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Als ich an der Badtür klopfte, öffnete sie sich erstaunlicherweise kurze Zeit später. Wortlos kam ich herein und schloss hinter mir wieder ab. Ich sank zu Boden und legte mich so neben meine große Schwester, dass wir uns direkt ansahen. 

„Was für eine beschissene Aussicht von hier unten", kommentierte ich, konnte aber kein Lächeln aufbringen. Zoe erwiderte nichts darauf und sah mir nur stillschweigend in die Augen. Unten klapperte der Rest der Familie mit Besteck am Frühstückstisch herum. 

Der Boden war kalt und hart. Genau das, was man brauchte, wenn man sich wortwörtlich am Boden zerstört fühlte.

„Was ist bei Costa und dir vorgefallen?", fragte Zoe auf einmal. Sie musste unseren Streit durch den Spalt des offenen Fensters mitverfolgt haben. Ich vergrub das Gesicht in der Armbeuge und lukte nur mit den Augen zu ihr. 

„Wir haben uns gestritten. Es ist zur Sprache gekommen, was uns seit langem belastet."

„Auch das mit dem Gedicht?"

„Nein. Das erschien mir nicht als passenden Moment dafür. Er will mir nachher noch irgendeine Wahrheit erzählen, vermutlich, was mit Hannah vorgefallen ist."

„Aber das ist doch gut", erwiderte sie und schniefte: „Diese Wahrheit wolltest du doch hören."

Ich war gerührt davon, wie sie sich um meine Probleme Gedanken machte, obwohl ihre eigenen gerade größer erschienen. 

„Das ist mir jetzt auch egal. Hannah ist mir egal. Es geht nicht mehr um meine Neugierde. Es geht darum, was aus uns beiden werden soll. Vielleicht ist unsere Freundschaft jetzt Geschichte. Vielleicht unterschreiben wir nachher den Totenschein." Jetzt konnte ich mich nicht mehr zusammenreißen. Die erste Träne bahnte sich ihren Weg und tropfte gleich darauf auf die nach Marmor aussehenden Badfliesen. 

„Sag sowas nicht. Ihr könnt das sicher wieder geradebiegen. Und wenn das Gedicht wirklich von Costa kommen sollte- nun ja, dann wird er dich lieben."

Es war irgendwie seltsam, diese Konklusion einmal laut zu hören. Mein bester Freund könnte mich lieben, unsere Freundschaft aber kündigen? Das ergab keinen Sinn. Schließlich war das nicht wie ein Tarif, den man einfach wechselte, wenn man etwas Besseres haben wollte. 

„Hey, das wird schon", holte Zoe mich zurück aus den Gedanken und legte eine Hand auf meine. Dann lächelte sie schwach, was ich nur erwidern konnte. 

„Danke. Für dich gilt das Gleiche."

„Weißt du, es soll leichter sein, statt alleine, gemeinsam wieder aufzustehen."

„Da könntest du vielleicht recht haben. Probieren wir es aus?" 

Ohne eine Antwort drückte Zoe sich mit den Händen hoch und zerrte mich mit. Ein Zuschauer hätte das höchstwahrscheinlich als eine sehr gequälte Handlung wahrgenommen, aber für uns reichte es, um wieder Fuß zu fassen und mit beiden Beinen im beschissenen Leben zu stehen. 

Als wir unten bei unseren Eltern und Emi ankamen, mit verweinten Augen und roten Wangen, bekamen diese einen Schreck. Meine Mutter allerdings verlor langsam die Geduld und erkundigte sich nach dem aktuellen Stand. 

„So, jetzt erzählt endlich, was los ist. Wir machen uns hier alle Sorgen um euch!"

Zoe begann mit ihrer Story und setzte sich dabei an ihren Platz, als wäre es das heutige Wetter, das sie nebenbei als Kommentar einwarf. „Spencer hat mich betrogen. Die Hochzeit ist geplatzt."

