Die Fesseln der Kontrolle
Die Tage zogen sich träge dahin, jeder von ihnen schwer und voll mit der drückenden Last der Einsamkeit. Felix fühlte sich, als würde er in einem endlosen Tunnel gefangen sein, der immer enger wurde. Zu Hause war er nicht der Felix, den er kannte - der junge Mann, der manchmal träumte, die Welt zu erobern, der die Freiheit spürte, wenn er die Sonne auf seinem Gesicht sah. Hier, in diesem Haus, war er nur der Sohn, das perfekte Abbild der Erwartungen seiner Eltern. Und je mehr er versuchte, sich davon zu befreien, desto mehr schien sich der Knoten fester zu ziehen.
Seine Eltern, obwohl sie ihn nicht offen beschuldigten, ließen keine Gelegenheit aus, ihm zu zeigen, wie wenig sie ihn wirklich verstanden. Es waren die kleinen Dinge, die ständigen Fragen, die Kontrolle über jedes noch so kleine Detail in seinem Leben, die ihn immer mehr isolierten. Sie waren nicht brutal in ihrer Überwachung, aber sie wussten, wie sie ihn leise zermürben konnten, wie sie seine Freiheit Stück für Stück rauben konnten, ohne dass er sich wehren konnte.
Felix saß oft in seinem Zimmer, der Laptop vor sich, die Augen auf den Bildschirm gerichtet, aber die Gedanken weit weg. Er konnte sich nicht auf die Aufgaben konzentrieren, die vor ihm lagen. Die Schule war ein Schatten, der ihn nur noch an die Dinge erinnerte, die er nicht erreichen konnte. Und in dieser Isolation fühlte sich die Welt draußen so weit entfernt an, als ob sie in einer anderen Dimension existierte.
Trotzdem gab es immer noch diese Verbindungen zu anderen, die zu leuchtenden Punkten in seiner tristen Welt wurden. Jeden Tag bekam er Nachrichten von Hyunjin, Jisung und Changbin. Die Worte der Freunde waren wie ein flimmerndes Licht, das ihn durch die Dunkelheit führte. Doch je mehr Nachrichten er erhielt, desto mehr fühlte er sich, als würde er ertrinken. Es war zu viel. Zu viel, um alles zu verarbeiten, zu viel, um allen gerecht zu werden.
„Wann sehen wir uns wieder?", schrieb Hyunjin immer wieder, seine Worte immer liebenswerter, immer hoffnungsvoller, als ob er auf Felix' Antwort wartete, als wäre alles in Ordnung. „Ich vermisse dich."
„Felix, du hast dich lange nicht gemeldet. Ist alles okay bei dir?", kam Jisungs Nachricht, einfach, aber voller Sorge, und Felix konnte sich förmlich vorstellen, wie er mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm starrte, auf der Suche nach einem Hinweis, der ihm zeigte, dass Felix sich nicht mehr zurückzog.
„Du musst mir nicht immer antworten, aber ich hoffe, dir geht es gut. Denke an dich", war die Nachricht von Changbin. Sie war kurz, aber auf eine Weise, die ihm das Gefühl gab, dass Changbin mehr wollte, als er sagen konnte. Er wollte ihn bei sich haben, wollte wissen, was mit ihm los war. Und Felix wusste, dass er ihm das nicht geben konnte.
Mit jeder Nachricht, die er las, wuchs der Druck. Die Freundschaft, die sie teilten, war etwas Besonderes, etwas, das Felix in dieser Welt so sehr brauchte. Aber die ständige Erwartung, immer da zu sein, immer zu antworten, zu reagieren - es schien wie ein weiterer Ballast, der ihn niederzog. Er konnte es nicht mehr ertragen, jede Nachricht wie eine Verpflichtung zu behandeln, als ob er sich ständig rechtfertigen müsste, warum er nicht gleich zurückschrieb.
Es war nicht, dass er seine Freunde nicht mochte. Im Gegenteil, er liebte die Momente, in denen sie zusammen waren, diese unbeschwerten Augenblicke, in denen er sich lebendig fühlte. Aber die Realität seiner Familie und der Druck, den sie auf ihn ausübten, zerrten an ihm, zerschlugen den Frieden, den er durch die Nähe zu seinen Freunden suchte.
Felix starrte auf den Bildschirm seines Handys, als eine neue Nachricht von Changbin eintraf. Wieder war es eine einfache Frage, aber sie traf ihn wie ein Schlag. „Felix, wo bist du? Ich will dich sehen. Es fühlt sich an, als würde ich dich verlieren."
