50. Raven Hale #surprise

„Liam," sagt Scott jetzt, ohne Blickkontakt, an seinen Beta gewandt, „Hole ihn rein!"

Mit hochgezogenen Augenbrauen, verschränkten Armen und einem unbeeindruckten Blick beobachte ich Liam dabei wie er mit schnellen Schritten in einen Nebenraum verschwindet, den ich jetzt zum gefühlten ersten Mal aktiv wahrnehme. Ich frage mich, wen mir das Rudel zu verheimlichen versucht und um wen zur Hölle es überhaupt geht. Das geheimnisvolle Verhalten des Rudels lässt mich an eine bestimmte Person denken, jedoch möchte ich diesen Gedanken gar nicht erst zulassen.

Denn ich würde lieber noch einmal eine Nahtoderfahrung durchstehen und dabei angeschossen werden, als die vermutete Person auch nur zu sprechen...denn noch lieber würde ich diese Person in Anwesenheit des Alphas erschießen. Jedoch hoffe ich, dass McCall nicht den schwerwiegenden Fehler macht und mir tatsächlich die eine Person vorsetzt, die ich schon seit Jahren suche. Denn ansonsten hätten wir beide ein riesiges Problem. Ich in Form einer 1,78m großen Leiche - die man nicht so einfach in eine Mülltonne stopfen kann - und McCall in Form von einem moralischen Vertrauensbruch. Somit bleibt mir nur die Hoffnung, dass der Alpha nicht so dumm ist, wie in dieser Sekunde von mir erwartet.

Endlich verlässt das Schoßhündchen den Raum und trifft wieder auf uns. Hinter ihm tritt ein großer Mann hervor und wie gebannt starre ich ihn an. Meine Brust droht vor Spannung zu zerreißen - ich habe aufgehört zu atmen - und meine Hand wandert blitzschnell zu der Waffe in meinem Hosenbund. Ich ziehe sie hervor und richte den Lauf auf den älteren Mann. McCall tritt in meine Schusslaufbahn. Stellt sich vor den muskulösen Mann und nimmt ihn somit in Schutz. Das tut er so schnell, dass ich noch nicht einmal meine Waffe entsichern kann.

„Gehe aus dem Weg McCall," gebe ich jetzt ein bedrohliches Knurren von mir, ohne die Waffe auch nur ansatzweise zu senken. In dieser Sekunde ist es mir egal, ob ich erst dem Alpha eine Kugel durch die Brust jagen muss. Ich presse meinen Kiefer aufeinander, balle meine freie Hand zu einer Faust und atme tief durch. Heiße Wut steigt in mir auf und macht sich rasend schnell in meinem Körper breit. Mein Herzschlag steigt an. Mein Puls rast, trotz meiner ruhigen Hand die die Waffe ruhig auf mein Opfer richtet. Ich kneife meine Augen leicht zusammen und fixiere den Mann in grauem Langarmshirt mit einem mörderischen Blick.

Crowley und die bevorstehende Gefahr eines Angriffs ist vergessen.

„Raven tue es nicht," versucht McCall jetzt beruhigend auf mich einzureden. Erst jetzt nehme ich seine beschwichtigenden Worte wahr, auch wenn ich mir sicher bin, dass er schon seit Sekunden versucht zu mir durchzudringen. Jedoch hat die Wut mich vollkommen eingenommen und droht die Kontrolle über meinen Körper zu übernehmen. Würde ich mich in dieser Sekunde nicht in die Zeit zurückversetzt fühlen, in der ich meine Körperkontrolle ständig dem Mal an meinem Arm überlassen habe, hätte ich wahrscheinlich schon längst abgedrückt. So jedoch versuche ich krampfhaft meine Selbstkontrolle zu wahren.

„Warte. Dich kenne ich," meldet sich jetzt auch der Mann - Peter Hale - zu Wort und mustert mich sekundenlang, „Du bist das Mädchen, dass mich in London versucht hat zu töten!" Höhnisch lache ich auf und frage sarkastisch nach: „Was hat mich verraten?" Ich schlage einen spöttischen Ton an: „Etwa die Waffe in meinen Händen?" Peter wagt keine Antwort und in dieser Sekunde erlaube ich mir erst gar nicht, darüber nachzudenken, warum der Onkel meiner Mutter so überrascht klingt als er mich wieder erkennt. Haben Scott und Derek ihm etwa nichts von meinem jahrelangen Rachefeldzug erzählt?!

