81. Scott McCall and Theo Raeken

„Lass los Raven. Komm zu mir!"

„Raven," dringt die besorgte Stimme des Alphas durch die Dunkelheit zu mir durch, „Raven. Bitte schlaf nicht ein!" Ich spüre seine warmen Hände auf meiner Haut und die leichte Rüttelbewegung die er dabei auf meinen Körper auswirkt. Kühle Finger legen sich auf meine heiße Stirn. Eine zweite Stimme dringt durch die pochenden Schmerzen und den Wunsch einzuschlafen: „Scott sie glüht förmlich!" Seine Finger wandern von meiner Stirn und werden von anderen ersetzt, die sich auf meine Stirn legen und dort sekundenlang verharren. Ich spüre wie mich ihre Berührungen und ihre Worte langsam aus der schleimigen Dunkelheit zur heller werdenden Oberfläche lenken.

„Fieber?"

„Ihr Körper versucht zu heilen," antwortet die Stimme von Theo ausweichend auf die Frage des Alphas, „Aber bei ihrem Blutverlust...," er hält dramatisch inne, „Wir müssen sie sofort von hier wegbringen, Scott!" Ich spüre wie sich Hände auf meine Schulter legen und flatternd öffne ich meine Augen. „Scott," murmele ich halb schlafend und zwinge mich selbst dazu die Augen aufzuhalten. Auch wenn mich die Schmerzen in meinem Körper erschöpfen und die Hitze mich schläfrig macht, versuche ich mich selbst wach zu halten. Ich kann nicht einschlafen, auch wenn mich eine Stimme bereits dazu verleiten wollte. Noch nicht.

„Raven," höre ich die erleichterte Stimme von Scott, noch bevor er sich in mein Blickfeld lehnt, „Keine Sorge ich bin da!" Ich spüre wie er meine Hand ergreift und sie kurz drückt. Jedoch versucht er in diesem Moment gar nicht, mir die Schmerzen zu nehmen, wofür ich dankbar bin. Denn um mich dagegen zu wehren bin ich zu schwach. Erneut fallen mir die Augen zu und ich habe Schwierigkeiten sie erneut zu öffnen. In derselben Sekunde höre ich Theo fluchen, den lauten Knall einer Waffe und ein dumpfer Schlag. Instinktiv reise ich die Augen auf. Ich möchte eine verteidigende Haltung einnehmen, bin dazu jedoch nicht in der Lage. Der Adrenalinrausch - ausgelöst durch den Schuss - reicht nicht um die Schmerzen in meinem Körper zu überwinden. Ich schaffe es nur, meine schweren Augenlieder offen zuhalten und zu sehen, wie Theo mit einer erschöpften Mimik und blutverschmierten Klamotten über einen toten Mann steigt. Dabei bemerke ich, wie er sein linkes Bein leicht hinter sich herzieht und seinen rechten Arm leicht abgewinkelt an seinen Oberkörper presst.

„Theo," höre ich Scott vorwurfsvoll einzuwerfen. Jedoch entgeht mir auch nicht sein erleichterter Unterton, der in dem Namen des Teenagers mitschwingt. Ich kann mir nur vorstellen wie knapp wir in dieser Sekunde dem Tod entronnen sind. „Wir müssen hier weg, Scott," redet Theo eindringlich auf den Alpha ein und reibt sich den Schweiß von seinen Händen an der Hose ab. An dieser klebt Blut. Genauso wie an seinen Schuhen, die das dunkelrote Blut auf dem Boden langsam aufsaugen. Selbst in meinem Zustand erkenne ich an Theos Körper die Verletzungen und kann ihre Schwere mit nur einem Blick einschätzen. Für seine Kräfte sind sie heilbar, aber nur langsam.

Er braucht mehr Zeit. 
Wir alle brauchen das.

