*11. Rache

Es war eiskalt, als ich erwachte und das hatte auch einen offensichtlichen Grund: Die Fenster waren geöffnet und die kühle Luft des Novembertag ließ mich zittern. Wie bei Merlin war das Fenster aufgegangen und warum um alles in der Welt, waren meine Vorhänge überhaupt so verschoben, dass ich das sehen konnte?

Mit einem Mal saß ich senkrecht in meinem Bett und stand zitternd auf. Mein Zauberstab lag noch immer unter meinem Kopfkissen — zumindest eine beruhigende Sache! Vorsichtig und vor Kälte zitternd, setzte ich meine Füße auf den kalten Steinboden und stand auf. Was war ich eigentlich so paranoid? Untypischerweise legte ich mich sofort auf die Nase, als ich auch nur einen Schritt vorwärts tun wollte. Ich scannte den Boden nach dem Übeltäter und entdeckte ein Buch, welches unscheinbar vor meinem Bett lag. Konnte es sein, dass...?

Aufgeregt krabbelte ich auf es zu und besah mir das Cover. Es gab rein gar nichts preis und wirkte einfach wie ein sehr altes Buch, das weder Titel noch Verfasser auf dem Umschlag hatte. Interessiert blätterte ich es auf und meine Vermutung bestätigte sich augenblicklich: Die Rumtreiber waren bereits hier gewesen und hatten ihren Teil der Abmachung eingehalten. Nun lag es an mir, auch den meinen zu erfüllen.

Mein Herz stoppte beinahe, als ich einen Blick auf die Uhr warf und feststellen musste, dass ich bereits das Mittagessen verschlafen hatte. Und dabei sollte es heute eine Gemüsepfanne geben! Warum musste ich auch immer so ein Pech haben? Da mir sowieso nichts anderes übrig blieb, machte ich mich daran, das Buch ein wenig zu studieren.

Soweit ich das nach etwas blättern verstanden hatte, ging es hierbei eher um die trockene Theorie und es gab keinerlei Anleitung. Na da hatten mir die Rumtreiber ja einen tollen Streich gespielt.

Wütend schlug ich das Buch wieder zu und stopfte es in meine Tasche, welche ich zwar eigentlich nicht brauchte, schließlich war es Samstag, aber das kümmerte mich in dem Moment herzlich wenig. Kurz bevor ich aus dem Schlafsaal stürzen wollte, fiel mir ein, dass es keine schlecht Idee wäre, mir vielleicht noch etwas anderes anzuziehen. Nicht, dass ich meinen Schlafanzug nicht mochte, aber wirklich sehen musste den dann doch niemand.

Nachdem ich endlich auch diese letzte Hürde überwunden hatte, machte ich mich auch gleich daran die Treppe hinunter und durch den menschenleeren Gemeinschaftsraum zu rauschen. Vielleicht hatte ich ja doch noch Glück und ich konnte doch noch etwas vom Mittagessen abkriegen.

Meine Hoffnungen wurden allerdings vollkommen zerstört, als mir beim Portraitloch eine riesige Gruppe von Schülern begegnete, die alle aus der Großen Halle kamen. Nun gut, da war ich dann wohl doch ein paar Minuten zu spät dran. Vollkommen genervt sah ich mir jeden Schüler einzeln an, aber keiner der Rumtreiber war unter ihnen. Nun hieß es suchen. Na super, ich spürte schon genau, wie mir leicht schwindelig wurde, schließlich hatte ich nun wirklich schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen. Tja, da war ich wohl selbst schuld, aber vielleicht würde ich ja Hailee treffen, die mich mit Sicherheit mit einigen Süßigkeiten aus dem Honigtopf am Leben erhalten konnte. Aber zunächst musste ich die Rumtreiber finden.

Für einen Moment überlegte ich angestrengt, wo sie denn sein könnte, doch dann fiel es mir auf einmal wie Schuppen von den Augen: Lupin hatte gerade eine ziemlich krasse Nacht hinter sich, wenn er nicht noch im Krankenflügel lag, dann wusste ich auch nicht mehr weiter. Und zugegeben waren die Rumtreiber ziemlich loyale Freunde, weswegen ich davon ausging, dass sie Lupin mit Sicherheit einen Besuch abstatten würden.

Mit einem breiten Grinsen steuerte ich den Krankenflügel an. Nichts konnte mich davon abhalten, den vier so richtig eins auszuwischen. Ich würde mich von denen doch nicht verarschen lassen!