Sprachlos fielen meiner Mutter und meinem Vater die Kinnladen hinunter. Emi jedoch musste natürlich gleich nachbohren und übernahm die Aufgabe meiner Eltern. „Wieso? Was hat Spencer getan?"

„Tja, sie hat Isabella, seine Ex, vor Vals Augen geküsst und wollte mir das verheimlichen."

„Nein, das kann ich mir nicht vorstellen", dann wandte sich meine Mutter an mich: „Valeria, bist du ganz sicher, dass du dich nicht versehen hast?" 

„Ja, Mama. Ganz sicher. Ich hab ihn sogar gefragt und er hat es mir bestätigt."

„Oh man", sagte mein Vater und schaute zur Decke, als hätte ich die Nachricht in den Raum geworfen, dass jemand gestorben wäre. 

„Zoe, Schatz. Das tut mir so leid. Komm her." Meine Mutter stand auf, ging um den Tisch herum und schloss die arme instabile Zoe in den Arm. Währenddessen widmete sich mein Vater mir. „Und, was ist bei dir passiert? Irgendwas ist da auch noch im Busch."

Meinem Vater schuldete ich eigentlich noch eine Antwort. Ich hatte ihn vorhin verwirrt zurückgelassen, da ich nicht mit ihm sprechen wollte. Ich atmete tief durch und beschloss, ihm nicht alles zu erzählen, was vorgefallen war. „Costa und ich haben uns ausgesprochen, weil wir kaum noch Zeit füreinander finden. Wir hatten ein paar Meinungsverschiedenheiten, weiter nichts."

„Weiter nichts? Das kann aber nicht der einzige Grund für deine Niedergeschlagenheit sein", konterte meine Mutter, immer noch in einer Umarmung mit Zoe. 

Innerlich verdrehte ich die Augen. „Ich mach mir auch Sorgen wegen Zoe. Spencer mit dieser Bi-, ich meine, mit seiner Ex zu sehen, hat mich verstört und wütend gemacht", übertrieb ich es. 

„Ach, Kinder. Das tut mir so leid."

„Wie konnten wir uns bloß so in Spencer getäuscht haben?", fragte mein Vater an meine Mutter gewandt. 

„Das haben wir alle", sagte Zoe: „Besonders ich. Aber ich hätte es besser wissen müssen."

„Du kannst nichts dafür", widersprach ich: „Spencer alleine ist schuld." So wie ich an dem Streit mit Costa schuld bin.

Um fünfzehn Uhr, nachdem ich mich versichert hatte, dass ich Zoe nun alleine lassen könnte, machte ich mich auf den Weg in den Candy-Shop. An dem Tisch, an dem ich Costa vorfand, ließen die gestapelten Gläser und Tassen darauf schließen, dass er schon länger auf mich gewartet haben musste. Schuldgefühle überkamen mich. 

„Willst du dich nicht setzen?", fragte Costa stumpf, als ich neben ihm zum Halten kam. Wie sollte ich dieses Gespräch anfangen? Mit einem Es tut mir leid? Ich wusste nicht, wie oft ich diese Worte heute noch sagen müsste. Vielleicht begann ich einfach damit, seiner Frage nachzukommen und mich zu setzen. 

Auf Augenhöhe bemerkte ich die Reue, die in Costas Augen genauso lag wie in meinen. Wir hatten beide Schlamassel angestellt. Wir beide hatten schuld daran, sollte diese Freundschaft scheitern.

„Weißt du noch, wie ich vorgestern meinte, ich könne nicht alles aussprechen, was in mir vorginge?", schnitt Costas Stimme durch die Luft. Mir blieb fast das Herz stehen. 

„Ja."

Er fuhr fort: „Das, was vorhin aus mir herausgerutscht ist, war sowas in diese Richtung. Ich wollte es eigentlich für mich behalten, um so einen Streit zu vermeiden. Es tut mir leid."

„Mir auch", sagte ich wahrheitsgemäß. Mehr konnte ich nicht aus mir herausholen. 

