Kapitel 61

[Das goldene Rad]

~Götter gibt es wie Sand am Meer aber manchmal verwechselt man Sand mit Gold~

Wenn es etwas gab, das Aspen antrieb, dann war das Musik. Nicht irgendeine Musik, sondern Queen. Ihre Lieblingsband und Lebensinhalt, wenn sie gerade nichts anderes zu tun hatte als mitten in der Nacht vom Lager wegzugehen und sich selbst das Kämpfen mit einem riesigen Langschwert zu lernen.

Eigentlich hatte Robb ihr versprochen es ihr beizubringen, aber seit der Beerdigung von Casmiel (oder besser gesagt der Trauerfeier) war er verschwunden genauso wie Alessia und Lorcan.

Aber das war jetzt egal, denn sie hatte sich einen beinahe toten Baum gesucht, (schließlich sah Aspen keinen Sinn dahinter einen gesunden Baum umzubringen, bei Menschen war das anders) schaltete sich ihre liebste Playlist auf ihrem MP3-Player (ja, sie hatte so ein altes Ding noch, war aber zu sentimental um sich davon zu trennen) und steckte sich ihre Kopfhörer ein, sodass das Kabel zwar nicht im Weg war, aber sie noch immer ihre Musik hören konnte.
Das erste Lied begann und sie musste Grinsen als es „We will rock you" von Queen war. Schicksal.

Zwar musste Aspen sich bemühen nicht im Takt mit zu stampfen und zu klatschen, aber sie kontrollierte ihre Impulse gerade noch so und hob das ,in ihren kleinen Händen, riesige Schwert hoch. Zwar war Aspen muskulös, aber sie hatte noch immer großen Respekt vor dem Gewicht des Langschwertes.

Dann versuchte sie ihre Hände so anzulegen, wie Robb es ihr gezeigt hatte und stellte sich gerade aber zugleich auch stabil hin, damit das Schwert sie nicht mitreißen konnte.

Gerade als sie zum ersten Schlag ansetzten wollte, hörte sie (trotz Kopfhörer und dröhnender Musik) ein Rascheln und drehte sich elegant um sodass die scharfe Klinge des Schwertes knapp vor dem Hals eines Fremden stehen blieb und er nur um Haaresbreite geköpft wurde.

„Theon? Verdammt" meinte sie nur als sie den Fremden erkannte und das Schwert wieder sinken ließ. Schließlich wollte sie Theon nicht köpfen...noch nicht. Sie steckte einen Kopfhörer aus ihrem Ohr damit sie besser verstehen konnte, was er zu sagen hatte.

„Aspen. Du trainierst mit dem Langschwert?" fragte er scheinbar verwundert und Aspen legte sich die glatte Seite des Schwertes über die Schulter, sodass es zwar wirklich lässig aussah, sie aber nicht verletzt wurde.

„Nein. Ich übe mit Pfeil und Bogen, sieht man doch" antwortete sie nur sarkastisch bevor sie leicht den Kopf schüttelte, „Natürlich trainiere ich mit dem Schwert. Ich habe noch nie in meinem Leben die Chance gehabt damit zu hantieren aber Robby hat mir angeboten es mir zu lehren" klärte sie Theon dann auf.

„Aha. Und...wo ist Robb jetzt?" fragte er sie, während seine dunkelgrünen Augen suchend umherwanderten.

„Du wirst ihn nicht finden. Er ist mit Alessia und Lorcan irgendwo hin, keine Ahnung. Eine Art...Mission oder so. Jedenfalls hat er das zu mir gesagt" erwiderte sie schulterzuckend und das Schwert auf ihrer Schulter rutschte ein wenig nach unten.

„Das Langschwert? Sicher das das die geeignete Waffe für ein...für eine junge Frau wie dich ist?" fragte er nur scheinbar unsicher ob Aspen tatsächlich in der Lage war mit dieser Waffe umzugehen.

Vielleicht hatte Aspen doch keine Impulskontrolle denn sie schulterte das Schwert wieder ab und ließ es einmal lässig um ihre Hand schwingen, sodass es sich drehte und wieder so wie zuvor in ihrer Hand landete. Die Übungen mit dem falschem Laserschwert, das Aspen Zuhause hatte, waren also doch nicht ganz nutzlos gewesen.

