Nach Jahren - Kian

"Hey, junger Mann! Hey, bist du noch hier oder bist du auf einem anderen Planeten?" Verärgert schnipst der Barkeeper vor meinem Gesicht herum und reisst mich aus meinen Gedanken. Verwirrt blinzle ich ein paar mal und schüttle den Kopf. Mein Blick gleitet zu dem Mann vor mir. Ich weiss das ich eigentlich eingeschüchtert sein sollte, denn zugegeben, mein Gegenüber ist viel grösser und sicher auch um einiges stärker als ich und trotzdem klingt meine Stimme mehr als trocken und gleichgültig als ich antworte. "Was willst du?"
Ich kann deutlich beobachten, wie sein Gesichtsausdruck sich verändert und am Ende war ich mir sicher, dass wenn ich eine Tomate neben seinen Kopf gehalten hätte, dass man keinen Unterschied der Farben hätte erkennen können.

"Sag mal, willst du mich eigentlich veräppeln? Ich schmeiss dich gleich mit hohem Bogen hier raus, verstanden? Davor will ich aber das Geld, Bursche!", schreit er mich an. Angeeckelt wische ich mir mit dem Ärmel meiner Jacke die Spucke von dem Typen aus dem Gesicht.
"Schon gut schon gut, anspucken musst du mich ja trotzdem nicht gleich, oder?" Ich verdehe meine Augen und erhebe mich. Unter strenger Beobachtung, knalle ich das Geld für den Alkohol auf den Tisch, der gerade noch meinen Hals hinunter geflossen ist. Ich spüre immer noch das leicht brennende, angenheme Gefühl des Whiskys in meiner Kehle.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, mache ich auf dem Punkt kehrt und laufe in Richtung der Tür um die Bar zu verlassen. In diesem Moment höre ich, wie der Barkeeper mir zornig nachruft. "Junge, bleib sofort stehen!" Ein breites Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit und ich lache leise in mich hinein. Nur zu gerne hätte ich mich umgedreht und gesehen wie der fette Mann an die Decke geht, aber ich habe keine Zeit dafür. Ohne zu zögern reisse ich die Tür auf, wodurch ein leises klingeln ertönt, und sprinte hinaus. Ich weiss, dass er mir nachrennen würde, denn mit Falschgeld ist keiner zufrieden, aber nach eins zwei Abbiegungen, würde er wahrscheinlich aufgeben und so war es auch. Zumindest laufe ich schon etwas länger im normalen Tempo durch die Strassen, ohne das er mich eingeholt hat.

Erst jetzt fällt mir auf, wie kalt es draussen ist. Die Schneeflocken überziehen alles mit einer weissen Schicht und die Kälte brennt sich gnadenlos durch meine Jacke hindurch. Ich ziehe meinen Schal noch etwas enger um meinen Hals und vergrabe die Hälfte meines Gesichts darin. Meine Hände stecke ich tief in meine Jackentaschen. Ich würde alles darum geben, jetzt vor einem Kamin zu sitzen in einem kuscheligen Sessel mit einem warmen, tief schwarzen Kaffee in den Händen. Ich kann förmlich beobachten wie sich die Flammen um das Holz züngeln und es langsam in Kohle umwandelt.

Vertieft in meinen Tagtraum, bemerke ich nicht die dünne Eisschicht auf dem Boden. Und dann falle ich. Doch es kommt mir vor wie in Zeitlupe. Denn in dem Moment, wo ich den Boden unter den Füssen verliere, sehe ich ihn wieder. Nach Jahren..

"Mika"

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