„Es ist so, dass mich gerade alles mitnimmt. Ich habe es satt, für fremde Menschen meine Freizeit zu opfern, um zu verbildlichen, wie stark unsere Freundschaft sei. Aber die Wahrheit ist, dass sie dadurch zerstört wird. Was bringt es, die Fassade einer großartigen Freundschaft aufrechtzuerhalten, wenn sie dahinter immer schneller zerbröckelt?"

„Unsere Freundschaft ist immer noch großartig, Costa. Das weißt du genauso wie ich. Und ich möchte sagen, dass sie mir wirklich viel bedeutet. Du bist der wichtigste Mensch für mich und deshalb ist es mir auch wichtig, zu wissen, was dich beschäftigt." Ich lächelte schwach, was Costa erwiderte. 

„Tja, wo soll ich beginnen? Können wir nochmal neu anfangen? Mehr Zeit füreinander aufbringen und nicht so viel an Social Media und den ganzen Mist denken, sondern einfach was Spaßiges machen, wozu wir nicht gezwungen werden?" Ich nickte zustimmend. 

„Also, was geht in dir vor? Was beschäftigt dich?", fragte er.

Ich holte tief Luft, bevor ich ansetzte. „Nun, das, was in mir vorgeht, ist Chaos. Chaos, nicht nur wegen meiner Schwester, die sich gerade zu Hause die Augen ausheult, weil ihr Freund sie betrogen hat. Ich hab Zoe davon letzte Nacht erzählt, deswegen war ich auch so aufgeladen vorhin, als du gekommen bist. Tut mir leid, dass es so eskaliert ist." 

Costa hob leicht die Schultern und presste die Lippen aufeinander, während er den Kopf schief legte. „Und, was ist es, das dich noch beschäftigt. Du sagtest, es wäre nicht nur die Sache mit Zoe." 

„Naja, neben einem Haufen anderer Sachen, besonders die Rose und das Gedicht, die ich zum Valentinstag bekommen habe. Ich weiß nicht, wer genau es ist, der sie mir geschenkt hat. Es steht kein Absender drauf. Ich habe die Handschriften von Nils, Henrik und Josh geprüft und die waren alle nichts. Und dabei habe ich auch noch Spencer mit seiner heißen Affäre gesehen und mir ein neues Problem ans Bein gebunden. Ich habe dir noch nichts davon erzählt, weil ich dich nicht als- potenziellen Verfasser ausschließen wollte. Ich dachte, es wäre unmöglich, dass du dahinter stecken könntest, aber dann habe ich in Backs Büro letztens gewartet und eine Beobachtung gema-."

„Die Rose ist von mir, V." 

Stille. 

Die Rose ist von mir, V. Ich brauchte einen Moment, um diese Worte zu fassen. Zwar hatte ich die Vermutung längst gehabt, aber diese Bestätigung nun zu bekommen, war etwas völlig anderes. In meinem Kopf drehte sich alles und mein Magen drehte sich einmal um hundertachtzig Grad. Hatte Costa mir gerade eine Liebeserklärung gemacht?

„Und auch das Gedicht. Back hat es für mich abgeschrieben, damit du meine Handschrift nicht erkennst. Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfährst." Ich fasste nicht, was hier gerade passierte. 

Dein Lachen so hell.

Mein Herz so schnell.

Du faszinierst mich.

Ich liebe dich.

Ich konnte meinen besten Freund nicht mehr mit denselben Augen sehen wie vor diesem Treffen hier. Alles, was ich sah, war ein verliebter Idiot, der es nicht für notwendig empfunden hatte, mir seine Liebe eigenständig zu gestehen. 

„Ist das im Gedicht auf die freundschaftliche Liebe bezogen oder auf mehr?", war das einzige, das ich aus meinem Kopfsalat entbehren konnte. 

Er weitete die Augen etwas und blickte zur Seite als Zeichen des schweigsamen Das kannst du dir wohl denken. Ich wollte es mir aber nicht denken. Ich wollte es von ihm hören, sollte es der Fall sein. 

„Die Rose und das Gedicht. Als Geburtstagsgeschenk, nehme ich an."

