Kapitel 70
[Das Ende]
~Das Schicksal ist grausam und niemand kann etwas dagegen tun~
Theseus sah in all die Gesichter. Er sah sie alle und das war sein Fluch. So viel Blut, so viel Tod. Es war zu viel für ihn. Zu viel.
Er wurde davon verfolgt, das war sein Fluch. All die Menschen, die er so sehr liebte, starben vor seinen Augen und sie würden nie wieder kommen. Sie gingen für immer.
Yizza, Pamelon und Pandora, James und noch mehr. Sie alle waren tot und ihr Blut befleckte nun den Boden, auf dem Theseus so oft langgegangen war. Auf dem er Erinnerungen gesammelt hatte, mit den Leuten, die nun tot auf dem Boden lagen. Ihre Leiche zierten nun diese Wege und Theseus wollte sich übergeben.
Nicht nur, weil Casmiel sein Messer aus seiner Brust zog und Theseus' Körper sich automatisch regenerierte, sondern auch, weil er all dieses Blut und all diesen Tod mitansehen musste.
„Wir sind umzingelt!" schrie Jason noch einmal, als er in die erstarrten Mienen blickte, die allesamt wie aus Stein schienen. Niemand rührte sich mehr, der Feind hatte sie eingeschlossen und richtete seine Waffen auf sie. Es gab kein Entkommen mehr...bis auf Theseus jedenfalls. Er könnte entkommen, aber niemals sein Herz, das er an all diese restlichen Personen gegeben hatte.
„Perfekt" berichtete Casmiel nur und er drehte seine blutigen Messer einmal in seiner Hand. Auf seinem Gesicht klebte noch immer dieses verdammte, ruhige Lächeln, als müsste er gerade nicht mitansehen, wie seine langjährigen Freunde starben. „Wir können also von allen Seiten angreifen" verkündete er nur selbstbewusst, aber bevor er es sich versehen konnte, wurden sie geblendet und als das grelle Licht wieder verschwand, waren ihre Waffen weg. Der Widerstand konnte sich nicht mehr wehren.
„Tut mir leid, euch zu enttäuschen, nachdem ihr euch doch so toll selbst bekriegt habt. Eine großartige Show, wirklich, aber langsam langweilt ihr mich" sprach der Mann mit den weißen Haaren. Es war Helio, Aspens Vater und Phoenix, mit der Kraft des Lichtes. Er hatte sie also geblendet und war durch das Licht gesprungen, um ihnen ihre Waffen wegzunehmen. Ein sehr geschickter Spielzug, der sie Schach Matt setzte.
Casmiel sah auf seine Hände, in denen zuvor seine Klingen gelegen hatten. Er sah auf das Blut, das darauf klebte und erinnerte sich, das er Theseus erstochen hatte. Als er sich jedoch umdrehte, war der Mann unverletzt und hatte keine Anzeichen mehr von dem Stich, bis auf sein zerrissenes Hemd, das dort aber schon einmal aufgeschlitzt worden war von Helios Schwert.
„Ich bin beeindruckt, Theseus und Casmiel. Ihr seid wirklich gut darin, alles zu verderben. Und diese beiden kleinen Streithähne nennen sich Anführer? Pah, ihr seid wirklich lächerlich aber wenigstens amüsiert ihr mich damit" sagte der Assassin nur lachend und sein spöttischer Blick hatte Theseus und Casmiel fixiert.
Langsam stieg der letzte Helikopter ab, der zuvor noch über den Köpfen der Phoenixe seine Runden geflogen war und den Kampf als dritter Beobachter mitangesehen hatte. Nun, wo alles sicher war, traute der Vogel sich herab um sich seine Beute zu schnappen.
Die Leiterin stieg aus dem Helikopter aus, aber anstatt, das sie ruhig und elegant über den Blutsplatz ging und mit einem kalten Lächeln befahl, sie alle hinzurichten, ging sie schnell und nicht sehr anmutig auf Casmiel zu und schlug ihn gegen die Wange. So fest, das er das Gleichgewicht verlor und auf den Boden fiel. Seine Lippe war aufgeplatzt und er wischte sich das Blut mit dem Daumen weg, als er aufstand und der Leiterin kühl aber lächelnd in die Augen blickte.
