XXX | Neue Energieformen
Ich wachte in Dunkelheit auf. Nicht komplette Dunkelheit, wie ich dann feststellte. Durch ein Fenster fiel fahles Sonnenlicht.
Für einen Moment fühlte ich mich in die Zeit vor einem Monat zurückversetzt. Schon wieder ein neuer Raum, eine unbekannte Umgebung. Aber diesmal war ich aus eigener Entscheidung hier. Ich hatte es mir ausgesucht.
Mit neuer Energie stand ich auf und zog die Vorhänge beiseite. Direkt vor meinem Fenster befand sich ein dicker Baumstamm, aber das war nicht schlimm. Immerhin war hier ein Baumstamm. Keine von Lampen ausgeleuchteten Gänge, keine vollkommene Dunkelheit.
Neben dem Baumstamm befanden sich hohe Häuser, die den Blick verbauten. Manche waren exzentrischeren Stils, manche schlicht, manche praktisch. Neben all den Gebäuden wirkte der Baum fehl am Platze.
Obwohl ich noch mehrere Stunden am Fenster stehen und den Verkehr unten auf den Straßen beobachten hätte können, ließ ich meinen Blick über das Zimmer schweifen. Es sah nicht so eng wie das in Linti aus. Außerdem hatte es mehr den Anschein eines Hotelzimmers. Das Bett war ein schlichtes Doppelbett, von welchem man direkt auf einen Fernseher schauen konnte. Außerdem fanden sich noch ein Schrank, zwei Nachttische, ein Esstisch, zwei Türen und sogar eine Küche. Das war definitiv eine Verbesserung zu der kleinen Kammer von Linti.
Auf einem der Nachttische lag ein Airscreen. Hoffnungsvoll schaltete ich ihn an. Und tatsächlich, es war mein eigener. Mit meinen Einstellungen, meinen Kontakten, allem. Euphorisch öffnete ich Whatsapp.
Ein Strom von neuen Nachrichten überflutete mich. Sie waren von den üblichen Verdächtigen, sowie von Leuten, mit denen ich kaum etwas zu tun hatte. Die aktuellsten darunter waren eher von letzteren. Und von Matilde. Allerdings würden die noch ein bisschen warten müssen, bis ich dem Bad einen Besuch abgestattet hatte.
Ich sah auf die Uhrzeit und das Datum. Es war der 11. Juli, drei Uhr dreizehn. Mein Glück vom ersten Mal schien nicht angehalten zu haben. Die Betäubungsflüssigkeit hatte mich ganze zwei Tage durchschlafen lassen. Kein Wunder, dass ich mich ziemlich eklig fühlte.
Schnell suchte ich mir ein Handtuch, Duschsachen und ein paar neue Kleidungsstücke zusammen und verzog mich ins Badezimmer.
*
Ich kam gerade aus der Dusche, als es lautstark irgendwo klopfte. Die Badezimmertür war es nicht. Wahrscheinlich kam es eher vom Eingang in das Zimmer. Es schien, als würde wer etwas von mir wollen. Aber so konnte ich nicht rausgehen.
„Nel?", kam es gedämpft von draußen. „Bist du da?"
Ich erstarrte. Das da draußen war Matilde. Florence hatte von anderen Dingen geredet, die sie zu tun hatte. Wie es aussah, war damit unter anderem das Förderprojekt für Astrophysik gemeint.
„Ich komme gleich, gib mir drei Minuten", schrie ich zurück. Das Klopfen hörte auf.
Hektisch machte ich mich fertig. Auf Föhnen würde ich wohl vorerst verzichten müssen, das kostete zu viel Zeit. Ich brauchte ohnehin schon viel zu lange für den Rest.
Schließlich kam ich mit klatschnassen Haaren aus dem tropischen Klima des Bads heraus und machte die Zimmertür auf. Davor stand Matilde. Ich musterte sie, als wäre sie nur eine Illusion und könnte sich in der nächsten Sekunde in Luft auflösen. Ihre dicken braunen Haare hatte sie lose zurückgebunden, sie war gebräunter als noch vor einem Monat und ihre langen Wimpern verdeckten ihre türkisfarbenen Augen. Was ihre lässige Klamottenwahl anging, hatte sich allerdings nicht viel geändert. Genauso wenig wie daran, dass sie schon wieder in eine Datei namens „Energiedefinitionsmöglichkeiten auf extrasolaren Planeten" vertieft war.
