Kapitel 49
Specialkapitel 1
[Eine neue Welt]
~Wissen ist Macht aber was wenn man dieses Wissen wieder verliert?~
Stimmen. Sie drangen an Alikis Kopf wie Nadelstiche, die Kopfschmerzen wurden mit jedem Geräusch schlimmer, aber sie konnte es nicht abschalten.
Immer mehr Stimmen, immer mehr dröhnte ihr Schädel, als hätte ihn jemand so malträtiert, das sie nie wieder aufstehen könnte, geschweige denn ihre Augen öffnen. Es ging einfach nicht.
Sie war wach, das wusste sie. Ihr Gehirn funktionierte...hoffentlich richtig (und wenn man von ihren furchtbaren Kopfschmerzen absah), aber alles andere war wie lahm gelegt. Nichts anderes rührte sich in ihr. Alles lag still, nur ihr Herz. Das schlug noch und ihre Lungen, sie atmete.
Im Großen und Ganzen war es nicht schlecht. Das bedeutete, das sie noch immer am Leben war aber wo zu dieser gottverdammten Hölle war sie? Wieso konnte sie sich nicht bewegen und warum war es hier so laut.
„Hallo Aliki. Es freut mich wirklich, dich kennenzulernen" hauchte eine zarte Stimme und alle anderen Geräusche waren mit einem Mal verstummt. Aliki konnte ihre Augen öffnen und sie atmete keuchend ein, um mehr Luft in ihre scheinbar leeren Lungen zu pumpen, obwohl sie doch geatmet hatte. Dennoch, es war wie ein Ritual, wenn sie aus einem Alptraum erwachte, von denen sie reichlich hatte seitdem die Jagd auf sie und anderer ihrer Art angefangen hatte.
Ihre Augen, die so seltsam waren, aber doch wunderschön, sahen sich um und blickten direkt in zwei fremde Augen, ebenso grau wie das Gestein in einem Fluss, ihnen nur fehlte dieser besondere Blaustich, der das Wasser auf sie überleitete. Die fremden Augen waren kälter als Eis, kälter als der Winter, von denen Aliki schon einige überlebt hatte. Diese Augen waren fast noch kälter als die Haut einer Leiche und das machte Aliki Angst. Sie hatte tatsächlich Angst vor diesen kalten Augen.
„Wer...wer sind Sie?" fragte sie zitternd, als würde die Kälte der Augen auch die Raumtemperatur um einige Grade verringern. Ihre Stimme war leise und kratzig, als hätte sie seit Jahren kein Wort mehr gesagt. Wie lange hatte sie geschlafen und was war passiert?
„Du solltest mich eigentlich kennen, meine Liebe, schließlich wissen wir von deinen...Beobachtungen" meinte sie nur und langsam konnten sich Alikis Augen wieder fokussieren, sodass sie die Person vor sich erkannte.
Beinahe schneeweiße Haare, doch der Graustich war nicht zu übersehen. Aber sie sah nicht etwa alt aus, nein. Ihre Haut war, bis auf ein paar kleine Fältchen, glatt und straff, ihre Augen wach und kalt, wie ein eiskalter See, in dem Aliki schon einige Male mit Freunden schwimmen war. Doch nun schien diese Erinnerung ein Fluch zu sein, nur eine Erinnerung an einen Tag, der so weit entfernt schien. Sie wollte zurück zu diesem See, auch wenn er eiskalt war und sie danach einige Tage krank gewesen war, aber sie wollte zurück zu dem Tag, an dem sie noch ihre Freiheit genießen konnte und nicht in der Arena steckte. Niemand hatte es jemals hier raus geschafft bis auf einer, der jetzt Rabenfutter war, wenn man den Medien glauben schenkte.
Doch diese waren so verrückt gewesen, das Aliki ihnen einfach vertraute. Wer konnte sich denn schon so etwas krankes ausdenken wie jemandem die Nase ans Ohr zu hängen, wie sie es getan hatten? Aliki wusste nicht ob sie beeindruckt, angeekelt oder irgendwie doch fasziniert sein sollte, das Nasen auch als Schmuck getragen werden konnten.
„Sie haben mich also gefunden, hm? Und...die anderen?" fragte sie etwas zögerlich. Ja, sie kannte die Bande erst seit kurzem und ja, aber sie hatte sie alle in ihr Herz geschlossen und wollte keinesfalls das es ihnen schlecht ging. Bei ihnen hatte Aliki sich wohl gefühlt, geborgen. Sie waren wie eine kleine Familie für sie gewesen.
