Kapitel 60
[Eine Tragödie]
~Eine Tragödie ist nichts im Gegensatz zu Casmiels Leben~
Theseus und Azrael kamen wieder aus dem Zeitstrudel aber dieses Mal konnte Theseus sich noch einmal abfangen, bevor er mit dem Gesicht voraus auf dem Boden landete. Stattdessen fing er sich mit seinen Händen ab und richtete sich gleich wieder auf.
Sein Magen rumorte, wäre noch etwas in ihm, würde er sich bestimmt wieder übergeben, aber zum Glück hatte Theseus schon alles aus seinem Körper gekotzt. Es würde ihn nicht wundern wenn jetzt seine Innereien nachkommen würden.
Sie waren jetzt schon dreizehn Mal durch die Dimensionen gehüpft und jedes Mal war es etwas anderes gewesen. Hippie-Casmiel, wie Theseus ihn nannte, war nicht einmal der schlimmste gewesen, aber niemand hatte ihnen wirklich sagen können, was sie nach seinem Tod tun sollten. Manchen war nie aufgefallen das sie tatsächlich sterben konnten, einer hatte sogar einen sehr heftigen Götterkomplex. Ein anderer hatte gesagt das Theseus und Azrael seine Wiedergeburt suchen und warten sollten, bis er alt genug war um den Widerstand in den Krieg zu führen. Dann war da noch Mörder-Cas, der Theseus als ersten in das Bein gestochen hatte, weil er dachte, er würde ihn angreifen. Zum Glück war es nur eine kleine Wunde gewesen, die nun schon wieder ohne weitere Spuren verheilt war. Theseus hatte dank seiner Kraft einen schnelleren Stoffwechsel und heilte somit rasand.
Kurz zusammengefasst: Alle Casmiels waren nutzlos und Azrael ging langsam die Energie aus, weshalb dieser ihre letzte Hoffnung, ihre letzte Möglichkeit waren um einen Weg aus diesem Teufelskreis zu finden.
„Okay...wo sind wir hier?" fragte er Azrael als er sich umsah. Der Regen prasselte hart gegen seine Haut und er wünschte sich jetzt nur eine Jacke. Mehr nicht.
„Wir sind in London. Wir sind vierzehn Jahre in die Vergangenheit gereist..." stellte er verblüfft fest während er sich umsah. Sie waren direkt vor einem sehr schönen, riesigem Haus, nein, einer Villa gelandet, die mit dem weißen Marmor und den goldenen Verzierungen schöner war, als jedes Gebäude, das Azrael jemals gesehen hatte.
„London? Wieso sind wir in London?" fragte Theseus verwirrt. Er war schon einmal in England gewesen, schließlich waren die Leute hier viel zivilisierter als in Amerika. Hier galten die Phoenixe nicht als eine Krankheit, sie wurden akzeptiert auch wenn sie bei dem kleinsten Fehler wieder in die Schusslinie geraten würden und sich deshalb noch immer versteckt hielten, aber sie wurden wenigstens nicht gejagt und teilweise versklavt, zum Kämpfen gezwungen.
„Cas wurde in London geboren. Hast du das nicht an seinem Akzent bemerkt?" fragte Azrael nur belustigt, aber Theseus schien nur noch verwirrter.
„Cas ist Engländer?" fragte er nur, als wäre dies eine vollkommen neue Information für ihn. Tatsächlich hatte er nie sonderlich auf Casmiels Aussprache bestimmter Wörter gehört, er war zu abgelenkt gewesen, eine Gefühlsregung in seinen dunkelblauen Augen zu finden.
„Okay. Du musst wirklich taub sein. Aber egal, wir können uns später darüber unterhalten. Meine Kraft wird schwächer und wir sollten so schnell wir möglich zurück damit ich mich wieder aufladen kann" meinte er nur nickend während er zu dem Haus ging und klingelte, als wäre nichts weiter dabei.