„Tidwell!" Okay, falsch gedacht, da wollte mich wohl doch jemand davon abhalten. Mit einem falschen Lächeln drehte ich mich zu Mulciber, Snape, Avery und Rosier um, welche mich alle fies angrinsten. Merlin, ich hatte keine Zeit für sowas! Wenigstens hatten die Wilkes scheinbar irgendwo verloren. Hoffentlich fanden die den nie wieder!

„Haltet eure Fressen, ich hab jetzt kein Bock auf sowas!", fuhr ich die vier an und drehte mich wieder um, um weiter in Richtung Krankenflügel zu laufen. Nun gut, sie wären ziemliche Idioten, wenn sie auf mich hören würde, schließlich hatte ich erst gestern zwei von ihnen angegriffen. Warum konnten sie sich nicht einfach von mir fern halten? Ich war doch auch nur ein Mensch, warum mussten die mir Sieben Tage geben und so ein riesen Geheimnis daraus machen. Wahrscheinlich wollten sie mich nur in den Wahnsinn treiben und dabei zusehen. Kein so schlechter Plan eigentlich, wenn ich nur mitspielen würde.

„Und du glaubst, wir lassen uns was von dir sagen?", kam es spöttisch von Avery.

„Nicht wirklich, aber ein Versuch war es wert", keifte ich und hatte es immerhin schon ein ganzes Stück weit gebracht. Nur leider folgten sie meinen Schritten und ich war mir fast sicher, ich würde es niemals bis in den Krankenflügel schaffen.

„Was bei Merlin wollt ihr von mir?", rief ich über meine Schulter hinweg. „Ist etwa euer Ego gekränkt, weil ihr von einer kleinen Gryffindor besiegt worden seid?" Nun fuhr ich zu ihnen herum. Mulciber sah mich zornig an und sein Kiefer spannte sich sichtlich an. Scheinbar war er wirklich sauer darüber, von einem Mädchen besiegt worden zu sein. Rosier wiederum sah mich mit einem schadenfrohen Grinsen an. Die Kommunikation erfolgte ohne Worte. Er wusste genauso wie ich, dass er mich gestern besiegt hatte, auch wenn er sich dazu entschlossen hatte, mich nicht zu verfluchen. Ich senkte meinen Blick und hoffte, es würde niemand bemerken.

„Was macht man denn mit kleinen unartigen Gryffindors?", scharrte Mulciber und leckte sich über die Unterlippe. Merlin, war der Typ ekelerregend!

„Ich weiß auch nicht, ich würde mal sagen, sie gehört an die Decke", erwiderte Avery.

„Mit einer Menge Schmerzen", fügte Snape hinzu. Na super, das klang ja verlockend! Um ehrlich zu sein, war ich nicht gerade scharf darauf, zu erfahren, ob die anderen mich genug für einen Cruciatus hassten oder nicht. Zumindest Mulciber würde mich mit Sicherheit foltern können, schließlich konnten wir uns schon seit unserer ersten Begegnung nicht ausstehen.

„Wisst ihr was? Ihr könnt mich alle mal!", rief ich und drehte mich genervt wieder um. Wenn sie mir etwas antun wollten, dann sollten sie das auch tun und nicht noch mehr von meiner Zeit verschwenden. Ich hatte schließlich nicht den ganzen Tag Zeit, mich mit solchen Idioten abzugeben.

Obwohl ich meinen Zauberstab bereit hielt, konnte ich nichts gegen die Flüche tun, die mich kurz darauf trafen. Von dem einen wurde ich an den Füßen nach oben gezogen und hing schließlich an einem Bein an der Decke, der andere Fluch erstickte jeden Laut, den ich hätte von mir geben können und der letzte Zauber traf mich wie unzälige unsichtbare Messer, welche alle in meine Haut Schnitten. Snapes Markenzeichen. Doch scheinbar wollte er mich nicht umbringen, ansonsten, hätte er die Schnitte tiefer werden lassen.

Ich hatte meine Augen weit aufgerissen und sah, wie Blut über meine Wange lief und meine blonden Haare verklebte. Na das würde ja wunderbar aussehen, wenn es vorbei war. Ich sah die zufriedenen Gesichtsausdrücke von den Slytherins, welche sich alle so dermaßen darüber freuten, dass es fast schon peinlich war. Schließlich war vier gegen eine nicht gerade fair und schon gar nichts, was zu schwer zu schaffen war. Mulciber trat einige Schritte auf mich zu und beugte sich vor.

