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„Wir sollten unseren Wettbewerb auf Kamera festhalten", schlug Costa ein paar Wochen später vor. Mittlerweile hatte ich mich so gut wie möglich damit abgefunden, dass Hannah mehr von ihm hatte als ich. Die Zeiten hatten sich geändert.
„Klar, wieso nicht?", antwortete ich und zog mein Handy hervor. Dann stellte ich es vor uns auf den Tisch, sodass unsere Hände und die Cutter zu sehen waren. Dann cutteten wir los. Das Video ging ungefähr fünf Minuten, dann stoppte ich es, drückte auf speichern und ließ das Handy in die Hosentasche sinken.
„Wie ist es geworden?"
„Ich denke, ganz gut. Ich schau es mir später zu Hause an."
„Okay, schick es mir, ja?"
„Damit du es Hannah schicken kannst?", fragte ich. Ich quälte mir ein Lachen ins Gesicht.
„Haha. Vielleicht, mal sehen. Wir haben ein Tisch im Barry's Meal für heute Abend reserviert."
„Wow. Das ist toll. Aber im Barry's Meal kommt man doch nur sehr schwer an Tische. Wie früh hast du reserviert? Als Hannah und du noch nicht zusammen wart?"
„Hannahs Cousin arbeitet dort. Er konnte letzte Woche was einfädeln. Hannah weiß noch nichts von ihrem Glück. Sie wird sich bestimmt drüber freuen, glaubst du nicht?" Er schaute mich aus seinen unschuldigen Augen an. Ich lächelte leicht und nickte mit dem Kopf.
„Ganz bestimmt. Jedes Mädchen auf der Welt wäre glücklich, mit dir ins Barry's Meal zu gehen und dir dabei zuzuschauen, wie du dich während des Spaghettiessens in Tomatensoße wälzt."
Er lachte. „Okay, ich hab's kapiert. Mit dir werde ich nicht mehr Spaghetti essen gehen. Und das eine Mal war nur, weil ich keine Serviette dabei hatte, als deine Oma uns eingeladen hatte."
Die Schicht war um siebzehn Uhr zu Ende, so wie unsere gemeinsame Zeit. Wir verabschiedeten uns, ich wünschte Costa viel Spaß mit Hannah, wie fast jeden Abend und fuhr nach Hause.
Dort angekommen setzte ich mich gleich an den Post und schnitt das Video zusammen. Mir fiel erst jetzt auf, dass Costa im ganzen Video ein breites Grinsen im Gesicht trug, während ich mit ernster Miene konzentriert auf die Arbeit vor mir blickte. Ich wusste noch genau, was ich in diesem Moment gedacht hatte. Ich habe ihn verloren. Ich habe ihn verloren. Ich habe ihn verloren.
Ich schluckte, schrieb schnell Candy cutten neben heißen Platten unter das Video und drückte auf Posten. Und so schnell war mein Leben wieder mit der Welt geteilt. Seit wir unsere Gesichter mitposteten, waren Gott sei Dank noch keine Herzen mit uns darin aufgetaucht, was ich anfangs befürchtet hatte. In dieser Hinsicht hatte Costa recht behalten. Man konnte dem ganzen trauen. Dennoch schrieben immer noch hunderte von Menschen täglich in die Kommentarfunktion, dass wir endlich ein Paar werden sollten und dass wir unserem Schicksal nicht davon laufen könnten.
Das brachte mich am nächsten Tag auf eine verrückte Idee, die ich unbedingt Costa unterbreiten musste. Leider fand ich ihn nur wieder im Doppelpack vor. Hannah war dicht an ihn geheftet, als ich sie in der Cafeteria ausfindig machte.
„Hey ihr", kam ich zögernd zu ihnen. Eigentlich hatte ich keine Lust, mit Hannah noch irgendein Wort zu wechseln, aber sie diente gewissermaßen in meinem Plan einem höheren Zweck und Nutzen.
„Ich habe gestern eine fantastische Idee bekommen, die euch eventuell gefallen könnte. Es geht um Instagram. Es gibt zurzeit ziemlich viele Vorurteile und Gerüchte, dass Costa und ich zusammen seien und nicht ihr beide." Ich deutete auf sie, als wüssten sie nicht, wen ich damit meinte.
„Naja und es würde uns sicherlich voranbringen, wenn wir allen zeigen würden, dass ihr zusammen seid und nicht wir." Ich zeigte auf Costa. „Ein kleiner Post, ein kleines Bild von euch und einen Text darunter und die Gerüchte sind aus der Welt geschafft. Was haltet ihr davon? Ihr lebt doch beide für die Zeitung und den Klatsch und Tratsch."