„Hier, nimm ihren Arm," sagt Scott und ich sehe wie er näher zu mir tritt und seine Hand sanft unter meine Schulter schiebt. Gleichzeitig wirft er Theo einen auffordernden Blick zu, dem der geschwächte Teenager jedoch nicht nachkommt. Obwohl die Schmerzen den Wolf in mir Schwächen, hat sich mein Gehörsinn bereits geschärft und nimmt jetzt die vermehrten Schritte wahr. Ich schätze sie auf mindestens zehn Seitengänge entfernt. Vielleicht sogar ein Stockwerk. Aber sie kommen näher. Keine Frage.

„Scott," sagt Theo eindringlich und macht eine dementsprechende Geste, die jedoch in dem schwarzen Punkten in meinem Blickfeld untergeht. Innerhalb weniger Sekunden löst sich McCalls Hand von meinem Körper und er weicht von meiner Seite. „Da draußen sind noch andere von seiner Sorte," ich kann sehen wie Theo bei seinen Worten auf den toten Mann hinter sich zeigt, „Ich kann sie hören. Wir müssen hier sofort raus!" „Dann komm her und hilf mir," wendet Scott ein, dessen Nähe ich noch immer spüren kann. Im selben Moment lassen die schwarzen Punkte in meinem Blickfeld nach und ich realisiere zum ersten Mal, dass wir das Büro schon längst hinter uns gelassen haben. Stattdessen befinden wir uns in dem dunklen Gang, der uns durch die verschiedenen Nebengänge und -räume von mehreren Seiten gleichzeitig angreifbar macht. Hinter uns ist komplette Stille. Ich vermute, dass es meinem Vater so ähnlich geht wie mir. Nur dass ihm das Gift bereits die Luft zum Atmen nehmen dürfte.

„Scott mit ihr haben wir keine Chance!"
„Wir lassen sie hier doch nicht einfach so zurück!"

Die beiden Teenager sind noch immer in ihrer gegensätzlichen Diskussion gefangen. Ich höre ihre Worte und aus der Richtung der Beiden nehme ich den immer stärker werdenden Geruch der Wut wahr. Trotzdem verstehe ich den Sinn ihres Streites nur am Rande meiner Aufmerksamkeit, da es für meinen geschwächten Körper immer schwerer wird, sich ohne Hilfe in einer aufrechten Sitzhaltung zu halten. Ich schließe die Augen und versuche das Gleichgewicht auch mit den Schmerzen zu behalten. Jedoch führt die Anstrengung dazu, dass sich meine Muskeln verkrampfen und ich das Gefühl habe, mich immer schneller zu drehen.

„Niemand wird zurückgelassen. Das ist der Plan!"
„Ich nehme es gerne zur Kenntnis, dass du und dein Rudel bereits einen Plan für eine solche Situation entworfen habt. Aber da eurer Plan total hirnverbrannt ist und uns alle umbringen wird, habe ich mich dazu entschieden ihn zu ignorieren!"

Theo möchte mich zurücklassen, um sein eigenes und Scotts Leben zu retten. Ich fühle mich von seiner Idee noch nicht einmal beleidigt. Stattdessen respektiere ich Theos Überlebensinstinkt, dem mein eigener gleich kommt. Langsam schiebe ich meinen Körper die letzten Zentimeter in Richtung Wand, um ihm die Hilfestellung zu geben, die er so dringend benötigt. Dass ich dabei eine dunkle Schleifspur aus schwarzem Blut auf dem Betonboden hinterlasse, nehme ich nur am Rande meiner Aufmerksamkeit wahr. Zur selben Zeit lehne ich meinen Rücken gegen die harte Wand und lege meinen Kopf in den Nacken. Somit stößt mein Hinterkopf gegen den kühlen Beton und sekundenlang schließe ich die Augen. Mein rechtes Bein habe ich ausgestreckt, während ich das andere - trotz Schmerzen - weiterhin in einer leicht angewinkelten Haltung verweilen lasse. Zur selben Zeit habe ich meinen linken Arm wie eine Art Druckverband auf die Schussverletzung an meiner Hüfte gepresst. Scotts Jacke scheine ich verloren zu haben und die Schmerzen hindern mich zunehmend daran, einen so großen Druck auf die Wunde auszuüben, dass es beim Blutverlust irgendeine Wirkung zeigt.

