Kapitel 42

~Pov. Yoongi~
Nach einiger Zeit haben wir den Hügel verlassen, da es doch ziemlich kalt war und auch langsam später wurde. Wir hatten uns schnell darauf geeinigt unsere Beziehung erstmal für uns zu behalten, auch Jimins Freunden gegenüber. Wir wollten dem allem erst einmal Zeit geben sich zu entwickeln und zu schauen, was daraus wurde. Auch wenn ich es nicht hoffte könnte es immer sein, dass wir in den nächsten Tagen oder Wochen merkten, dass es doch das Falsche für uns war.

Das waren aber eigentlich nur meine Gedanken. Was Jimin darüber dachte wusste ich nicht. Wir waren nur beide der Meinung gewesen, das erst einmal für uns zu behalten, über irgendwelche Beweggründe von uns hatten wir nicht geredet. Ob seine Eltern wussten, dass er auf Jungs stand? Oder zumindest ebenfalls auf Jungs? Ich wusste gar nicht, ob er auch auf Mädchen stand. Ich konnte ihn das ja mal fragen, wenn es sich ergab.

Als wir den Hügel verlassen hatten machten wir uns auf den Weg zu uns nach Hause. Lange Zeit fuhren wir noch zusammen, doch irgendwann trennten sich unsere Wege und wir verabschiedeten uns mit einer innigen Umarmung. Als ich nach Hause kam stellte ich schnell fest, dass meine Eltern ebenfalls Zuhause waren. Schnell verschwand ich in meinem Zimmer, da ich kaum mein Grinsen unter Kontrolle hatte und ich mich nicht vor meinen Eltern erklären wollte.

Ich schloss die Tür hinter mir, legte den Rucksack irgendwo hin und ließ mich auf mein Bett fallen. Immer noch durchströmten mich unglaubliche Glücksgefühle und ich wusste wirklich nicht, wo ich mit ihnen hin sollte. Solche Gefühle hatte ich schon lange nicht mehr so stark und intensiv, weswegen ich fast schon überfordert mit dem allem war. Irgendwie wollte ich es raus lassen, irgendwie meine Gefühle, Empfindungen und Gedanken teilen, aber es kam niemand in Frage. Jimin zu schreiben wie sehr ich mich über das alles freute war irgendwie seltsam und sonst hatte ich nicht wirklich jemanden zum Reden.

Mit Taehyung verstand ich mich ganz gut, jedoch niemals so gut, dass ich ihm sowas erzählen konnte. Und erst recht nicht meinen Eltern. Dass die Jungs das alles akzeptieren und tolerieren würden war gut möglich, da es in unserer Generation langsam anfing in die Normalität zu kommen. Doch bei meinen Eltern war das ein komplett anderes Thema. Sie kamen aus einer anderen Zeit mit anderen Vorstellungen was das Familienbild anging.

Sie waren nicht wirklich alt, erst Mitte vierzig, und sie waren daher auch sicherlich nicht nur in ihrer eigenen Blase gefangen. Sie wussten, dass es alle möglichen Sexualitäten gab, doch wie sie dazu standen wusste ich nicht wirklich. Es war kaum ein Thema und wenn, dann hatte ich ihre Haltung dazu nicht wirklich raus hören können. Und auch wenn es ihnen an sich egal war und sie es vielleicht nur ignorierten wusste ich nicht, wie ihre Meinung darüber bei ihrem eigenem Sohn war.

Ich war ein Einzelkind und ich könnte keine Nachkommen bekommen, die Familie nicht in eine weitere Generation bringen. Vor allem wusste ich ja nicht einmal wirklich, was für eine Sexualität ich hatte. Ich hatte gemerkt, dass ich mich zu Jimin hingezogen fühlte und da mehr als Freundschaft war, aber ob das auch so gewesen wäre, wenn er ein Mädchen gewesen wäre, wusste ich nicht.

Und wie würden auf all diese Dinge meine Großeltern reagieren? Meine Tanten und Onkel? Cousinen und Cousins? Vor allem wäre es bei meinen Großeltern noch einmal etwas ganz anderes und ehrlich gesagt wurde mir da fast schon übel, wenn ich daran dachte es ihnen irgendwann zu erzählen.