Seine Finger zitterten, als er die Nachricht las. Diese Worte, so direkt und aufrichtig, ließen etwas in ihm aufkeimen, etwas, das er nicht zulassen wollte. Er wollte antworten, wollte ihm sagen, dass er sich nach ihm sehnte, dass er auch vermisste, was sie hatten. Aber etwas hielt ihn zurück. Vielleicht war es die Stimme seiner Mutter im Hintergrund, die ihn immer wieder daran erinnerte, was er nicht durfte, was er nicht sein konnte.
Er legte das Handy zur Seite und versuchte, sich zu sammeln. Aber der Druck war unaufhörlich, wie eine Welle, die gegen ihn schlug. Es war, als würde das Leben von ihm verlangen, sich immer wieder zu verbiegen, sich immer weiter anzupassen. Und während er in dieser Spirale gefangen war, wusste er, dass er irgendwann zerbrechen würde, wenn er nicht endlich einen Ausweg fand.
Felix stand auf und ging zum Fenster, starrte in die Dämmerung hinaus. Die Welt draußen wirkte so frei, so unberührt, als ob sie ihn nur verspottete. Es war nicht fair. Er wollte raus, wollte diese Grenzen sprengen, wollte sich selbst wiederfinden. Aber es schien unmöglich.
Der Klang einer weiteren Nachricht ließ ihn zurück zur Realität kommen. Wieder eine Nachricht von Changbin, diesmal mit einem traurigen Emoji und den Worten: „Du bist der Einzige, dem ich vertraue. Bitte melde dich."
Felix' Herz zog sich zusammen. Was sollte er antworten? Wie konnte er ihm erklären, dass er nicht der war, den er brauchte? Dass er sich selbst verloren hatte? Dass er mehr und mehr die Kontrolle über sein eigenes Leben verlor?
Seine Finger glitten über das Display, und er tippte schließlich: „Es tut mir leid. Ich kann nicht. Ich muss hier bleiben."
Es fühlte sich an, als würde er etwas von sich selbst aufgeben, als würde er ein Stück seiner Freiheit verschenken. Doch er wusste, dass er keinen anderen Ausweg sah. Das Gefühl der Erschöpfung, die Angst, die ständige Kontrolle - sie erstickten ihn. Er schickte die Nachricht ab und legte das Handy zurück auf den Tisch.
Die Stille kehrte zurück, aber sie war nicht beruhigend. Sie war erdrückend, wie der Druck einer unsichtbaren Hand, die ihn festhielt, während er versuchte zu atmen. Felix wusste, dass er in dieser Stille gefangen war, dass er in diesem Haus, mit seinen unsichtbaren Ketten, einen Platz in der Welt suchte, den er nie finden würde.
Die Tage zogen sich weiter, und Felix fühlte sich, als würde der Raum um ihn herum immer enger werden. Das Gefühl, in einem Käfig zu sitzen, ließ ihn nicht los. Jeden Tag kämpfte er mit sich selbst, mit den Erwartungen, die seine Eltern an ihn stellten, und den Enttäuschungen, die er in ihren Augen las. Die ständige Kontrolle, das Fehlen jeder Art von Privatsphäre, all das zerriss ihn langsam. Doch an diesem Tag, an diesem entscheidenden Moment, erreichte es seinen Höhepunkt.
Es war wieder einmal ein ruhiger Morgen, als seine Mutter mit einem ernsten Blick das Frühstück servierte. Es war nichts Neues. Ihre Blicke waren kalt, und die Gespräche so oberflächlich, dass Felix schon lange aufgehört hatte, wirklich zuzuhören. Doch heute war etwas anders. Die Worte, die sie dann aussprach, trafen ihn wie ein Schlag ins Gesicht.
„Felix, du wirst in ein Internat gehen. Im Ausland. Es ist das Beste für dich. Du musst endlich auf den richtigen Weg gebracht werden."
„Was?"
Felix' Stimme zitterte, doch der Schock war noch nicht ganz in ihm angekommen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es so weit kommen würde. Ein Internat? Im Ausland? Die Vorstellung war wie ein Alptraum, der ihn in seinen Albträumen immer wieder verfolgte. Wie konnte es sein, dass sie über sein Leben entschieden, ohne ihn jemals zu fragen, was er wollte?
„Das ist deine Chance, dich zu ändern", sagte sein Vater, seine Stimme streng, aber nicht mehr so ruhig wie sonst.
„Du hast dich immer mehr von uns entfernt. Wir können nicht mehr zusehen, wie du dich selbst zerstörst."
Felix spürte, wie seine Wut in ihm hochstieg, wie die Worte seiner Eltern wie ein feiner Nadelstich in sein Herz drangen. Sie verstanden nichts, sie hatten nie wirklich verstanden, was er fühlte, was er durchmachte. Sie sahen nur den perfekten Sohn, den sie erschaffen hatten, und das war er nicht. Er war Felix, der Junge, der zu viel von sich selbst verlor, zu viel aufgab, um zu gefallen.