„Das ist eine echt gute Idee, V. Das verkauft sich bestimmt gut, zu unserem Vorteil. Und außerdem bringt es uns noch mehr Aufmerksamkeit. Was hältst du davon, H?"
H? Ernsthaft? Jetzt hatte Hannah auch schon einen Spitznamen wie ich bekommen? Das englisch gesprochene H passte nicht einmal zu Hannahs äußerem Wesen. Ich ließ mir jedoch nichts anmerken und schaute Hannah nur mit genauso erwartungsvollen Augen an wie Costa.
„Einverstanden." Sie verzog das Gesicht und zog die Augenbrauen etwas weiter zusammen: „Aber nur, wenn ihr mir vorher das Bild zeigt. Ich will nicht aussehen wie ein Wischmopp, wenn die Welt mich zu sehen bekommt."
„In Ordnung. Passt es euch, wenn wir es sofort hier machen? Dann kann ich es gleich schon mal hochladen."
Beide nickten und positionierten sich Arm in Arm. Eigentlich wollte ich Hannah nicht einmal in fünf Meter Nähe zu meinem besten Freund sehen, geschweige denn von ihm umarmt. Ich schluckte es schweren Herzens.
„Bitte lächeln", sagte ich und drückte auf den Auslöser. Während Costa meiner Aufforderung nachkam, bewegte Hannah keinen Muskel und warf mir stattdessen vor, ich hätte das Handy zu tief gehalten. Schlussendlich genehmigte sie aber das Foto widerwillig und ließ es mich hochladen.
„Danke, V. Das wird bestimmt gut ankommen", verabschiedete Costa sich von mir, als ich mich auf den Weg zur Klasse machte. Ich verdrehte hinter seinem Rücken die Augen und verfluchte Hannah, dass sie dadurch Aufmerksamkeit bekommen würde, dass ich das Bild von ihr für meine Zwecke im Internet brauchte.
In der Mathestunde schrieb ich unter den neuen Post Sieh an, wer eine feste Freundin hat. PS: es ist nicht Val. Costa kicherte leise, als er den Text las und lobte mich für diese kreative Ader, die ich nicht oft zeigte, die jedoch seit seinem Verschwinden öfter auftauchte, als mir lieb war.
Am Abend sahen wir die Regionalnachrichten bei Costa zu Hause. Hannah hatte an dem Abend ein Familientreffen, weshalb die beiden nicht Romeo und Julia spielen konnten. Zu schade aber auch. Unerwarteterweise tauchte der Post von dem heutigen Tag auf. Es wurde nur kurz darüber berichtet, wie sehr Fans danach schockiert gewesen wären, dass Costa vergeben wäre. Insgeheim hatten nämlich viele weibliche Fans gehofft, Costa für sich zu gewinnen.
„Hast du schon die neuen Kommentare gelesen?", fragte Costa mich nach den Nachrichten.
„Nein, hab sie bis jetzt verdrängt." Ich schnappte mir mein Handy, um es schleunigst nachzuholen. Die Agenturen bekamen News schneller mit als ich es als Urheber tat.
Tatsächlich hatte sich der Post wie ein Lauffeuer im norddeutschen Raum verbreitet. Er hatte bereits über 30.000 Likes und knappe 700 Kommentare, obwohl er erst sieben Stunden alt war.
Ich las nacheinander laut die einzelnen Kommentare vor: "Ich kenne dieses Mädchen. Das ist Hannah, Chefredakteurin der Schulzeitung. Sie geht auf die Schule meiner Freundin, auf die Gemeinschaftsschule an der Ostsee. Wie kann sie es wagen, sich zwischen Costa und Val zu drängen? Die beiden sind füreinander bestimmt. Wer will noch eine Petition starten, um Hannah von der Schule zu verbannen? Teilt jemand das Profil von dieser Hannah, bitte?!"
„Ich sollte- Ich sollte Hannah mal lieber anrufen und sie vorwarnen", sagte Costa und sprang von der Couch auf.
„Ich glaube, das ist nicht nötig. Wenn ich das richtig beurteilen kann, dürfte ihr gesamtes Profil schon voll mit Hatespeech sein."
„Oh Gott. V, was haben wir getan? Tut mir leid, aber ich muss wirklich-."