In diesem Sommer hatte sie ein paar Gleichgesinnte getroffen und sie hatten eine bescheuerte Gruppe gebildet um sich verteidigen zu können. Hat super funktioniert, wie man bemerkte, denn sie schienen jetzt alle ihren größten Alptraum zu erleben. Die Scena. Ein Ort, der für jeden Phoenix gleichgestellt mit dem Tot wurde, denn es hieß morde oder stirb.
Kämpfe. Sie wurden in der Arena ausgetragen und die Leute hatten nicht einmal den Hauch einer Ahnung, wie es war, dort von allen betrachtet zu werden. Wenn das Blut anderer, die genauso waren wie du, auf deinen Händen klebt. Es war schrecklich, auch wenn Aliki selbst nie die Erfahrung gemacht hatte jemanden zu töten, so konnte sie es sich doch ziemlich bildlich vorstellen.
„Den anderen? Oh, du meinst deine Freunde." stellte die Leiterin nur gleichgültig mit den schmalen Schultern zuckend fest. Es schien ihr vollkommen egal zu sein, wie es ihren Freunden ging.
„Ja. Meine Freunde. Wie geht es ihnen?" fragte Aliki möglichst höflich ein weiteres mal nach. Sie musste sich wirklich zusammenreißen um nicht auf die Leiterin loszustürzen und ihr jede Wimper einzeln aus den Lidern zu zupfen. Aber sie hatte noch ein klein wenig Impulskontrolle übrig und konnte sich beherrschen es nicht zu tun. Stattdessen bohrte sie ihre Fingernägel in ihre Handflächen und ließ ihre Wut dort aus.
„Die unnötigen wurden getötet. Dich und noch jemanden haben wir behalten, eure Kräfte sehen wir als nützlich an" meinte sie nur gleichgültig, als wäre das Leben von Menschen nicht mehr, als sich imaginären Staub von den Schultern zu wischen. Nicht mehr als eine beiläufige Bewegung, die nicht wirklich viel bewirkte. Denn für die Leiterin waren Leben nicht mehr. Nur Dreck auf ihren Schuhe.
„Was?" fragte Aliki, als hätte sie die Worte der Leiterin nicht richtig vernommen, aber sie hatte jedes einzelne Wort gehört und aufgenommen, sie konnte es nur nicht glauben, das das hier real war. Es musste ein weiterer Alptraum sein. Es konnte nicht die Realität sein.
„Sie sind tot, Liebes. Nur Salome hat überlebt, aber wie lange ist die Frage" säuselte sie unschuldig. Tot. Dieses Wort lag auf Alikis Zunge wie die Schärfe einer Chili. Ein unangenehmes Gefühl, das einen leichten Schmerz hinterließ und sie musste sich auf die Zunge beißen um es zu unterbinden, aber es funktionierte nicht. Das Brennen hielt an und löste einen Schmerz auf ihrer Zunge aus.
„Wie...wie können Sie das einfach so sagen als wäre es nichts?" schrie Aliki wütend und sie sprang auf, wurde aber schnell wieder von zwei Wachen auf die Liege gedrückt, auf der sie zuvor gesessen hatte. Die Leiterin hatte sich keinen Schritt bewegt, sie blieb ruhig stehen, als hätte sie Alikis Reaktion bereits erwartet und alle Maßnahmen getroffen. Und das war schließlich auch so. Sie hatte alles genau geplant als würde sie Aliki kennen.
„Sie waren nichts, Aliki. Sie waren Phoenixe genauso wie du einer bist und du und deine Art solltet dankbar sein, das wir euch nicht schon längst ausgerottet haben" warnte die Leiterin weiterhin ruhig, doch ihre Worte stachen kalt wie Messer.
„Ihr solltet froh sein das wir euch nicht umbringen, schließlich sind wir die neue, die stärkere Generation!" schrie Aliki wütend, Tränen füllten ihre Augen doch sie konnte jetzt einfach nicht darauf achten ruhig zu bleiben. Es war unmöglich wenn diese Frau in ihrer Nähe war.
„Führt sie ab. Ihr Geschrei schmerzt in meinen sensiblen Ohren" befahl die graue Frau nur ihren Wachen, die Aliki sofort auf die Füße hievten und vor sich her schupften, sodass eine Flucht unmöglich war. Sie war nun eine Gefangene der Scena. Offiziell war sie jedoch tot.