„Peter," sagt Derek jetzt links neben mir und obwohl ich meinen Blick weiterhin rachsüchtig auf Peter gerichtet habe, sehe ich meinen Onkel aus dem Augenwinkel langsam näher kommen. „Das ist Raven!" Erneut macht Derek eine dramatische Pause und ich werde bei seinen näherkommende Schritten leicht nervös. Jedoch bleibt er jetzt auf einer Höhe mit mir stehen, wodurch ich mit einem kurzen Seitenblick auch seine erhobenen Hände sehen kann. Er scheint also keinen heldenhaften Alleingang zu planen, bei dem er mich aus dem Hinterhalt heraus überrumpelt.

„Sie ist ebenfalls eine Hale," ich kann meinem Onkel sichtbar nach Worten suchen hören, „Sie ist Lauras Tochter!" Erneut bin ich darüber überrascht, wie wenig Peter selbst über mich und seine Nichte zu wissen scheint. Es macht mich noch wütender und meine Hand schließt sich noch fester um den Griff meiner Pistole. Trotzdem entgeht mir nicht die überraschte Reaktion des Mörders. „Laura hat keine Tochter," widerspricht er anschließend seinem Neffen und mir fällt auf, dass er den Präsenz benutzt, anstatt in Vergangenheitsform über meine tote Mutter zu reden.

„Doch hatte sie," melde auch ich mich jetzt zu Wort. Die Schusswaffe in meiner Hand zittert leicht, was jedoch nicht an irgendeiner Nervosität oder Angst liegt, sondern viel mehr an dem Druck, mit dem ich den Griff der Waffe umfasse. Noch immer pulsiert die Wut durch meinen Körper und lässt die Worte aus meinem Mund mörderisch kalt klingen: „Ich war gerade mal neun als sie starb. Neun," In Peter Hales Augen taucht etwas auf, das ich nicht deuten kann. Jedoch interessieren mich seine Gefühle auch nicht. In dieser Sekunde möchte ich ihn nur leiden lassen. Ich möchte mich dafür rächen, dass er meine Mutter getötet und mein Leben ruiniert hat. Dass er mich zu dem Monster gemacht hat, das ich heute bin.

„Raven leg die Waffe weg," versucht Scott erneut auf mich einzureden und jetzt ist er derjenige der die Arme leicht angehoben vor seinen Körper hält, „Wir brauchen ihn." Erneut lache ich höhnisch auf und sage mit finsteren Blick: „Das wage ich zu bezweifeln!" Gleichzeitig spannt sich mein Finger leicht an und bringt somit den Abzug in Spannung. Diese Spannung balanciere ich gekonnt aus. Ich kenne meine Waffe und weis, wie viel Druck ich ausüben kann, bevor sich ein Schuss löst. In dieser Sekunde würde ich nichts lieber tun als Peter eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Auch wenn dies bedeutet, dass ich auch Scott weh tun muss.

„Geh' aus dem Weg Scott," presse ich jetzt  zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und richte meinen Blick zum ersten Mal bewusst auf McCall. Dadurch nehme ich auch zum ersten Mal bewusst seinen Blick auf, mit der mich sehnlichst darum bittet die Waffe zu senken. Dabei will er mich nicht dominieren. Er fleht mich nicht an. Er bittet mich in dieser Sekunde mit seinen Augen nur um Verständnis. Wortlos. Es tut mir Leid, mich so verhalten zu müssen. Doch ich schulde es meiner Mutter.

Peter Hale muss sterben.

„Raven hör' zu,"  ertönt jetzt Derek's ruhige Stimme und bevor ich mich versehe, hat er Scott sanft zur Seite gedrängelt und steht jetzt selbst in meiner Schussbahn. Ich lasse meinen Blick kurz auf ihm hängen, bevor ich ihn wieder auf Peter richte, der in dieser Sekunde schweigt und die bedrohliche Situation von den anderen Rudelmitgliedern entschärfen lässt. Somit ist er entweder ziemlich schlau, oder einfach nur ein riesiger Feigling - eine Einschätzung die ich vom ganzen Herzen unterstütze.

„Ich kann dich verstehen. Kann ich wirklich," Derek hält seine Hände noch immer demonstrativ ergeben vor seine Brust, während er jetzt eine dramatische Sprechpause einlegt. „Ich weiß. Du hast deine Mutter verloren. Ich habe damals aber auch jemanden verloren. Meine Schwester. Ich verstehe dich," mein Blick gleitet von Peter langsam zurück zu Derek, „Und ich kann dich verstehen, wenn du ihn Tod sehen willst!" Hinter ihm höre ich ein empörtes Ausatmen, dass jedoch sofort verstummt als ich aus dem Augenwinkel Malia sehe, der in Richtung des Mörders eine befehlende Handbewegung macht und ihm dabei zum Schweigen rät. Meine Aufmerksamkeit richtet sich zurück auf Derek, der in dieser Sekunde bereits weiterspricht.

