Kapitel 3
[Der einzigartige, der unglaubliche...]
„Casmiel Aradeon Tripe" rief ein wütend-scheinendes Mädchen mit langen, hellblonden Haaren, die sie in einen losen Dutt gesteckt hatte, der gerade noch so seine Form zu halten schien (ein Wunder, wahrlich). Er war nicht so perfekt wie der von Cas. Kleine Härchen hingen überall heraus, hatten die schnellen Schritte der jungen Frau nicht überlebt und einige Strähnen hatten eine rötlich-braune Färbung angenommen.
Ihre Hände waren blutverschmiert, kleine Blutsprenkel fanden sich auf ihrer Wange wieder und ihr (recht passender) Gesichtsausdruck zu dem Blut, ließ nichts Gutes vermuten. Vermutlich wäre es Cas' Tod sie zu provozieren und noch weiter zu nerven, aber er hieß nun mal Casmiel Aradeon Tripe. Es war fast schon seine Pflicht, sie noch wütender zu machen.
Im Schatten der schnell gebauten Hütte, die aus Stroh, Holz und getrocknetem Gras bestand stand der junger Mann mit schulterlangen, weißblonden Haaren, die er in einen lockeren, tiefen Dutt gebunden hatte. Im Gegenteil zu dem der Frau war dieser einfach perfekt. Keine Strähne hing heraus, keine Härchen standen ab, er war so wie Cas selbst: scheinbar perfekt. Sein Gesicht war von der Frau weggedreht, seine Augen lagen im Schatten verborgen und er selbst hatte ein charmantes, ruhiges Lächeln auf den geschwungenen Lippen.
„Eleanor. Wir kann ich dir helfen, oder wolltest du nur meinen wohlklingenden Namen durch die Gegend schreien?" fragte er sie arrogant, fast schon frech und man konnte förmlich die Wut in ihren Adern aufsteigen sehen. Gleich würde der Damm brechen, der sie davon abhielt ihn einfach hier und jetzt mit bloßen Händen umzubringen und ihre Hände mit neuem Blut zu besudeln das, wie Cas vermutete, nicht von einem Tier stammte das die Frau gerade gehäutete und über dem Feuer aufgehängt hatte.
„Nein" knurrte sie bedrohlich, aber leiser als zuvor, „ich häute diese verdammten Viecher jetzt schon seit drei verdammten Tagen und will verdammt noch mal raus ein paar von diesen verdammten Jägern töten!" beendete sie ihren Satz während sie eine wütende Gestik Richtung Ausgang der Hütte machte. Casmiel war immer wieder beeindruckt von den Aggressionsproblemen, die Leute haben konnten, ohne schon längst eine Therapie beantragt zu haben.
Er hob nur unbeeindruckt eine seiner perfekt gezupften Augenbrauen und drehte sich mit einer eleganten Drehung zu ihr um. Seine Augen glänzten im fahlen Licht der hereinscheinenden Sonne und sie wirkten als würden Wellen gegen Felsen schlagen und wieder Richtung tiefer Ozean segeln.
Kurz und weniger theatralisch ausgedrückt: sie waren wunderschön und einfach einzigartig in dem tiefsten Dunkelblau, dass man jemals in den Iriden eines Menschen gesehen hatte.
Er schüttelte leicht den Kopf, sein charmantes Lächeln noch immer auf den Lippen liegend, als könnte nichts es runter wischen. „Oh Darling, du solltest weniger Fluchen. Wir sind hier eine gesittete und gepflegte Gemeinschaft" tadelte er sie wie eine Mutter ihre Tochter. Oh wie er es genoss, autoritär zu sein. Machtmissbrauch war wahrlich sein liebstes Hobby.
Eleanor ballte ihre Hände zu Fäusten und presste ihre langen Fingernägel so fest gegen ihre Handfläche das sie bereits zu bluten begannen. Doch es würde sie sowieso nicht interessieren. Wieso auch? Ihre Hände waren bereits blutig. Das schlimmste, was passieren könnte, wäre eine Tetanusvergiftung. Tja, Casmiel hatte damit (ausnahmsweise) nichts (aktiv) zu tun.
„Schön. Ich häute schon seit drei Tagen diese...Tiere und will endlich wieder raus um ein paar Jägern das Leben aus ihre fragilen, kleinen Körpern zu extrahieren," sagte sie gepresst. Es viel ihr immer schwerer diesen verdammten Mistkerl nicht gegen die nächste Wand zu pressen und seinen verdammt-schönen Kopf gegen die Wand zu schlagen.
