Kapitel 20
• V A L E N T I N •
Ich helfe Ava aus dem Auto heraus, mein Vater hält meiner Mutter den Arm hin. Außenstehende könnten uns für eine waschechte perfekte Familie halten. Gut erzogene Kinder, ein harmonisches Ehepaar.
Die Zeit ist allerdings schon seit einigen Jahren vorbei. Deshalb habe ich mich umso mehr gefreut, dem ganzen zu entkommen und ein Internat besuchen zu dürfen. Sicherlich viel es mir anfangs auch ein bisschen schwer, aber ich habe mich schnell eingewöhnt.
Für Ava war der Schulwechsel um einiges schwerer. Sie musste ihre Freunde hier lassen. Und vor zwei Wochen hat sich das Grauen für sie wiederholt. Zwar hat sie unsere Eltern vermisst, aber andererseits hat sie auch eine gewisse Heimweh gegenüber ihren Freundinnen.
Doch hier hat sie sich ja auch schnell wieder etabliert. Darüber bin ich auch froh. Obwohl ich diesen Jay immer noch nicht leiden kann, scheinen er und die anderen beiden ihr wirklich gut zu tun.
"Das Restaurant sieht umwerfend aus! Ist es neu?", fragt meine Schwester begeistert, als wir das Lokal betreten. Mutter, die ihr wunderschönes Haar zurückstreicht, nickt und sieht sich ebenfalls um. "Es hat erst vor etwa drei Jahren geöffnet. Wir haben bereits öfter hier zu Abend gegessen und ich wollte euch beiden unbedingt mal mit hierhernehmen."
Und empfängt der Chef de Rang, der uns zu unseren Tisch führt. "Es ist uns immer wieder eine Freude, wenn das Ehepaar Bishop unser Haus besucht", begrüßt er unsere Eltern mit einen freundlichen Lächeln. Und ich kaufe es ihm tatsächlich ab, dass er sich nicht nur einschleimen will. "Andrew, es ist schön, Sie wiederzusehen", erwidert meine Mutter lächelnd und deutet dann zu uns, "Das sind unsere Kinder, Valentin und Ava. Sie sind erst vor kurzen wieder nach Hause gekommen."
Der ältere Mann nickt uns zu und wendet sich dann unserem Vater zu. "Darf ich Ihnen den Wein des Hauses bringen, Sir?" Er nickt und setzt sich dann, nachdem er Mum geholfen hat, ebenfalls an den Tisch. Während Ludwig sich abwendet und Ava unsere Eltern in ein Gespräch verwickelt, nutze ich die Chance, mich ein bisschen umzusehen.
Die Innenausstattung ist in schlichten dunklen Farben mit wenigen weißen Akzenten gehalten. Trotz dass das Restaurant gut besucht ist, herrscht eine gewisse Ruhe. Ich kann mir vorstellen, dass sich dieses Lokal gut für Geschäftsessen eignet.
Um uns herum sitzen gut gekleidete Menschen - Frauen, die sich mit ihren Salaten schwer tun und nur darin herumstochern, und Männer, die mit den kleinen Portionen nichts anfangen können. Beinahe muss ich wegen diesem Schauspiel schmunzeln.
Sie alle sind Schauspieler, die in eine Rolle schlüpfen, um hier reinzupassen. Wenn sie dann in ihren eigenen vier Wänden sind, legen sie ihre Masken ab und können diese Anspannung von sich legen.
"Valentin, Liebling, gefällt dir das Restaurant?", reißt mich die sanfte Stimme meiner Mutter aus meinen Gedanken. Ich kann nicht anders, als ihr entgegen zulächeln. "Es ist sehr stilvoll. Und was ich sehr schätze ist, dass man abgelegen von den anderen Gästen ist." Sie lacht. "Das gefiel deinem Vater auch auf Anhieb."
Wundervoll, eine Gemeinsamkeit mit meinem alten Herr.
Dieser öffnet zum ersten Mal den Mund, seit wir von Zuhause losgefahren sind. "Eure Mutter und ich wollten mit euch etwas wichtiges besprechen. Etwas, das unheimlich wichtig für unsere Familie und dem Unternehmen ist." Warum bin ich auch davon ausgegangen, dass das hier ein schönes Familienessen werden könnte? "Worum geht es?", fragt Ava gespannt.