„Jetzt wirst du mal sehen, wie es so ist, stundenlang einfach nur an der Decke zu hängen", zischte er bedrohlich, brach daraufhin in Gelächter aus und zog mit Avery und Snape ab. Rosier sah mich an, bewegte sich einen Moment nicht, so als würde er überlegen. Doch dann nahm sein Gesicht einen schmerzverzerrten Ausdruck an, er wandte den Blick ab und dackelte seinen Freunden hinterher. Am liebsten hätte ich ihn dafür ausgelacht, doch nur leider hatte Avery mir ja diesen Schweigezauber aufgehalst.

Es sah so aus, als dürfte ich hier noch eine ganze Weile abhängen. Na toll, angenehm war nun auch was anderes, aber wahrscheinlich hatte ich es sogar verdient. Vielleicht zu einem kleinen winzigen Teil. Das ganze wäre wahrscheinlich ein großes Stück erträglicher, würde nicht meine ganze Haut so brennen, als würde sie verbrennen. Snape hatte gute Arbeit geleistet, denn ein dünner Rinnsal Blut lief mir direkt ins Auge, sodass meine Sicht auch noch deutlich eingeschränkt war.

Ich versuchte, mich irgendwie abzulenken, während ich darauf wartete, dass jemand vorbeikam und mich runterließ. Bei meinem Glück würde wahrscheinlich einer meiner unzähligen Feinde vorbeikommen und mich stumpf hängen lassen. Wo waren denn auch Hufflepuffs, wenn man sie brauchte?

Es dauerte nur etwa zehn Minuten, welche mir wie eine halbe Ewigkeit vorkamen, bis ich endlich Schritte im Korridor hörte. Am liebsten hätte ich losgeschrien und um Hilfe gerufen, auch wenn das wahrscheinlich ziemlich entwürdigend gewesen wäre, doch dank Avery konnte ich das ja nicht und hing einfach still weiter.

Ich hörte jemanden erschrocken die Luft einziehen, dann einen Schrei und schließlich, wie jemand das Weite suchte. Ich schaffte es gerade ebenso meinen Kopf so zu drehen, dass ich eine kleine Gestalt den Korridor hinunterrennen sah. Na hoffentlich würde dieser Erstklässler Hilfe holen und nicht vor Schreck im Krankenflügel landen. Da war wohl jemand sehr überzeugt davon, eine Leiche gefunden zu haben. Super gemacht, Arlyn, wirklich!

„Tidwell?", kam es erschrocken aus einer anderen Richtung. Ich konnte die Stimme problemlos Black zuordnen, allerdings stand er hinter mir und ich konnte mich nicht zu ihm drehen. Wild fing ich an mit meinen Armen zu gestikulieren, deutete auf meinen Hals und kurz darauf spürte ich, wie ich wieder Geräusche von mir geben konnte.

‚Steh nicht so rum, lass mich runter!', wollte ich ihm zubrüllen, doch leider lag der Schweigezauber noch immer auf mir. Zwar konnte ich ihn nicht sehen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er mich leicht perplex ansah. Trotzdem hatte ich nach kurzer Zeit wieder festen Boden unter den Füßen und rappelte ich mich binnen kürzester Zeit wieder auf, nur um zunächst das Blut aus meinem Gesicht zu wischen.

Ich fand meinen Zauberstab auf dem Boden und hob mit einem ungesagten Spruch den Schweigezauber auf.

„Danke", sprach ich leise. Es fühlte sich seltsam an, sich bei jemandem wie Black zu bedanken, aber mir blieb gar nichts anderes übrig, schließlich konnte ich ihn schlecht anschreien. Black musterte mich aus zusammengekniffenden Augen.

„Snape?", fragte er nach einer Weile. Ich nickte. Snapes Flüche waren nicht zu verwechseln und gerade Black kannte sie gut genug, um zu wissen, wie sie aussahen.

„Nicht nur, Mulciber und Avery waren auch daran beteiligt", erklärte ich so als wäre es keine große Sache. War es schließlich auch nicht, es war eher eine große Sache, dass Black mir allen ernstes geholfen hatte und wir uns nun fast schon normal gegenüber standen.

„Wie ich die Schlagen hassen. Drei gegen ein ist sowas von unfair", zischte Black. Ich konnte ihm nur zustimmen, doch was sollte ich machen?