„Bist du wahnsinnig? Das hier ist das Haus der Tripes! Hier leben wohl die reichsten und einflussreichsten Menschen der Welt" zischte Theseus nur unruhig, aber es war schon zu spät. Azrael hatte die Klingel betätigt und einer der Bediensteten öffnete die Tür für sie.
„Willkommen im Hause der Tripes. Was führt Sie zu uns, Gentlemen?" fragte er nur mit dem etwas extravaganten Akzent, wie sie so manche Briten trugen. Erst jetzt erkannte Theseus das ähnliche Sprachmuster zwischen diesem Diener und Casmiel.
„Wir wollte mit Mister Tripe Junior sprechen. Casmiel" antwortete Azrael vollkommen ruhig, während Theseus zwischen ihm und dem Diener hin und her blickte.
Dieser erhob aber nur eine Augenbraue und sah an ihnen herab, als würde er sie prüfen wollen. „Tretet ein. Mister Tripe wird Sie in der Eingangshalle in Empfang nehmen" antwortete er nur bevor er das Tor vollständig öffnete und Az sowie auch Theseus eintreten ließ als wäre nichts dabei.
Das Gebäude an sich war schon erstaunlich, aber diese Eingangshalle war noch majestätischer und schöner. Es war nicht zu protzig obwohl goldene Verzierungen und Marmorstatuen den Raum schmückten. Die weißen Wände wirkten alt, fast als wäre dieses Haus eine Kirche. Die Bogenfenster und verzierten Säulen, die die Decke stützen waren wundervoll und die Einrichtung des Raumes passte perfekt zu dem Rest.
„Meine Herren, was führt Sie zu mir?" fragte eine fremde Stimme und sofort drehten sich Azrael und Theseus um. Sie kam von einem unfassbar attraktiven Mann, der aussah wie Casmiels Spiegelbild nur etwas anders. Er hatte etwas längere, goldene Haare, die er in einem Mittelscheitel trug. Seine Haut war blass, aber edel und seine Augen trugen dieselbe einzigartige Farbe, wie die, von Casmiel auch. Es war dieses besondere Dunkelblau, das wirkte, wie die wilde See.
Der Fremde trug einen teuren Anzug in schwarz, bis auf seine Fliege, die dieselbe Farbe wie seine Augen trug und eine seltsame, dunkelblau-gefärbte Rose schmückte seine Brusttasche. Er wirkte so edel, so elegant und Theseus erkannte die Ähnlichkeiten, die er mit Casmiel teilte.
„Sie müssen Charon Tripe sein. Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen" begrüßte Azrael den Mann nur, der sich als Charon Tripe herausstellte. Theseus war in diesem Moment zu perplex um zu reagieren.
„Der bin ich wohl, aber Ihr Name ist mir leider fremd" antwortete er ruhig und nun stand er direkt vor Azrael, gab ihm seine Hand und schüttelte sie feierlich. Jede Bewegung war so anmutig und Theseus war beeindruckt.
„Azrael Tent, Sir. Und das hinter mir ist Theseus Rendall. Wir kommen nur um mit Ihrem Sohn ein paar Worte auszutauschen" antwortete Azrael ihm, während er ebenso ruhig die Hand des älteren Mannes schüttelte und völlig entspannt blieb. Hinter ihm wartete Theseus, still aber angespannt. Irgendetwas stimmte hier nicht, es war zu einfach. Viel zu einfach.
„Azrael. Hm...haben wir uns einmal bei einer Gala getroffen, Mister Tent?" fragte Charon nur und er musterte den Mann vor sich aufmerksam, kein Detail schien ihm zu entgehen und Theseus tat dasselbe bei ihm. Charon wirkte zwar höflich, aber irgendwie auch furchterregend.
„Möglich. Leider merke ich mir die Gesichter nicht, die ich bei den Galas sehe. Die meisten sehen eben einfach gleich aus" lachte Azrael leicht und irgendetwas sagte Theseus das es nicht sein erstes Gespräch mit Charon ist.