Essen. Die Arena hatte tatsächlich eine Mensa und gab den Insassen etwas zu Essen, als wären sie in einem Gefängnis, was ja irgendwie auch richtig war. Sie waren hier gefangen und nicht mehr zu retten. Casmiel Tripe war tot, sie hatten nun keine Hoffnung, keine Chance mehr etwas zu retten.
Als Aliki sich umsah, bemerkte sie sofort die Gruppen, die es wohl in jeder Gesellschaft gab. Es waren nicht die typischen High-School-Gruppen, nein. Der einzige Unterschied war wie gut der Zustand ihrer Psyche noch war.
An einem Tisch saßen traurige Gestalten, die tiefe Augenringe trugen und so blass waren, das Aliki Angst hatte, sie könnten gleich umfallen. Sie sahen aus, wie Vampire, aber nicht die gutaussehende Version davon. Eher so als wären sie tatsächlich tot und blutleer, eben das, was Vampire eigentlich sein sollten. Aliki machte sich in ihrem Kopf Notizen und beschloss diesen Tisch als die Trauerveranstaltung zu sehen. Es waren diese Menschen, die schon längst aufgehört hatten zu Glauben und zu hoffen, weil sie keinen Ausweg aus den Qualen fanden.
Dann waren da auch noch die, die noch relativ gut aussahen. Sie waren nicht so blass wie die Vampire, aber man merkte ihnen an, das ihre Haut schon längst den Kuss der Sonne vermisste und dies unbedingt nachholen musste, wenn sie denn jemals wieder in die Freiheit kommen würden.
Sie waren noch recht gut drauf, lachten leicht und wirkten nicht so hoffnungslos.
Und dann war da noch die letzte, große Gruppe. Die, die vollkommen ihren Verstand verloren hatten. Sie saßen irgendwo herum, in Ecken oder an die Wand gelehnt und murmelten vor sich hin. Ein paar sprangen auf den Tisch und wieder hinab, als bräuchten sie unbedingt mehr Freiheit, mehr Bewegung. Ein Mädchen mit seltsamen blauen Haaren, die aber schon ziemlich ausgeblasst waren, lachte schrill auf als hätte ihr jemand einen Witz erzählt, während ihr Gegenüber so aussah, als würde er gleich tot umfallen.
Im Großen und Ganzen gab es aber keine eindeutigen Gruppen. Man saß irgendwo und hoffte sein Mahl essen zu dürfen, ohne das jemand nach Streit suchte oder auch nur die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. Es war schrecklich einsam, das bemerkte Aliki schon jetzt mehr als nur deutlich. So grau, so trist. Die einzigen Farbsprenkel in der traurigen Gegend waren die unterschiedlichen T-Shirts, die scheinbar an die Augenfarbe einer jeden Person angepasst war. Das von Aliki trug einen eisblauen Ton mit ein paar braun-grünen Sprenkeln, wie auch ihre Augen zeigten. Ein kleiner Ring umgab ihre Iris in diesen Farben während der Rest dieses eisblau trug. Besonders. So hatten ihre Freunde ihre Augen immer bezeichnet, weil man nie wirklich sagen konnte, welche Farbe sie nun wirklich trugen. Ein bisschen von allem, hatte man ihr gesagt und diese Bezeichnung mochte sie gerne. Es zeigte das die Welt nicht so grau sein musste wie man immer dachte.
Sie ließ ihren Blick über die Menge schweifen auf der Suche nach jemand ganz besonderem. Die Leiterin hatte ihr verraten das jemand aus ihrer kleinen Gruppe überlebt hatte und Aliki musste sich nicht lange umsehen, bis sie ein T-Shirt erblickte, das dieselbe Augenfarbe trug, wie eine Person, die sie sehr gut kannte. Es war ein helles braun, das stark an die Rinde eines Baumes erinnerte, da eine dunklere Faserung sie durchzog. Diese Augen hatten sie immer an die Wärme von einem Zuhause erinnert und hier waren sie wieder. Salomes Augen.
