Kapitel 42
[Realitätsfern]
Plötzlich schreckte Theseus aus dem Schlaf. Er hatte sehr seltsame Träume gehabt und die Worte des letzten hallten noch immer in seinen Gedanken wider. Er hatte geträumt das Casmiel am Leben wäre, schwach und verletzt, aber am Leben und er hatte sogar aufrecht stehen können.
Er war umgeben von Dunkelheit gewesen und mehrere Stimmen waren auf ihn ein gedröhnt, eine dieser Stimmen war Theseus gewesen, die ihn gebeten hatte, zu ihm zurück zu kommen.
Doch er schien die einzige Stimme gewesen zu sein, die ihn gebeten hatte. Die anderen waren viel...lauter. Sie hatten geschrien, gezetert und geschimpft. Beleidigungen und Verwünschungen waren auf Casmiel eingeprasselt wie frischer Regen und viele der Stimmen hatten sogar gemeint er solle es endlich tun. Er sollte endlich springen und das Leben somit hinter sich lassen.
Dann hatten Casmiel Augen aufgeflammt und ein unfassbares Selbstvertrauen hatte in diesen gelegen. Normalerweise war es Theseus unmöglich gewesen durch die eiserne Wand, die seine dunkelblauen Augen darstellten, durchzubrechen, aber dieses Mal hatte er einen Blick auf Casmiel Gedanken erhaschen können und er war in diesem Moment förmlich gestorben (was bei ihm auch wortwörtlich kein Problem gewesen wäre) weil er endlich seiner Neugierde, seinem Verlangen einmal seine Fähigkeit, die Gedanken anderer an ihren Augen abzulesen, bei Casmiel Tripe anzuwenden konnte. Endlich. Nach all der Zeit der Geheimisse und der Kälte dieser Mauern, war er durchgedrungen und hatte alles gesehen.
„Ich muss zu meinem Darling. Ich muss zu Theseus" das waren seine Worte gewesen und dann war Theseus aufgewacht. Er hatte die Augen ruckartig aufgeschlagen und hatte erst einmal begreifen müssen, das das alles nur ein Traum gewesen war. Er hatte von Casmiel Tripe geträumt und auch davon, das er ihn Darling nannte. Seltsam.
Er hievte seine Beine über die Kante des Bettes und seine nackten Füße berührten dein eiskalten Steinboden der Höhle, in denen sie ihre Hängematten aufgehängt hatten. Das war nur möglich, weil der Rest des Widerstandes schon vor Jahren Holzpflöcke aufgestellt hatten, die zur Befestigung der Matten diente, auf denen Theseus nun schon recht gut schlafen konnte. Das erste Mal war er aus der seinen hinaus gefallen und beim zweiten Mal hatte er sich selbst mit dem Stoff verknotet, sodass Aspen ihn hatte befreien müssen. Das war peinlich gewesen, aber sie hatte geschworen es nie wieder zu erwähnen (außer sie müsse ihm damit drohen. So ein Druckmittel ließ man nicht einfach frei).
Leise tapste er über den Boden, an Schuhe dachte er gar nicht einmal. Er wollte schließlich den anderen nicht ihren Schlaf rauben, den sie sich redlich verdient hatten. Seit seiner Ansprache konnten die meisten wieder ruhig schlafen. Ein paar hatten noch immer Probleme, aber jetzt war Ruhe in der Höhle eingekehrt und man konnte nur mehr das leise Schnarchen, das schwere Atmen und das sanfte Rauschen des Wasserfalls vernehmen, der in den großen See sprudelte.
Theseus liebte es hier. Die Lichtung war schön gewesen, bestimmt. Der Wald hatte sie geschützt, in der Nähe war ein kleiner Fluss gewesen, aus dem sie ihr Wasser geschöpft hatten und das Lagerfeuer war einfach unglaublich gewesen, sowie auch das Essen, das darauf gebraten worden war, aber er konnte hier viel besser schlafen.
Das Zirpen der Grillen war schön gewesen, bestimmt, hatte aber viel zu schnell angehalten. Es war nicht immer da gewesen, nur zu Abend. Doch meist war er erst spät in der Nacht schlafen gegangen, damit er so viel wie möglich tun konnte. Der Wasserfall aber, hörte nicht auf zu fallen und dieses beruhigende Geräusch von sich zu geben, das noch besser war als der prasselnde Regen, der immer gegen das Dachfenster getrommelt hatte, das Theseus in seinem früheren Zimmer gehabt hatte.