„Begrüßt man so etwa alte Freunde?" fragte er nur grinsend als er die Arme hob und es kurz wirklich so aussah, als würde er die Leiterin umarmen wollen. Diese Antwortete jedoch nur mit einem weiteren Schlag ins Gesicht, der ebenso fest war, aber dieses Mal war Cas vorbereitet und nur sein Kopf wurde weggerissen von der Wucht.
„Wo?" kreischte die Frau hysterisch und Theseus sah seine Freunde nur fragend an. Er hatte keine Ahnung was die Leiterin meinte, aber Casmiel schien da andere Informationen zu haben.
Er blickte weiterhin kühl auf die Frau herab und hatte noch immer dieses unverschämte Grinsen in seinem Gesicht, obwohl seine Lippe blutete und er wirklich nicht mehr gesund aussah.
„Sie werden es niemals finden. Niemals" versprach er ihr nur zwielichtig und ein weiterer Schlag folgte, dieses Mal aber in den Magen und Theseus war ehrlich verwundert, als Cas sich nicht übergeben musste von dieser Wucht.
„Meine Tochter ist kein Gegenstand, du Bastard! Also sag mir sofort wo sie ist!" schrie die Leiterin weiter und Theseus verstand. Ihre Tochter... Zwar hatte Theseus nie damit gerechnet, das die Leiterin eine Tochter hatte, aber scheinbar hatte jede Person ihre Geheimnisse.
„Ich nenne ihre kleine Tochter wie ich will. Schließlich kann ich mit ihr jetzt auch machen was ich will" provozierte Casmiel sie weiter und ihm nächsten Moment trat die Leiterin ihn mit ihrem perfekt positionierten Bein gegen die nächste Höhlenwand, an der er schwach herunterrutschte und benommen am Boden sitzen blieb.
Er fasste sich an den Hinterkopf und spürte das warme und klebrige Blut auf seinen filigranen Fingern. Ihm war schwindelig, die Welt drehte sich, aber er verlor nicht seine perfekte Maske. Sie war zu oft gebrochen. Er würde es nie wieder zulassen, das jemand seine Schwäche sehen würde.
„Solltest du mich jetzt umbringen, werden meine Leute sie umbringen und das ohne zu zögern. Meine Leiche gegen ihre. Mein Tod wird eine Welle der Emotionen auslösen. Das wird ihnen ein Zeichen geben und vertrauen Sie mir. Ihre Tochter wird schreckliche Schmerzen und Qualen erleiden, nur weil Sie mich ihr vorgezogen haben" er lachte spöttisch bei diesen Worten, „Sie wären eine wahrlich schlechte Mutter."
Diese Worte stachen sogar in Theseus' Herz und er konnte sehen wie sich Tränen in den hellgrauen Augen der Leiterin bildeten und Theseus erkannte, wie wichtig ihre Tochter ihr war. Der größte Schatz, der Leiterin und Casmiel hatte ihn gestohlen.
„Du dreckiger, widerlicher Bastard! Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen niemals gelebt zu haben!" kreischte sie nur und sie gab Casmiel einen weiteren Tritt, der eine seiner Rippen brach. Man konnte deutlich das Knacksen hören und Theseus wollte sich nun wirklich übergeben, so schrecklich hallte dieses Geräusch nach. Seine eigene gebrochene Hand schien nicht mehr zu existieren.
Aber während Theseus beinahe seinen Mageninhalt preisgab, lachte Casmiel nur schwach, während er zugleich hustete, ein wenig Blut spucken musste und bestimmt schreckliche Schmerzen in der Brust hatte. Eine gebrochene Hand war schon schlimm genug, aber Theseus wollte sich nicht einmal ausmalen, wie schwer die Schmerzen sein mussten, die Casmiel in diesem Moment hatte.
Die Leiterin schlug noch einmal zu und noch einmal. Sie schien einen Fäustehagel auf Casmiel niederzulassen, der aber nie auch nur einen Ton gab. Erst als Helio sich einmischte und die Leiterin ruhig von dem verletzten Casmiel wegzog, konnte Theseus sehen, wie schwer er verletzt war.