„Wohlbemerkt als ich ihnen den Rücken zugekehrt hatte", fügte ich hinzu, da ich wusste, wie sehr Black sich allein darüber aufregen würde. Und tatsächlich schien er noch wütender. Krass, dabei mochte er mich nicht einmal!

„Feiglinge", presste er aus zusammengebissenen Zähnen hervor. Klang einleuchtend, wenn ich ehrlich war, waren die drei nicht gerade die mutigsten Leute, die ich kannte, auch wenn sie sich selbst so fühlen mochten.

„Da stimme ich dir zu", meinte ich. „Aber eigentlich wollte ich mit euch noch über dieses verdammte Buch reden!" In irgendeiner Weise waren die Rumtreiber nämlich der einzige Grund, warum ich in diese Situation geraten waren. Black sah mich verwirrt, aber herausfordernd an, so als hätte er keine Ahnung, was passieren würde, aber trotzdem mehrere Theorien in seinem Kopf.

„Was denkt ihr eigentlich, wer ihr seid? Als ob ich euch abnehme, ihr wärt durch dieses Buch Animagi geworden!", fuhr ich ihn an. Ich holte das Buch aus meine Tasche und hielt es Black demonstrativ unter die Nase. „Darin wird nur über Animagi gefachsimpelt und bringt mir nicht bei, wie ich einer werde!"

Black starrte für einen Moment auf das Buch, dann sah er mich amüsiert an. Was bei Merlins Barte war daran jetzt schon wieder so lustig?

„Ob du es glaubst oder nicht, Tidwell, du musst das Buch auch tatsächlich lesen, um es zu verstehen. Und ich dachte, du hättest kein Problem damit, ein Buch mehr zu lesen", erwiderte er, während sich ein sonderbares Grinsen auf seine Lippen schlich. Ich erwiderte seinen Blick entschlossen. Als ob ich ihm das abkaufte.

„Und ihr habt das Buch gelesen? Eher glaubte ich an das Märchen Der Zauberer und der hüpfende Topf, als daran, dass ihr wirklich jede einzelne Seite dieses Buches gelesen habt!", spottete ich. Das Buch hatte nicht umsonst eine stolze Anzahl an Seiten. Die Rumtreiber wussten doch nicht einmal, was lesen überhaupt war!

Black zog eine Augenbraue hoch und sah mich so eine ganze Weile an. Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, ob die Rest der Plage irgendwo in der Nähe waren oder ob Black tatsächlich sein Rudel für einen Moment verlassen hatte. Selbst wenn er allein war, stellte sich die Frage, wie lange es so bleiben würde.

„Ich weiß ja nicht, ob du es schon mitgekriegt hast, aber wir können tatsächlich lesen!", giftete Black. Hatte der seine Tage oder so? „Und ich gebe dir mein Wort, dass wir dieses Buch als einzige Hilfestellung hatten!" Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an. Das Buch verstaute ich wieder in meiner Tasche.

„Das will ich für euch hoffen, denn wenn ich es durchgelesen habe und feststellen muss, dass es dort keinerlei Anhaltspunkte gibt, dann werden schnell bestimmte Leute von euren Ausflügen in Tiergestalt erfahren", meinte ich schadenfroh. Es fühlte sich gut an, ein Druckmittel in der Hand zu haben. Black wirkte tatsächlich leicht nervös, was mich noch mehr an dem Buch zweifeln ließ. Die Rumtreiber hatten eine Chance gehabt und wenn sie diese verspielten, war das nicht mein Problem.

Da das Gespräch für mich beendet war, drehte ich mich demonstrativ um und wollte auf schnellsten Weg zur Mädchentoilette, damit ich nicht mehr aussah, wie eine wandelnde Leiche.

„Tidwell", rief Black mir hinterher. Genervt drehte ich mich um und sah, wie er mich verschmitzt angrinste. „Hübsche Unterhose übrigens!"

Irritiert sah ich auf meine Hose und musste feststellen, dass Snapes Fluch nicht nur durch meine Haut geschnitten hatte, sondern auch Teile meiner Hose zerfetzt hatte.

Ich schenkte Black ein gefälschtes Lächeln und erwiderte: „Find ich auch!". Dann drehte ich mich endgültig um und hoffte, niemandem auf dem Weg zum Mädchenklo zu begegnen.

[Edited: 06.11.18]

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