54. Liam Dunbar and Theo Raeken

„Wir brauchen einen Plan um hier rauszukommen," sagt Liam jetzt und fährt sich mit einer aufgebrachten Geste durch die kinnlangen Haare. Gleichzeitig tigert er weiterhin unruhig durch den Raum, was er schon seit gefühlten Stunden tut. Dabei können seit meinem Erwachen gerade mal zwanzig Minuten vergangen sein. Wenigstens sind die pochenden Schmerzen hinter meinen Schläfen verschwunden, was mir jedoch immer noch keinen einwandfreien Gedankenprozess erlaubt.

Mir möchte einfach keine Information, kein Fakt und schon gar kein Ass im Ärmel einfallen, den ich in dieser Situation zu unseren Gunsten ausspielen könnte. Stattdessen sitze ich tatenlos auf dem Parkettboden und habe meinen Rücken an die Wand gelehnt. Meine Beine habe ich nach vorne hin ausgestreckt, während ich meine Hände in meinem Schoß liegen habe. Während Liam von der einen Seite des Raumes, zur anderen läuft und dabei immer wieder verschiedene Versionen von 'Wir brauchen einen Plan' vor sich hin murmelt, wirft er mir und Theo immer abwechselnde Blicke zu. Dieser steht - nebenbei bemerkt - mit verschränkten Armen locker an die Wand gelehnt. Im Gegensatz zu Liam ist er die Ruhe selbst. Doch im Gegensatz zu mir, ist er noch immer bis zum Zerreißen angespannt. Jedoch lässt er sich von Liam's Unruhe nicht anstecken.

„Irgendwelche Ideen?" fragt das Schößhündchen jetzt und bleibt zum ersten Mal in der Mitte des Raumes stehen. Er wirft uns nacheinander lange, erwartungsvolle Blicke zu und ich bin mir ziemlich sicher seine Genervtheit sowohl an seinem Körper riechen als auch ansehen zu können. Er scheint weder von meiner, noch von Theo's, fast schon gleichgültige Passivität begeistert zu sein. Was mir jedoch egal ist. Ich antworte nicht auf seine  Frage, schon allein aus dem Grund, weil bereits jetzt sarkastische und alles andere als hilfreiche Kommentare in meinem Kopf herumschwirren...und das arme Schoßhündchen muss ich nicht noch mehr verschrecken als es dank der Situation ohnehin schon ist.

„Was wir brauchen ist Scott," wirft Theo überraschenderweise jetzt ein, obwohl mir sein Ton gefährlich provokant klingt. „Ach ja? Dann rufe ihn doch an Mr. Besserwisser!" kneift Liam jetzt sofort zurück, was mir meine Vermutung, den herausfordernden Unterton betreffen, bestätigt. Bereits jetzt sehe ich einen kleinen Machtkampf zwischen den beiden Jugendlichen vor, habe in dieser Sekunde jedoch - noch - nicht die Lust einzugreifen. Sollen die beiden sich halt gegenseitig die Köpfe einschlagen.

Theo stößt sich jetzt von der Wand ab und kommt mit schnellen Schritten auf Liam zu, der nicht zurückweicht. So stehen sie sich mit gereizten Blicken gegenüber. Kurz mustere ich die Szene, bevor ich meinen Hinterkopf gegen die Wand sinken lasse und die Augen schließe. Zwar sind die Schmerzen von dem unerwarteten Schlag auf den Kopf vergangen, trotzdem haben sie ein benommenes Gefühl in meinem Körper hinterlassen, was für mich mehr als ungewohnt ist. Bisher haben sich die meisten schwächenden Gefühle auf Hass, Wut und brennenden Schmerz bezogen. So etwas wie Unwohlsein gibt es eigentlich nicht in meinem Leben. Dafür heilt sich mein Körper zu schnell.

„Wenigstens bin ich realistisch," höre ich jetzt Theos Stimme, die Liam's Argument mit einer ruhigen Tonlage überstimmt, „Und versuche nicht in die Fußstapfen eines noch lebenden Alphas zu treten!" Die Spannung zwischen den beiden ist im Raum greifbar und auch ohne Sichtkontakt zu den Beiden, weiß ich intuitiv, dass dieses Gespräch ohne einen Eingriff meinerseits schlimm enden wird. Doch vorerst verharre ich in meiner sitzenden Position und versuche die Information in meinem Kopf einzufangen, die uns hier raushelfen wird. Im Hintergrund höre ich dabei weiterhin die Stimmen der Beiden Betas, die bei jedem entgegensetzenden Satz lauter zu werden scheinen.

