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Ich beschloss noch einmal kurz die Augen zu zu machen, denn plötzlich hatte mich das Gefühl überwältigt, das ich anscheinend doch noch müde war. Deshalb sank ich in die weichen Kissen des Himmelbettes, kuschelte mich in meine Decke und schlief ein.
„Silber, Silber, wach auf, SILBER!", dies mich die Stimme von Orange aus dem Schlaf. Sofort war ich hellwach. „Was ist los?", fragte ich und gähnte. „Jo ist verschwunden", keuchte Orange. „Als ich vor einer halben Stunde aufgewacht bin, als du noch friedlich geschlafen hast, lag sie nicht in ihrem Bett. Ich habe mir nichts dabei gedacht, schließlich macht sie morgends mit Luna immer auf ihren Meeria einen Ausflug. Luna war nämlich auch nicht da. Aber dann kam sie eben wieder und Jo war nicht bei ihr. Als sie gegangen ist, war Jo noch da, sagt sie." „Vielleicht hat ihre Familie kurzfristig einen Unfall gehabt und sie musste weg. Wahrscheinlich ist sie schon wieder auf dem Rückweg hierher. Du musst dir keine Sorgen machen. So was passiert ständig in der Welt der Menschen. Dauernd geht irgendjemand mal in den Wald, um ein wenig allein zu sein, die Eltern kommen um vor Sorge, rufen die Polizei und ein paar Stunden später kommen die Kinder wieder zurück." Ich stand auf und kämmte mir die Haare. Dann zupfte ich meine Schuluniform zurecht und sah auf die altmodische Wanduhr, die im Zimmer hing. Es war schon kurz vor sieben, bald würde mein erster richtiger Schultag beginnen. „Komm, Jo taucht schon wieder auf. Bestimmt hat sie einfach nur mal allein einen Ausflug mit diesem Meeres-Ding unternommen. Ich gehe jetzt, sonst gibt es kein Frühstück mehr!" Ich lief ohne Bedenken aus dem Mädchenschlafzimmer der Vynx. Orange sah mir besorgt hinterher.
„Ich weiß nicht, was habt ihr alle, schmeckt das Essen nicht?" Ich verstand echt nicht was die anderen hatten, es war das köstlichste Frühstück was ich je gegessen hatte. Bis auf Lila, das komische Mädchen aus der Bibliothek hob niemand den Kopf. Nell, das Mädchen das alle Pflanzen unter ihrer Kontrolle hatte, sah zu Orange. „Weiß sie es schon?", flüsterte das Pflanzen-Mädchen meiner Freundin zu. Ich runzelte die Stirn und versuchte Oranges Blick einzufangen. Ich hatte schon immer ein gutes Gehör, konnte sogar Menschen hören die sich auf der anderen Straßenseite leise unterhielten. Aber wenn man bei Wölfen aufwuchs, war das ja kein Wunder. „Was haben wir eigentlich in der ersten Stunde?", fragte ich, aber statt Orange, wie ich es mir erhofft hatte, um die schlechte Laune zu vertreiben, antworte Lila. „Wildkunde bei Willow. Sie will uns zeigen, wie man Heiltränke macht. Vor allem geht es gerade darum, Tote zu heilen", meinte sie. „Und, Silber, es tut mir leid. Ich habe früher bei Rehen in einem Clan gelebt und bin es nicht gewohnt unter Menschen zu sein. Da rege ich mich schnell auf." Lila hatte das mir zugeflüstert, aber gerade schien es am Vynx-Tisch auch niemanden zu interessieren. „Okay, angenommen", wisperte ich zurück und Lila lächelte. Mir fiel erst jetzt ihr asymmetrischer Schnitt auf, der die violette Strähne zur Geltung brachte. Vielleicht wusste sie ja, was die anderen mir verheimlichten. „Weißt du, warum die anderen so komisch sind?", fragte ich nachdem wir den Tisch verlassen hatten und uns auf den Weg zum Unterricht machten, der draußen in Willows Pavillon stattfand. „Nicht wirklich. Ich habe nur mitbekommen, dass..." Sie hielt inne. „Was? Was hast du mitbekommen? Bitte Lila? Was ist mit ihnen? Hat es etwas mit mir zu tun?" Lila seufzte und drehte eine ihrer schwarzen Haare um den Finger. Nervös sah sie mich von der Seite an. „Willst du es wirklich wissen?", fragte Lila noch einmal um ganz sicher zu gehen. „Ja... Bitte Lila!" Eindringlich sah ich meine neue Freundin an. Diese holte einmal tief Luft und begann zu erzählen. „Als ich heute morgen aufgewacht bin, waren Orange und Luna schon aufgestanden. Sie haben mich zur Rede gestellt, natürlich, weil sie mich nicht kannten und dachten ich hätte etwas mit Jos Verschwinden zu tun, was natürlich nicht so war. Sie haben sich leise unterhalten und da habe ich mitbekommen, das sie vermuten, das sie mit..." Wieder hielt Lila inne. „Jetzt sag einfach, wird schon nicht so schlimm sein." Langsam ging es mir auf die Nerven das ich keine Klarheit hatte, was mich anging. „Das Jo mit dir verwechselt worden ist." Nun war es raus. Aber ich fragte mich, warum Orange und Luna das dachten. „Warum sollte man mich mit Jo verwechseln? Und warum überhaupt verwechseln? Denken Luna und Orange etwa das sie entführt worden ist?" Lila seufzte und nickte. „Luna hat erzählt, das Jo es so toll fand, mit der Tochter von Silva Dealvon befreundet zu sein, das sie sich eine silberne Haarsträhne in die Haare geflochten hat. Außerdem verschwinden in letzter Zeit viele Kinder mit silbernen Haarsträhen. Es scheint so, als hätte es jemand auf dich abgesehen, Silber. Und auf deine Magie. Du musst vorsichtig sein. Selbst die Owlwater scheint nicht mehr sicher zu sein." Wir waren an dem Gelände des Pavillons angekommen, wo Willow gerade damit beschäftigt war, Krüge und Tränke auf eine lange Tafel zu stellen. „Können wir dir helfen?", fragte Lila die Wildwächterin und Beschützerin der Tiere, wahrscheinlich um meinen möglichen Fragen auszuweichen. „Gerne, könnt ihr den Schmalztrank Verilda Jamb Oz aus dem Regal über meinem Bett holen?" Willow deutete auf das kleine Haus hinter dem Pavillon. „Da wohne ich", meinte sie und wandte sich dann wieder einer stinkenden Flüssigkeit in einem Krug zu. Ich und Lila liefen zu dem kleinen Haus von Miss Wild, obwohl sie darauf bestand sie Willow zu nennen und betraten ihr kleines Reich. Es war gemütlich eingerichtet, aber nur mit dem Nötigsten, einem Bett, einem Tisch und natürlich den vielen ihrer Flüssigkeiten die in Flakons, Schüsseln und anderen Gläsern vor sich hin blubberten. Ich suchte nach dem, was Willow brauchte und nahm es aus dem Regal. Es war eine violette Flüssigkeit und doch nicht gerade angenehm, aber besser als das Zeug was Willow gerade in ihrem Garten zusammenrührte. Bei dem Gedanken an den widerwärtigen Geruch musste ich würgen. Dann gingen ich und Lila nach draußen und mein erster Schultag begann.
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