Kapitel 21

~Pov. Yoongi~
Es waren nun einige Tage vergangen und ich wurde heute morgen aus dem Krankenhaus entlassen. Da Jimin seine Jacke vergessen hatte, hatte ich sie mitgenommen, sie ihm aber noch nicht gegeben. Er hatte sicherlich gerade Unterricht und ich wollte sie ihm persönlich geben.

Andererseits hatte ich auch ein wenig Angst, ihm zu begegnen. Ich wollte mich noch bei ihm dafür entschuldigen, dass ich ihm solche Sorgen bereitete und dass ich mit ihm nicht darüber redete. Ich war es ihm nicht schuldig, doch genau so fühlte es sich an. Als würde ich ihm etwas vorenthalten, worauf er eigentlich ein Recht hatte es zu erfahren.

Mich verwirrte es, dass ich so dachte und wieso ich mich nicht entscheiden konnte, was ich denken sollte. Ich lag gerade in meinem Bett und starrte an die Decke. Ich hatte heute noch nicht sonderlich viel gemacht, auch wenn es mir körperlich schon besser ging. Das könnte aber auch an den Medikamenten liegen, die ich vermutlich noch im Körper hatte und sobald die nachließen es mir vielleicht wieder schlechter gehen wird.

Ich merkte auch, dass wenn ich eine längere Zeit stand mir ein wenig schwindelig wurde, doch außer ein paar Schmerzen bei bestimmten Bewegungen oder Liegepositionen im Bett hatte ich sonst keine Probleme. Vermutlich würde sich das aber noch ändern und ich war auch froh, dass ich für einige Zeit vom Unterricht befreit war.

Ich zuckte zusammen, als mein Handy einen Ton von sich gab. Ich ergriff es sofort und entsperrte es. Jimin hatte mir auf die Frage, wann und ob er heute Zeit hätte, geantwortet. 'Eigentlich direkt nach der Schule (ich wäre so ungefähr 14:15 Zuhause). Wieso?'

'Du hast deine Jacke im Krankenhaus vergessen. Ich habe sie mitgenommen und wollte sie dir wieder bringen.', antwortete ich. Ich hatte Angst davor, wie es sein wird, wenn wir uns wieder treffen. Wie wäre die Stimmung? Wollte er überhaupt noch mit mir reden? Oder abblocken? Oder würde er mir irgendeine Ausrede erzählen, dass er noch etwas zu erledigen hätte, damit ich nicht länger als nötig blieb?

Eine neue Nachricht von Jimin holte mich aus meinem Gedankenchaos für kurze Zeit heraus. 'Ach, da ist sie! Ich habe sie schon gesucht und wusste nicht mehr, wo ich sie hingelegt habe. Wäre schön, wenn du vorbei kommst. Wenn du willst, kannst du auch etwas später kommen, dann ist das Mittagessen schon fertig. Ich wollte Wraps machen.', schrieb er mit einem lächelnden Smiley.

Ich war verwirrt über seine Offenheit und dass er sich anscheinend freute, dass ich vorbei käme. Das verunsicherte mich ein wenig und ich wusste selber nicht wieso. Es war doch schön, wenn er so offen war, wieso machte mich das so nervös? Wieso konnte ich nicht glauben, dass er diese Worte ernst meinte?

Ich seufzte. 'Yoongi, du bist echt paranoid', schimpfte ich über mich selber. 'Okay, dann komme ich so um 14:40 Uhr?', fragte ich. 'Ja, das passt. Ich bin auf dem Jungsklo heimlich am Handy und muss jetzt wieder los, bis später.', schrieb er mir mit einer winkenden Hand. Ich erwiderte die Verabschiedung, er antwortete aber nicht mehr.

Zögernd sperrte ich mein Handy und legte es zur Seite. Ich dachte darüber nach, ob ich mit ihm darüber reden konnte oder nicht. Ich hatte wahnsinnige Angst vor seiner Reaktion und davor, dass er sich dann von mir abwenden würde, die anderen dann vielleicht auch. Wenn sie nämlich erfahren, was in meiner Vergangenheit alles war, dann würde sich ihr Bild von mir vermutlich drastisch ändern.

Vor allem, wenn sie von ihm erfuhren. Zwar hat er mich im Nachhinein extrem ins positive verändert. Doch wenn raus käme, wie genau das passiert war, dann wüsste ich nicht, was ein Grund wäre jemanden wie mich als Freund zu haben. Und ich wüsste nicht, ob ich ihnen noch unter die Augen treten könnte.