„V, ich würde dir keine Rosen zum Geburtstag schenken. Ich weiß doch genau, wie sehr du deinen Geburtstag hasst."

„Wieso dann?" Oh nein, sag es nicht! Ich war noch nicht bereit dafür, es hier und jetzt von Costa zu hören. Aber ich konnte auch schlecht sagen, ob ich es jemals von ihm hören wollte oder vielleicht doch lieber nicht.

Dann spuckte er es aus. Mein Herz machte einen Salto. „Was, wenn ich mehr für dich empfinde, als nur Freundschaft? Es hat sich im Laufe der letzten paar Wochen vieles zwischen uns getan."

„Costa! Das ist absurd. Du hast eine feste Freundin!", erinnerte ich ihn so lautstark daran, dass nun die ersten Blicke der Besucher auf uns lagen. Glücklicherweise nur alte Leute, die uns unmöglich von Social Media kennen konnten. 

Ich hielt ihn für absolut verrückt. Er musste bei der Party irgendwelche Drogen genommen haben, die immer noch Wirkung zeigten. 

„Nein", antwortete er stumm.

„Was? Was ist mit...? Ist das der Grund, wieso ich nicht über sie reden darf? Hat sie dich für einen anderen abserviert, diese Bitch?!", ich stand wutentbrannt vom Tisch auf: „Ich wusste gleich, dass sie nicht die Richtige für dich ist! Tut mir leid, aber ich konnte sie von Anfang an nicht leiden."

„Es war andersherum. Ich hab mit ihr Schluss gemacht." Schuldbewusst schaute er auf seine Hände, die zusammengefaltet auf dem Tisch vor ihm lagen.

„Was?" Ich verstand nicht. Wieso sollte Costa mit Hannah Schluss gemacht haben? Costa, der seine feste Freundin so sehr geliebt hatte, um seine beste Freundin zu vernachlässigen, die er schon viel länger an seiner Seite wusste.

„Du bist die Richtige für mich. Das warst du schon immer. Ich hab es nur nicht sofort erkannt und musste erst mit einer Bitch zusammen sein, um die Wahrheit zu erkennen. V, du bist die einzige, mit der ich Candy-Cutting-Wettbewerbs veranstalten kann oder in einem Park eingesperrt werde oder mit der ich zu Liv'in On A Prayer schreisingen kann. Hannah konnte dir niemals das Wasser reichen." Er setzte ein Komma und erhob sich nun auch, um mir direkt gegenüberzustehen. Er fuhr sich einmal durch das knappe Haar und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. 

„Du kannst nicht leugnen, dass du nicht auch Gefühle für mich entwickelt hast, die über Freundschaft hinausgehen. Ich weiß es einfach, weil du und ich gleich ticken." 

Ich stand neben mir und zweifelte ehrlich daran, ob dieses Gespräch zwischen uns gerade wirklich stattfand oder es nur Einbildung war. „Sag das nicht", warf ich ein und belog mich damit selbst: „Was ist mit unseren Kampagnen und den Leuten? Wir können uns nicht verlieben. Wir müssen beste Freunde spielen, um unser Image zu wahren." 

„Ach, scheiß auf die Leute und das Image", erwiderte Costa in dem Moment, wo ich mir Gedanken darüber machte, dass er ein Schimpfwort in den Mund genommen hatte, als er einen Schritt auf mich zukam, mein Gesicht in seine Hände legte und seine Lippen auf meine drückte. 

Im ersten Moment war ich überrascht davon und drückte ihn an der Brust hastig zurück. Doch als er mich missmutig mit diesen himmelblauen Augen ansah, stürmte ich zurück und küsste ihn erneut. Anders als erwartet, fühlte es sich nicht so an, als würden Geschwister sich küssen, obwohl wir praktisch Seite an Seite aufgewachsen waren. Es fühlte sich richtig an, wie zwei einsame Personen, die niemals erkannt hatten, dass sie zusammen glücklich wären. 

