XXXI | Ein abgekartetes Spiel
Die nächste Woche blieb ich auf der Hut. Ich besuchte das Planetarium, schrieb und telefonierte mit meinen Freunden, hörte Rachels Tagebuch. Ansonsten bemühte ich mich darum, vor allem aus Florences Angelegenheiten herauszubleiben. Ich durchschaute sie immer noch nicht und wollte mich auf keinen Fall in Dinge hineinkatapultieren, von denen ich keine Ahnung hatte.
Dennoch gab es etwas, das mir leichtes Unbehagen bescherte. Außer einer kurzen Nachricht, sie müsse noch ein bisschen was erledigen und wäre deshalb nicht erreichbar, hatte ich nichts mehr von Evyen gehört. Und auch Matilde war größtenteils abgetaucht. Bei ihr lag es aber vermutlich an ihrem Projekt.
Meine Kräfte rührte ich die gesamte Woche lang nicht an. Zweimal hatte es geregnet, aber die Blockierungsstrategie, die ich in Linti gelernt hatte, hatte funktioniert. Problemlos, sogar, und beide Male. Und solange das so blieb, sah ich keine Notwendigkeit, mich den Nebenwirkungen auszusetzen.
Gerade regnete es aber zum Glück nicht, und ich beobachtete die Mobys aus dem Fenster. Wenn ich Florence sagen würde, dass ich meine Kräfte unter Kontrolle hatte, würde ich hier rauskommen. Dann hätte ich mein Ziel erreicht. Doch ich fühlte mich noch nicht bereit für diese Unterhaltung. In meinem jetzigen Zustand würde es äußerst unangenehm werden und ich wusste absolut nicht, was ich sagen sollte. Also ließ ich es lieber, auch wenn Chaeng darauf drängte.
Die Nachricht, die gerade eingetroffen war, war vermutlich ebenfalls von ihr. Ich warf einen kurzen Blick auf den Airscreen. Ich hatte mich geirrt. Treffen in fünf Minuten in der Kantine, schrieb Matilde. Du hattest recht.
Sofort machte ich mich auf den Weg. Ich hatte sie immerhin seit sieben Tagen nicht mehr gesehen, und selbst da nur kurz. Ich musste sie dringend über die neusten Entwicklungen aufklären, die sich in Linti ergeben hatten. Chaeng war ja ohnehin schon voll im Bilde und Luis mittlerweile auch. Fehlte nur noch sie.
Auf dem Flur traf ich den Sekretär von Florence, der wohl gerade vom Mittagessen kam. Kurz trafen sich unsere Blicke und ich sah instinktiv wieder weg. Nicht zu viel Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Die konnte mich schneller als ich wollte wieder zu Florence bringen.
In der Kantine war allerdings keine Matilde weit und breit zu sehen. Prinzipiell war das nicht ungewöhnlich, sie kam gerne zu spät. Also setzte ich mich auf einen herumstehenden Hocker an einem hohen Tisch und wartete.
Die nächsten zehn, fünfzehn Minuten gingen die Leute ein und aus. Ich kannte keinen einzigen von ihnen und Matilde blieb verschwunden. Hatte sie es sich anders überlegt? Ich überprüfte erneut meinen Airscreen. Doch es war keine Nachricht von ihr gekommen.
Als ich eine weitere halbe Stunde vergeblich gewartet hatte, rief ich sie an. Sie kam oft zu spät, aber nicht so sehr. Aber selbst das Anrufen brachte nichts. Auch beim dritten Versuch landete ich auf der Mailbox.
Ich gab es auf und schrieb ihr eine kurze Whatsapp. Dann kehrte ich in mein Zimmer zurück. So verpeilt konnte selbst Matilde nicht sein. Wahrscheinlich machte ich mir zwar gerade nur unnötig Sorgen, doch es war durchaus beunruhigend. Außerdem erinnerte ich mich ausgerechnet jetzt an Candices Anmerkung, dass ich ein wenig gesunde Paranoia gebrauchen könnte.