Seine kleine Wohnung in der Mainstreet. Er wollte so nahe an der Arena wohnen wie nur möglich, um immer alles zu erfahren und dennoch unentdeckt zu bleiben. Kein Phoenix wäre so lebensmüde das er dort leben würde, aber Theseus war lebensmüde. Nicht nur das, er war auch schon sterbensmüde (irgendwann machte sterben auch keinen Spaß mehr), sodass er eigentlich nur mehr seine Ruhe haben wollte, auch wenn diese erst eintreffen wird, wenn er unter der Erde läge.
Wie sehr vermisste er diese Zeiten doch jetzt, wo er hier war und in einem Krieg an der Front kämpfte. Er war schon in vielen Kriegen gewesen, die Menschen schienen nichts anderes zu tun, aber dieser hier war anders für ihn. Er bedeutete ihm etwas weil es dieses Mal Menschen gab, die er keinesfalls verlieren wollte. An oberster Spitze war bisher Aspen...naja. Jedenfalls wenn man von den letzten Ereignissen gehört hatte. Wenn nicht, wäre es Casmiel gewesen, der ganz oben wäre.
Nicht weil er ein grandioser Stratege und (weniger guter) Anführer war, sondern weil Theseus etwas spürte. Er wusste nicht was es war oder wieso es da war, aber irgendwie schlug sein Herz höher, wenn er in Casmiel Nähe war...wenn er es gewesen war. Er hatte seine neckischen Kommentare und Beleidigungen einfach auf sich genommen, weil er gehofft hatte, das ein Kompliment folgen würde, doch dieses Kompliment ist nie gekommen. Dennoch hat er darauf gewartet wie eine Raubkatze auf seine Beute. Er hatte sogar gewusst, das Casmiel sich niemals herablassen würde um Theseus ein Kompliment zu geben, dafür war der König doch viel zu gut, aber diese eine Nacht hatte alles verändert. Die Nacht, als Theseus und Casmiel alleine am Lagerfeuer gesessen hatten.
Zwar hatte Theseus sich eingeredet, er würde Casmiel Tripe, den arroganten und selbstgefälligen Mistkerl, hassen doch irgendwie konnte er das nicht. Er war etwas anders für ihn, nur was?
Jedes Mal wenn er dieses verdammt charmante Lächeln sah, das meist auf Casmiels schmalen Lippen lag, hatte sein Herz einen Sprung gemacht. Immer wenn er sich so anmutig und elegant wie eine Katze auf ihn zubewegt hatte, hatte er versucht zu Glänzen und hatte gehofft, dass sein rasantes Herz nicht zu hören war, auch wenn er schwören hätte können, das es über die gesamte Lichtung geschallt war. Aber was war das gewesen?
Schnell schüttelte er sich diese wirren Gedanken aus seinem Kopf und er verließ die Höhle, vorbei an dem rauschenden Wasserfall, der nun neben seinen Ohren dröhnte, als würde eine Lawine vom Berg stürzen, aber eigentlich waren es nur unfassbare Wassermassen, die in den See stürzten. Also ging keine Gefahr davon aus, auch wenn dieses Geräusch nun nicht mehr beruhigend, sondern bedrohend war.
Doch als er an seinen Stammplatz sah, einen relativ bequemen Platz zwischen den Steinen, die den See umrahmten, erkannte er, das dort bereits eine Gestalt saß, die scheinbar auch versuchte, eine schlaflose Nacht zu überleben ohne vor Langeweile verrückt zu werden (Theseus überlegte sich gerade ob Casmiel so wahnsinnig war, wegen seines unfassbaren Schlafmangels, verschob diese Gedanken aber erst einmal auf später, schließlich hatte er besseres zu tun)
Er kam leise näher, seine nackten Füße machten ein patschendes Geräusch, das aber bestimmt leiser war, als das dumpfe Geräusch seiner Schuhe, die er nicht trug. Die Person erkannte ihn dennoch und in der Dunkelheit erkannte er die blauen Augen, die bernsteinfarbene Splitter in sich trugen, wie eine Frau eine goldene Kette trug. Einfach wunderschön. Es waren Alessias Augen, die ihn aus der Dunkelheit anstarrten und sie nickte ihm zu, das er sich zu ihr setzten konnte. Das tat er auch.