„Ich denke die junge Frau kommt damit klar" war ihre spöttische Antwort auf seine dämliche Frage. Wenn Aspen eines hasste, dann war es Sexismus oder generell der Gedanke, das sie schwach sein könnte.

„Nein, so meinte ich das nicht. Du bist nur...ziemlich klein und das Langschwert ist...groß" erklärte er wohl etwas eingeschüchtert von dem tödlichen Blick, den Aspen ihm nun zuwarf.

Man konnte es ihm nicht verdenken, Aspen war wirklich gruselig wenn sie es sein wollte. Ihre schwarzen Haare waren wie ein dichter Schleicher, der sie umgab und ihre orange-grünen Augen strahlten eine solche Macht und Stärke aus, das man sich lieber gleich begraben würde. Dann war da noch diese furchterregende Aura, die die kleine Frau ausstrahlte und wenn sie auch noch ein Schwert in ihren kleinen aber geschickten Händen hielt, wollte man sich tatsächlich nicht mit ihr anlegen.

„Ach. Wenn man sich von seinem Körper eingrenzen lässt wird der Geist niemals ausgereift. Casmiel war auch klein, aber ich denke er hatte mehr Hirn als du obwohl du um die zwei Meter groß bist" schnaubte sie nur spöttisch und ohne sich weiter mit ihm zu beschäftigen, drehte sie sich wieder um und schlug den Baum mit ihrem Schwert. Eine große Kerbe entstand und gerade als Aspen das Schwert wieder herausziehen wollte, steckte es fest und egal wie fest sie zog, es bewegte sich kein Stück.

„Soll ich dir helfen?" fragte Theon und egal wie sehr er versuchte seine Belustigung zu unterdrücken, es ging einfach nicht. Der Anblick wie Aspen gegen den Baum kämpfte um ihre Schwert aus dessen Griff zu befreien war einfach zu amüsant.

„Nein" zischte sie nur während sie sich mit beiden Beinen gegen den Baum stemmte und mit aller Kraft versuchte das Schwert raus zu ziehen. Es bewegte sich zwar etwas, aber lockerte sich nicht wirklich.

„Du wirst das nie schaffen, nicht wenn du so weiter machst" wies Theon sie an. Er wartete geduldig, hatte seine Arme verschränkt und sah Aspen mit einem kleinen Schmunzeln im Gesicht zu.

„Halt die Klappe. Ich schaffe alles wenn ich das will!" fauchte sie und mit einem heftigen Ruck befreite sie das Schwert endlich aus dem Baum, fiel jedoch dank des Rückstoßes zurück und landete am Boden.

Theon ging zu ihr und sah auf sie herab.
„Mhm, ich sehe schon. Dein Körper grenzt dich also nicht ein?" meinte er nur amüsiert und Aspens Blick hätte töten können in diesem Moment.

„Du bist doch nur ein arrogantes Arschloch mit mehr Muskeln als Hirn. Aber leider stehen die meisten Frauen auf Hirn" meinte sie nur bei Theons Kommentar und sie richtete sich wieder auf, als wäre nichts weiter passiert.

„Du unterschätzt mich, Aspen" erwiderte er nur ruhig, als würde sie ihm nicht gerade sagen das er dumm war.

Aber Aspen schnaubte nur belustigt aus bei seinen Worten. „Nein, mein Schatz, ich unterschätze dich nicht. Ich nerve dich nur" säuselte sie übertrieben fröhlich, als würde sie ihm gerade ein Kompliment machen.

„Also bin ich nicht dumm?" fragte er grinsend. Theon dachte, er hätte Aspen mit ihren eigenen Worten geschlagen, Schach matt.

„Nein. Kein Mensch ist wirklich dumm, aber sie können dumme Dinge tun. Du kannst auch Casmiel nicht dumm nennen, im Gegenteil. Er ist einer der intelligentesten Menschen die ich kenne, auch wenn die wenigsten das im ersten Moment begreifen. Doch er hat dumme Entscheidungen getroffen wie beispielsweise zu sterben, aber er ist keinesfalls dumm. Genauso wenig wie Theseus. Er ist zwar ein wenig naiv, auch wenn er denkt jeden Menschen durchschauen zu können, aber er glaubt immer an das gute im Menschen, in jedem Menschen, weshalb er auch Pazifist ist" erklärte Aspen ihm vollkommen sachlich und diese Antwort hatte Theon nicht erwartet.