Um mich von meinen eigenen Gedanken abzulenken, schaltete ich das Tagebuch an. Aber ich konnte mich kaum auf Rachels Stimme konzentrieren. Die Worte verschwammen zu einer undefinierbaren Suppe. Dafür wurden meine eigenen Befürchtungen immer lauter.
Schließlich schaltete ich den CD-Spieler wieder ab. Es hatte ohnehin keinen Zweck. Ich setzte mich zurück ans Fenster und sah den Mobys und Fußgängern zu, wie sie auftauchten und wieder verschwanden. Währenddessen fing eine Theorie an, in meinen Gedanken zu wachsen. Was, wenn Matilde von irgendjemandem daran gehindert wurde, mich zu treffen? Mit dem zweiten Satz ihrer Nachricht hatte sie auf die Aliens angespielt. Was, wenn das der Grund war? Wenn jemand nicht wollte, dass sie mir davon erzählte?
Ich stützte mein Kinn auf meinen Händen ab. Denjenigen, die von den Avirei wussten, war bekannt, dass ich ebenfalls von ihrer Existenz wusste. Ich stammte ja selbst von ihnen ab. Eigentlich hätten sie keine Bedenken haben müssen, dass Matilde mir etwas Neues erzählte. Außer natürlich, es gab etwas, das ich noch nicht mal im Ansatz wusste.
Viel wahrscheinlicher war es, dass sie nicht wollten, dass ich Matilde etwas erzählte. Und plötzlich war es glasklar.
Das hier war ein abgekartetes Spiel. Aus verschiedenen Gründen waren sowohl Matilde als auch ich hierein geraten und dadurch zu einer Figur geworden, obwohl wir die Regeln nicht mal kannten. Welche Rolle ich genau spielte, wusste ich nicht, doch Matilde war eindeutig wertvoll für Linti.
Sie war diejenige, die das Geheimnis um die Aliens enthüllen würde. Sie war diejenige, deren Entdeckung Chaos bringen würde. Sie war diejenige, deren Entdeckung Misstrauen säen würde. Und sie war diejenige, die unabsichtlich die bestehende Weltordnung zu Fall bringen würde.
Wie konnte man eine Entdeckung mit einer solchen Tragweite harmloser verpacken als als das Forschungsergebnis einer begabten Nachwuchsphysikerin? Am Ende würden die eigentlichen Schuldigen sich aus der Affäre ziehen, während die Verantwortung auf Matildes Schultern lastete.
Ich sprang auf und rannte aus dem Zimmer, durch die Flure des Gebäudes. Die einzige Möglichkeit, es zu stoppen, war, das zu erreichen, was Linti um jeden Preis verhindern wollte. Ich musste Matilde finden und ihr die gesamte Wahrheit erzählen. Inklusive der Zukunft, die ihr bevorstand.
Kurz vor der Kantine verlangsamte ich mein Tempo und ging auf die nächstbeste Person zu. Es war ein Mann, etwa in seinen Sechzigern, der gerade Geschirr weggebracht hatte.
„Entschuldigung?", sagte ich. „Eine Freundin von mir ist in diesem Förderprojekt für Physik, wissen Sie zufällig, wo ich sie finde?"
„Sicher. Moment." Während er überlegte, blieb mein Herz beinahe stehen. Wenn es nicht so kontraproduktiv gewesen wäre, hätte ich ihn angeschrien, er solle sich gefälligst beeilen.
Nach einer Ewigkeit sagte er endlich: „Den Gang da drüber runter, zweimal rechts und dann die dritte links."
„Danke!" Ich drehte mich um und hetzte durch die Kantine. Sein deutlich irritiertes „Gern geschehen" hörte ich kaum mehr.
Ich gab mir Mühe, bloß nirgends falsch abzubiegen. In diesem Bereich des Gebäudes war ich noch kaum gewesen und folglich war mein Orientierungssinn miserabel. Dort, wo ich herauskam, waren die Fachräume, die laut Florence so viele Gefahren bargen. Ich ignorierte ihre Anweisung jedoch und drückte die Klinke hinunter. Abgeschlossen. Schnell klopfte ich und wiederholte den Vorgang beim nächsten Raum.
