Kapitel 55
[Zeitreisen für Anfänger; Ein Leitfaden von Azrael]
~Zeitreisen ist wie Bungeejumping nur das du dir nie sicher bist ob du an dem Seil befestigt bist~
Azrael war schon in jeder erdenklichen Dimension gelandet denn eigentlich war Zeitreisen nichts anders. Er war nicht in der Lage die Zeitlinie zu verändern, sondern nur die Geschehnisse in dieser einen Dimension, der er gerade beiwohnte. Andere Dimensionen, andere Zeiten, andere Menschen.
Also war es egal ob er in dieser Dimension, in der Casmiel ein arroganter Mistkerl mit viel zu viel Selbstbewusstsein und unverschämten Glück war, gegen die Arena gewann oder ob er in einer anderen, in der Casmiel der Held in strahlender Rüstung und einer bescheidenen Sicht auf die Welt war, verlor und die Phoenixe starben. Irgendwo würden sie gewinnen und irgendwo verlieren, das war der Lauf der Dinge und gegen das Schicksal hatte Azrael keine Chance.
Würde Az es doch schaffen die Zeitlinie zu verändern, würden diese Geschehnisse nur an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit wegen eines anderen Grundes passieren, aber der Untergang war gewiss.
Azrael war aber ein Mann, der nicht aufgab und selbst noch an eine bestimmte Sache glaubte, wenn alles aussichtslos schien. Deshalb war er vermutlich noch am Leben.
Seit Jahrtausenden schon streunte er in der Zeit herum und alterte nicht mehr seitdem er das 22 Lebensjahr erreicht hatte. Wieso 22? Das war das Alter, mit dem er das erste Mal einen Zeitsprung gemacht hatte und seitdem war alles bergab gelaufen.
Dieser Zeitsprung hatte alles verändern, denn er sah zu viel. Er hatte gesehen das man im Mittelalter Babys gegessen hat, der Buchdruck durch ein Versehen entstanden ist und Enten irgendwann die Welt beherrschen würden (Letzteres könnte auch ein Traum gewesen sein, aber Az war sich da nie ganz sicher ob er nicht doch aus Versehen einen Blick in die Zukunft warf. Seitdem hatte er furchtbaren Respekt vor Enten und hatte immer Brot dabei. Nur für alle Fälle)
Der Nachteil des Ganzen war: Er fand seine eigene Dimension nicht mehr und war somit verloren in der Zeit. Wenn er so darüber nachdachte sollte er einmal ein Buch schreiben mit dem Titel Lost in Time worin er über die schräge Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft berichtete. Schließlich musste seine Fähigkeit ihm auch irgendwie Geld einbringen.
Aber noch war er nicht so weit, denn zuerst müsste er die Welt ein elftes Mal retten. Langsam wurde es wirklich lächerlich und langweilig bis Azrael in diese unvergleichlichen, dunkelgrünen Augen gesehen hatten, die ihn in einen Strudel gezogen hatten in dem er nach und nach ertrank. Wenn er so darüber nachdachte klangen diese Worte wenig romantisch, aber darum ging es jetzt gerade nicht, weil dieser eine Mann, der ihm die rosarote Brille aufgesetzt hatte, alles veränderte.
Seitdem Azrael sich verliebt hatte, das erste Mal wohl bemerkt, hatte er es nicht mehr geschafft durch die Zeit zu springen. Er steckte in dieser Dimension fest und das scheinbar für immer, oder so lange bis dieser Mann starb. Dies würde sich jedoch als relativ schwierig herausstellen denn es war nicht irgendein Mann. Es war Theseus Rendall, der Sick Boy.
Natürlich waren andere Männer attraktiv wie beispielsweise Casmiel Tripe. Als Az ihn das erste Mal gesehen hatte, waren ihm tausende Möglichkeiten in den Sinn gekommen wie er Cas heiraten könnte, aber diese Schwärmerei hatte bald darauf aufgehört, denn er hatte gesehen wie viele Verehrer Casmiel hatte und das nicht nur Az in diesen Bann geworfen worden war. Cas hatte einfach diese Aura aber leider wusste Az das er auf ewig alleine sein würde.