„Ich verstehe. Nun ja, folgen Sie mir. Ich bringe Sie zu meinem Sohn" antwortete Charon ruhig und ohne zu sehen, ob Theseus und Azrael ihm folgten, ging er die majestätische Treppe nach oben zu einem Zimmer. Er klopfte leicht an und öffnete die Tür.
In dem Zimmer standen zwei Kinder, gerade einmal elf Jahre alt mit platinblonden Haaren und großen, dunkelblauen Augen.
„Casmiel. Bitte komm" bat Charon seinen Sohn, dieser stand sofort auf und warf seiner Schwester, Cassiopeia Tripe, wie Theseus wusste, einen letzten Blick zu, bevor er aus dem Zimmer trat und Charon die Türe wieder schloss.
„Diese beiden Herren würden gerne mit dir sprechen. Benimm dich also" meinte Charon nur und Casmiel nickte stumm und sein Blick folgte ihm, bis Charon in einem Zimmer verschwunden war. Dann richteten sich die Augen des Kindes auf Azrael und Theseus.
„Ihr braucht keine Angst zu haben, mein Vater wird euch nichts tun. Er ist intelligent" meinte er nur ruhig und bedacht, als wüsste er genau war Theseus und Azrael denken würden, eigentlich las er nur deren Gefühle.
„Hallo Casmiel. Wir haben etwas wichtiges zu bereden, können wir hier irgendwo ein privates Gespräch führen?" fragte Azrael nur leicht lächelnd, aber es schien echt zu sein und nicht so falsch, wie das, das er zuvor bei Charon getragen hatte.
Zuerst wirkte Casmiel unsicher ob er diesen beiden Herren vertrauen sollte, schließlich waren sie ihm fremd und sein Vater ließ sie einfach so mit ihm alleine, aber er beschloss seinen Instinkten zu trauen und nickte kurz bevor er sie in ein Zimmer geleitete.
„Das hier ist mein Zimmer. Setzt euch doch" bot der kleine Junge an, der bereits sprach als wäre er ein erwachsener Geschäftsmann.
Das Zimmer selbst ließ auch auf nichts anderes schließen. Ein riesiges Himmelbett, das mit dunklen Holz verkleidet war und dunkelblaue Bezüge sowie Vorhänge trug, ein einzelnes, großes Fenster, das dieselben Vorhänge hatte wie das Bett und ein Schrank sowie eine Kommode und ein Spiegel. Alles mit dunklem Holz und goldener oder dunkelblauer Verzierung. Nichts schien hier kindgerecht zu sein, kein Spielzeug schmückte den Boden, keine Zeichnungen hingen an den weißen, kahlen Wänden und alles war irgendwie trist und langweilig, aber zugleich wunderschön eingerichtet und aufeinander abgestimmt.
Als Theseus sich neben Azrael auf das Bett setzte, fühlte er wie hart es war, als wäre das keine Matratze, sondern der Boden selbst.
„Sprecht bitte. Ich habe nicht viel Zeit" forderte Casmiel sie mit seinen kurzen Worten auf und Theseus war zu entsetzt von diesem Jungen, als das er diese Rolle hätte übernehmen können.
„Wir kommen aus der Zukunft und haben eine wichtige Frage" begann Azrael zu sprechen, „Du bist in unserer Dimension gestorben und wir wollten wissen, ob du eine Idee hast, wie wir deinen Tod ausgleichen können."
Dieses Szenario klang so realitätsfern das Theseus mit einem Auflachen des Jungen wartete und das er seinem Vater sagen würde, das er zwei Wahnsinnige in sein Haus gelassen hatte, aber das passierte nicht. Casmiel setzte nur ein leichtes Lächeln auf, das irgendwie spöttisch wirkte und schüttelte leicht den Kopf.
„Wie schade" war seine sarkastische Antwort und Theseus war noch mehr verwirrt als zuvor schon, „Ich denke das ich willentlich gestorben bin, also kein Notfallplan."
