Kapitel 45
• V A L E N T I N •
"Jasmin! Du hast etwas Großartiges geschaffen!" Eine ältere Dame, schätzungsweise Mitte 50, kommt mit einem breiten Grinsen auf uns zu, als wir die Wendeltreppe aufsteigen. Sie begrüßt Mum mit Küsschen auf beiden Wangen und strahlt dann uns an. "Ava, Valentin! Ihr seid ja schon so erwachsen. Und so attraktiv", sie zwinkert, "Ganz die Eltern."
"Die Schönheit unserer Mutter ist einmalig", erwidere ich und lächle charmant. Werfe meinem Erzeuger einen Seitenblick zu und sehe, dass er sich angespannt hat.
Habe ich etwa gerade an seinem Ego gekratzt? Ach nein, das wollte ich doch jetzt aber nicht...
Wir betreten gemeinsam den Saal, in welchem mindestens tausend Menschen Platz haben. Und ich möchte nur eine einzige Person unter ihnen sehen. Ausschau nach Anton zu halten, scheint aber bei der Masse sinnlos.
"Das ist wirklich beeindruckend", bemerkt Elias, der sich neben mir umschaut, "Wofür sammelt eure Mutter nochmal Spenden?" "Mit dem Geld möchte die Organisation berufliche Perspektiven für Jugendliche fördern. Ich glaube, es betrifft Bolivien." Elias nickt angetan und bedeutet mir, vorzugehen.
Er findet so richtig Gefallen an dem ganzen hier. Es ist ja auch eigentlich eine gute Sache. Schließlich hilft das Geld den Gebieten, in denen es katastrophal ist.
Ich kann nur einfach nicht damit klarkommen, dass sich diese arroganten Geldsäcke damit brüsten, etwas gespendet zu haben, nur um dafür Anerkennung zu bekommen.
Das macht mich einfach krank!
"Ava, Liebling. Ist das da vorne nicht Levi?" Augenblicklich folge ich dem Blick meiner Mutter. In meinem Bauch beginnt es zu flattern, als ich ihn entdecke. "Du hast gar nicht erzählt, dass seine Familie auch herkommt." Meine Schwester ist mindestens genauso überrascht wie unsere Eltern. "Er hat davon nichts erzählt." "Hättest du davon nicht wissen müssen?", fragt nun unser Vater, der allen Anschein nicht sonderlich begeistert ist, ihn zu sehen. "Ich kenne nicht die gesamte Gästeliste, Silvan", meint sie und wendet sich dann uns wieder zu, "Ihr solltet zu ihm gehen, Kinder. Er wird sich sicherlich freuen, bekannte Gesichter zu sehen."
Ava lässt es sich nicht zweimal sagen und ist verschwunden. Elias folgt mir, als ich ebenfalls dieselbe Richtung einschlage. "Levi?" "Avas Freund aus der Schule. Er ist ein bisschen durchgeknallt, aber vollkommen in Ordnung."
Mehr als das. Er ist phantastisch!
Die beiden liegen sich in den Armen, als wir neben ihnen stehen bleiben. "Wo sitzt ihr?" "Ach, relativ in der Nähe der Bar. Du kannst dir vorstellen, dass ich das sehr begrüße." Sie lacht. "Also am männlichen Personal kann man sich durchaus nicht beschweren", stimmt sie zu und weicht dann zurück. Freudestrahlend schaut sie mir in die Augen und ich kann nicht anders, als mich von ihrer guten Laune anstecken zu lassen.
"Guten Abend, Valentin", begrüßt mich mein Freund lächelnd. Ich mustere ihn von oben bis unten - er sieht wahnsinnig attraktiv im Smoking aus. "Guten Abend, Anton. Wie geht es dir?" "Jetzt auf jeden Fall besser."
Mir geht es ebenso.