„Das wollte ich auch und ich habe ihn getötet. Erinnerst du dich?" „Trotzdem steht er jetzt hier," stelle ich jetzt provokant fest, obwohl ich mich tatsächlich daran zurück erinnere, wie mir mein Onkel von seinem Mord an Peter erzählt hat. Damals klang er aufrichtig und auch heute zweifele ich nicht an seinen Worten. „Aber wie Scott schon gesagt hat, brauchen wir ihn dieses Mal. Mit ihm haben wir vielleicht eine Chance deinen Vater zu besiegen!" „Ach ja und die wäre?" frage ich jetzt spöttisch bei ihm nach, „Was gibt er vor zu wissen?!" „Er kannte Crowley," wirft McCall jetzt von der Seite heraus ein. Jedoch schenke ich ihm keinen Blick. Stattdessen erdolche ich Peter weiterhin mit meinen Augen.

„Scott hat Recht," spricht Derek jetzt weiter, als würde er meinen Blick falsch interpretieren. Als würde er denken, ich würde ihn anschauen und nicht etwa Peter, den er noch immer mit seinem gutgebauten Körper beschützt. „Peter kannte Crowley. Den jugendlichen Crowley. Wenn jemand seine Schwächen kennt, dann er," erklärt Derek jetzt den Sachverhalt und ich kann die Logik hinter seinen Worten nicht verleugnen. Ich erinnere mich an meine Mutter und an die Geschichte, die sie mir erzählt hat. Wie Crowley ihre Jugendliebe war. Sie hatte mir auch einiges über Peter erzählt und darüber, dass er früher ständig bei ihr und Derek rumhing.

Ich möchte es nicht zugeben, doch die Worte meines Onkels klingen logisch. Logischer als einen Selbstmordtrip zu starten, nur um irgendwelche Kugeln zurück zu bekommen. Kugeln, die ich genauso gut erneut aus dem Hale Tresor entwenden könnte. Diese Erkenntnis trifft mich hart und bestätigt mir das, was ich ich so verzweifelt versucht habe zu vermeiden. Die Wut vernebelt nicht nur meinen Blick auf die Situation, sondern zwingt mich auch zu undurchdachten, impulsiven Aktionen.

„Ich habe es ihr versprochen," sage ich jetzt leise, während ich innerlich einen Kampf mit mir selbst führe. Die erloschene Wut in meinem Kopf möchte erneut auflodern und Peter sofort töten. Meine Rationalität dagegen möchte die Überhand behalten und erzählt mir deshalb immer wieder aufs neue, dass Derek Recht haben könnte. Vielleicht ist Peter der Schlüssel für alles. Auch wenn ich es nicht wahrhaben möchte.

„Ich weiß," sagt Derek jetzt überraschend verständnisvoll, „Und du kannst ihn auch töten. Mir vollkommen egal," erneut höre ich wie Peter Einspruch erheben will, aber erneut mit einer Geste zum Schweigen gebracht wird, „Aber zuerst einmal müssen wir Crowley besiegen und dafür brauchen wir ihn!" Ich nicke bei Derek's Worten leicht und noch bevor ich es mir anders überlegen kann, lasse ich die Waffe in meiner Hand bereits leicht sinken. Erleichtertes ausatmen in dem Loft. Eine Person neben mir reagiert geistesgegenwärtig und nimmt mir sofort gekonnt die Waffe ab. Erst in der nächsten Sekunde erkenne ich in dieser Bewegung Theo, der scheinbar mir Waffen umzugehen vermag.

Er sichert die Pistole und legt sie zur Seite. Sofort verschwindet die Anspannung im Raum und alle sind spürbar erleichtert. Ich jedoch fange bereits schon wieder damit an, meine Entscheidung zu bereuen. Vor allem jetzt, wo Derek von Peter zurück tritt und mir eine freie Schussbahn liefert. Zum ersten Mal an diesem Tag sehe ich den Mörder meiner Mutter ohne eine Person zwischen uns und ich habe keine Ahnung, ob die Wut oder die Rationalität in mir über einen längeren Zeitraum gewinnen wird.

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Viele von euch haben es schon längst erwartet 🤷🏼‍♀️ aber ich kann euch nicht immer überraschen. Naja zu mindestens nicht solange wie ich von vier betrunkenen Jugendlichen umgeben bin, die gerade feststellen dass sie lieber ein Pinguin als ein Wal wären 😂😅

Lg CoolerBenutzername
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