„Der Song ist echt gut", meinte Costa, als wir uns lösten. Er ließ mich aber nicht los, sondern legte die Hände an meine Taille. Erst jetzt bemerkte ich den Song, der im Hintergrund des Ladens lief: Human von The Killers. 

„Sag ich ja", konterte ich frech und spielte darauf an, dass er diesen Song für das Ritual abgelehnt hatte. Wir mussten beide so stark lachen, dass mir schon bald der Bauch schmerzte. 

Am Abend wühlte ich mich im Bett. War das wirklich alles passiert? Hatten Costa und ich uns wirklich geküsst, ohne dass es eine Attrappe für das Abwimmeln eines Fans gewesen war? Ich schloss die Augen und ließ die Erinnerung an den Kuss in meinen Kopf zurück. Dann überkamen mich Glücksgefühle, die mich zum Lächeln zwangen. Mein Bauch kribbelte und zum ersten Mal in meinem Leben verstand ich, wieso es Schmetterlinge im Bauch hieß. War das hier also das Gefühl von Liebe, das ich immer für kitschig und absurd gehalten hatte? Es schien mir plötzlich als das Schönste, das ich jemals gespürt hatte. 

Mein Herz flammte erneut auf, als Costa den Raum betrat und sich auf der Bettkante niederließ. Ich wagte es nicht zu sprechen, geschweige denn zu fragen, ob wir nun ein Paar wären und Costa sich ganz sicher wäre, keinen Fehler begangen zu haben. 

„V, jetzt habe ich noch gar nicht gefragt, ob du überhaupt wie ich empfindest. Meine Annahme, es sei so, diente eher meiner Argumentation." Er musste leicht lachen. Das schönste Geräusch, das meine Ohren traf. 

„Da musst du fragen? Ich dachte, ich ticke genauso wie du?" Automatisch streckte ich die Hand aus und fuhr sanft mit dem Zeigefinger über seinen aufgestützten Handrücken. „Du hattest recht. Es hat sich in letzter Zeit vieles zwischen uns verändert. Ich habe gespürt, wie einsam ich ohne dich bin", mir fiel wieder das richtige Sprichwort ein: „Du merkt erst, was dir fehlt, wenn du es nicht mehr hast. Es gab viel Schmerz und ehrlich gesagt habe ich schon damit gerechnet, dass es uns nicht mehr lange geben würde. Aber deine Argumentation war überzeugend und ich stimme dir in allen Punkten zu. Es gibt Dinge, die kann und will ich nur mit dir machen." 

Ich streckte den Rücken durch und setzte mich im Schneidersitz vor ihn, um ihm direkt in die Augen sehen zu können. „Konstantin Griffin, ich liebe dich." Es war seltsam, es laut vor ihm auszusprechen. Aber das war wohl die gesamte Situation, in der ich mich befand: Seltsam und befremdlich, aber gleichzeitig aufregend und neu.

Costa erwiderte das bloß durch ein Herüberlehnen und einem Zögern. Ganz vorsichtig schaute er erst auf meine Lippen, dann in meine Augen. Ich spürte wieder seinen Atem auf meiner Nasenspitze. Dann legte er den Kuss behutsam zwischen uns. Leidenschaftlich griff er dabei mit den Händen in meine Haare, während wir aufs Bett sanken. Als ich mich löste, legte ich den Kopf auf seine Brust, die sich schnell hob und senkte. Ich fühlte mich ihm naher als jemals zuvor. 

Dann fiel mir ein, wie komisch es war, dass wir mal auf meinem Bett gemeinsam lagen. Normalerweise fanden wir uns immer aus dem einfachen Prinzip der höheren Privatsphäre auf seinem wieder. Nicht auszumalen, wenn Emi jetzt die Tür aufreißen und uns so erwischen würde. Doch ich wollte mich in diesem Moment auch nicht bewegen, um die Tür zu verschließen. Ich wollte in diesem Augenblick für den Rest meines Lebens gefangen sein.

„Was tun wir wegen der Öffentlichkeit?", fragte ich wenig später, wurde jedoch schnell durch ein: „Pssst" unterbrochen: „Lass uns das morgen in Ruhe klären, okay?"