Ich bemerke, wie sein Blick auf Elias fällt, dem ich daraufhin einen Arm auf die Schulter lege. "Darf ich euch vorstellen? Elias, mein bester Freund vom Internat. Elias, das ist Anton." Die beiden schauen sich an, als wüssten sie nicht, wie sie miteinander umgehen sollen. Fällt nur mir diese komische Spannung auf?
Es dauert einen Moment, bis Anton ihm die Hand entgegenstreckt. Ich wusste ja, dass er ihm gegenüber nicht sonderlich gut eingestellt ist. Aber Elias kennt ihn doch noch gar nicht. Ob er bemerkt hat, dass Anton...
Nein, er ist doch nicht homophob. Nicht Elias. Oder?
Deswegen würde er niemals jemanden verurteilen. Mich sicherlich auch nicht. Es wäre nur für ihn anfangs seltsam...
"Auf diesen Idioten musst du gar nicht achten, Levi", meint Ava dann und umschließt seinen Arm. Ehe er sich versieht, wird er von ihr weggezogen. Über seine Schulter wirft er mir einen hilfesuchenden Blick zu, ich lächle ihn beruhigend an.
"Du scheinst dich ja gut mit ihm zu verstehen." Elias' Bemerkung verwundert mich. "Warum denn auch nicht?" "Keine Ahnung...er wirkt so", schwul?, "aufgedreht. Solche Leute kannst du doch vom Tod nicht ausstehen." "Anton ist anders", meine ich und zucke mit den Achseln.
Als eine Kellnerin vorbeikommt, schnappe ich mir zwei Gläser Champagner und reiche ihm eines. "Inwiefern?", fragt er.
Warum löchert er mich denn jetzt so?
"Er hat uns an unserem ersten Schultag mit offenen Armen empfangen. Und Ava fühlte sich wegen ihm augenblicklich...Zuhause. Das schätze ich an ihm. Dass er so gut gegenüber seinen Mitmenschen ist", ich lächle, "Man kann ihm vertrauen...Und, naja, irgendwann habe ich es auch gemerkt, dass er ein herzensguter Mensch ist."
"Man, du klingst, als wärst du in den Kerl verknallt", kommentiert mein Kumpel mich auf einmal, was mich zusammenzucken lässt. "Bitte?" "Das ist ja schon eine halbe Liebeserklärung ihm gegenüber." Er lacht und nippt an seinem Champagner.
Ich versuche eine Reaktion ausmachen zu können. Aber er lässt sich nichts anmerken.
"Elias-" "Bro, das war doch nur Spaß. Du musst nicht gleich beleidigt sein", freundschaftlich klopft er mir auf den Rücken, "Und außerdem", er nähert sich meinem Ohr, "Du hast mich damals abgewiesen", ich spanne mich an, "Und das war mir Antwort genug."
Während mir ein Schauer über dem Rücken läuft, stoße ich ihn leicht von mir weg, woraufhin er grinst. "Alter, erstens waren wir damals vierzehn und...nur neugierig. Und zweitens bedeutet es doch nichts, nur weil ich dich nicht wollte." "Ach, also stehst du auf ihn?" Elias deutet auf Anton, der mit Ava bei seinen Eltern steht. Sie lachen gerade über etwas, was John gesagt hat.
"Und wenn?", gebe ich zurück und hebe eine Augenbraue. Verwundert schaut er mir hinterher, als ich ihn stehen lasse.
Toll gemacht, Valentin. Was sollte das denn jetzt?
Unser Tisch befindet sich an der Bühne. Während ich mich hinsetze, halte ich Ausschau nach meinen Begleitern. Ava ist noch immer bei Anton. Vater redet mit irgendwelchen Männern, unter anderem ein paar wichtige Geschäftspartner. Und Mum macht sich gerade auf dem Weg auf die Bühne.
Sie hält bereits ein Mikrofon in der Hand und richtet sich an die Gesellschaft: "Sehr geehrte Damen und Herren, Vorsitzende der Organisation United Strengthened. Mein Name ist Jasmin Bishop. Und ich habe das Vergnügen, Ihnen heute Abend unser neustes Hilfsprojekt vorzustellen."