Er hatte noch nie eine traurigere Geschichte gesehen als die von Casmiel Tripe da sie weder einen guten Anfang noch ein gutes Ende nehmen würde und dennoch kämpfte er weiter weil er an etwas glaubte. Oder besser gesagt an jemanden.
Azrael war begeistert von diesem Tripe, weil er in jeder Dimension anders mit seinem gleichbleibenden Kindheitstrauma fertig wurde und sein Charakter sich immer unterschied. In dieser Variation der Zeit war er arrogant, selbstsüchtig und dezent wahnsinnig, aber vielleicht war genau das die Mixtur die man brauchte um einen Krieg der Ungerechtigkeit zu überleben. Vielleicht war genau das der Grund warum sie noch lebten.
Azrael wusste es nicht. Er wusste vieles nicht, obwohl er schon so lange auf den Wegen der Erde wandelte und in jeder Epoche der Zeit schon gelebt hatte selbst wenn es nur drei Wochen waren. Er hatte berühmte Persönlichkeiten kennengelernt, die er als ein Normalsterblicher niemals auch nur gekannt hätte wie beispielsweise Mozart. Es war etwas besonders diese Chance zu haben weshalb er nicht wie Theseus seine Kraft verabscheute und sich nichts anderes wünschte als den Tod.
Vielleicht war der Grund dafür das Az sterben konnte, nur nicht an Alternschwäche. Er konnte sterben, konnte jederzeit sein Leben beenden und es gab einen Schlussstrich. Er war vielleicht unsterblich wenn es um das Alter ging, aber sehr wohl sterblich in einer Situation wie den Krieg.
„Du siehst nachdenklich aus" bemerkte eine raue Stimme aus dem Nichts und Azrael zuckte zusammen. Er war tief in seinen Gedanken versunken gewesen und hatte seine Umwelt vollkommen abgeschottet. Sie war nicht mehr real gewesen, nichts weiter als eine Hörbuch, das er nur zu gerne hörte wenn er einschlief. Jedenfalls wenn er die Möglichkeit dazu hatte.
Die Stimme hinter ihm lachte leicht als er bemerkte das Azrael sich offensichtlich erschreckt hatte und Theseus setzte sich neben ihn. Ihm gehörte also diese raue, tiefe Stimme die sich ein wenig so anhörte als würde Stein gegen Stein schlagen, aber es war ein angenehmes Geräusch das Azraels Nackenhaare aufstehen ließ.
„Hör auf mich auszulachen, du Penner. Ich war gerade in Gedanken versunken" murrte er nur beleidigt, aber er konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen, das seine Lippen fast schon automatisch umspielte wenn Theseus in der Nähe war.
„Naja. Du hast dich ziemlich erschreckt und in dieser Zeit sollte man lieber wachsam sein" meinte er nur verträumt auf den vollen Mond starrend. Es war eine schöne, sehr klare Nacht und Az hatte sie genutzt um in die Sterne zu starren, die einzelnen Sternbilder zu suchen und zu analysieren. Das machte er gerne und natürlich war es noch besser wenn Theseus ihm dabei Gesellschaft leistete...
Nein. Azrael schlug sich diese Gedanken sofort wieder aus dem Kopf. Wenn er auf der ersten Stufe war, dann war Theseus auf der letzten und er würde es niemals schaffen ihn zu erreichen alleine deswegen, weil er sich nicht einmal traute auf die nächste Stufe zu steigen. Azrael machte nie den ersten Schritt. Er wartete lieber bis jemand anderes das erledigte und ließ die passenden Momente an sich vorbeirauschen.
Aber als Azrael Theseus so ansah, wie seine dunkelgrünen Augen, die an Fichennadeln erinnerten, in den dunklen Nachthimmel starrten, das kleine Schmunzeln das seine schönen, schmalen Lippen zierte und die dunklen Locken, die ihm leicht vor die Augen fielen und seine Wimpern streiften, dann hätte er ihm am liebsten sein Herz ausgeschüttet.