Und was wäre, wenn meine Mitschüler davon erführen? Würden sie es ignorieren? Würden sie über mich lästern? Würden sie es akzeptieren? Ich könnte mir vorstellen, dass sie negativ darauf reagieren würden, aber nicht wegen der Sache an sich, sondern wegen meiner Vergangenheit. Denn eigentlich hatte ich so etwas nach all meinen Taten doch gar nicht verdient.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich plötzlich eine Benachrichtigung auf mein Handy bekam. Ich brauchte einen kurzen Moment um zu verstehen, dass ich wieder viel zu viel nachgedacht hatte. Ich schloss meine Augen und atmete einige Male tief ein und aus. Dann öffnete ich die Augen wieder und setzte mich langsam auf. Wir waren seit nicht einmal zwei Stunden zusammen und ich machte mich mit solchen Sachen jetzt schon völlig verrückt. In mir war wieder ein großer Ball an Verunsicherung, Selbstzweifel und Sorge, der sich so schnell bilden konnte und erst mit Mühe wieder verschwinden würde.

Ich schaute auf mein Handy und stellte fest, dass es sich bei der Benachrichtigung nur um ein Handyspiel gehandelt hatte. Dann fiel mir etwas ein, wie ich all meine Gedanken für kurze Zeit vergessen könnte. Ich stand auf und suchte mein Buch, dass ich nach wenigen Augenblicken im Nachttisch, zusammen mit einem Kugelschreiber, fand. Ich öffnete das Buch und fing an all meine Gedanken und Sorgen hineinzuschreiben. Dabei beruhigte und entspannte ich mich langsam und machte mir selbst klar, dass ich mir nicht so viele Gedanken darüber machen sollte. Zumindest noch nicht. Ich musste erst einmal abwarten und schauen, wie es sich entwickelt und ob es sich wirklich festigte und etwas ernstes daraus werden würde. Es könnte sich theoretisch schnell ändern.

Als ich damit fertig war überlegte ich kurz, was ich nun machen könnte. Dabei fielen mir wieder diese freudige Unruhe und die Glücksgefühle auf, die immer noch in mir tobten. Ich zögerte, blätterte dann aber auf eine freie Seite um. Ich knickte die Ecke ab, damit ich die Seite wieder finden könnte und vor allem von den anderen unterscheiden konnte. Langsam fing ich an die ganzen Gefühle, die in mir waren ebenfalls aufzuschreiben. Ich verbrachte noch einige Zeit damit in das Buch zu schreiben, wobei ich mich immer wieder mal wiederholte und Wörter aus Versehen doppelt schrieb. Doch es war mir egal, ich schrieb direkt das auf, was mir in den Sinn kam. Das war sehr ungewohnt, da all diese Gedanken und Gefühle positiv, anstatt negativ waren. Gleichzeitig war es aber ein schönes Gefühl das alles nieder zu schreiben und jemandem zu erzählen, auch wenn dieser Jemand ein altes Buch war.

~Pov. Jimin~
Nachdem Yoongi und ich den Hügel verlassen hatten machten wir uns jeweils auf den Weg nach Hause. Wir mussten einen Teil der Strecke gemeinsam fahren, doch irgendwann mussten wir in zwei verschiedene Richtungen. Zuhause angekommen zog ich mir meine Schuhe aus, rief kurz ein 'Bin wieder da!', durch die Wohnung und brachte meinen Rucksack in mein Zimmer. Gut gelaunt ging ich in die Küche, wo ich meine Mutter vorfand. Sie saß an dem Esstisch, trank eine Tasse Tee und blätterte in irgendwelchen Katalogen herum.

"Und, hattet ihr Spaß?", fragte meine Mutter. Ich hatte ihr erzählt, dass ich mit einem Freund etwas essen gehen wollte. Wer es war hatte ich dabei nicht erwähnt. "Ja, was ganz entspannt.", antwortete ich und musste mir dabei mein Grinsen sehr verkneifen. Ich war immer noch vollgepumpt mit Adrenalin und Glücksgefühlen und musste mich zusammenreißen, nicht so hibbelig zu sein. Ich nahm mir eine Tasse aus dem Schrank, stellte sie unter die Kaffeemaschine und betätigte einen Knopf, damit diese startete.