Im Saal ertönt Beifall, während jeder seinen Platz einnimmt. Als die anderen zu mir stoßen, sehe ich mich nach meinem Freund um. Er sitzt in meinem Blickfeld. Seine Augen sind auf die Bühne gerichtet, um seinen Lippen ist ein wunderschönes Lächeln gezaubert.
"Der Fokus unserer Organisation liegt derzeit auf die beruflichen Perspektiven für Jugendliche. Sichere und menschenwürdige Arbeitsplätze für junge Frauen und Männer sind in unserer Gesellschaft alltäglich. Doch in Bolivien müssen Kinder, die im Alter Ihrer Kinder sind ums Überleben kämpfen..." "Denkst du, deine Mutter wird weinen?", flüstert Elias mir zu, woraufhin ich mich zu ihm neige, meine Aufmerksamkeit liegt dabei noch immer auf ihr. "Ich hoffe nicht. Sie ist so emotional, wenn sie einmal damit anfängt, kann man sie kaum beruhigen. Andererseits...vielleicht werden damit die Spendengelder angekurbelt." Er feixt über meine Bemerkung und konzentriert sich dann wieder auf die Rede.
"...Unser Ziel ist es, den jungen Frauen und Männern ein regelmäßiges Einkommen und langfristige Perspektiven zu ermöglichen. Das Augenmerk liegt dabei vorerst auf Altiplano, Tarija und Santa Cruz. Mit Ihren Spenden würden wir berufliche Schulungen für 1600 Jugendliche und junge Erwachsene ermöglichen. Es gäbe Startkapital und Unterstützung beider Gründung von Unternehmen. Landwirtschaftliche Projekte, insbesondere der Zucht von Lamas, Ziegen und Schafen würden gefördert werden. Und mit Ihrer Hilfe würde durch das Projekt auf die Gleichberechtigung gestärkt!"
Mum schafft es immer wieder, die Menschen um sie herum für sich zu gewinnen. Sie ist eine Meisterin darin, reichen Schnöseln ein paar tausend Dollar aus der Brieftasche zu ziehen.
"Mit diesem Projekt wollen wir Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren und insbesondere jungen Frauen die Möglichkeit geben, ihre beruflichen Fähigkeiten und damit ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Dafür unterstützen wir sie, eigene Unternehmen zu gründen, und bieten berufliche Ausbildungen an. Ziel ist es, dass die jungen Menschen Zugang zu sicheren und menschenwürdigen Arbeitsplätzen erhalten, die ihnen langfristige Beschäftigung und ein angemessenes Einkommen bieten. Darüber hinaus wollen wir mit diesem Projekt zur Gleichberechtigung beitragen, indem junge Frauen und Männer lernen, bestehende Rollenbilder und Machtverhältnisse kritisch zu hinterfragen."
Irgendwann spüre ich, wie mich jemand beobachtet. Sofort habe ich Anton im Visier. Er nippt gerade an seinem Glas Wein, während er mich anschaut. Meine Haut beginnt zu kribbeln. Ich weiß nicht, woran es liegt. Aber momentan würde ich ihn am liebsten einfach nur in das nächste leere Zimmer ziehen und über ihn herfallen.
Und ich habe das Gefühl, ihm geht es genauso.
"Valentin." Die Stimme meines Vaters gewinnt meine Aufmerksamkeit. Fragend sehe ich ihn an. "Würdest du mich nachher mit den Collisters bekannt machen?" Überrascht weiten sich meine Augen. "Was möchtest du denn von Levis Eltern, Daddy?", schaltet sich nun auch Ava ein, der es ebenfalls komisch vorkommt. "Ist es so ungewöhnlich, dass ich die Eltern eines Freundes meiner Kinder kennenlernen möchte?" "Nei-" "Ja, ist es", falle ich meiner Schwester ins Wort und mustere ihn skeptisch, "Also, was hast du vor?" "Es enttäuscht mich, was mein eigener Sohn über mich denkt", meint er und greift nach seinem Champagner.