Schnell wischte ich mir die Tränen weg, die plötzlich über mein Gesicht gelaufen sind. Ich durfte jetzt nicht schon wieder anfangen zu heulen, das würde Jimin doch sofort sehen und sich wieder unnötig Sorgen machen. Ich beschloss ein paar Emails an meine Lehrer zu schicken, damit sie mir den Unterrichtsstoff schicken konnten, den ich verpasste. Ich hatte auf der Schule niemanden, der mir da helfen würde.

Es waren einige Stunden vergangen und ich machte mich auf den Weg zu Jimin. Er hatte mir seine Adresse geschrieben und es war nicht wirklich schwer diese zu finden, jedoch wohnte er ein ganzes Stück von mir entfernt. Nach ungefähr einer halben Stunde zu Fuß kam ich dann bei ihm an. Ich suchte sein Klingelschild und drückte zögernd auf dieses. Irgendwie war ich sehr nervös ihn wieder zu sehen. Ich war mir sicher, dass er etwas dazu sagen würde, dass ich mit ihm nicht darüber reden wollte und irgendwie hatte ich Angst mit ihm darüber zu reden.

Nach wenigen Augenblicke war eine Stimme zu hören:"Hallo?" Ich antwortete nicht. Kurz herrschte Stille, dann war ein surrendes Geräusch von der Tür zu hören. Ich drückte die Tür auf und betrat vorsichtig das Treppenhaus. Das Treppenhaus sah viel ansprechender und edler aus, als bei uns.

Große Fenster ließen viel Sonnenlicht hineinstrahlen und der geflieste Boden schien frisch geputzt zu sein. Ich ging die Treppen nach oben, bis ich zu seiner Tür kam, die geöffnet war und in welcher Jimin stand. Er lächelte mich an und als ich vor ihm stand zog er mich in eine sanfte und vorsichtige Umarmung, vermutlich um mir nicht noch mehr weh zu tun. Ich erwiderte die Umarmung.

„Hey, komm rein. Das Essen wartet schon.", sagte er und löste sich von mir und ging einen Schritt zur Seite. Ich betrat den Flur, zog meine Schuhe aus und stellte sie dort hin, wo Jimin es mir zeigte. Dann gab ich ihm seine Jacke, die er an den Kleiderhacken hängte. Der Flur war in einem weiß gestrichen und hatte einige pastellgrüne Akzente. Im Flur war ein Kleiderhacken, ein Schuhregal und ein kleiner Hocker.

„Komm.", sagte er. Der Flur ging geradeaus und bog dann zur Seite ab, jedoch war vor der Abbiegung eine Tür, welche er öffnete. Er betrat den Raum und als ich ihm folgte sah ich, dass es sich um die Küche handelte. An der einen Wandseite war eine lange weiße Küchenzeile mit einem sehr dunklen Holzplatte als Arbeitsfläche, daneben stand der Kühlschrank.

Auf der anderen Seite des Raumes stand ein Tisch, auf welchem zwei Teller standen, mehrere Schüsseln mit verschiedenen Zutaten und eine Packung mit fertigem Wrapteig. „Du kannst dir deinen Wrap so machen, wie du willst.", sagte er und setzte sich hin. Es gab mehrere Saucen, verschiedene Gemüsearten und gebratenes Fleisch, was mariniert zu sein schien.

"Wie geht es dir eigentlich?" Ich bewegte meine flache Hand ein wenig hin und her um zu sagen, dass es okay war. Ich hatte nicht mehr so krassE Schmerzen wie zuvor, doch die Medikamente schienen langsam nachzulassen. Ich musste ehrlich zugeben, dass ich im Moment nicht gerne nach draußen ging, besonders wenn es dunkel war.

Namjoon war zu vieles fähig und auch wenn ich ihm nicht alles zutraute, hatte ich dennoch Angst ihm zu begegnen. Ich hätte ihm auch nie zugetraut, dass er mich verlässt, mir den Rücken zuwendet und unsere Freundschaft einfach weg wirft. Ich hätte meine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass wir im hohen Alter noch gemeinsam zusammensitzen und über alles reden und lachen würden. Doch da hatte ich mich wohl getäuscht.