„Zu Hannah? Ja, verständlich. Fahr zu ihr. Sie braucht dich jetzt mehr als ich. Sag ihr, dass es mir wirklich leid tut, dass sie das Opfer gerade wird. Das war nicht meine Absicht."
„Ich weiß. Dafür kannst du nichts. Wer kann denn wissen, dass unsere Fans so auf diese Nachricht reagieren würden? Wir reden später weiter." Damit stürmte er aus der Tür. Ich starrte auf die Kommentare. Auch wenn ich Hannah mindestens genauso hasste, wie diese Menschen hinter den Bildschirmen, wünschte ich ihr nicht das, was sie dort schrieben. Wie konnte ich nur nicht an die Konsequenzen gedacht haben, als ich auf Posten gegangen war? Das konnte mein größter Fehler sein, den ich jemals begangen hatte.
Etwa eine Stunde später bekam ich eine Nachricht von Costa, als ich mich gerade im Bad zurechtmachte. Damit ich seine Nachrichten von den Benachrichtigungen von Instagram unterscheiden konnte, schaltete ich letzteres in den Einstellungen auf stumm. Ich wollte nicht an meinen Fehler immer und immer wieder erinnert werden.
Hannah geht es gut. Schaffe es aber heute nicht mehr zurück. Sorry, V.
Das war ja nichts Neues. Vermutlich lagen sie gerade auf Hannahs Couch, sie heulend an seine Brust gelehnt mit verschmiertem Mascara auf den Wangen. Und Costa, viel zu großherzig, um sie in dieser Nacht zu verlassen, hielt sie fest und überlegte, wie er das Chaos rückgängig machen könnte, wie ich es tat.
In dieser Nacht machte ich kein Auge zu und grübelte bis Mitternacht nach. Dann nahm ich schließlich mein Handy an mich und scrollte durch die Kommentare, auch wenn mein Unterbewusstsein mich davor gewarnt hatte. Es war verletzend. Nicht nur, dass alle Welt forderte, Hannah und Costa sollten sich trennen. Sie präsentierten mich als ihre Heldin, die Costa bald für sich haben würde, wie es sich gehörte.
Mich packte die Wut so sehr, dass ich schneller tippen und posten konnte, als nachzudenken.
Haltet euch gefälligst aus Hannahs Leben heraus! Sie und Costa sind ein sehr glückliches Paar und ich habe nicht vor, mich zwischen sie zu drängen! Val
Damit fuhr ich mein Handy komplett herunter, um nicht noch einmal auf den Gedanken zu kommen, raufzusehen, bevor mein Wecker nicht klingeln würde. War es das richtige gewesen, ein Statement zu der Situation abzugeben? Oder hatte ich es damit verschlimmert? Diese Fragen quälten mich noch ganze fünf Stunden.
Am nächsten Morgen war es dementsprechend kein Wunder, dass ich unausgeschlafen zur Schule radelte und dabei fast einen Verkehrsunfall mit einem hupenden Auto baute.
Hannah und Costa kamen mir gerade entgegen, als ich das Schulgebäude in letzter Sekunde betrat. Ich raste auf Hannah zu und hielt unmittelbar vor ihr, um meine Schuld einzugestehen.
„Es tut mir so wahnsinnig leid, Hannah. Ich hatte echt nicht die Absicht, dich so bloßzustellen und dich zur Zielscheibe zu machen."
Hannah antwortete nicht direkt darauf und gab Costa nur einen kleinen Kuss auf die Wange. „Geh schon mal vor. Das wird nicht lange dauern", sagte sie zu ihm. Costa schaute erst sie, dann mich ausdruckslos an, nickte dann schließlich und drehte sich zum Gehen um. Die Schulklingel läutete. Wir würden zu spät in den Unterricht kommen, aber das war jetzt zweitrangig. Wieso schickte sie meinen besten Freund alleine weg?
„Hannah, es tut mir echt leid. Es ist echt nichts Persönliches. Ich weiß, wir hatten unsere Differenzen, aber ich sehe, wie glücklich ihr beide seid und das will ich nicht zer-", begann ich, um die Stille zu brechen, doch sie blockte bereits ab.
„Schon gut. Vergeben und vergessen, wie es immer so schön heißt", sagte sie und lehnte den Kopf etwas weiter in meine Richtung: „Halt einfach in Zukunft Abstand zu mir und lass Costa und mir ein bisschen Zeit für uns, okay? Du musst nicht immer dabei sein."
Wir hielten einen Moment inne und blickten uns an.