„Du hast Theseus und Casmiel analysiert?" fragte Theon sie nur verwirrt. Er war nie auf die Idee gekommen das man wirklich etwas aus Cas herauslesen konnte.

„Natürlich. Ich habe jeden analysiert, manche nur kurz aber Cas zum Beispiel bei jeder Möglichkeit. Dafür das du in der Arena warst kannst du wirklich dumm wirken" meinte sie nur schulterzuckend als wäre nichts weiter dabei.

„Wie hast du das gemacht?" fragte er sie interessiert. Er war zwar auf die Idee gekommen alle zu beobachten, hatte es auch getan, aber Casmiel war wie ein Eisberg, der im Meer schwimmt. Man sah nur die Spitze, aber das wirklich gefährliche und wichtige lag unter dem Meer im tiefen Ozean, den man nicht durchbrechen konnte.

„Er ist ein sehr interessanter Mensch und irgendwann kommt man an den Punkt, an dem man ihn versteht. Zwar weiß ich noch immer nichts über ihn und er wird für immer ein Mysterium bleiben, aber er ist dennoch nur ein Mensch. Das vergessen wohl alle. Casmiel Tripe ist kein Gott, kein Messias und kein Geschenk. Er ist ein Mensch wie du und ich nur...individuell" gab Aspen als Antwort und Theon konnte ihren Worten folgen.

Tatsächlich war Casmiel mit seiner arroganten und selbstbewussten Art etwas Besonderes. Er hatte nie daran geglaubt das er ein Gott war, aber auch nicht daran, das er ein normaler Mensch war, der vielleicht etwas besser aussah und sehr intelligent war. Aber dort draußen lebten noch andere wie er. Leute, die Intelligent waren, gut aussahen und dieselben Qualitäten besaßen wie er. Cas war trotz all seinen Taten ein Phoenix, ein Ausgestoßener. Er war ein Dorn im Auge der Zivilisation, ein Fehler. Er war nicht so besonders, wie alle sagen.

„Du...du denkst also wir brauchen Cas nicht um diesen Krieg zu gewinnen?" fragte Theon nun noch interessierter. Zuerst hatte er gedacht Aspen wäre leicht zu umwerben. Sie wirkte zwar hart und kämpferisch, hatte jedoch einen romantischen Kern und war auf ihre eigene Art freundlich und verspielt. Aber er hatte nie erwartet das ihre Sichtweise auf die Dinge so...besonders war. So einzigartig wie sie selbst.

„Genau das will ich sagen. Es gab auch eine Zeit vor Casmiel Tripe und es gibt noch andere Widerstandstruppen. Wer denkst du verursacht diese Unruhen in der Stadt? Nicht wir, schließlich hatten wir zuerst einen brillanten Strategen und jetzt einen friedvollen Pazifisten an der Spitze" sagte Aspen unbeeindruckt und sie kämpfte weiter gegen den Baum, als würde sie gerade kein Gespräch mit Theon führen.

Dieser war einen kurzen Moment stumm. Er musste ihre Worte erst einmal richtig verarbeiten.

„Warte...du sagst es gäbe andere Widerstandstruppen? Kennst du deren Anführer?" fragte er etwas aufgeregter als beabsichtigt. Er hatte zwar gewusst das nicht sie diese Unruhen anstifteten, aber von anderen Widerständen war er nicht ausgegangen.

„Na klar. Mein Bruder leitet diese" sagte Aspen und sie schlug das Schwert mit einem kräftigen aber gezielten Hieb durch den Baum, sodass der gesamte Stamm, der zugegeben nicht gerade dick und ziemlich alt und morsch war, aber dennoch reichte es aus damit der kleine Baum knarzend umfiel und Dreck und Staub aufwirbelte.

„Dein...Bruder?" fragte er erneut, als könnte er nicht glauben das Aspen eine Familie außerhalb der Rebellion hatte.

Aspen blies sich eine Strähne ihrer langenschwarzen Haare aus dem Gesicht und nickte Theon grinsend zu „Jup. Mein Bruder.Besser bekannt als Liope Salem. Der Anführer des goldenen Rades" 

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