PROLOG
Der Wald lag gespenstisch still da und dichte, silberne Nebelschwaden zogen um die Bäume. Bis auf ein paar im Wind raschelnde Blätter rührte sich nichts. Doch plötzlich bewegte sich etwas in den Schatten. Am Rand des Waldes kauerte eine rot getigerte Katze. Mit ihren strengen, grünen Augen fixierte sie eine zweite Katze, die weiter unten über das weite Heideland rannte. Die erste Katze stellte aufmerksam die Ohren auf. Ein leises Knistern unter den Blättern verriet ihr, wo die Maus sich verbarg. Mit einem Pfotenhieb schleuderte die Kriegerin das Tier in die Luft und bohrte ihre Krallen hinein. Dann tötete sie ihre Beute mit einem schnellen Biss.
Derweil preschte Silberpfote über die mondbeschienene Heidelandschaft. Der Geruch des Kaninchens vor ihr kribbelte in ihrer Nase. Sie blendete alles andere aus und konzentrierte sich nur noch auf die Beute knapp vor ihr. Ihre Pfoten donnerten auf dem Boden und sie wurde noch schneller. Mit einem großen Satz stürzte sie sich auf das Kaninchen und biss ihm im Lauf das Genick durch, bevor sie sich überschlug. Rasch rappelte sie sich wieder auf und schüttelte sich ein paar Halme Heidekraut aus dem silbernen Fell. Als sie das Kaninchen aufgehoben hatte, lief sie zu den Bäumen, wo ihre Mentorin die Maus auf den kleinen Beutehaufen legte. ,,Nicht schlecht, Kleine." kommentierte Frostblut. ,,Sei beim nächsten Mal nicht ganz so übermütig, sonst brichst du dir noch das Genick." Silberpfote leckte sich über ihr hellgrau gestreiftes Fell und verdrehte ihre grünen Augen. Aber bei Frostblut galt so ein Satz schon als Lob. ,,Wir gehen jetzt ins Lager zurück. Es ist recht kalt und außerdem schon nach Mondhoch." brummte Silberpfotes Mentorin und hob die zwei Mäuse und einen Spatzen auf. Silberpfote nahm sich ihr Kaninchen und eine Spitzmaus. So liefen die beiden Katzen durch den herbstlichen Wald. Silberpfotes Schritte wurden von Blättern und weichem Moos abgefedert. Zu allem Übel begann es plötzlich in Strömen zu regnen. Instinktiv beschleunigten die beiden Kätzinnen ihre Schritte. Das war es, was die graue Schülerin an ihrer Mentorin so schätzte: egal wie zäh und mürrisch sie war, die beiden waren dennoch ein perfektes Team und sie verstanden sich ohne Worte. In zwei Monden würde Silberpfotes Schülerzeit vorbei sein. Auch wenn sie es kaum erwarten konnte, dem Clan als Kriegerin zu dienen, sie würde die Abenteuer mit ihrer Mentorin auf jeden Fall vermissen. Plötzlich ertönte über ihnen ein ohrenbetäubendes Krachen, und grelle Blitze zuckten wild durch den Nachthimmel. Beide Katzen preschten los und Silberpfote dankte erleichtert dem SternenClan, als in der Dunkelheit endlich der Lagereingang in Sicht kam. Dort hielten Apfelblüte und Efeudorn Wache. Auch sie hatten unter den dichten Büschen Schutz vor dem Regen gesucht und kauerten eng aneinander geschmiegt in der Nähe des Tunnels. Frostblut nickte ihnen zu und warf anschließend Silberpfote einen belustigten Blick zu, der in etwa sagen sollte: Sieh dir nur diese Turteltauben an...
Silberpfote zuckte ebenfalls amüsiert mit den Schnurrhaaren und schlüpfte dann durch den mit Dornen gesicherten Tunnel auf die Lichtung. Sie legte noch schnell ihren Fang auf den Frischbeutehaufen, der geschützt unter einer riesigen Eiche lag. Schade, dass ihr Vater ihre Jagd nicht gesehen hatte, er wäre sicher stolz auf sie. Inzwischen hatte auch Frostblut ihren Anteil auf den Haufen gelegt. ,,Du kannst jetzt ruhig schlafen gehen" flüsterte sie und nickte Silberpfote zu. Dankbar zuckte die Schülerin mit den Ohren und erwiderte:,,Danke, und gute Nacht." Mit einem flüchtigen ,,Gute Nacht!" verschwand die rostrot getigerte Katze im Kriegerbau. Auch Silberpfote lief leise zum anderen Ende der Lichtung und duckte sich unter den Zweigen hinweg, die vor dem Schülerbau hingen. Drinnen streckte sie sich zufrieden seufzend auf ihrem Nest aus und grub sich in die dicke Schicht Farn und Moos ein. Sie hatte gerade die Augen geschlossen, als ein Flüstern sie aus ihrer Entspannung riss. Es war ihr Baugefährte Pinienpfote. ,,Warst du schon wieder die halbe Nacht mit deiner Mentorin draußen?" fragte er sie. ,,Ja, wir haben auf dem Heideland gejagt." erwiderte Silberpfote leise. Wenn ihre Schwester sie mitten in der Nacht vom Schlafen abgehalten hätte, wäre sie sicher nicht ganz so freundlich gewesen, aber sie mochte Pinienpfote eben besonders gern. ,,Ach so…Naja, ich jage lieber tagsüber." flüsterte ebendieser ihr zu. ,,Wir sollten jetzt besser schlafen, sonst verpassen wir morgen noch die Zeremonie von Rehpfote und Schmetterlingspfote." wisperte Silberpfote. ,,Da hast du Recht. Also…Schlaf gut.",,Ja, schlaf du auch gut." Jetzt schloss die Schülerin endgültig die Augen. Kurz lauschte sie noch in die Nacht hinein. Der Regen hatte aufgehört und auch das Gewitter war weitergezogen. Sonst hörte sie nur das gleichmäßige Atmen von Pinienpfote. Langsam driftete auch die graue Kätzin ins Land der Träume ab.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top