„Um ehrlich zu sein", widersprach ich: „Seit ihr beide zusammen seid, habe ich Costa kaum zu Gesicht bekommen, mal abgesehen von unseren Schichten. Ich kann ja verstehen, dass ihr beide alleine sein wollt, aber ich glaube nicht, dass Costa noch mehr auf mich verzichten will, als er es jetzt ohnehin schon tut. Es gibt Situationen, in denen er mich als beste Freundin braucht. Das mag jetzt irgendwie seltsam klingen, aber sagen wir, in unserer Vergangenheit sind einige Dinge passiert, dessen Konsequenzen nur wir beide miteinander teilen. Verstehst du?"
Hannah antwortete aber nicht darauf, wich nur einen Schritt zurück und musterte mich hochmütig von oben bis unten. Nach einer Minute des Schweigens hielt sie den Kopf schräg und lächelte arrogant. „Was würde Costa wohl von dir denken, wenn herauskäme, dass seine beste Freundin seine feste Freundin nicht leiden kann? Du kannst es gerne darauf ankommen lassen. Ich wäre gespannt, für wen er sich entscheiden würde. Für dich oder für mich? Tschüss, Valeria."
Damit wandte sie sich von mir ab und ging in ihre Klasse. Mir blieb fast der Mund offen stehen, als sie außer Sichtweite war. Was hatte diese Bitch bloß für ein Problem mit mir?! Wie konnte Costa auf sie abfahren? Ich kannte ihn wohl doch nicht so gut, wie ich die ganze Zeit gedacht hatte.
Würde Hannah Costa irgendwas darüber erzählen, dass ich sie nicht leiden konnte? Vor einem Jahr wäre ich mir noch ganz sicher gewesen, dass Costa mich als seine beste Freundin vor all seinen Romanzen gestellt hätte, aber jetzt war ich da nicht mehr so sicher. Er hatte mich wirklich in den letzten Monaten vernachlässigt. Vielleicht brauchte er mich doch nicht so dringend, wie ich die ganze Zeit angenommen hatte.
Was sollte ich also tun? Hannahs Spiel mitspielen und mich von Costa fernhalten, damit ich zumindest noch die Schichten mit ihm verbringen könnte? Ja. Ansonsten würde ich ihn komplett verlieren und nichts machte mir mehr Angst als das.
Ich ließ mich eigentlich nicht so leicht von jemandem erpressen, aber bei Hannah war es etwas anderes. Sie hatte ein Druckmittel in der Hand, das mir alles rauben könnte, was mir heilig war.
„Ich fühle mich schlecht wegen Hannah", gestand Costa abends in unserer Schicht im Candy-Shop.
„Ich auch." Vor vierundzwanzig Stunden hätte ich das noch ernst gemeint, jetzt allerdings war es nur die halbe Wahrheit. Ich wollte, dass Hannah litt, nach dem, was sie mir angetan hatte. Aber das konnte ich Costa unmöglich sagen.
„Ich glaube, mir ist heute nicht so nach Zocken. Kannst du das verstehen?", fragte mein bester Freund und hörte abrupt damit auf, die Masse zu kneten. Ich schaute einmal hoch zu ihm und fing dann wieder mit der Arbeit an.
„Klar, kann ich verstehen. Du solltest lieber bei Hannah heute sein und ihr Beistand leisten." Damit sie dir nicht die Wahrheit über meine Meinung zu ihr sagt.
„Ja, das ist wohl das beste. Danke, V, für den Ratschlag."
„Kein Problem", erwiderte ich: „Hey, es fällt sowieso nicht auf, wenn du heute nicht zum Zocken kommst. Ich werde ja eh wieder alle fertig machen."
Er musste lachen. „Stimmt. Richte den anderen mal schöne Grüße aus. Hab sie lange nicht mehr gesprochen."
„Man hat viel zu tun, wenn man eine Geliebte an der Seite hat." Ich tat mitfühlend.
„Ja, es ist wirklich eine Dauerbeschäftigung, die aber Freude bereitet."
„Es ist schön, dich so verliebt zu sehen, wirklich. Ich habe das Gefühl, du bist ein ganz anderer Mensch durch Hannah geworden."
„Danke."
Wir lächelten uns breit an, dann kam plötzlich Beño hereingeschneit und wirbelte ein paar Mal hin und her. „Hey Kinder. Ihr seid echt die größten. In der letzten Woche haben wir fünfhundert Euro mehr Umsatz erzielt, nur weil ihr die Candys gemacht habt und eure Fans unbedingt alles haben wollen, was ihr zu Gold verwandelt."