„Ich werde nicht gehen", sagte er plötzlich, die Stimme fest, entschlossen. „Ich werde nicht einfach mein Leben aufgeben, nur weil ihr es so wollt."
Seine Mutter schaute ihn mit einem Blick an, der alles sagte - die Enttäuschung, die sie über ihn fühlte, das Gefühl, dass er versagt hatte. Und in diesem Moment wusste Felix, dass er nichts gewinnen konnte.
„Du hast keine Wahl", sagte sie leise, aber bestimmt.
„Du wirst es tun, und wenn du dich weigerst, dann machen wir es eben ohne deine Zustimmung."
Wütend stand er auf, griff sich seine Sachen und stürmte aus dem Haus. Er hörte seine Mutter noch rufen, aber ihre Worte waren wie ein Echo in der Ferne.
„Du kannst nicht einfach weglaufen!"
Doch Felix hörte nicht mehr hin.
Er wusste, dass er nicht einfach dort bleiben konnte, dass er nicht stillsitzen konnte und auf die Entscheidung seiner Eltern warten konnte. Die Entscheidung war bereits gefallen, aber er würde es ihnen nicht so einfach machen.
Er ging direkt zur Lagerhalle - einem Ort, an dem er sich immer sicher gefühlt hatte, einem Ort, an dem er wusste, dass er nicht kontrolliert wurde. Als er die Tür aufstieß, traf er sofort auf Hyunjin und Jisung, die beide überrascht, aber auch besorgt aussahen, als sie ihn erblickten.
„Felix... was machst du hier?"
Hyunjin trat auf ihn zu, seine Augen sofort von Sorge erfüllt.
„Wir haben uns so um dich Sorgen gemacht. Du meldest dich nicht mehr. Was ist los?"
Felix spürte die Wut in sich aufsteigen, doch sie war nicht wie früher. Es war keine verzweifelte Wut mehr. Es war eine, die ihn stärker machte, die ihm eine seltsame Klarheit gab. „Es reicht", sagte er, und seine Stimme klang anders, härter, als sie es je gehört hatten. „Ich habe genug. Ich bin nicht mehr derjenige, der ich einmal war, der Felix, der einfach gehorcht hat. Ich werde nicht mehr tun, was sie von mir erwarten."
Jisung trat vorsichtig näher, seine Miene von Besorgnis gezeichnet. „Felix, du kannst uns alles sagen. Was ist passiert?"
„Was passiert ist?"
Felix lachte bitter.
„Meine Eltern haben entschieden, dass sie mich in ein Internat schicken. Sie wollen mich irgendwohin schicken, weit weg, damit sie mich ändern können. Sie haben nie verstanden, was ich brauche, was ich wirklich will. Sie haben immer nur ihre eigenen Vorstellungen von mir im Kopf. Und jetzt will ich nicht mehr warten. Ich werde es auf meine Weise tun."
Hyunjin und Jisung tauschten einen besorgten Blick aus, aber sie sagten nichts. Sie wussten, dass er etwas anderes in sich trug, eine Veränderung, die sie nicht ganz verstanden, aber die sie respektierten. Und sie wussten, dass sie ihm beistehen würden.
„Was willst du tun?", fragte Hyunjin schließlich, als er erkannte, dass Felix eine Entscheidung getroffen hatte.
„Ich will auf eine Party", sagte Felix einfach.
„Eine große Party. Ich will raus. Ich will das Leben leben, so wie ich es will. Ich will nicht mehr hier sitzen und warten, dass mir jemand sagt, was ich tun soll."
Jisung und Hyunjin sahen sich verwirrt an. Es war nicht die Felix, den sie kannten. Aber sie wussten, dass er es ernst meinte.
„Okay", sagte Jisung schließlich.
„Wenn du das wirklich willst, dann tun wir das. Aber du musst uns versprechen, dass du auf dich aufpasst."
„Ich werde auf mich aufpassen", antwortete Felix und spürte, wie sich etwas in ihm entspannte. Es war eine seltsame Mischung aus Angst und Aufregung, aber er wusste, dass dies der richtige Schritt war.
Während sie sich auf den Weg zur Party machten, zog Felix sein Handy aus der Tasche und schrieb eine Nachricht an Changbin.
„Ich habe einen Plan. Willst du mitkommen? Es wird wild. Ich lade dich ein, komm vorbei."
Als er die Nachricht absendete, fühlte er sich zum ersten Mal seit Langem lebendig. Er war nicht mehr das schwache, kontrollierte Kind, das sie in ihm gesehen hatten. Er war Felix, und er würde tun, was er wollte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top