"Kannst du später den Müll runter bringen?", hörte ich plötzlich meine Mutter hinter mir fragen. "Klar, kann ich machen." Kurz herrschte Stille, dann sagte meine Mutter plötzlich:"Okay, hinsetzen!" Verwirrt schaute ich zu ihr. Sie schlug ihren Katalog zu und sah mich auffordernd an. Ich löste mein Blick, als die Kaffeemaschine anfing zu knattern und die braune Flüssigkeit sich in der Tasse sammelte. Ich wartete bis mein Kaffee fertig war und setzte mich dann wie befohlen meiner Mutter gegenüber.

"Okay, raus mit der Sprache. Wer ist sie und seit wann hat sie dir so den Kopf verdreht?" "Was?", fragte ich etwas überrumpelt. "Du würdest nie so entspannt reagieren wenn ich dich bitte den Müll rauszubringen. Sonst bist du genervt oder gleichgültig aber heute nicht. Also, wer ist sie?" Manchmal erschreckte es mich, wie sehr mich meine Mutter kannte und wie schnell sie mich daraufhin durchschauen konnte.

Etwas schüchtern schaute ich in meine Tasse Kaffee und erklärte:"Es ist noch nicht so lange." "Kenne ich sie?" Ich schüttelte den Kopf. "Und wann lernen wir sie kennen?", fragte sie weiter und mir war das ganze Gespräch ein wenig unangenehm. Vor allem weil ich einen wichtigen Teil ausließ:Es war keine sie. "Wir wollten noch etwas abwarten und schauen, wie es sich entwickelt." "Das gleiche hast du auch bei deiner ersten Freundin gesagt und sie uns dann nach nicht einmal einer Woche vorgestellt.", beharrte meine Mutter. Die Gedanke an meine Ex stach ein wenig in der Brust, doch ich versuchte es zu ignorieren.

"Da war ich ja auch jünger. Es war eigentlich klar, dass nichts ernstes daraus werden würde. Aber vielleicht ja jetzt. Wir wollen uns einfach Zeit lassen.", erklärte ich und sah nun wieder auf. Sie schien nachdenklich zu sein, sagte dann aber:"Okay, das kann ich verstehen. Aber sie ist hier immer willkommen." Sie lächelte, was ich ebenfalls erwiderte. Mit dem Unterschied, dass es bei ihr echt war. "Ich muss noch einige Schulsachen erledigen.", sagte ich und stand auf. "Okay, mach das. Ich und dein Vater gehen später einkaufen, willst du etwas haben?"

Ich verneinte und verschwand dann wenige Augenblicke mit meiner Tasse Kaffee in meinem Zimmer. Seufzend stellte ich diese auf den Nachttisch, setzte mich auf mein Bett und ließ mich nach hinten fallen. Kein Tag war vergangen und schon wollte sie meine Freundin kennen lernen. Das große Problem war, dass es sich dabei um einen Jungen handelte. Und meine Eltern würden vermutlich sehr ähnlich wie damals reagieren. Wenn nicht sogar schlimmer.

Nach einigen Minuten setzte ich mich auf und überlegte, was ich machen könnte, um mich von diesen Gedanken abzulenken. Das naheliegendste war es wirklich meine Hausaufgaben zu machen, weswegen ich mir meine Tasse nahm und mich an meinen Schreibtisch setzte.  Ich suchte mir alles nötige heraus und fing an diese zu machen, doch meine Gedanken wanderten immer in andere Richtungen. Der eine Gedanke war die Reaktion meiner Eltern, wenn sie erführen, dass ich mit einem Jungen zusammen war. Der andere Gedanke galt dem heutigen Tag und Yoongi. Dieser ließ mich lächeln und ich konnte immer noch nicht ganz begreifen, dass ich nun wirklich einen Freund hatte. Auch wenn wir vieles durchstehen müssten freute ich mich schon auf die Zukunft und fragte mich, was bald noch alles passieren würde.

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