Nach drei Versuchen machte jemand auf. Eine Frau, um die vierzig bis fünfzig Jahre alt und mit kurzen blonden Haaren. Ihre grauen Augen musterten mich neugierig. „Kann ich dir irgendwie helfen?"
„Ich suche Matilde Delgado. Sie sollte irgendwo hier sein."
Die Frau runzelte die Stirn. „Matilde... Der Name sagt mir was. War das die braunhaarige mit den Energieexperimenten?"
„Ich denke ja." Ich sah sie hoffnungsvoll an.
„Wenn ich mich nicht täusche, habe ich sie vor ein paar Stunden zwei Räume weiter gesehen. Ansonsten kannst du auch gegenüber bei Ali nachfragen, der weiß eigentlich immer, wer hier ein und aus geht."
„Dee, wir haben ein Problem!", kam es von hinten aus dem Raum. Die Frau warf einen Blick über die Schulter und verzog das Gesicht.
„Tut mir leid, ich sollte mich besser mal darum kümmern", sagte sie zu mir. „Ich hoffe, ich konnte trotzdem helfen."
„Ja, danke." Vor meiner Nase ging die Tür zu.
Ich verschwendete keine Sekunde und lief sofort zwei Türen weiter. Dort klopfte ich. Als niemand aufmachte, sogar mehrmals. Aber es brachte nichts, die Tür blieb verschlossen. Ich fluchte und ging wieder zurück, diesmal zu der Tür dieses Ali.
Sofort machte ein schwarzhaariger Junge in meinem Alter auf. „Hallo?"
„Ehm, hi", sagte ich. „Du bist Ali, oder?"
Er hob eine Augenbraue. „Ja."
„Super. Dee von gegenüber hat mich zu dir geschickt. Ich suche eine Freundin." Ich stolperte beinahe selber über die Wörter, die zu hastig aus meinem Mund kamen.
„Was kannst du mir denn anbieten?"
Anbieten? Wollte er Geld oder so etwas haben? „Ich...", begann ich.
Er lachte warm. „Nein, alles gut. Ich verlange noch keine Bezahlung. Obwohl es sich durchaus lohnen würde. Wer ist deine Freundin?"
„Matilde Delgado." Meine Stimme klang leicht gereizt, doch ich konnte nichts dagegen tun. Seine Entspanntheit führte nur dazu, dass ich noch angespannter wurde.
„Matilde dürfte gerade zwei Räume weiter gegenüber sein."
„Das meinte Dee auch, aber da macht niemand auf."
„Wie oft hast du schon geklopft? Sie bemerkt oft gar nicht, dass überhaupt jemand vor der Tür steht. Aber als ihre Freundin brauche ich dir das vermutlich nicht erzählen."
„Manchmal könnte sogar eine Bombe neben ihr explodieren und sie würde es nicht merken", ergänzte ich. „Aber ich habe es um die zehn Mal versucht. Gibt es vielleicht einen anderen Weg da rein?"
„Für die Fachräume gibt es immer mehrere Schlüssel. Aber wenn ich mich richtig dran erinnere, ist Adrien gerade in der Stadt und Margarethe ist irgendwo in Japan unterwegs."
„Gibt es denn noch irgendwelche anderen Möglichkeiten?"
Ali sah mich nachdenklich an. „Die Generalschlüssel. Einen hat der Hausmeister und einen Florence. Aber ich bezweifle, dass einer von beiden dir ihren Schlüssel geben werden."
„Danke, das hat sehr geholfen!" Ich winkte ihm noch einmal zu und eilte den Flur entlang.
„An deiner Stelle würde ich lieber auf Adrien warten", rief er mir noch hinterher. Dann bog ich um die Ecke außer Sichtweite.