„Ich werde sie nicht hier zurücklassen," entgegnet in diesem Moment Scott und flatternd zwinge ich mich dazu meine Augen zu öffnen. Meine Finger ertasten auf dem Boden kaltes Metall und dankbar greife ich nach der Waffe, die ein Angreifer hier verloren haben muss. „Dann wist du hier an ihrer Seite sterben," prophezeit Theo und schüttelt aufgebracht den Kopf. Noch immer streiten die beiden Jungen miteinander, wobei sie so laut und von einander abgelenkt sind, dass ich einen hinterhältigen Angriff durch unsere Gegner befürchte. Ich würde am liebsten selbstbewusst eingreifen, schaffe es jedoch nur mit leiser Stimme einzuwenden: „Theo hat...," ein heftiger Hustenanfall erschüttert mich. Ich fühle das Blut, dass mit dem Husten aus meiner Lunge in meinen Mund dringt und stoßartig über meine Lippen hinaus springt.
Meinen gesamter Körper erbebt unter unter dem Husten, während der metallische Geschmack meines eigenen Blutes tief in meine Geschmackszellen eindringt: „Er hat Recht!"

Aufgrund meines Hustens, hat sich die Aufmerksamkeit beider Teenager auf mich gerichtet und für wenige Sekunden scheinen sie ihren Streit zu vergessen. Im selben Moment spüre ich wie mir das Blut dickflüssig über die aufgeplatzten Lippen läuft. Wie lange Speichelfäden läuft es an meinem Kinn herunter, bevor es ungebremst auf mein Shirt tropft. Ich fühle mich zu schwach, um meinen Arm den Befehl zu geben mir das Blut vom Mund zu wischen. Stattdessen verharre ich geschwächt auf dem Boden des Gebäudes und nutze die kurzzeitige Stille zwischen dem Alpha und seinem Beta. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Theo die Waffe in meinem Schoß bemerkt. Er nimmt intuitiv eine kampfbereite Haltung an, wagt es jedoch nicht mich zu unterbrechen.

„Ihr müsst gehen...," bevor ich weiterspreche richte ich meinen Blick direkt auf Scott, „...und zwar ohne mich!" Wieder zwingt ein Hustenreiz meinen Körper dazu, sich zu verkrampfen. Für Sekunden erzittert mein Körper und ein neuer Schwall schwarzes Blut spritzt - getrieben durch den Husten - aus meinem Mund. Ich versuche mit der freien Hand auf meiner Wunde einen größeren Druck auszuüben. Jedoch scheitere ich an meinem körperlich geschwächten Zustand, den fast schon tödlichen Schmerzen und dem rationalen Wissen, dass es für die Lutrinae Patronen höchstwahrscheinlich keine Heilung geben wird. Somit ist auch Theos unterschwellige Botschaft bei mir angekommen: Ich werde sterben. Mit oder ohne ihre Hilfe.

Sekunden vergehen, in denen ich mir selbst bewusst mache, dass der Teenager recht hat. Die Hoffnung auf eine Heilung der Lutrinae Patrone habe ich schon längst verloren und auch mein Körper ist nicht länger zu einer Bewegungen fähig. Ich richte meinen Blick auf den Alpha und seinen Beta. Dabei wird mir in dieser Sekunde eine Sache klar. Ich werde vielleicht heute hier sterben. Damit habe ich mich mehr oder weniger abgefunden. Aber wenn die Beiden sofort von hier verschwinden - ohne mich - haben zu mindestens sie eine Chance zu überleben.

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Nur noch ein/zwei weitere Kapitel ☺️ je nachdem ob ihr den Epilog als ein solches anerkennen möchtet - ansonsten hoffe ich dass die Story trotzdem noch spannend ist. Es ist einfach überwältigend wie ihr mit Raven und dem Rudel mitfühlt, vielleicht passiert dadurch ja noch das ein oder andere Wunder :)

Lg CoolerBenutzername
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