Irgendwann hob sie den Kopf und steckte den Airscreen weg. „Hi", sagte sie. Dann fiel sie mir um den Hals. Das war nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte, aber nach dem letzten Monat definitiv nachvollziehbar.
Nach einigen Sekunden ließ sie mich wieder los und hockte sich aufs Bett. Ich schloss die Tür und setzte mich daneben.
„Und, wie läuft es mit deinem Projekt?", erkundigte ich mich.
Sie strahlte. „Sehr, sehr gut. Erinnerst du dich an das Gerät, das letztes Jahr erfunden wurde? Das, das Energie messen kann?"
An meinem verwirrten Blick erkannte sie direkt, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, wovon ich redete.
„Ist auch egal. Das gibt es jedenfalls. Irgendwann bin ich auf die Idee gekommen, das mal auf DO149c anzuwenden. Und da ist etwas ziemlich Unerklärbares bei rausgekommen. Irgendeine Energieform muss es geben, die wir noch nicht kennen. Anders lassen sich die Ergebnisse nicht erklären. Aber das ist nicht mal das interessanteste. Ein bisschen später habe ich mit diesem Gerät nämlich den Platz mit diesem hässlichen Löwen-Brunnen in Edinburgh gescannt. Und rat mal, was es da auch gab."
„Aliens", sagte ich. Es konnte kein Zufall sein, dass Matilde unerklärbare Energie auf der Erde gefunden hatte.
„Aliens?" Sie runzelte irritiert die Stirn. „Ich dachte eher an eine Energieform, die aus unbekannten Gründen noch niemand bemerkt hat... Aber Aliens wären auch eine Möglichkeit. Jedenfalls, wenn diese Energie ihnen zuzuordnen ist."
Ich biss mir auf die Unterlippe. Sie wusste gar nichts von den Avirei, obwohl sie ihnen auf der Spur war. War es besser, ich würde ihr davon erzählen? Oder sollte ich es lieber lassen?
„Wie kommest du eigentlich auf Aliens?", fragte sie neugierig.
Ich war immer noch hin und hergerissen. Sollte ich es ihr nun sagen? Oder sie in Unwissenheit lassen? Bevor ich zu einer Entscheidung gekommen war, nahm Matilde sie mir ab. Mein Zögern war selbst auffällig genug für sie gewesen.
„Es könnte wirklich Aliens geben, oder? Wesen, die auf dieser seltsamen Energie basieren und irgendwie auf die Erde gekommen sind."
Ich sagte nichts. Es war besser, sie kam von alleine darauf. Dann konnte ich ihr vielleicht von Candice und meinen Erkenntnissen erzählen.
Matilde machte ihren Airscreen an und scrollte durch einige handgeschriebenen Notizen. „Aliens wären tatsächlich eine sehr plausible Erklärung dafür, wie diese Energie auf unsere Erde gekommen ist. Und es passt sogar zu meinen bisherigen Erkenntnissen... Ich klinge gerade wirklich wie ein Verschwörungstheoretiker, oder?"
„Ein bisschen", gab ich zu. Aber in Sachen Außerirdische hatten die Verschwörungstheorien immerhin recht.
Sie schloss den Airscreen wieder. „Ich muss mal kurz was nachschauen gehen. Tut mir leid, aber das lässt sich nicht weiter aufschieben. Ich komme morgen oder so wieder."
„Viel Erfolg", rief ich ihr hinterher, während sie aus dem Zimmer verschwand. Die Tür knallte sie hinter sich zu. Ich konnte mir förmlich vorstellen, wie sie nun aufgeregt den Flur hinunterlief, bis zu irgendeinem dubiosen Labor. Was sie dort allerdings machen wollte, war mir nicht wirklich klar.
Ich ließ mich nach hinten fallen und fing an, durch die Whatsapps des letzten Monats zu schauen. Manche Dinge hatten sich über die Zeit bereits geklärt, auf den Großteil musste ich allerdings noch antworten.
Besonders weit kam ich jedoch nicht, denn auf einmal ging ein Anruf ein. Ich sah auf den Namen, der dabei stand und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Es war so typisch.
„Hey! Wo warst du die ganze Zeit?", kam Chaengs Stimme aus dem Lautsprecher, sobald ich abgehoben hatte. Die Kamera zeigte wackelnd ihr Gesicht und einen Ausschnitt ihres Zimmers. „Und erzähl mir nicht, das war wegen fehlerhafter Defendergenes. Jeder weiß, dass das nur eine Ausrede ist."