Salome war eine relativ große Frau mit kinnlangen, schwarz-braunen Haaren und hellbrauen Augen. Ihre Augenbrauen waren immer perfekt in einem etwas steilerem Winkel gezupft sodass sie immer ein wenig fragen wirkten, ihre Nase war klein und stupsnasig, einfach süß. Salomes Lippen waren auch schön, auch wenn ihre Unterlippe etwas größer war als ihre Oberlippe und so ein wenig wie ein Reh aussah, auch wenn Aliki sich diesen Vergleich nicht erklären konnte. Aber wenn sie Salome ansah, sah sie ein Reh, das aber keinesfalls schüchtern war, nein. Salome war es, die andere einschüchterte.
Sie trug ihr hellbraunes T-Shirt so, wie sie jedes T-Shirt trug. Bauchfrei und Salome konnte es sich leisten. Sie hatte ein leicht angedeutetes Sixpack, bei dem so einige Männer neidisch wurden, da man ihre definierten Bauchmuskeln sehen und auch spüren konnte.
Generell war Salome sehr muskulös. Sie war eben eine Kämpferin, dazu war sie geboren. Schon als kleines Mädchen hatte sie sich für das Boxen interessiert und ihre Fähigkeit hatte ihr das Training erleichtert. Sie konnte Kraft aus der Erde holen, so stand sie immer wieder auf. Doch wenn sie vom Boden entfernt war, oder auch nur Wasser ihre Zehen umspielte, fühlte sie sich krank und kraftlos. Denn die Erde war ihr einziger Lieferant an Energie, ihr Körper selbst war leer.
„Salome!" rief Aliki laut durch die Halle und tatsächlich bemerkte das Mädchen sie und ein kleines Lächeln umspielte ihre vollen Lippen, als sie Aliki sah, die sofort auf Salome zurannte und sie stürmisch umarmte. Wäre Salome nicht so ein Fels in der Brandung gewesen, hätte Aliki sie umgeworfen, aber so wirbelte Salome sie einmal in der Luft herum, scheinbar mühelos und setzte sie wieder auf dem Boden ab, mit einem frechen Grinsen im Gesicht.
Doch etwas war neu. Über ihre rechte Augenbraue verlief eine Narbe, die zwar schon etwas älter wirkte, aber Aliki wusste ganz genau das sie zuvor nicht da war. Salomes Augenbrauen waren immer perfekt gewesen, darauf hatte die Frau einen besonderen Wert gelegt, aber dennoch war dort nun ein kleiner Schlitz und ihre Haare waren nicht mehr existent.
„Ali!" begrüßte Salome die Kleinere von ihnen und sie wuschelte Aliki durch die blonden Haare, die sowieso schon ziemlich unordentlich waren, dank der besonders sanften Pflege der Wachen, die sie in diesen Raum gezerrt hatten.
„Oh, Ali. Ich hatte schon Sorgen sie hätten dich auch umgebracht genauso wie..." Salome stoppte ihm Satz und runzelte leicht ihre Stirn. Das Thema war tatsächlich sehr unangenehm. Ihre Freunde waren tot und sie mussten jetzt hier drin leben, überleben. In der Arena.
„Du...du hast eine neue Narbe" Aliki zeigte auf ihre rechte Augenbraue um es Salome zu deuten, die scheinbar instinktiv hinauf griff und mit ihren Fingern den weißen Strich nachfuhr und ihre Hand wieder sinken ließ.
„Weißt du es nicht mehr? Der Kampf?" fragte Salome verwirrt, als Aliki ihre Narbe ansprach, doch damit verwirrte sie Ali nur noch mehr und sie hob eine Augenbraue.
„Kampf? Was-wovon redest du denn?" fragte sie etwas nervös lachend nach. Von einem Kampf hatte sie nichts mitbekommen. Hatte sie diesen vergessen?
Aliki war der Meinung gewesen, sie hätten sie im Schlaf entführt, aber scheinbar war es nicht so. Scheinbar hat es einen Kampf gegeben und sie hatte keinerlei Erinnerungen mehr daran. Sie waren wie fortgeschwemmt und dieses Gefühl gefiel ihr nicht. Ganz und gar nicht.
„Oh" Salome sog scharf die Luft ein und betrachtete Aliki von oben nach unten. „Du bist ziemlich hart auf dem Boden aufgeschlagen, Ali. Ich denke...ich denke du hast einen Teil deiner Erinnerungen dabei verloren, aber keine Sorge. Ich helfe dir sie wieder zu finden. Am besten fangen wir am Anfang an..."
Aliki- The_lost_Rainy
Salome- Peacefully_Bambus
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