„Okay." 

Seltsamerweise war ich nicht wie üblich die nächsten zwei Stunden in einem Gedankenkarussell gefangen und grübelte darüber nach, wie es nun weitergehen sollte. Ich dachte auch nicht weiter nach, welche Kehrtwende mein Leben in den letzten drei Stunden genommen hatte. Ich lag einfach da, die Augen geschlossen, so dicht an meinen besten Freund gedrängt, wie niemals zuvor und seit langem zufrieden. So war es nicht verwunderlich, dass ich schon bald in einen behutsamen Schlaf fiel. 

Als ich am nächsten Morgen die Augen öffnete, brauchte ich einen Moment, um die Situation zu begreifen. Ich lag zusammengekauert am Rande des Bettes, während ein kalter Windhauch meine nackte Haut an den Beinen strich. In meiner linken Hand verwickelt war Costas. Dieser Anblick verschuf mir eine angenehme Gänsehaut. Mein Blick wanderte hinter mich, wo Costa ganz ungestört schlummerte und sanft ein- und ausatmete, wie ich es kannte. In mein Gesicht legte sich ein Lächeln. Es war also kein Traum gewesen. Alles war Realität. Der Kuss, das gemeinsame Einschlafen in meinem Bett und das Aufwachen, ohne dass jemand von uns vorher die Flucht ergriffen hatte.

Ich drehte mich noch etwas weiter in seine Richtung, um ihm ins Gesicht schauen zu können. Unvorstellbar, dass er für mich mit Hannah Schluss gemacht hatte. Jetzt ergab auch alles einen Sinn: Hannahs Hass auf mich, der über den bisherigen hinaus gegangen war, nachdem sie miteinander Schluss gemacht hatten. Hannahs Ankündigung, dass ich Geburtstag hätte, um mir zu schaden und ihre Andeutung im Schulflur. Wo ein Herz gebrochen wird, wächst ein anderes an, nicht wahr, Valeria? In dem Moment dämmerte es mir, was Hannah und mich grundlegend unterschied: während ich den beiden alles gegönnt hatte, auch wenn es Widerwillen erfolgt war, setzte sie alles daran, mich zu zerstören, weil ich angeblich schuld an der Trennung hätte.

Ein kleines Stöhnen entwich Costa, als er die Augen aufschlug und sich seine Mundwinkel hoben.

„Guten Morgen", sagte ich und stützte mich auf meinen Ellenbogen.

„Guten Morgen", erwiderte er verschlafen und streckte seine Arme nach oben. Dann schaute er zur Decke und überlegte einen Moment.

„Also, was machen wir wegen der Öffentlichkeit?", fragte ich direkt.

Costa schenkte mir einen missbilligen Blick von der Seite und schloss dann wieder die Augen. „Du kannst einem echt den Morgen versauen, weißt du das?"

Ich begann zu lachen und griff mir das erstbeste Kissen vom Bett, um es auf ihn zu werfen. Ehe ich mich versah, hatte er mich jedoch an den Hüften gegriffen und zog mich an sich heran, sodass ich mich nicht mehr halten konnte und auf ihn fiel. Er kitzelte mich durch, sodass ich mich nicht mehr vor Lachen halten konnte. Er wusste genau, wie ich es hasste, wenn er mich kitzelte, aber heute war es okay. Ich genoss es endlich wieder, Spaß zu haben und zu lachen.

Wir entschlossen uns, erst einmal zu frühstücken. Das war zumindest der Kompromiss, den Costa mir unterbreitet hatte. Um ehrlich zu sein, hatte ich seit gestern Abend einen furchtbaren Hunger entwickelt, sodass das Müsli meinen Magen zum Schweigen brachte. Glücklicherweise ahnte keiner aus meiner Familie den Vorfall, da es ganz natürlich war, dass mein bester Freund und ich ab und an bei mir übernachteten. Hinzu kam, dass Zoe immer noch sehr mitgenommen war. Und als mir das auffiel, fühlte ich mich schlecht. Nicht nur, dass Zoe die Schlucht versuchte, irgendwie wieder hochzukommen, während ich im Höhenflug war. Ich fühlte mich wie Isabella, das Flitchen, das Spencer und Zoe auseinander getrieben hatte. Auch wenn Costa mir versichert hatte, er hätte die Wahrheit erkannt und deshalb mit Hannah Schluss gemacht, glaubte ich nicht, dass ich so unbeteiligt daran war.