Einfache Worte. Worte, die jeder sprechen konnte, aber sie kamen gerade aus dem Mund eines kleinen Kindes. Eines Kindes, das wohl nie gelernt hatte ein Kind zu sein und schon jetzt mit den Gedanken an den Tod spielte.
„Aber..." mischte sich Theseus das erste mal ein, „du bist nicht willentlich gestorben. Du wolltest nicht sterben" widersprach er ihm und tatsächlich hob Klein-Cas eine seiner perfekt gezupften Augenbrauen.
„Nein? Dann ist diese Dimension, die ihr beschreibt, sehr realitätsfern. Ich kann es mir nicht vorstellen" erwiderte er locker, fast schon so, als würde er sich nicht weiter darum kümmern. „Wenn ich euch dennoch einen kleinen Tipp auf den Weg mitgeben darf, dann das ihr meinem Vater nicht vertrauen dürft. Ich kenne seine Pläne, ich kenne seine Gedanken und fühle wie seine Vorfreude mit jedem einzelnen Tag steigt. Er bereitet etwas vor, etwas großes und er hat von einem besonderem Phoenix geschwafelt, seinem goldenen Ass im Ärmel. Aber egal was er euch anbietet, egal wie gut seine Einwände und Vorschläge auch sein mögen, er spielt nur ein Spiel und am Ende werdet ihr fallen wir es Bauern tun" sprach Cas und er stand ohne weitere Worte auf und wollte das Zimmer verlassen.
„Ich liebe dich!" rief Theseus plötzlich und der elfjährige Junge drehte sich verwirrt um.
„Ich denke das eher nicht, auch wenn du eine große Zuneigung mir gegenüber verspürst. Ich hoffe doch das das mein älteres Ich betrifft und nicht direkt mich" meinte er nur monoton, als würde diese Aussage rein gar nichts bedeuten.
„Nein...also...ja...aber gib nicht auf. Es gibt Leute da draußen die dich lieben, dich verehren und dich sogar vergöttern weil du, Casmiel Aradeon Tripe, ihnen Hoffnung schenkst. Dein Gesicht ist berühmt und du spielst eine wichtige Rolle auf diesem Spielfeld des Lebens!" redete er einfach weiter auch wenn Azrael ihn zweifelnd musterte. Er achtete genau darauf, das er nicht zu viel von der Zukunft preis gab.
Einen kurzen Augenblick schien Klein-Casmiel wirklich über diese Worte nachzudenken, aber dann setzte er ein charmantes Lächeln auf, wie Theseus es bereits kannte und erwiderte ruhig:
„Wenn ich in eurer Dimension wirklich gestorben bin, dann hat das Schicksal das wohl so gewollt. Am besten macht ihr weiter wie bisher, sammelt meine Pläne und Ideen und versucht diese zu verbessern. Etwas anders fällt mir dazu nicht ein. Tut mir leid, das ich euch nicht weiterhelfen kann, aber ich habe eigene Probleme, um die ich mich kümmern muss."
Er lächelte die beiden noch einmal an, aber nun war etwas trauriges in seinem Blick.
„Lebt wohl"
Dann verließ Cas den Raum und ließ Azrael und Theseus alleine, als wäre er nie da gewesen.
„Das war unsere letzte Möglichkeit..." seufzte Theseus nur kraftlos und er ließ sich wieder auf dem harten Bett nieder. Dann vergrub er sein Gesicht hinter seinen Händen und hoffte das ein Wunder geschehen würde, Klein-Casmiel zurück käme und ihnen sagen würde, das er nur Spaß gemacht hatte und ihnen all ihre Fragen beantworten konnte, aber das geschah nicht.
„Gut...wir sollten zurück. Es wird langsam Zeit" meinte Azrael nur beruhigend während er sanft über Theseus Rücken strich und ohne auf eine Antwort zu warten ihn mit ihn den schwarzen Zeitstrudel riss, aus dem sie auch gekommen waren.
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