Den Hausmeister zu suchen würde zu lange dauern. Also blieb Florence und die Hoffnung, dass sie den Schlüssel wie Cassidy einfach irgendwo herumliegen hatte. Doch selbst nicht, könnte ich in ihrem Büro nützliche Informationen finden. Nur musste ich vorher ihren Sekretär von seinem Posten bekommen.
Ruckartig wechselte ich die Richtung und lief zurück zu meinem Zimmer. Dort steckte ich eine Wasserflasche und den Schlüssel aus Cassidys Büro ein und drehte den Wasserhahn des Waschbeckens leicht auf. Mit ein wenig Verzögerung begann das Wasser, auf den Stöpsel zu treffen.
Intuitiv griff ich nach meinen Kräften und richtete sie auf die gläserne Duschwand. Innerhalb von wenigen Sekunden zersprang sie in winzige Scherben. Ich wartete noch, bis ein Windstoß die Scherben sowohl im Bad als auch im eigentlichen Zimmer verteilte, dann drehte ich den Wasserhahn zu. Wärme rauschte in meinen Adern, während ich die Tür hinter mir schloss und mich wieder auf den Weg in Richtung von Florences Büro machte.
In einem engen Korridor in der Nähe holte ich meinen Airscreen heraus und tippte eine Nachricht an die Nummer des Sekretärs, die mir Florence für den Notfall gegeben hatte. Ich bemühte mich, ihm in einem möglichst verstörten Tonfall klar zu machen, dass es einen Unfall mit meinen Kräften gegeben hatte. Einmal las ich noch darüber, besserte ein paar kleine Stellen aus und schickte sie ab.
Ich musste kaum eine Minute warten, bis er mir auch schon geantwortet hatte. Er war auf dem Weg und fragte, ob er Florence benachrichtigen sollte. Die sei nämlich gerade auf einer Veranstaltung in der Stadt. Da ich seine Antwort nur in der Vorschau gelesen hatte, beließ ich es dabei und schrieb nicht zurück. Sollte er entscheiden, wie es weiterging. An der Zimmertür würde er jedenfalls erstmal lang zu schaffen haben.
Ich wartete noch dreißig Sekunden, dann eilte ich über den Flur und hinein in das Vorzimmer. Wie erhofft war niemand dort. Ich überprüfte, ob die Tür hinter mir wirklich abgeschlossen war und zerlegte dann mithilfe der Wasserflasche und meinen Kräften die Glastür zu Florences Büro.
Ich verlor keine Zeit und machte mich direkt daran, es zu durchsuchen. Erst war der Schreibtisch an der Reihe, dann das Regal, dann der Rest. Doch das Einzige, was ich fand, war ein Tresor in einem der Regalfächer neben einem Haufen CDs. Wenn sie auch nur ein bisschen nachgedacht hatte, hatte sie den Schlüssel dort verstaut. Dummerweise hatte ich keine Ahnung, wie man ihn knacken konnte. Dafür hätte ich Candices Hilfe brauchen können. Sie hätte sicher gewusst, wie man an den Inhalt kam.
Alleine hatte ich keine Chance gegen den Tresor. Und der Sekretär war hoffentlich immer noch mit der Zimmertür beschäftigt. Ein wenig Zeit blieb mir hoffentlich noch.
Ich nahm mir den Schreibtisch erneut vor und blätterte diverse Blöcke durch. Candice hatte analoge Notizen als sicherere Möglichkeit als digitale angesehen. Anscheinend sah Florence das ähnlich. Die Blöcke waren voll von Notizen. Größtenteils unspektakuläre Dinge wie Nebenrechnungen oder Termine, die mir nichts sagten. Doch dann sah ich zwei mehrfach umkringelte Wörter.
Rio -> Nelly.
Das war aber nicht das, was mich überraschte. Ich hatte bereits vermutet, dass sie von dem Anschlag gewusst hatte und sie mit ihrem Angebot eigene Pläne verfolgte. Aber das Datum an der Notiz unmittelbar darunter warf mich aus der Bahn. 20. Juni. Kaum zwei Wochen, nachdem ich in Linti angekommen war. Und noch weit bevor ich Evyen mit ihr reden hatte sehen. Sie hatte es schon lange bevor Rio geplant gehabt. Und somit schied Evyen als Motivationsquelle halbwegs aus. Warum sollte Florence, eine standhafte Unterstützerin von Linti, so etwas planen?