„Bin ich schuld an eurer Trennung?", fragte ich Costa deshalb, als wir im Pickup saßen. Das Haus erschien uns für solche intimen Gespräche eher unpassend, gerade weil alle mithören könnten, sodass wir uns einen anderen Ort gesucht hatten.

„Nein, bist du nicht, V. Es kam von mir aus. Hannah war ganz alleine schuld dran. Ich hätte auch mit ihr Schluss gemacht, hättest du nichts für mich empfunden." Er hob einen Mundwinkel.

„Okay", ich legte eine kurze Pause ein: „Hannah war wirklich speziell. Sie hat damit gedroht, dass sie dir erzählen wird, was ich von ihr halte, damit du dich von mir entfernst, weil Liebe ja vor Freundschaft gehe."

„Hätte sie es doch gemacht. Dann wäre das Ende viel früher gekommen", erwiderte er und musste breit grinsen.

„Das heißt, du hättest eher meine Ansicht geteilt, anstatt sie zu verteidigen?"

„Naja, vermutlich hätte ich sie schon verteidigt, aber ich hätte dich deshalb nicht weggestoßen. Mir geht Freundschaft über Liebe."

Ich blickte zu Boden, dann wieder in seine Augen. Das war einer der Gründe, weshalb wir unsere gemeinsame Zukunft besprechen mussten. „Teilst du meine Sorge, dass unsere Freundschaft an dieser- Romanze zerbrechen könnte, wenn es irgendwann mit uns aus sein sollte?"

„Also erstens: du kannst es ruhig Liebe nennen. Ich liebe dich." Das traf mich wie ein Pfeil von Amor ins Herz. Jetzt hatte ich Gewissheit, dass er ab sofort mein fester Freund war. Wie seltsam das klang. „Und zweitens: ich sehe keinen Grund, wieso diese Liebe scheitern sollte. Und solltest du dennoch Angst davor haben, schwöre ich dir, dass ich lieber sterben würde, als dich ganz aus den Augen zu verlieren. Du wirst immer meine beste Freundin bleiben, egal ob wir zusammen sind oder nicht." Er nahm meine Hand und drückte sie. Irgendwie gab mir das ein Gefühl der Sicherheit und der Hoffnung. Auf einmal hatte ich keine Angst mehr davor, dass unsere Liebe jemals zerbrechen könnte.

„Was ist mit Insta? Was sagen wir unseren Fans? Das wird alles in Chaos stürzen", brachte ich ein.

„Und wenn schon. Was haben wir zu verlieren?" Er sagte das so leichtfertig, als wäre es nur eine Mitteilung, dass wir unser Instaprofil umbenennen würden.

„Was wir zu verlieren haben? Keiner wird uns je wieder ernst nehmen. Alles, wofür wir gekämpft haben, wird sich in Luft auflösen. Unsere Gegner und ihre Meinung, Jungs und Mädchen könnten nicht nur Freunde sein, werden gewinnen. Hunderte Freundschaften könnten dadurch in die Brüche gehen, weil sie mit Vorurteilen und Vorwürfen überschüttet würden. Niemand wird mehr sagen, dass Jungs-Mädchen-Freundschaften eine Chance haben. Stattdessen wird man sagen, Costa und Val haben es auch nicht geschafft und ihnen war eine Veränderung wichtiger als irgendwem sonst. Wie sollte es dann bei anderen klappen?"

