieder bei mir.
Wir fahren zu einem kleinen, gemütlichen Restaurant am Rand der Stadt. Allein die warme Beleuchtung und das angenehme Ambiente des indischen Lokals lassen mich ein wenig entspannen. Wir setzen uns an einen Tisch am Fenster, von dem aus man den Blick auf einen kleinen, gepflegten Garten hat.
Gesprächsfetzen anderer Gäste mischen sich mit lebhafter instrumentaler Musik, in der Luft liegt der herrliche Duft von Curry und Kreuzkümmel.
Wir setzen uns an einen ruhigen Tisch in der Ecke gegenüber voneinander. In den ersten Minuten fällt es mir schwer, ein Gespräch mit Tuan zu führen. Ich fühle mich, als laufe ich auf rohen Eiern, habe ständig Angst etwas falsches zu sagen und Tuan doch abzuschrecken.
Aber er bemerkt meine Zurückhaltung und geht sehr behutsam mit mir um. Noch mehr, als er es eh schon immer tut.
Er beginnt, über alles Mögliche zu sprechen - seine Arbeit, seine Hobbys, seine Schwestern Dila und Mira, seine beiden besten Freunde Emir und Okan - und nach und nach merke ich, wie sich die Knoten in meinem Hals langsam lösen.
Ich kann mich fallenlassen, Tuan schenkt mir Sicherheit und das Gefühl, dass alles okay ist. Er wirft mir nicht vor, was ich getan habe. Nyaz ist nicht der Rede wert, er gibt mir nicht das Gefühl mich in diesem Moment rechtfertigen oder erklären zu müssen.
Ehrlicherweise hatte ich Angst, dass unser Date zum Verhör wird, und er wird mit der Zeit sicherlich nochmal die ein oder andere Frage stellen, aber nicht heute. Er hat das nötige Feingefühl zu wissen, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt ist.
Langsam aber sicher löst sich die Spannung zwischen uns, und ich fange an, mich zu öffnen und den Abend zu genießen. Wir lachen miteinander und die Unterhaltung fließt natürlicher. Tuan hat es geschafft, mir das Gefühl zu geben, dass ich trotz allem noch wertvoll bin, dass ich jemanden wie ihn an meiner Seite verdiene und kein schlechter Mensch bin, wegen dem, was ich getan habe.
Wir essen zuerst frittierte Samosas, Korma und Gemüsecurry mit Reis und Naanbrot und zum Nachtisch eine Mangocreme. Das Essen ist köstlich und ich komme aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus.
Am Ende des Abends, als wir das Restaurant verlassen, fühle ich mich leichter, als ich es den ganzen Tag über getan habe. Die Unsicherheit und Angst, die mich noch vor ein paar Stunden überwältigt hat, ist nicht völlig verschwunden, aber sie hat sich in den Hintergrund zurückgezogen, überdeckt von der Wärme und Geborgenheit, die Tuan mir gibt.
Wir spazieren noch ein bisschen durch einen nahegelegenen Park, genießen die kühle Nachtluft und die Stille, die sich wie ein Schleier über die Stadt gelegt hat. Tuan läuft dicht neben mir, sein starkes Parfum hüllt mich ein.
In diesem Moment fühle ich mich sicher, fast so, als könnte mir nichts Böses widerfahren, solange er bei mir ist.
"Es war ein schöner Abend", sage ich schließlich leise und schaue zu ihm auf.
"Das war er", stimmt er zu und lächelt mich an. "Und es war erst der Anfang von vielen weiteren schönen Abenden, wenn du das möchtest."
Ich nicke, ein ehrliches Lächeln huscht über meine Lippen. "Das möchte ich", antworte ich. "Das wollte ich schon immer, doch jetzt kann ich es auch."
Tuan erwidert meinen Blick sanft. "Danke, dass du mir vertraut hast. Ich weiß, dass dir das nicht leichtgefallen ist, dich mir zu offenbaren. Du kannst mit mir über alles reden, du musst keine Angst haben. Und wenn dieser Vollidiot dir nochmal droht oder dir auflauert, dann wartest du nicht mehr so lange, versprochen?" Er tadelt mich mit einem strengen Blick.
"Versprochen", bestätige ich leise.
Seine braunen Augen ruhen auf mir, in der Dunkelheit schimmern sie mysteriös.
"Danke, dass du mir geholfen ist. Ich war so am Ende, ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich machen soll. Er hat mich mehr und mehr unter Druck gesetzt und ich habe mich immer weiter in diesem ganzen Lügenkonstrukt verloren", seufze ich. Der Schmerz über das, was er mir angetan hat, brennt noch immer schwer in meiner Brust.
"Es tut mir sehr leid für dich, dass du das alles durchmachen musstest. Aber das ist jetzt vorbei und jetzt wird es besser, okay? Ich lasse nicht zu, dass dir noch mal jemand so weh tut", raunt er. Ich erkenne die Ernsthaftigkeit in seinem Blick und seine Hand streift federleicht die meine, was ausreicht, um mir eine Gänsehaut zu bescheren.
Wir bleiben eine Weile still nebeneinander stehen, unsere Körper berühren sich hin und wieder leicht, wie ein Versprechen, das in der Luft liegt. Schließlich drehe ich mich zu ihm und sehe ihm direkt in die Augen. "Ich weiß echt nicht, wie ich da ohne dich rausgekommen wäre", flüstere ich und beiße mir auf die Unterlippe.
Tuan schüttelt sanft den Kopf, sein Blick ist ernst und liebevoll zugleich. "Du bist stark, du hättest einen Weg gefunden, aber ich bin trotzdem froh, dass du mich um Hilfe gebeten hast."
Sein Daumen streicht zärtlich über meine Wange, und ich schließe für einen Moment die Augen, um das Gefühl seiner Berührung in mich aufzunehmen. Als ich sie wieder öffne, sehe ich, dass er mich weiterhin intensiv ansieht. Die Nähe zwischen uns ist fast greifbar, und mein Herz beginnt schneller zu schlagen.
Der Abstand zwischen uns schwindet, bis seine Lippen sanft auf meinen treffen. Der Kuss ist vorsichtig, fast zögerlich, als ob er sicherstellen will, dass ich das wirklich will.
Doch es dauert nicht lange, bis ich mich ihm hingebe. Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und ziehe ihn näher zu mir, vertiefe den Kuss, der all die unausgesprochenen Gefühle, die Wärme und Zärtlichkeit in sich trägt, die wir füreinander empfinden. Es ist ein Kuss, der mich durch und durch berührt, der all die Schmerzen und Ängste der vergangenen Tage für einen Moment verschwinden lässt.
Tuans Arme umschließen mich fest, als er den Kuss vertieft, seine Hände wandern sanft über meinen Rücken und halten mich, als ob er mich nie wieder loslassen möchte. Der Duft seines Parfums und die Wärme seines Körpers umgeben mich, und ich fühle angekommen. Ich würde mir wünschen, dass dieser Moment niemals endet.
Tuan lächelt, ein Lächeln, das bis in seine strahlenden Augen reicht. "Ich habe darauf gewartet, Canim", murmelt er, während er eine Haarsträhne aus meinem Gesicht streicht. "Und ich werde alles dafür tun, damit das nicht der letzte Kuss bleibt."
Mit diesen Worten zieht er mich wieder an sich, und ich lasse mich in seine Arme sinken, wohl wissend, dass in diesem Moment ein Neuanfang beginnt, der mich mit einer Hoffnung erfüllt, die ich längst verloren hatte.
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