Kapitel 40

• V A L E N T I N •

"Valentin, mein Schatz!" Ich drücke mich von meinem Auto ab und gehe lächelnd auf meine Mutter zu, die mir mit ihrem Koffer entgegenkommt. Wir umarmen uns.

Sie hatte mir heute Morgen eine Nachricht geschrieben, ob ich sie vom Flughafen abholen könnte. Sie sieht entspannt aus. Dass sie das Charity Event für dieses Wochenende geplant hat, kaufe ich ihr nicht ganz ab. Sowas bedeutet nämlich Stress. Selbst für diesen Workaholic in meinen Armen.

"Dankeschön, dass du mich abholst", meint sie, als wir uns voneinander lösen. Ich nehme ihr den Koffer ab und bedeute ihr, ins Auto zu steigen. "Und lief alles glatt, während ich nicht da war?", erkundigt sie sich. Mein Körper spannt sich an, doch hoffe ich, dass sie es nicht bemerkt hat. Ich verstaue ihr Gepäck im Kofferraum und steige dann ein. Mum schnallt ihren Gurt an, was ich ihr gleichtue.

"Dad war die meiste Zeit im Büro", sie zuckt leicht zusammen, als ich ihn erwähne, "Und Ava habe ich nicht viel zu Gesicht bekommen, weil sie mit ihrem Freund unterwegs war."

Und ich mit meinem.

"Sie sollte ihn mal mitbringen. Ich würde ihn nur zu gerne kennenlernen", sagt sie. Ihre Aufmerksamkeit liegt auf meiner Musikanlage. Nur beiläufig schaue ich auf ihre Hand, stocke dann aber. "Mum, wo ist dein Ehering?" "Ach, ähm, ich habe auf der Reise etwas gegessen, das ich nicht so gut vertragen habe. Meine Finger sind davon angeschwollen. Eine allergische Reaktion, verstehst du?" "Mhm. Und jetzt die Wahrheit", fordere ich, "Du kannst womöglich andere täuschen, aber nicht mich. Warum lässt du dich nicht von diesem Mistkerl scheiden, wenn du doch nicht mehr glücklich bist?" "Valentin, bitte. Er ist immer noch dein Vater."

Das war er nie für mich gewesen. Eher ein Klotz am Bein und das beruht auf Gegenseitigkeit. Schließlich passe ich nicht in seine Welt, da ich mich nicht seinen Regeln fügen will.

"Mum, mir ist wichtig, dass du glücklich bist. Und wenn du schon vor ihm flüchtest, scheinst du es ja nicht zu sein." "Es wird sich alles wieder stabilisieren, glaube mir, mein Liebling", sie tätschelt meine Hand, die verkrampft auf dem Lenkrad liegt.

Womöglich sollte ich ihr beichten, dass ich nun seit einer Woche nicht mehr Zuhause war. Dass ich nun mit Anton zusammen bin. Und bei ihm bleiben möchte. Aber etwas in mir hält mich zurück. Ich kann nicht sagen, was es ist.

Die Angst, abgewiesen zu werden? Dass sie sich vor mir ekeln könnte? Meine eigene Mutter, würde sie sich von mir abwenden, wenn sie wüsste, dass ich mit einem Jungen zusammen bin?

Der Gedanke schmerzt. Aber so ist sie nicht. Mum ist womöglich ein bisschen naiv anderen gegenüber. Und doch ist sie ein herzensguter Mensch.

"Sag mal, Valentin", ich zucke leicht zurück, als sie mit ihren Fingerspitzen über meinen Hals streicht, "Du scheinst dich hier so langsam ja auch ziemlich gut zu fühlen", meint sie schmunzelnd. Verwirrt werfe ich ihr einen Blick zu, biege dann nach links ab. "Was meinst du?" "Naja, du hast dir sicherlich nicht selbst diesen Wahnsinns Knutschfleck verpasst."

Levi, diese miese Ratte!

"Lass es gut sein, Mum. Bitte." "Ach, Schätzchen. Lass mich doch ein bisschen neugierig sein! Schließlich erlebe ich das zum ersten Mal bei dir", ich spüre ihren intensiven Blick auf mir, "Du scheinst im allgemeinen so verändert zu sein. Als würdest du auf einmal strahlen-" "Strahlen?"

Womöglich sollte ich ihren Koffer später auf irgendwelche Substanzen überprüfen.

"Du wirkst glücklich, Valentin. Das erfreut mich", sagt sie lächelnd. Es würde wahrscheinlich nichts bringen, es abzustreiten, weshalb ich schließlich ergeben seufze. "Die Beziehung ist noch ganz frisch-" "Wie wunderbar! Ist sie auf deiner Schule?"

Warum gehen Eltern eigentlich immer gleich davon aus, dass man als Junge ein Mädchen datet? Es ist natürlich der erste Gedanke - warum sollte der eigene Sohn auch nicht hetero sein?

Aber sowas schüchtert doch ein.

"Ähm, Mum. Erinnerst du dich noch an Levi, Avas Freund aus der Schule?" Sie wirkt anfangs verwundert, doch dann breitet sich ein liebevolles Lächeln auf ihrem Gesicht aus. "Er also?" Ich nicke lediglich und presse meine Lippen aufeinander.

Habe ich mich gerade vor meiner Mutter geoutet?

Nun, ich stehe vor ihr zu meiner Beziehung mit Levi. Reicht das? Ich muss doch keine weitere Definition für uns finden.

Es gibt ihn und mich - uns - nicht mehr und nicht weniger.

Mum streicht mir eine Strähne aus der Stirn. "Ich bin stolz auf dich, mein Schatz. So stolz. Vergiss das niemals." Erleichtert erwidere ich das Lächeln und konzentriere mich dann weiter aufs Fahren.




Valentins Mutter ist wieder da. Bedeutet das, dass er zurück nach Hause geht?

Mit ihr hat er eindeutig ein besseres Verhältnis - schließlich hat er ihr von Levi erzählt 😁

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