Seine Wange blutete, genauso wie seine Lippe und sein Kinn. Er würde mehrere blaue Flecken bekommen und seine Haare waren noch zerzauster als sonst, aber trotz der Schmerzen lag noch immer ein ruhiges Lächeln auf seinen schmalen Lippen, die blutrot gefärbt waren.
„War das alles? Helio, ich wette du bekommst das besser hin als sie" sagte er nur ermutigend zu dem kalten Mann, der die Leiterin tatsächlich wieder loslassen konnte, ohne das sie auf Casmiel losging. Doch auf seinen Lippen thronte ebenso ein kleines, amüsiertes Lächeln, als würde er diese Show genießen.
„Ich bringe dich um. Du bist zu schwach, um deine Schockwellen auszusenden und ich wette, deine Freunde werden mir verraten, wo sie ist. Ich brauche dich nicht" eine Waffe zielte nun direkt auf Casmiels Kopf, doch er verlor sein Lächeln nicht. Er schien sogar erleichtert zu sein, das sein Leben endlich enden würde und Theseus sah wieder diese Bilder vor sich, als Casmiel sich selbst die Waffe gegen die Schläfe gehalten hatte und abdrücken wollte.
Deshalb rannte er los und schmiss sich vor die Kugel, die gerade eben abgefeuert worden war. Sie bohrte sich in Theseus' Bauch und er zuckte zusammen vor Schmerz. So große Schmerzen. So große Qualen und er wusste noch nicht einmal, wieso es so verdammt weh tat. Aber er konnte die Schmerzen nicht aushalten und brach zusammen.
Mit letzter Kraft konnte er sich auf allen Vieren halten und Blut tropfte aus seinem Mund. Alles schien stehen zu bleiben. Einen kurzen Moment war alles leer in ihm. Die Schmerzen wurden taub und er fühlte nur mehr einen Stich im Herzen, als er in die Ferne blickte und Aspen Gesicht zwischen den Büschen erkannte.
Sie sah wortlos zu, wie Theseus gegen diese grausamen Schmerzen ankämpfte und tat nichts dagegen. Sie sah nur ruhig zu, starrte Theseus an, als wäre er ein Geist und verschwand nur wenige Sekunden später in den Büschen.
Theseus' Gedanken überrumpelten ihn. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen und seine Wunde konnte sich nicht wieder schließen. Kaum umgab das Gewebe die Schusswunde wieder, wurde es erneut zerfressen und mehr Blut tropfte daraus hervor.
Doch das war nichts im Gegensatz zu dem Schmerz, der tief in seinem Herzen lag. Hatte Aspen sie etwa tatsächlich nur ausgenutzt, ausspioniert? Hatte sie diese Vergangenheit nur erfunden, alles inszeniert? War ihr Vater eigentlich auf ihrer Seite und sie hatten gemeinsam geplant Theseus in die Irre zu locken?
Schließlich war Aspen eine Assassine. Theseus traute ihr alles zu und es wäre sicher kein Problem für sie, sie einfach zu hintergehen. Aber wieso? Wieso sollte Aspen so etwas grausames machen? Wieso...
„Du bist ein solcher Idiot, Sick Boy. Das hier sind speziell präparierte Kugeln, nur für dich und dank dir, habe ich sie nicht an diesem Miststück verschwendet. Ich denke, ich sollte dir danken, aber ich sehe doch lieber zu wie dich das Perlenwasser langsam zerfrisst" meinte die Leiterin nur grausam lächelnd. Theseus konnte den Wahnsinn in ihren hellgrauen Augen auflodern sehen, aber er nutzte seine letzten Kraftreserven um sich zu Casmiel zu schleifen und sich vor ihn hinzustellen. Er konnte stehen, nur knapp und wackelig, aber er stand und sein Körper, in der noch immer eine Kugel steckte, schützte Casmiel vor allen anderen.
Dieser war nun verwirrt. Zuvor hatte er noch versucht, Theseus umzubringen, aber jetzt hatte dieser eine Kugel für ihn eingefangen und stand schützend vor ihm.
„Ich...verspreche das du...niemals wieder...alleine bist...Cassy" sagte Theseus ein weiteres Mal, bevor er seinen Blick wieder von Casmiel anwandte und auf die Leiterin richtete. Seine Hand lag schützend auf der noch immer blutenden Wunde und er starrte starr auf die Frau, die so viel Ärger bereitet hatte.