Bevor er allerdings zum Sprechen kommt, erscheint Andrew mit einer Flasche Rotwein. "Ein Château Latour, Jahrgang 1961, Sir." Er füllt das Glas meines Vaters ein wenig, dieser nippt kurz daran und nickt dann zur Bestätigung. Unsere Gläser werden ebenfalls mit dem Wein gefüllt. "Ihr Oberkellner wird in wenigen Minuten Ihre Bestellung aufnehmen", meint der Mann, während er uns die Menükarten überreicht. "Vielen Dank, Andrew", bedankt sich Mum und schaut dann in die Karte.
Vater legt sie zur Seite und richtet seinen durchdringenden Blick auf seine Kinder. "Wir planen ein Charity Event und wünschen uns natürlich, dass ihr an diesem Abend an unserer Seite sein werdet."
Ich hasse Wohltätigkeitsveranstaltungen. Reiche Leute prallen damit herum, dass sie ja so viel Geld spenden, damit es Kindern in der dritten Welt möglich ist, eine bessere Bildung zu bekommen. Dabei wollen sie eigentlich nur im Rampenlicht stehen. Ihnen geht es nicht darum, etwas Gutes zu tun.
Und Dad hat auch nichts anderes vor, als neue Partner oder Sponsoren zu finden. Mum hat ein Herz für Menschen aus Entwicklungsländern, ihr liegt wirklich etwas an solchen Events. Doch meist ist sie mit der Organisation alleine, steht oft kurz vor einem Burn Out, was ihren ach so tollen Ehemann allerdings nicht interessiert.
Augenverdrehend wende ich meinen Blick ab und sehe mich nochmals um. Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendwas lockt meine Aufmerksamkeit an die Bar. Mein Blut gefriert zu Eis, als ich sehe, wer sich hinter der Theke befindet.
Vefolgt mich dieser Spinner auch noch hier her? Wie kann er nur in einen 5-Sterne Restaurant arbeiten? Ich meine, er ist ein Schüler! Das ist...doch noch nicht mal legal!
"Hey", meine Schwester stupst mich unauffällig an, "Was hast du?" "Warum hast du nicht erzählt, dass Anton hier arbeitet?" "Wie bitte?" Ich deute hinter sie, woraufhin sie ihren Kopf dreht. Wir sehen zu, wie der dunkelhaarige einige Cocktails mischt. Und dabei hat er überraschenderweise Hilfe von einen Barkeeper, der ihm meiner Meinung nach viel zu sehr auf die Pelle rückt.
"Ich wusste es nicht, Lenny", meint Ava und sieht mich ehrlich erstaunt an. Ich wende meinen Blick von den beiden ab und zucke mit den Achseln. "Naja, dann soll er doch sein Taschengeld hier ein bisschen aufbessern. Sein Anwaltsvater scheint wohl doch nicht so erfolgreich zu sein, wenn sein Sohn als Kellner arbeiten muss." "Valentin, sei nicht so-" "Was gibt es denn da zu tuscheln?", fragt unsere Mutter neugierig und sieht zwischen uns hin und her. "Also-" "Ava wollte mich dazu überreden, auf das Event zu gehen. Aber ich werde es nicht tun", meine ich und sehe dabei meinen Vater an.
Dieser erwidert provokant den Blick. "Valentin, ich werde nicht mit dir darüber diskutieren. Du wirs-" "Schön, dass wir das dann geklärt haben", ich greife nach meinen Wein und leere das Glas in einen Zug, "Ich habe auch gar keinen großen Hunger. Macht ihr euch einen schönen Abend, ich werde gehen."
Die Frauen am Tisch versuchen mich davon abzuhalten, doch ich stehe auf und verlasse mit schnellen Schritten das Restaurant. Als ich den Ausgang erreiche, könnte ich schwören, das herzliche Lachen von Anton zu hören, ignoriere es aber und stoße die Tür auf.
Hinter mir höre ich Ava nach mir rufen.
Oh nein, das ist aber nicht gut ausgegangen 😬
Nächstes Kapitel: 21 Uhr
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