„Wie. Schön." Ich verdrehte die Augen und setzte die Arbeit fort.
„Das freut uns wirklich, Beño." In Costas Stimme lag Ehrlichkeit.
„Wenn es so weitergeht, bekommt ihr ab übernächster Woche eine Lohnerhöhung, wie findet ihr das?"
Unsere Augen wurden größer. Mehr Geld bedeutete mehr Unabhängigkeit und Costa könnte den Führerschein leichter bezahlen. Auf einmal fand ich es doch nicht mehr so schlimm, sein Steckenpferd zu sein, wenn ich dafür besser entlohnt würde.
„Das klingt super", meinte ich: „Aber dann lass uns jetzt auch arbeiten, damit wir noch mehr Candys machen können, ja?"
„Prima, schön so weitermachen. Ich will euch nicht davon abhalten", entgegnete Beño und zog sich schnell aus der Küche zurück.
„Das ist unglaublich! Wieso freust du dich nicht darüber?", fragte ich Costa aufgeregt.
„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Was ist, wenn die Sache eines Tages außer Kontrolle gerät und die uns den Laden einrennen, wie vor ein paar Monaten? Schließlich weiß jetzt die ganze Welt, wo wir arbeiten, nicht mehr nur ein paar Mädchen."
„Das wird schon nicht passieren. Aber was passieren wird, ist ein höherer Lohn. Ich finde das klasse!"
Costa hob leicht einen Mundwinkel und widmete sich dann wieder der Candymasse vor sich auf dem Tisch.
Nach der Schicht radelte ich ohne Costa zu Josh nach Hause, etwa drei Kilometer vom Candy-Shop entfernt. Dort warteten schon Henrik, Josh und Niels auf mich, inklusive Joshs kleiner Bruder, der dauernd um uns herumschwirrte und nerviger war als Niels.
Nachdem wir Mortal Kompat gestartet hatten, fingen die drei an, mich auszuquetschen.
„Also, Val. Was ist da bei Hannah und Costa los? Schon den nächsten Schritt gegangen?", fragte Niels.
„Was weiß ich denn? Wir sind nicht in einer Dreiecksbeziehung. Ich soll euch nur schöne Grüße von Costa ausrichten, mehr nicht."
„Aber du siehst die beiden doch viel öfter als wir", konterte Josh.
„Ja, und außerdem warst du im November mit ihnen Schlittschuhlaufen. Sieht man auf eurem Insta-Profil. Die Hose von Hannah würde ich auf jedem Bild wiedererkennen", sagte Niels.
„Soll das hier sowas wie ein Verhör werden? Ich werde euch garantiert keine Infos über ihren Beziehungsstatus geben, damit ihr die Hoffnung hegen könnt, Hannah wieder für euch zu gewinnen."
„Das haben wir ja auch gar nicht vor", schaltete sich Henrik dazu: „Uns interessiert nur, was unser Kumpel so treibt, mehr nicht."
„Und das soll ich euch glauben?"
Sie nickten stumm und lächelten dabei unverschämt breit. Ich schnaubte amüsiert und killte ihre Avatare in dem Moment, wo sie abgelenkt waren. Game over stand in großen Buchstaben auf dem Bildschirm.
"Och, komm schon!", nörgelten alle drei im Chor.
„Um ehrlich zu sein, Jungs. Ich sehe Costa mittlerweile genauso wenig wie ihr", ich ließ den Controller sinken: „Hannah und er verbringen nur noch Zeit zu zweit. Deshalb kann ich euch nicht so viel Auskunft darüber geben."
„Das tut mir leid", entschuldigte sich Henrik als einziger, Josh und Niels schauten nur irgendwie schuldbewusst durch mich hindurch, als wäre ich ein Geist. „Das wird schon wieder."
„Schon gut. Ich freue mich ja für sie." Ich starrte einige Sekunden auf dem Boden. Mensch, so schnell konnte schlechte Stimmung aufkommen. Ich konnte so eine Spaßbremse sein. „Können wir die nächste Runde starten?
Josh drückte auf Next Game, wofür ich sehr dankbar war. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich mal Costas Kumpeln anvertrauen würde und könnte. Sie schienen mir die letzten auf der Welt zu sein, die emotionale Gespräche führen könnten. Das war für gewöhnlich Costas Job gewesen.