„Ich hab dich auch vermisst", entgegnete ich.
Sie verdrehte die Augen. „Das Sentimentale bitte überspringen. Also?"
Ich war mir zwar relativ sicher, dass ich die Informationen aus Linti nicht so einfach weitergeben durfte, doch es war Chaeng. Ihrer Inquisition konnte man sich kaum entziehen. Und mit irgendwem unbeteiligten musste ich reden.
„Du hast recht. Ich war in einer unterirdischen Stadt voller Aliens, die für die Überschwemmung in Luanda verantwortlich sind."
„Und was ist mit Rio de Janiero? Dafür auch?"
Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Rio? Was ist passiert?"
Chaeng seufzte theatralisch. „Wo lebst du, hinterm Mond? Gestern hat eine gigantische Druckwelle die halbe Stadt in Trümmer gelegt. Tausende sind gestorben und jetzt sucht man nach den Verantwortlichen."
Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Die fünf Tage. Das hatte ich komplett vergessen. Ein erneuter Anschlag. Und Evyen hatte es nicht verhindern können. Mir wurde leicht übel.
„Deinem Gesichtsausdruck nach waren deine Aliens dafür verantwortlich. Alles gut?"
„Nicht wirklich. Ich wusste, dass sie einen neuen Anschlag planen. Aber ich habe nichts unternommen und jetzt ist es zu spät."
„Du hast dich also einfach zurückgelehnt, weil es dich nichts angeht?" Ihr Ton war fragend.
„Ich habe Evyen davon erzählt", lenkte ich ein. „Sie wollte etwas dagegen unternehmen, aber daraus ist wohl nichts geworden. Wahrscheinlich hätte ich eher einem von euch darüber schreiben sollen."
Ihre Miene wurde ernst. „Hör auf, dir die Schuld für etwas zu geben, wofür du nichts kannst. Du hast Evyen davon erzählt, und ich denke nicht, dass du viel mehr als das machen konntest. Das hat man ja schon allein daran gesehen, dass wir über Briefe kommunizieren mussten. Briefe!"
„Da hast du schon recht, aber..."
„Nichts aber. Du kannst jetzt ohnehin nichts mehr daran ändern. Die Stadt ist zerstört und wer weiß, vielleicht wäre es ja ohne Evyen und dich noch schlimmer ausgegangen. Allerdings wäre es toll, wenn du mir mal einen Überblick von dem geben könntest, was alles überhaupt passiert ist. Die Aliens haben mich ziemlich kalt erwischt."
Ich musste lachen, auch wenn mir nicht danach zumute war. „Ich vermute, das ging Matilde eben genauso."
Dann fing ich an, von den Ereignissen in Linti zu erzählen. Vom Anfang bis zum Ende, mit allen Einzelheiten. Es tat unglaublich gut, es mit jemandem Außenstehenden teilen zu können.
***
Drei Stunden später verließ ich mein Zimmer. Chaeng und ich hätten noch deutlich länger weiterreden können, doch irgendwann hatte sich mein Magen bemerkbar gemacht. Und in der Küche hatte sich leider kein Essen finden können.
Der Flur, auf den ich hinaustrat, war mit einem Teppich ausgelegt und ab und an stand eine Zimmerpflanze am Rand. An besonders großen Wandabschnitten ohne Tür hing ab und an mal ein Gemälde.
Nach rechts endete der Flur irgendwann in einer Sackgasse, also bog ich nach links ab. Dort kam ich in ein geräumiges Treppenhaus. Gegenüber vom Aufzug hing tatsächlich ein Gebäudeplan.
Wie es aussah, befand ich mich im ersten Stock im hinteren Flügel. Hier gab es nur Zimmer ähnlich wie meins, vermutlich benötigt, um Gäste unterzubringen. Das Gebäude ging noch drei Stockwerke höher. Außerdem fand ich Ausgänge, die in die weiteren Flügel überleiteten.
Genau zu diesen ging ich nun und suchte irgendetwas Kantine-mäßiges. Das ich nach einigen Minuten Suchen auch fand. Dort deckte ich mich mit Essen ein und wollte dieses gerade in mein Zimmer zurücktransportieren, als Florence Southcliffe in den Raum kam und sich suchend umsah. Ihr Blick blieb an mir hängen und sie steuerte zielstrebig in meine Richtung. Unschlüssig blieb ich stehen.