Er wusste das es unmöglich war sich in der kurzen Zeit, in der sie sich kannten, zu verlieben. Sie hatten vielleicht einmal sechs Sätze miteinander gewechselt und dennoch war sein Interesse da. Dieser Mann war Azrael in die Augen gestochen und seitdem hielten sie ihn fest als wäre er das kostbarste in seinem Leben. Vielleicht war er das sogar.
„Auch wenn die Düsternis unsere Welt gerade bedroht sollten wir es uns nicht nehmen lassen einen Moment abzuschalten und die Schönheit der Sterne zu betrachten" widersprach er seinem Gegenüber nur locker während sein Blick wieder zu den Sterne wanderte, in seinen Gedanke tanzten aber noch immer Bilder von Theseus herum.
Ob seine Haare wohl wirklich so weich waren, wie sie immer aussahen?
„Hm..." machte Theseus nur nachdenklich, „Guter Einwand, aber manchmal hat man eben nicht die Möglichkeit die Sterne zu betrachten weil etwas anderes deinen Blick einfängt" meinte er nur und dieses Gespräch schien gerade zu einem sehr philosophischen Wettstreit auszuarten, wie Azrael es liebte. Es zeugte schließlich von Intelligenz alles zu hinterfragen und immer einen Weg zu finden, einen Beweis zu umgehen.
„Was denn beispielsweise?" fragte Az nur ohne den Blick von den Sternen abzuwenden. Vielleicht waren seine Augen abgelenkt von etwas schönerem als der jetzigen Welt, aber seine anderen Sinne waren so scharf wie eh und je. Vor allem weil er jedes Wort das Theseus sprach aufnehmen wollte.
„Ein Geschehnis, ein Ruf...oder ein Mensch" sagte er nur und kurz blieb Azraels Herz stehen. Nahm er gerade falsche Signale wahr oder flirtete Theseus tatsächlich mit ihm?
Seine zwei verschieden-farbigen Augen wanderten zu ihm und er starrte noch immer ziemlich geschockt oder behämmert aus der Wäsche. Gerade war er auch ziemlich geschockt (und behämmert sowieso)
„Welcher Mensch könnte deinen Blick denn einfangen?" fragte Az nur und tatsächlich musste er sich bemühen um die quietschende Stimme zu unterdrücken und normal zu sprechen wie sonst auch. Aber leider erinnerte er sich nicht wie er sonst auch immer sprach und klang etwas tiefer als sonst.
„Casmiel Tripe" beantwortete Theseus seine Frage nur und jetzt fühlte sich Azrael wirklich als hätte ihm jemand mit einem Hammer auf den Schädel geschlagen. Natürlich. Cas war der heißeste Mann den er jemals in seinem Leben gesehen hatte (nach Theseus) aber dennoch hatte er gehofft er würde ihn frech anzwinkern, aufstehen und einfach gehen sodass Azrael noch mehr Sehnsucht nach diesem Mann hatte, aber nein. Natürlich war er hier nicht in einer Liebesromanze, oder er war es, spielte aber nur den schwulen besten Freund seiner beiden schwulen (oder pansexuellen) Freunde. Was für ein großartiges Dilemma und er war mittendrin.
„Ja. Casmiel Tripe. Ein wahrer Blickfänger" meinte Az nur und auch wenn er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, konnte er die leichte Verbitterung in seiner Stimme nicht verbergen. Im Gegenteil, sie wirkte sogar noch stärker als zuvor, da sein leichtes Lächeln, das er versuchte zu tragen, falsch und aufgesetzt wirkte. Azrael war es nicht gewohnt eine Maske zu tragen. Er war es nicht gewohnt zu lügen schon gar nicht weil es keinen Grund dazu gab.
„Ist dir aufgefallen das er immer dasselbe, perfekte Lächeln trägt? Er sieht immer so aus, als würde er mit dem Minister sprechen, als würde er zu einer besonderen Gala gehen, geht durch die Wildnis als wäre es sein Palast und dabei sieht er immer aus wie ein König" meinte Theseus nur. Er schien zu ignorieren das Azrael nicht zufrieden mit diesem Gesprächsthema war.