Ich blätterte weiter, in der Hoffnung, etwas über Matilde zu finden. Doch die einzige Notiz, die mir über den Weg lief, war ein Plan, wie man die Ergebnisse ihres Forschungsprojekt möglichst effektiv in den Nachrichten verbreiten konnte. Außer meine Theorie zu bestätigen, brachte es mich kaum weiter.
Ich warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Das Blättern hatte mich Zeit gekostet, zu viel davon. Für einen erneuten Versuch, die Tür wieder zu reparieren, war es bereits zu spät. Wahrscheinlich hätte ich es sowieso nicht hinbekommen. Es war Zeit, von hier zu verschwinden.
Ohne weitere Beachtung verließ ich das Büro, den Vorraum und bog draußen in den winzigen Flur von vorhin ein. Keine Sekunde zu früh, denn es ertönten bereits hastige, schwere Schritte auf dem Hauptflur. Ich schlich in die andere Richtung, bis ich in dem Flur mit den Fachräumen angekommen war.
Dort versuchte ich es nochmal mit Matildes Tür. Vergeblich. Bei Ali ging sie jedoch wieder direkt auf.
„Du schon wieder?", fragte er.
„Ja." Ich sah mich schnell um. Niemand war im Flur zu sehen. „Kann ich kurz reinkommen?"
„Klar. Mach es dir gemütlich." Etwas überfordert trat er zur Seite.
Es stellte sich als ein äußerst schwieriges Unterfangen heraus, einen Sitzplatz zu finden. An sich gab es zwar genug Möglichkeiten, aber die waren alle von Gerümpel belegt. Vorsichtig schob ich ein seltsames Metallkonstrukt zur Seite und hockte mich auf eine Sofalehne.
„Keine Sorge, das meiste hier ist ungefährlich", erklärte Ali. „Außer ein paar kleine Sachen. Also besser doch nichts ohne zu fragen anfassen."
Das hätte ich ohnehin nicht gemacht. Ich war schon froh, dass dieses Metallding mich nicht bei lebendigem Leib geröstet hatte.
Im kompletten Gegensatz zu mir schmiss Ali rabiat ein paar Geräte von einem Sessel und ließ sich hineinfallen. „Ich vermute mal, du hast Matilde nicht gefunden."
„Das vermutest du richtig. Und den Generalschlüssel auch nicht." Ich seufzte.
„Bei wem warst du?", fragte er interessiert.
„Florence. Entweder ist der Schlüssel bei ihr selber, gar nicht in ihrem Büro oder in diesem blöden Tresor. Oder ich war einfach zu inkompetent, ordentlich zu suchen."
Er starrte mich verblüfft an. „Du warst in ihrem Büro? Wie das?"
„Das ist eine längere Geschichte." Ich überlegte kurz. „Lässt sich eigentlich mit einem Ablenkungsmanöver für den Sekretär und der großflächigen Zerstörung der Bürotür zusammenfassen."
„Du meinst, die Bürotür, die aus Hochsicherheitsglas gemacht ist?"
„Ich sag's ja, längere Geschichte. Aber ich habe die Tür leider nicht mehr repariert bekommen und jetzt weiß dieser Sekretär ganz genau, wer für das Chaos verantwortlich ist."
„Ich sage es nur ungerne, aber das ist nicht so gut. John Andersen ist dafür bekannt, ziemlich impulsiv zu handeln, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Und mit deiner Aktion hast du dir sicher keine Pluspunkte verdient."
„Das habe ich mir auch schon gedacht. Was glaubst du, warum ich hier bin und nicht in meinem Zimmer?"
„Weil du mich sympathisch fandest?"
Ich musste kichern. „Sicher. Eigentlich dachte ich, wir führen jetzt tiefgründige Gespräche über was auch immer du hier eigentlich tust."