„Hallo", begrüßte sie mich. „Ich sehe, du bist beschäftigt. Hättest du trotzdem einen Moment Zeit?"
Ich sah von ihr zum Essen und wieder zurück. „Sicher. Ich muss das hier nur erstmal in mein Zimmer bringen. Dauert nicht lange, höchstens ein paar Minuten."
„Sehr schön." Sie lächelte zufrieden. „Ich warte dann hier auf dich."
„Ich bin sofort wieder da." So schnell es ging, ohne die fragilen Stapel auseinanderfallen zu lassen, lief ich die Flure entlang. Die Türen flogen nur so an mir vorbei und schließlich war ich da. Mit ein bisschen Mühe bekam ich die Tür auf. Ich beeilte mich, das Essen wegzuräumen, und ging dann wieder. Mein Magen grummelte protestierend.
Florence lehnte immer noch an der Stelle, an der ich sie zurückgelassen hatte. Als sie mich kommen sah, stieß sie sich ab und kam auf mich zu.
„Jetzt habe ich alles erledigt", informierte ich sie.
Sie nickte. „Dann lass uns kurz zu meinem Büro gehen. Es gibt noch einiges, was wir besprechen müssen."
Sie führte mich durch einige breite Flure, die genau das Gegenteil von denen in Linti waren. Sonnenhell, eher gräulich gehalten, modern. Ich hätte nicht gedacht, dass ich solche Flure so schnell wieder sehen würde.
Auf dem Weg erklärte sie mir, wo es durch die verschiedenen Türen und in den anderen Fluren hin ging. Sie hatten hier nicht nur eine Kantine und Hotelräume, sondern vor allem Räume für die Forschung. Darunter befand sich einer, in dem man mit radioaktiven Stoffen arbeiten konnte und einer, der fortschrittliche Lasertechnologie beinhaltete. Und zur Krönung dessen hatten sie selbst ein Planetarium hier. Laut Florence war es frei zugänglich und ich machte mir eine gedankliche Notiz, es einmal zu besuchen.
Schließlich betraten wir einen sehr gewöhnlich aussehenden Raum, der wie eine Art Sekretariat aussah. Ein Mann hinter dem Tresen begrüßte uns freundlich. Ich grüßte zurück, Florence nickte. Ich vermutete, er war eine Art Assistenten-Sekretär. Die beiden waren jedenfalls definitiv vertraut miteinander.
Hinten im Raum befand sich eine gläserne, matte Tür. Von der Machart erinnerte sie mich stark an Linti, obwohl sie in dieser Umgebung passender wirkte als dort. Weniger massiv. Sie führte in ein Büro mit einer riesigen Fensterfront, die den Blick auf das Großstadttreiben draußen ermöglichte. Außerdem gab es das obligatorische Regal, einen ziemlich zugehäuften Tisch und drei Stühle. Auf einen davon setzte ich mich, auf einem anderen nahm Florence Platz.
Einen Moment beobachtete ich fasziniert, wie die Mobys draußen auf der Straße sich mühelos durch das Getümmel bewegten. „Wir sind in Oslo, oder?", fragte ich. Das war jedenfalls die Stadt, von der Matilde gesprochen hatte.
„Ja", bestätigte Florence. „In einer der größeren Einrichtungen der Arthur-Versus-Gesellschaft. Deshalb wollte ich noch ein paar Punkte durchgehen."
Ich wandte meine Aufmerksamkeit von den Mobys ab und ihr zu.
„Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, aber ohne qualifizierte Begleitung solltest du die Fachräume nicht betreten. Ich weiß, du bist neugierig, aber Unfälle brauchen wir nicht unbedingt. Ansonsten steht dir die gesamte Einrichtung frei. In die Stadt solltest du vorerst aber besser nicht. Wir müssen zuerst schauen, wie deine Kräfte auf natürlichen Regen reagieren, dann können wir da weiter drüber diskutieren. Allerdings glaube ich kaum, dass du dich hier mehr als in Linti langweilen wirst."
Sie starrte kurz in die Luft. „Ich glaube, das war alles. Obwohl, eines noch. Wenn du irgendetwas brauchst, oder Fragen hast, komm ruhig zu mir. Ich kann nicht versprechen, dass ich immer da bin, aber ich werden dann so bald wie möglich vorbeikommen."
„Okay, danke", sagte ich. Ich wartete ein paar Sekunden, in denen sie keine Anstalten machte, fortzufahren. „Das war schon alles?"
