Tag 11
Es war noch dunkel draußen. Die Nacht war ich immer wieder aufgewacht. Verschwitzt, durch Albträume die nur für mich bestimmt waren.
Jetzt stand ich hier. Draußen. Mir war die Decke auf den Kopf gefallen.
Drinnen hatte ich es nicht ausgehalten. Hier hatte ich ein kleines bisschen mehr Raum. Ein kleines bisschen befreiter. Es war einfach zu verlockend.
Vor mir, die Pferdekoppel war leer. Zumindest an der Stelle an der ich stand. Zu viert standen sie am hinteren Ende.
Ich erkannte Emma und Ikarus. Letzterer graste friedlich vor sich hin. Sie hatten nicht gemerkt, dass ich hier stand. Würden sie wahrscheinlich auch nicht. Mich bemerkte selten einer.
Plötzlich hob das braune Pferd seinen Kopf. Am Vorabend hatte es zusammen mit dem weißen hinten gegrast. Auch Ikarus hob nun den Kopf und ehe ich es mich versah stoben die Pferde auf mich zu.
Sie schienen erwartungsvoll doch als sie näher kamen, war ich wohl doch nicht der den sie erwartet hatten und sie wurden wieder langsamer.
Gerne hätte ich liebkosende oder entschuldigende Worte gesagt, denn die Enttäuschung war vor allem dem weißen anzusehen.
Gestern hatte ich es mich nicht getraut, doch nun steckte ich vorsichtig meine Hand durch den Zaun. Nun würde sich entscheiden ob ich ein Stück dueser Freiheit haben durfte. Ob sie mich so akzeptieren konnten.
Emma schnaubte bevor er an meiner Hand schnupperte. Er war so lieb. Er machte mir ein Geschenk.
Ich hatte den erwartenden Blick von Hoseok nicht ertragen. Gestern. Er war so aufmunternd und liebevoll den Pferden und mir gegenüber.
Es erschreckte mich. Es hatte mich erschreckt. Schon seit längerer Zeit hatte ich keine aufmunternd Worte mehr gehört.
Meine Tante sprach keine aufmunternden Worte. Sie kam selbst nicht damit klar. Nicht mit mir und nicht mit der Situation. Ich konnte verstehen, dass sie nicht zusätzlich für mich stark sein konnte. Sie war gerade so für sich stark. Um mich musste sich nicht gekümmert werden.
Ich war eh nutzlos.
Hoseok kümmerte sich trotzdem um mich.
Und das Pferd, welches nun meine Hand beschnupperte und seinen Atem hinein bließ, kümmerte sich auch um mich. Es schenkte mir Aufmerksamkeit und das war kümmern genug.
Ich blickte zu den anderen. Sie musterten mich.
Und blieben.
Sie waren nicht wieder gegangen, nachdem sie mich als den erkannten der ich war. Nicht gegangen wie meine Freunde. Sie ließen mich nicht allein hier stehen.
Sie waren geblieben. Langsam streichelte ich Ikarus und Emma. Der Braune kam auch, um sich streicheln zu lassen. Der letzte der Runde stand grasend neben uns.
Die Pferde waren nicht groß. Der Kopf von Emma lag auf meiner Höhe, er überragte mich nicht und das war noch beruhigender.
Viele schauten über meinen Kopf hinweg. Die meisten entschieden. Wie mein Vater, so auch meine Tante.
Langsam wurde es heller. Als die Pferde die Köpfe hoben, schaute auch ich in die Richtung. Es war Hoseok der gerade aus dem Stall kam. Sein Blick verriet das er sich freute mich zu sehen.
„Yoongi.", sagte er und mein Name klang in diesem Moment schön. Ich mochte ihn schon eine Weile nicht mehr.
Mein Vater hatte ihn immer so ausgespuckt. Als Schimpfwort.
Meine Mutter hatte ihn nie sagen können. Angesprochen hatte sie mich nicht. Vielleicht weil mein Name sie wieder daran erinnerte, dass ich ihr Kind war.
Nun war sie weg.
Abgehauen. Nicht so wie die Pferde.
In einer Nacht und Nebelaktion hatte sie sich davon geschlichen. Vorher hatte sie meinen Vater, ihren Mann, angezeigt. Ihn verraten und mich seiner Wut überlassen.
„Möchtest du?", fragte Hoseok und reichte mir ein paar Möhren. Genügend um allen zwei zu geben.
Nur zu gerne nahm ich dieses Angebot an. Den Pferden die Leckerlis zu geben fühlte sich an, als könne ich ihnen etwas für das Bleiben zurück geben.
Es war ein unbekanntes, aber ein schönes Gefühl. „Der Schimmel heißt Penacotta. Und der Braune hier heißt Holmes.", gab Hoseok mir die zwei weiteren Namen durch.
„Möchtest du mir wieder helfen?", fragte er. Ich half gern. Hoseok half ich gerne.
Die Hühner fütterte ich mit ihm. Paulus wie der schwarze Hahn hieß krähte heute sogar protestierend aus leibes Kräften, als wir die Eier einsammelten. Es war erstaunlich amüsant. Wie er sich im Gehege nebenan sich aufplusterte.
„Ach, Paulus, halt die Klappe! Du kennst das doch", maulte Hoseok nicht weniger amüsiert wie ich. Ich war irgendwie voller Euphorie. Einem Gefühl der Leichtigkeit. Die Angst darüber drängte ich so weit zurück wie nur möglich. Manchmal. Nur ganz manchmal sollte mir doch sowas gegönnt sein. Mir dem Egoisten.
Das Frühstück war angenehm. Das Pärchen würde heute wieder nach Hause gehen. Es hatte sich verabschiedet und die Frau hatte mir eine Tafel Schokolade zugesteckt.
Schokolade die ich sogar mochte.
Die Sonne stand hoch am Himmel. Ich war wieder bei der Koppel und schmuste die Pferde. Nein. Ponys wie ich nun wusste. Evelyn das letzte Pony stand momentan drinnen. Sie hatte sich den Fuß verstaucht.
Emma schnupperte an meinem Pullover. Eindeutig ich mochte ihn. Und er mich. Damit würde ich leben können.
Mit einem der mich mochte.
Einem der bei mir blieb.
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