Am Morgen des Samstags stopfte ich mir bloß ein Croissant in den Mund und holte mein Fahrrad aus dem Schuppen, während meine Familie noch schlief. Die Wahrheit war, dass ich nicht mehr schlafen konnte oder besser gesagt, überhaupt nicht geschlafen hatte und jetzt eine Art wandelnder Zombie war. Aber ich konnte nicht länger darauf warten, endlich in den Schlaf zu fallen, da konnte ich die Zeit besser im Candy-Shop auskosten. Ob mit Costa oder ohne, war nicht der springende Punkt.
Ich war etwa eine Stunde zu früh da, was Beño zu wundern schien. Doch er begrüßte mich so, als wäre es schon neun Uhr und wies auf den Bonbonteig im Lager hin, der schon eine halbe Woche vor sich hin gammelte und endlich verbracht werden müsse.
Ich nahm mich ihm also an und knetete die erste Hälfte mit den Handballen. Die Stille, die mich umgab, war sehr ungewohnt. Kein Costa, keine Musik, keine gute Laune. Nach fünfzehn Minuten erhitzte ich die Herdplatte und schwang die Masse währenddessen um den Haken an der Wand. Wer glaubte, Candymachen wäre kein Sport, der irrte sich gewaltig. Am Beginn unserer Arbeitszeit musste Costa noch für uns beide den Haken benutzen, da ich zu wenig Kraft gehabt hatte. Das hatte sich gewandelt. Ich war nun stärker als Josh, Niels und Henrik zusammen, Armdrücken mit den dreien hatte das bewiesen.
Nachdem die Masse auf der Herdplatte verteilt und erhitzt war, sammelten sich die ersten Blasen, auf die ich mit Wucht einschlug. Heute schenkten sie mir kein Lächeln.
Als Costa endlich zu der Schicht hereingeschneit kam, hatte ich mich bereits der zweiten Masse gewidmet.
„Guten Morgen. Bist du schon lange hier?"
„Circa eine Stunde. Das da drüben muss noch gecuttet werden." Mein Finger zeigte auf die von mir eben noch bearbeitete Masse.
„Klar, mach ich sofort." Er ließ den Rucksack zu Boden fallen und band sich die Schürze um, die auf der Arbeitsplatte schon auf ihn gewartet hatte.
Costa war hier aufgetaucht, als hätte gestern Abend nicht der wöchentliche Zockerabend stattgefunden, an dem jeder von uns Fünfen normalerweise alles stehen und liegen ließ, um dabei zu sein. Hannah hatte ihn so unter Kontrolle und ich war machtlos dagegen. Ich konnte mich gleich von ihm verabschieden, wenn ich nur ein schlechtes Wort über sie verlor und sie im Umkehrschluss über mich. Ich knetete voller Wut den Teig vor mir und schlug auf ihn so fest ein mit der Vorstellung, es wäre Hannah. Wie konnte sie mir nur drohen?!
„V, alles in Ordnung? Willst du, dass die Candys sterben?", fragte Costa auf einmal und brachte mich aus meiner Trance zurück in die Wirklichkeit.
„Nein, alles gut. Ich denke nur über die Matheklausur nächste Woche nach. Ich muss noch so viel dafür lernen und das macht mich wütend", log ich.
„Okay, ich kann dir am Samstag wieder Nachhilfe geben, wenn du magst."
Ich lehnte ab aus zwei Gründen: erstens würde ich kein bisschen dafür lernen, da ich ein hoffnungsloser Fall war und zweitens wusste ich jetzt schon, dass Costa in letzter Minute absagen würde, weil Hannah vorgeben würde, sie bräuchte ihn ganz dringend für etwas ganz Wichtiges.
Costa war gerade dabei, nochmal nachzuhaken, ob das wirklich das einzige war, das mich zu beschäftigen schien, da erfüllte plötzlich ein Lärm den Besucherbereich, der durch die Küchentür drang.
„Was zum Teufel-", nuschelte ich und stieß gemeinsam mit Costa die Tür auf. Vor uns ereignete sich der Albtraum, den Costa befürchtet hatte und ich bis zuletzt nicht wahrhaben wollte. Hunderte Mädchen hatten den Laden gestürmt und schrien im Chor nach Vasta. Meine Hand ergriff automatisch Costas Ärmel und zerrte ihn zurück in die Küche, doch es war bereits zu spät. Die Herde hatte uns schon entdeckt und raste auf die Küche zu. Wir waren hier drinnen gefangen. Die Bonbongläser zerbrachen vor der Tür und prasselten wie Starkregen auf die Fliesen. Die Welle drängte uns in die Ecke. Mich ergriff die Angst. Ich würde hier lebend begraben werden.
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