Ich machte mir meinen Wrap, rollte ihn zusammen und fing an zu essen. „Du bist noch Zuhause und krank geschrieben, oder?", fragte er und ich nickte. „Bekommst du den Stoff denn irgendwie?", fragte er und ich nickte. „Okay das ist gut.", sagte er lächelnd. Ich war immer noch nervös und hatte Angst vor dem Thema.

Ich war mir sicher, dass er es ansprechen würde, weswegen ich mich nicht richtig entspannen konnte. Doch ich versuchte meine Nervosität zu ignorieren und aß meinen Wrap. Nachdem wir fertig gegessen haben räumten wir auf und Jimin schlug vor in sein Zimmer zu gehen. Damit einverstanden folgte ich ihm den Flur entlang in sein Zimmer.

Es war ungefähr doppelt so groß wie meins. Er hatte rechts an der Wand ein Doppelbett mit einem Nachttisch. Über dem Bett waren einige, kastenartige Regale angebaut, in welchen Bücher, Filme und ein paar Figuren standen. An der Wand daneben, gegenüber der Eingangstür, stand vor einem Fenster ein Schreibtisch, auf welchem Schreibmaterialien waren.

Vor dem Schreibtisch stand noch ein Stuhl und daneben war ein Sitzsack in einem dunklen blau. Links stand ein großer Schrank, der sich fast über die ganze Wand erstreckte und einen großen Spiegel angebracht hatte.

"Mach's dir gemütlich.", sagte er und setzte sich auf das Bett. Zögernd schloss ich die Tür hinter mir und setzte mich neben ihn, jedoch mit einem kleinen Abstand zwischen uns. Dies bemerkte er und sah mich an, ich schaute jedoch weg und pulte an der Haut von meinen Fingern herum. Er seufzte kurz und fragte:"Du weist wohl, dass ich das Thema nicht totschweigen werde." Ich schwieg darauf.

Erneut seufzte er, fing dann aber an zu reden:"Es tut mir leid, dass ich deswegen aus dem Krankenhaus gegangen bin. Ich hatte weder ein Recht so enttäuscht zu sein, noch dich dazu zu drängen es mir zu erzählen. Du...du bist mir einfach sehr wichtig geworden. Sehr sehr wichtig und ich wollte dir nur helfen. Ich weiß aber jetzt, dass es dir nicht hilft, wenn ich dich zu irgendetwas dränge.

Ich wollte dich damit nicht verletzen oder verunsichern, ich habe mir einfach Sorgen gemacht und tue es immer noch. Er läuft immer noch frei draußen rum und es könnte sich wiederholen. Er hat keinen Grund gesagt, wieso er das getan hat also kann es sein, dass es für ihn immer noch nicht abgeschlossen ist, was auch immer bei euch in der Vergangenheit war. Ich will nicht dass er dir nochmal weh tut."

Ich sah ihn zögernd an und er erwiderte meinen Blick. Zögernd nahm ich mein Handy aus der Hosentasche und schrieb:'Ich komme klar. Ich will ihn nicht anzeigen.' Jimin setzte zum Reden an, zögerte aber. Dann seufzte er und sagte:"Okay, du entscheidest, wie du damit umgehen willst. Aber wenn du was brauchst, dann schreib mir bitte. Oder schreib einen von den anderen. Aber rede mit jemanden, falls du Hilfe brauchst, bitte."

Ich nickte zögernd und machte mein Handy aus. Jimin rückte ein Stück näher zu mir und legte seinen Arm vorsichtig um mich. Ich hatte seine körperliche Nähe wirklich vermisst und ich lehnte mich sofort an ihn, was ihn wohl dazu ermutigte mich vorsichtig am Arm zu streicheln. Ich schloss zögernd die Augen und genoss die sanfte Berührung. "Yoongi, ich mag dich wirklich sehr."

Dies lies mich lächeln, denn es war ungewohnt aber vor allem schön so etwas zu hören, wenn man es für eine lange Zeit nicht mehr hatte. Er holte Luft, um wieder etwas zu sagen, da ertönte plötzlich ein kurzer Ton von seinem Handy. Ich öffnete die Augen, während er es sich aus der Hosentasche kramte und die Nachricht laß.

~Pov. Jimin~
Schwer atmend drückte ich immer wieder Jins Klingel. Er hatte mir geschrieben, dass es einen Notfall gäbe und ich unbedingt zu ihm kommen sollte, alleine. Somit musste ich Yoongi mehr oder weniger rausschmeißen und war mit dem Bus hergefahren. Von der Bushaltestelle war ich bis zu Jins Haus gerannt.