„Wenn du keine weiteren Fragen hast, ja."
Wo ich gerade darüber nachdachte, ein paar Fragen hatte ich schon. „Ich habe eine Freundin in Ihrem Förderprogramm, Matilde Delgado. Ihr Forschungsprojekt ist über die Avirei, nicht wahr? Sie weiß nur noch nichts davon." Jedenfalls hatte sie bisher noch nichts davon gewusst. Bis ich ihr aus Versehen den Tipp mit den Aliens gegeben hatte.
„Ist es. Ich bin zugegebenermaßen erstaunt, dass bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, etwas ähnliches umzusetzen."
„Und Sie unterstützen sie trotzdem?" Ich sah sie ungläubig an. „Obwohl sie die Existenz der Avirei auffliegen lassen könnte?"
„Ich unterstütze die Motivation engagierter Wissenschaftler oder angehender Wissenschaftler, wo ich kann." Ihr Tonfall war sachlich. Ich konnte sie absolut nicht einschätzen. Irgendetwas an ihr machte keinen Sinn. Zumindest für mich. Ich wusste allerdings vermutlich auch nicht mal halb so viel über sie wie sie über mich.
„Auch wenn das bedeutet, ein so lang gehütetes Geheimnis an die Öffentlichkeit zu bringen?"
„Nun, die letzten Jahrhunderte waren ohnehin nur ein Zeitspiel. Die Existenz von Aliens ist etwas, das man nicht besonders gut verbergen kann, vor allem, wenn sie mitten unter uns leben. Früher oder später wird es herauskommen, egal wie effektiv die Maßnahmen zur Geheimhaltung sind."
„In unserem Fall wird es wohl eher früher herauskommen."
„Es kommt darauf an, wie Matildes Arbeit weitergeht", erwiderte sie. „Wenn sie früh genug auf die richtigen Rückschlüsse kommt, dann ja, es wird eher früher als später sein."
Ich dachte an Rio de Janiero und Luanda. Den Zeitungen nach zu beurteilen wusste noch niemand, wer für die Katastrophen dort verantwortlich gewesen war. Wenn die Sache mit den Außerirdischen jetzt rauskam, würde es Chaos geben. Noch mehr als ohnehin schon.
„Wäre es nicht theoretisch klüger, die Enthüllung dahin zu verschieben, wenn die Fälle in Luanda und Rio aufgeklärt wären?", fragte ich verwirrt.
Sie neigte den Kopf. „Du schlägst also vor, Informationen aktiv zurückzuhalten."
„Wenn es der Schadensbegrenzung dient. Und es ist nicht so, als hätten einige Leute diese Informationen nicht schon seit Jahrhunderten zurückgehalten."
„Betrachte es mal aus einer anderen Perspektive. Neue Forschung ist heutzutage ohnehin schon verrufen. Was würde dann passieren, wenn eine staatsunabhängige Gesellschaft zugunsten der Regierungen bahnbrechende Erkenntnisse zurückhalten würde?"
Ich musste zugeben, die Sache war um einiges komplizierter als sie schien. Es gab keinen guten Weg heraus. Allerdings schien irgendetwas nicht besonders stimmig.
„Und trotzdem unterstützen Sie Linti dabei, tausende unschuldige Menschen umzubringen."
Sie presste die Lippen zusammen. Ich hatte einen wunden Punkt getroffen. „Ich unterstütze ihre Ziele, nicht ihre Mittel."
„Das läuft aufs selbe hinaus."
„Und was, wenn ich dir sagen würde, dass ihre Handlungen einen Grund haben? Ob der Grund zur Rechtfertigung ausreicht, sei dahingestellt."
„Welchen Grund kann es für so etwas überhaupt geben?"
„Ausbeutung. Rücksichtslosigkeit. Tausende verhinderbare Morde, die aufgrund der Geheimhaltung billigend in Kauf genommen wurden und werden, selbst als es keinen Grund mehr dafür gab. Außerdem illegale Menschenexperimente."
Das war eine Menge. Bei der Hälfte davon verstand ich nicht mal im Ansatz, worum genau es ging. Trotzdem hörten sich die Anschläge eher an wie Rache als wie ein rationaler Versuch, Gerechtigkeit zu bringen. Und wenn es das war, würde es Sinn machen, die Existenz der Avirei mitten in den Unruhen zu enthüllen. Ich erschauderte.
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