„Stimmt du tötest ihn lieber. Obwohl er damals die einzige Person war, die dir helfen wollte!"
„Helfen?!" wirft der Ältere der Beiden jetzt höhnisch ein, „War das vor oder nachdem ihr mich in die Hölle geschickt habt, um meine tote Schwester zu besuchen?"

Bei Theos rhetorischen Frage ziehe ich kaum merklich die Augenbrauen zusammen, lasse meine Augen jedoch verwirrt geschlossen. Die Worte des Betas überraschen mich und nicht nur, weil er in dieser Sekunde offenkundig über den Alpha herzieht, wobei ich noch wenige Minuten zuvor von seinem Vertrauen in McCall überzeugt war. Viel mehr überraschen mich die Wörter Hölle und tote Schwester. Ich hatte bereits geahnt, dass Theo innerlich genauso verkümmert ist wie ich, aber nicht, dass er ein solches Wrack ist. Genauso wenig hatte ich erwartet jemals jemanden so persönlich von der Hölle sprechen zu hören. Denn selbst für eine Stadt wie Beacon Hills, ist ein Besuch in der Hölle etwas zu fiktiv. Auch für jemanden wie mich, der begeistert 12 Staffel Supernatural geschaut hat.

Jedoch habe ich in den letzten beiden Jahren gelernt, solchen Fakten einfach kommentarlos hinzunehmen und nicht weiter zu hinterfragen.

„Du hattest es verdient," wirft Liam jetzt impulsiv ein und der sauere Duft der Wut überfällt mich wie eine Welle. Schlagartig öffne ich meine Augen und richte meinen Blick auf das Schoßhündchen, das sichtbar angespannt ist. Seine Hände sind zu Fäusten geballt und so stark zusammengepresst, dass seine Knöchel weiß hervortreten. Ein weiteres falsches Wort von Theo und Liam würde wie eine tickende Zeitbombe explodieren. Ich entscheide mich einzugreifen.

„Seit still," werfe ich deshalb laut ein und rappele mich aufgrund der noch immer heilenden Wunden weniger elegant vom Boden auf. Durch meine Stimme, die nach gefühlten Stunden zum ersten Mal wieder ertönt, richten sich die Blicke der beiden Jungen schlagartig auf mich und ich lasse mir wenige Sekunden Zeit, um meinen - ehrlich gesagt ziemlich unfreundlichen - Einwurf genauer zu erklären. Dabei nehme ich deutlich die Abschwächung von Liam's Wut wahr und wenn man bedenkt, dass er an einer Impuls-Kontroll-Störung leidet, muss man ihm eingestehen, dass er - von ein paar wenigen Impulsen mal abgesehen - seinen Werwolf gut im Zaum halten kann. Ich wäre mit dieser Krankheit schon längst Amok gelaufen.

Mein Blick gleitet durch den Raum und bleibt wenige Sekunden lang an der Decke hängen. Eine kleine schwarze Ausbeulung sticht mir zum ersten Mal ins Auge und langsam richte ich meinen Blick zurück auf die beiden Jungen: „Solange wir in diesem Raum sind, können wir nichts unternehmen," ich zeige für wenige Sekunden nach oben auf dem schwarzen Fleck, „Da oben hängt eine Kamera. Egal was wir aushecken: die Leute meines Vaters werden darauf vorbereitet sein!" Ich richte meinen Blick zurück auf das Schoßhündchen und Mr. Besserwisser. Beide starten noch nachdenklich die Decke an. Doch dann senkt Liam seinen Blick und richtet seine Augen auf mich.

„Das heißt wir sollen einfach nur warten?"

Ich atme hörbar laut aus und verdrehe die Augen über sein fassungsloses Kommentar, antworte dann jedoch mit einem simplen 'Ja'. Im Gegensatz zu ihm habe ich nämlich schon längst verstanden, dass wir im Moment nichts anderes tun können als zu warten. Nicht, dass ich es gern tun würde. Ich würde meinem Vater liebend gerne in den Arsch treten. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er an alles gedacht hat. Wir würden bei einem Versuch noch nicht einmal aus dem Raum kommen, bevor er uns nacheinander tötet. Somit ist warten momentan unsere beste Chance.

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Ich wünsche euch allen einen schönen Donnerstag ☀️ und noch einmal vielen vielen Dank für die vielen Kommentare und Votes - das bedeutet mir wirklich sehr viel

Lg CoolerBenutzername
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