Denn nur einmal hatte Jin mir geschrieben, dass es einen Notfall gab, als er auf der Straße einer Frau begegnet war, die zusammengebrochen war. Daher wusste ich, dass ein Notfall ein richtiger Notfall war und er das nicht einfach ausnutzen würde.

Die Tür wurde aufgerissen und Jin stand vor mir. "Komm ins Wohnzimmer.", sagte er monoton und verschwand selbst durch die Tür, die ins Wohnzimmer führte. Ich betrat schnell das Haus, schloss die Tür und zog meine Schuhe aus. Dann ging ich ihm nach und sah, dass er aufgeregt im Zimmer auf und ab lief. "Was ist los?", fragte ich, immer noch keuchend.

"Les dir den Artikel durch. Ich denke, dass Namjoon ihn in den Briefkasten geworfen hat. Ich habe ihn überprüft, so steht es auch online." Verwirrt davon, was er überhaupt sagte, sah ich auf den kleinen Couchtisch, auf dem eine Zeitung lag. Ich nahm diese in die Hand und las die Schlagzeile:'Junge nahm sich nach jahrelangem Mobbing das Leben.' Ich musste schwer schlucken.

Ich kannte diesen Fall. Es war vor ein paar Jahren gewesen und er war hier in der Gegend, welche Schule das war, wusste ich nicht mehr. Ich hatte mich mit dem Fall nie wirklich beschäftigt, weil es mich einfach so schockte und ich mir sowas nicht durchlesen konnte.

Ich verstand nicht wie solche Menschen nur so herzlos und unmenschlich sein konnten. Ich hasste eigentlich keine Menschen, doch für solche hatte ich kein Verständnis und hoffte, dass sie es irgendwann zurück bekämen.

"War Namjoon etwa einer von denen? Glaubst du, er hat das auch mit Yoongi vor?", fragte ich, da ich mir den Artikel einfach nicht durchlesen wollte. "Les es dir einfach durch verdammt!", sagte Jin aufgebracht, was mich etwas zusammen zucken lies. Er war selten so aufgebracht, weswegen ich mich zögernd hinsetzte und anfing den Artikel durchzulesen. Der Junge ging wohl auf die gleiche Schule auf die Yoongi gerade ging.

Dass es dort solche Zustände gab war eigentlich schon immer klar gewesen. Ich überflog den Text mehr, um mir all das nicht vorstellen zu müssen, doch ich stoppte abrupt bei einem Satz:'Sein 'Hauptmobber', wie die anderen Schüler es sagten, schien wohl der Junge Min Yoongi, der eine Stufe über ihn war, gewesen zu sein.'

Ich laß den Satz nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Immer wieder, bis sich die Wörter wie automatisch in meinem Kopf wiederholten. Mir rutschte das Herz in die Hose und das Atmen fiel mir schwerer. Ich verstand gerade gar nichts mehr, war im selben Moment aber auch unglaublich geschockt. Ich zuckte heftig zusammen, als Jin mir die Zeitung aus der Hand riss.

"Verdammt nochmal Jimin! Das ist so passiert! Ich bin die Nachrichten online durchgegangen, er war das! Vielleicht gab es ein Typen mit dem gleichen Namen, keine Ahnung, aber der Artikel ist echt!", rief er aufgebracht, während ich nur wie in einer Schockstarre da saß. Er hielt mir die Zeitung wieder hin und sagte:"Schick ihm ein Bild und frag, was er darüber weiß. Vielleicht ist das auch nur ein lächerliches Missverständnis."

Wirklich überzeugt klang er nicht, doch ich tat was er sagte, obwohl ich das Gefühl hatte nicht richtig anwesend zu sein. Meine Hände zitterten, als ich das Bild machte war es oft verschwommen. Als ich ein scharfes Bild geschossen hatte schrieb ich dazu:'Yoongi, was ist das?'

Jin setzte sich neben mich und ich schickte es ab. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Das konnte nicht echt sein. Yoongi war so extrem lieb, sanft und schüchtern, das war er nicht. Nein. Das konnte er nicht gewesen sein.

Nach wenigen Sekunden war er online. Er las die Nachricht, doch er antwortete nicht. Die wenigen Sekunden fühlten sich an wie eine Ewigkeit. Dann verschwand plötzlich sein Profilbild und ich bekam aus unserem Gruppenchat die Nachricht:'Yoongi hat die Gruppe verlassen.'

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