Cas war kein schlechter Mensch. Er war vielleicht ein klein bisschen arrogant und selbstverliebt, aber er hatte ein Herz. Er hatte Azrael weder weggeschickt, als er mitten in einer Ratssitzung auf den Tisch gefallen war, nein. Casmiel Tripe hatte ihm Tee angeboten, seinen Tee und sich genau angehört was Az zu berichten hatte. Das zeugte von Intelligenz und Stärke, schließlich hatte er dadurch von dem Krieg erfahren.
Obwohl. War es Stärke? Cas war dennoch Tod. Er war nicht mehr unter den Lebenden und auch wenn er unter anderen Umständen gestorben war und zu einer anderen Zeit, war er dennoch nicht mehr hier und es gab keine Möglichkeit mehr das er es war, der die Welt am Ende retten würde.
„Ich denke das ist einfach seine Art einen Raum zu betreten und alle von sich zu überzeugen. Er strahlt ein solchen Selbstbewusstsein aus, eine solche Ruhe, dass man einfach Respekt haben muss. Man denkt nichts könnte ihn stören, nichts könnte seine Ruhe aus dem Fluss bringen und absolut nichts könnte ihn aus seiner Bahn bringen, die er zielstrebig verfolgt. Er wirkt wie ein starker Anker, die Mitte eines Pendels oder den Takt, den ein Metronom abgibt. Deshalb ist er auch ein guter Anführer. Er strahlt Stärke aus und wenn der Anführer diese Gabe besitzt, besitzt sie der gesamte Widerstand" antwortete er nur mit dem Blick auf den Boden vor ihm gerichtet. Er wollte Theseus nicht zeigen wie gerne er ein anderes Thema anschneiden wollte, Eifersucht war eben ein kompliziertes Thema vor allem für Azrael, der noch nie wirklich Eifersucht gefühlt hatte. Nicht so tief, nicht in diesen Massen.
„Denkst du ich könnte seinen Platz übernehmen auch wenn ich diese Ausstrahlung nicht habe?" fragte Theseus ihn dann etwas kleinlauter. Azrael richtete seinen Blick fast schon geschockt auf ihn. Er hatte Theseus als einen bedachten, starken und klugen Mann kennengelernt, der vernünftige Entscheidungen traf und diese dann genauso durchdacht und intelligent geplant ausführte, aber das er sich selbst nicht vertrauen konnte, das war neu.
„Na...natürlich Theseus. Du bist ein großartiger Anführer und vielleicht lernst du ja auch durch die Fehler, die Casmiel gemacht hat" fast schon aus Reflex legte er seine Hand auf die von Theseus, die er neben Azraels Oberschenkel abgelegt hatte um sich zu stützen. Es war eine normale Geste, die er bei jedem gemacht hätte, aber als er Theseus berührte, wurde ihm sofort wärmer und er hatte das Gefühl rot zu werden.
„Denkst du wirklich ich kann das?" fragte er nur leicht lächelnd, dankbar lächelnd als hätte er eine andere Antwort von dem Zeitspringer erwartet. Aber da hatte er falsch gedacht.
„Ich verspreche es dir. Ich werde dir auch immer helfen solltest du dir nicht sicher sein und wenn ich dafür zurück in die Zeit springen muss um mir einen Rat bei Cas einzuholen" schwor er Theseus nur leicht lächelnd und sofort hellte sich Theseus Miene auf, als wäre ihm gerade die genialste Idee der Geschichte in den Sinn gekommen.
„Az. Du bist ein Genie!" rief Theseus aus und er grinste Azrael an bevor er aufsprang und mit eiligen Schritte zurück in seine Höhle lief. Arzael blieb ruhig sitzen und sah ihm leicht lachend nach.
„Also eines hast du schon mit Cas gemeinsam. Ihr könnt beide nie eure Ideen sofort preisgeben" murmelte er nur lachend zu sich selbst und sein Blick richtete sich wieder gen Himmel zum Sternenhimmel über ihm.
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