"Ich würde Ihnen zum Schluss gerne eine junge Frau vorstellen, die in unseren Augen Großes geschaffen hat." Augenverdrehend wende ich mich meiner Mutter wieder zu. "Helida hat in den vergangenen Jahren schon vielen ihrer Freunde Lebewohl sagen müssen, als diese in die Stadt zogen, um dort ein besseres Leben und bessere Arbeitsmöglichkeiten zu finden. Helida hat oft gedacht, dass sie das Gleiche tun würde: ihr Dorf verlassen und in die Stadt gehen. Doch dann hat Plan in ihrem Dorf ein Projekt gestartet, um Jugendliche beruflich zu fördern. Helida hat unternehmerische Schulungen besucht und angefangen, Hühner zu züchten. Innerhalb kurzer Zeit konnte sie ihren Geflügelbestand verdreifachen. Jetzt hat sie einen neuen Traum: Sie möchte studieren und Agraringenieurin werden. „Ich würde gern expandieren und eine Milchfarm mit Kühen aufbauen“, sagt sie. Und genau das sollte so vielen weiteren jungen Menschen ermöglicht werden. Eben das wollen wir unterstützen, weil es uns am Herzen liegt! Und dafür brauchen wir Ihre Hilfe. Vielen Dank."
Stolz folge ich dem Beispiel der Anwesenden und applaudiere. Mum hat so viel Blut und Schweiß in dieses Projekt gesteckt. Ich hoffe für sie, dass es erfolgreich wird. Aber es ist nicht ihre erste Spendengala. Und ich meine, die Leute fressen ihr aus der Hand.
Mit einem zufriedenen Lächeln geht sie von der Bühne ab und kommt mit einem selbstbewussten Gang auf uns zu. Vater steht auf, um ihr den Stuhl zurechtzuschieben. "Mum, du warst toll!", schwärmt Ava, woraufhin unsere Mutter abwinkt. "Danke, meine Süße. Ich habe mein bestes gegeben. Jetzt liegt es aber an den Herrschaften." "Du hast alles richtig gemacht", bestärke ich die und proste ihr mit meinem Glas Champagner zu, was sie erwidert. Wie auch alle anderen am Tisch.
Die ältere Frau, die uns vorhin empfing, steht nun auf der Bühne und bedankt sich ganz herzlich bei Mutter. Dann eröffnet sie uns den weiteren Ablauf, der nach dem Dinner stattfinden soll.
Mich interessiert es nicht wirklich, was sie sagt, sodass ich meinen Blick wieder auf Antons Tisch habe. Entdecken kann ich ihn aber nicht. Wo ist er?
Verwundert sehe ich mich um, kann ihn aber nirgends finden. Seine Eltern schauen interessiert zur Bühne. Als mein Handy vibriert, krame ich es unbemerkt aus meiner Hosentasche. Es gehört auch auf so einer Veranstaltung eigentlich überhaupt nicht, am Telefon zu sein.
Babyboy♡ [19:48 Uhr]: Finde mich, Tiger...
Schmunzelnd schaue ich mich um, niemand scheint auf mich zu achten. Sogar Elias und Ava unterhalten sich.
Valentin [19:48 Uhr]: Wo bist du?
Babyboy♡ [19:48 Uhr]: So einfach mache ich es dir nicht 😉
Babyboy♡ [19:49 Uhr]: Beeile dich...ich will dir diesen Anzug vom Leibe reißen 🔥
Das Kapitel war wahrscheinlich jetzt nicht so interessant 😅 dafür wird es ab dem nächsten wieder spannender!
Aber trotzdem wurde etwas enthüllt - Elias und Valentin? 😯
Und was möchte Valentins Vater von Levis Eltern? 🤔
Doch vor allem...was hat Anton selbst vor?? 😏🔥😂
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