„Letzte Worte, Sick Boy?" fragte die Leiterin nur spöttisch und nun zierte ein kleines, kaltes Lächeln ihre schmalen, blassen Lippen. Ein Lächeln der Genugtuung. Der Gerechtigkeit.
„Du...du weißt gar nichts..." ächzte er nur und ein verzerrtes Grinsen zierte sein Gesicht. Der Schweiß perlte von seiner Stirn und es war, als würde ein Feuer in seinem Bauch lodern, das ihn verspeisen wollte.
„Ich bin der Sick Boy und ich gebe mich niemals geschlagen" mit seinen Fingern fuhr er in die Wunde und schrie schmerzerfüllt auf. Das Brennen wurde stärker und es schien nun auch seine Finger anzugreifen, aber er gab nicht auf und bohrte sich weiter durch sein eigenes Fleisch.
„Meine Kraft...kannst du nicht überlisten...egal wie viel Perlenwasser du verwendest." Schwor er ihr feierlich und mit einem weiteren markerschütternden Schrei zog er die Kugel aus seiner Wunde heraus und zeigte sie stolz der Leiterin, die ihn nur geschockt ansah.
Seine Finger waren nur mehr Knochen, die Haut, das Fleisch, die Muskeln und Sehnen. Alles hatte das Perlwasser zersetzt, aufgefressen, als hätte es Hunger gehabt. Doch die Schichteten bildeten sich erneut, als Theseus die Kugel einfach fallen ließ. Seine Finger wurden wieder ganz, seine Bauchwunde verschloss sich wieder und er fühlte sich besser. Das Brennen hatte nur ein wenig nachgelassen, aber wenigstens musste er sich nicht mehr krümmen.
„Vertrau mir in diesem Punkt. Die Unendlichkeit kann man nicht täuschen" sagte er nur kälter als beabsichtigt, aber diese Frau hatte Casmiel so zugerichtet. Sie hatte ihm all das angetan und er wollte sie tot sehen. Eine der wenigen Menschen, bei denen er wirklich der Meinung war, das sie das Leben nicht verdient hatten.
Aber bevor er auch nur einen Schritt laufen konnte, bildeten sich seine Wunden erneut. Die Schwertwunde von Helio, die sein Herz beinahe zerfetzt hatte und auch die Wunde, die Casmiel ihm zugefügt hatte und nun auch noch die Schussverletzung. Das Blut floss in Strömen und die Schmerzen kamen zurück. Das war der Nachteil, seiner sofortigen Regeneration. Wenn er sich auflöste, um an dem Punkt wieder aufzuwachen, wo er das letzte Mal eingeschlafen war, hatte er keinerlei Nachteile, nur den Ortswechsel. Aber wenn er seine Kraft kontrollierte und ihr befehligte, seine Wunden sofort zu schließen, gab das nachgemachte Fleisch nach und die Täuschung fiel auf. Die Wunden bildeten sich erneut und er starb bis er irgendwann wieder aufwachte. Doch er konnte nie wissen wo, denn dann galt: Er war eine normale Leiche. Kein Herzschlag. Kein Atem. Kein Auflösen.
„Wenn du ihn umbringst..." keuchte er noch, „Wenn du irgendjemanden umbringst...dann merke dir, Leiterin...ich werde da sein und dich umbringen. Dich und deine geliebte Tochter. Das schwöre ich dir..." sprach er noch bevor Theseus zusammenklappte und seine Körpertätigkeit versagte. Er hatte noch versucht seinen Tod hinauszuzögern, aber letztendlich war er seiner eigenen Kraft doch unterlegen und war zusammengebrochen.
Das war das Ende. Das Ende einer Ära. Der Widerstand, die rote Hand, die nun schon 10 Jahre aktiv war, wurde gefangen und niemand konnte etwas dagegen tun. Der legendäre Casmiel Tripe konnte sie nicht mehr mit einem seiner genialen Pläne befreien, niemand war mehr übrig. Sie waren nun Gefangene...Gefangene an einem schrecklichen Ort.
Der Scena. Der Ort, wo einst alles begann.
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