Eigentlich wollte er die Nacht alleine überbrücken, sich in seinen Gedanken verlieren und dabei zusehen, wie die Sonne langsam über den Himmel kletterte und ihren roten Schein abgab, aber scheinbar würde Alessia diese Pläne durcheinander werfen. Wenigstens was den Anfang betrifft.
„Guten Morgen, Penner" begrüßte sie ihn neckisch, während sie leicht durch seine schwarzen Locken wuschelte, sodass diese noch wilder in alle Richtungen standen als sonst noch. Er lachte leicht auf und wuschelte auch durch ihre roten Locken, die nun nicht wirklich besser aussahen, als die seinen.
Sie starrten sich einen Moment in Grund und Boden, bevor sie zeitgleich amüsiert schnaubten und in schallendes Gelächter ausbrachen. Doch sie legten, einmal wieder zeitgleich, ihre Hände über den Mund des anderen um ihn von dem lauten Lachen abzuhalten und sie schnaubten erneut Belustigt aus. Erst nach einigen Momenten trauten sie sich, die Hände sinken zu lassen damit der Mund des jeweils anderen nicht mehr verdeckt war.
„Guten Morgen, Schnepfe" erwiderte er ihren Gruß ebenso amüsiert wie sie, aber dieses Mal schien keine Lachattacke zu drohen und er sah sie nur breit grinsend an. Innerhalb der zwei Tagen war Alessia ihm auch ans Herz gewachsen. Sie war fast wie eine kleine Schwester für ihn, eine Freundin, die immer irgendetwas anstellen musste, damit sie ihn nerven konnte.
„Idiot" brummte sie beleidigt, doch Theseus kannte Ali, sie war nicht so schnell beleidigt, wie sie vorgab zu sein. „Was machst du hier? Ich hab dein Schnarchen gehört" fragte sie ihn und bei ihrem Kommentar schlug er ihr leicht gegen den Hinterkopf, sodass sie wütend seine Hand wegschlug, ihn jedoch breit angrinste.
„Ich habe geschlafen, bin aber wieder aufgewacht" meinte er dann ruhiger. Der Traum ließ ihm noch immer keine Ruhe, er spukte in seinem Kopf herum wie Gespenster in einem verwünschten Haus. Es war schrecklich Casmiels Gesicht immer wieder zu sehen, obwohl Theseus die schwarze Leiche doch gefunden hatte. Er hatte gesehen, das Casmiel tot war und hatte noch immer das kleine fast verbrannte Stück Stoff in seiner Jackentasche, das schwer wie tausend Steine war.
„Alpträume?" fragte Alessia angespannt, aber kein freches Grinsen fand sich nun mehr auf ihren Lippen. Sie sah ihn besorgt an und irgendwie auch verständnisvoll. Auch sie wurde von schrecklichen Träumen heimgesucht, auch sie sah jede Nacht dieses schreckliche Bild, das sie immer wieder versuchte zu vergessen. Es war Casmiel, in Flammen gehüllt, auf einem Scheiterhaufen.
„Normalerweise ja aber dieses Mal nicht. Ich...ich habe von Cas geträumt. Er sagte er würde zurück kommen...zurück zu mir, zu uns" erzählte er irgendwie aufgeregt. Dieser Traum hing an seinen Gedanken wie Fliegen an Honig. Unmöglich sich zu befreien.
Alessias Blick wurde traurig und sie senkte ihren Kopf, ihr Blick ging auf den großen, dunkelblauen See, der in diesem Moment Casmiels Augen ähnelte.
„Thes. Ich weiß, du hoffst darauf das er nicht tot ist und das er zurück kommt aber Casmiel ist auch nur ein Mensch. Er...er ist nicht so wie du unsterblich, er ist nur ein gewöhnlicher Phoenix...mehr nicht" Diese Worte stachen selbst in Alessias Brust wie mehrere Messer ein und es tat unfassbar weh, sie in ihrem Herzen zu spüren, aber leider konnte sie nichts gegen diesen Fakt tun. Casmiel Tripe war tot. Er kam nicht mehr zurück und je schneller sie sich damit abfand desto besser.
„Nein, Ali. Ich glaube an ihn und auch wenn es verrückt ist daran zu glauben..." er atmete tief durch und lächelte sie leicht an, „...manchmal muss man dem Wahnsinn den Weg ebnen um der Ordnung eine Chance zu bieten"
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