„Man, dein pessimistisches Denken kann echt herunterziehen. Ich kenne das Risiko und ich weiß, dass wir dadurch alles um uns einreißen werden, was wir aufgebaut haben. Aber vielleicht ist es auch eine Hoffnung, eine gute Botschaft. Nur weil wir zusammen sind, bedeutet das nicht automatisch, dass eine Jungs-Mädchen-Freundschaft automatisch nicht funktionieren kann. Wir können weiterhin Menschen dazu motivieren, es zu versuchen und wenn sich daraus mehr ergeben sollte, werden wir uns mit ihnen freuen. Es sollte auch legitim sein, mehr aus der Freundschaft herauszuholen, wenn beide Seiten so empfinden."

Ich überlegte einen Augenblick. So hatte ich es noch gar nicht betrachtet. Statt nur auf dem Freundschaftsprinzip zu beharren, sollten wir auch für andere Möglichkeiten offen sein. Und dazu zählte auch, tiefergehende Beziehungen zu akzeptieren, wenn es dazu kommen sollte.

„Also, was schlägst du vor? Sollen wir einfach mit der Tür ins Haus fallen und es posten?"

Costa schüttelte amüsiert mit dem Kopf und sagte: „Lass uns sichergehen, dass es alle gleichzeitig hören. Wir machen es im großen Interview öffentlich. Erst reden wir etwas über unsere Kampagne und wofür wir stehen und am Ende hauen wir die Neuigkeit heraus, damit uns niemand weiter darüber ausfragen kann. So kommt auch unsere Hauptabsicht des Interviews nicht zu kurz."

„Abgemacht", antworte ich etwas skeptisch: „Ist es normal zu sagen, dass ich nervös bin?"

„Das ist normal. Musst du aber nicht. Wir stehen das gemeinsam durch, ja?" Er durchbohrte mich mit seinen blauen Augen, die von der Sonne wie das Wasser der Ostsee glitzerten. Mein Herz schmelzte und für einen Moment glaubte ich, den Halt unter den Füßen zu verlieren. 

„Hör auf mich mit diesen Augen anzustarren."

„Welche Augen?", fragte er ganz unwissentlich und streckte gerade seine Hand aus, um mir eine Strähne hinter die Ohren zu streichen, die mich schon die ganze Zeit nervte. Bevor er sie jedoch ergreifen konnte, schlug ich leicht zu, sodass er sich zurückzog. Er konnte sich aber sein Lachen nicht verkneifen.

"Wofür war das?"

"Hör bitte damit auf. Keinen romantischen Kitsch, abgemacht?" Ich strich mir die Strähne eigenständig aus dem Gesicht. 

„Wirklich? Hat dich das Romantische noch nicht ergriffen? Gar keine romantischen Handlungen wie Spaziergehen am Strand bei Sonnenuntergang, ein Lagerfeuer in kalten Nächten oder Küssen im Regen?"

Ich schüttelte amüsiert den Kopf. Nach wie vor hasste ich diese klischeehaften Gesten, wie sie in jedem Teenagerfilm gespielt wurden. Jeder wusste, dass die Realität anders aussah. Auf den Kuss im Regen hatte keiner Lust, weil die Kleidung an einem klebte und man lieber in einem warmen Bett liegen wollte, anstatt den Schweiß des anderen zu schmecken und am Lagerfeuer war es wohl kein Wunder, dass die Mücken einen aussaugten, bevor man einen romantischen Kuss hinlegen konnte.

„Nein, nur das mit dem Strand. Aber nur, weil wir das schon immer machen", erwiderte ich. Costa musste sofort lachen und lehnte sich zu mir herüber, um mich zu küssen. Im Feuer des Gefechts ließ ich es zu, auch wenn wir hier auf offener Straße standen und uns theoretisch jeder hätte sehen können. Ich wollte Costa ganz nah an mich spüren und am liebsten mit ihm auf die Rückbank klettern, um dort weiterzumachen. Doch mein Freund schien Gedanken zu lesen und löste das Spektakel mit einem frechen Zwinkern auf.

„Lass uns damit abwarten, bis uns nur noch vier Augen sehen können."

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