Er grinste und seine dunklen Augen funkelten amüsiert. „Können wir sehr gerne machen. Ich habe nämlich selber keine Ahnung, was ich hier überhaupt mache."
„Das sind doch die besten Voraussetzungen. Was ist das hier überhaupt?" Ich deutete auf eine seltsame Rampe.
„Das habe ich mir von Dee ausgeliehen. Sowas hatten wir mal im Physikunterricht in einem Versuchsaufbau und ich war fasziniert, als ich es nochmal gesehen habe."
„Aha. Und was tut das?"
„Energieerhaltung demonstrieren. Das haben die Leute schon vor hunderten von Jahren genau mit sowas gezeigt."
Bei der Erwähnung von Energie rutschte mir das Lächeln vom Gesicht. Matilde. Irgendwie musste ich zu ihr kommen.
„Du denkst an Matilde, oder?", fragte Ali. Ich nickte.
„Während du weg warst, habe ich mich in ihre Versuchsaufzeichnungskamera gehackt. Ein ziemlich modernes Teil. Willst du mal sehen?"
Diesmal war es an mir, ihn entgeistert anzustarren. „Du hast was?"
Er angelte nach einem Airscreen hinter sich und winkte mich zu sich. „War ein bisschen illegal und vermutlich werde ich nach der Aktion auch aus dem Programm hier herausfliegen, aber mich hat es interessiert."
„Du riskierst einfach so deinen Platz, nur weil es dich interessiert hat?" Das wurde ja immer besser.
Er zuckte mit den Schultern. „Dieser Platz ist ohnehin nicht das, was ich wollte. Meine Eltern wollten, dass ich mich bewerbe und unglücklicherweise ist der Plan aufgegangen. Also, sollen wir uns mal in ihrem Raum umsehen?"
Ich lehnte mich gespannt über seine Schulter. „Sehr gerne."
„Jetzt hätte ich ein bisschen Popcorn gebraucht. Aber egal. Los geht's."
Anders als bei Candices unendlichem Herumgetippe im Archiv brauchte Ali nur einen Knopf zu drücken und schon erschien die Aufnahme eines Steintisches auf dem Airscreen.
„Was ist das alles?", fragte ich und zeigte auf den zugestellten Tisch.
Er hob eine Hand. „Moment."
Wenige Sekunden später breitete sich das Bild des Raumes um uns herum aus, als stünden wir mittendrin. „Wow", entfuhr es mir. „Du hast eins von den neuen Modellen?"
„Ist nicht meins, das ist von hier. Außerdem die einzige Sache hier, der ich sogar eine Träne nachweinen würde. Die Dinger sind einfach unglaublich teuer."
Ich sah mich um. Schon beim ersten Mal erfuhr ich, warum mir niemand aufgemacht hatte. Es war schlicht und ergreifend niemand im Raum.
„Wenn du möchtest, können wir uns auch die Aufnahmen von dem Tag heute anschauen", schlug Ali vor. „Matilde hat die Kamera nämlich rund um die Uhr an. Hat was mit ihrem Experiment zu tun, meinte sie."
„Wenn das geht." Ich war ohnehin schon beeindruckt. So lange war ich nicht weg gewesen, dass er lang für das Hacken gebraucht haben konnte.
Den Bruchteil einer Sekunde später fing der Punkt auf einer Zeitleiste mitten im Bild auch schon an, sich schnell nach links zu bewegen. Ein paar Momente lang geschah nichts, dann liefen Matilde, der Sekretär und eine große Frau rückwärts in den Raum hinein. Wie automatisch stoppte Ali das Bild.
Ich blickte auf die drei Gestalten. Gerade war Matilde dabei, etwas an ihrem Airscreen herumzudrücken. Er spulte noch ein bisschen zurück und man sah sie hastig einige Dinge zusammensuchen.
Ali ließ vom Airscreen ab und lehnte sich nach hinten. „Ich würde sagen, hier haben wir unsere Antworten."
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