„Danke das du es so schön formuliert hast, meine Antwort ist immer noch dieselbe wie vor zwei Tagen. Nein" meinte er seelenruhig. Zwar spürte Cas die Anspannung, die von Eleanor ausging, aber langsam sollte sie sich an Casmiel gewohnt haben und damit auch an seine meist seltsam wirkenden Befehle und Aufträge (und natürlich seinen generellen Charme, der einen dazu brachte, das Leben zu verabscheuen).
„Es sind bereits Pandora und Pamelon losgeschickt um diese Aufgabe auszuführen. Sie werden das schon schaffen, auch wenn ein gewisses, gestörtes Mädchen mit Heldenkomplex nicht dabei ist" fügte er noch seufzend hinzu, als er sah das diese Antwort Eleanor gar nicht gefiel.
Sie kam ihm stampfend näher und hob den erhobenen Finger beinahe gegen Casmiels Nase. Dieser hatte sich nicht vom Fleck bewegt und nicht einmal sein Lächeln hatte gezuckt als sie ihm wütend entgegen gekommen war.
„Hör jetzt zu, du Arsch auf zwei Beinen" fauchte sie leise sodass es wohlwissend nur an Cas' Ohren drang.
„Ich bin nicht so wie deine Verehrer da draußen, die denken du wärst ein Gott nur weil du es geschafft hast eine Mauer hochzuklettern. Ich kenne dich jetzt schon seit Jahren und ich weiß das du es niemals geschafft hättest weil du ein verdammtes Weichei bist. Also bitte, red dir nur ein das du ein Held bist, aber ich weiß es besser!"
Mit jedem Wort war sie schneller geworden und noch näher an ihn herangetreten sodass ihre Nasenspitzen sich beinahe berührten und nur mehr eine Fingerspitze fehlte bis sich ihre Lippen berühren würden. Doch Cas wich nicht zurück.
Er starrte weiterhin in ihre blauen Augen und trug sein typisches, ruhiges Lächeln auf den Lippen.
„Du willst also die Heldin spielen? Schön. Du bist aber nur eine kleine, gebrochene Scherbe in Mitten eines Ozeans aus Steinblöcken die nur darauf warten dich zu zermalmen und langsam zu Mehl zu verarbeiten. Du denkst du wärst etwas besseres als alle anderen, doch das bist du nicht. Du denkst du wärst etwas Besonders und doch hängst du dich an mich, den einzigen besonderen von euch jämmerlichen Hunden, die sich um mich reißen wie um einen Knochen. Ohne mich seid ihr verloren, ihr seid nichts weiter als Asche und Staub. Ich bin aber der Phoenix, der aus eurem Versagen entstiegen ist und darum schert ihr euch um mich wie Mücken um das Licht. Ich bin eure einzige Hoffnung und das wisst ihr, ganz besonders du"
wisperte er und scheinbar wusste Casmiel genau wo er sie traf. Mitten im Herzen, da wo es so richtig weh tat. Dort, wo solche Worte eben trafen.
Stumm lieferten sich die beiden einen Starrwettbewerb doch irgendwann wandte Eleanor ihren Blick unterwürfig aber zugleich wütend ab.
„Ich hoffe du hast gesagt was du sagen wolltest. Denn irgendwann wirst du alleine sein und dann wirst du dir wünschen das ich da wäre, um dir zu sagen, was für ein verdammtes Arschloch du eigentlich bist" zischte sie wütend verließ stürmisch den Raum.
Casmiel lächelte nur leicht und charmant, wie er es immer tat. Er hatte gewonnen, so wie er es immer tat. Es war ihm ein leichtes zu gewinnen, vor allem bei Eleanor. Sie war so stolz, es war nicht schwer einen Schwachpunkt zu finden, der sie zerstören konnte.
Ruhig ging Casmiel im Raum herum bis einige Momente später ein weiterer Mann die Hütte betrat und Eleanor besorgt nachblickte.
„Was genau ist mit Eleanor los und wieso sieht sie so aus, als könnte sie dich lebendig begraben?" fragte Clemens, ein weiterer Kämpfer der Rebellion und Casmiels treuer Dienstbote.
Er wechselte seinen Blick zwischen Casmiel und der nun nicht mehr anwesenden Eleanor bis er seinen meist ersten, vorwurfsvollen Blick auf Cas richtete und ihn musterte.
„Was hast du dieses Mal gesagt?" fragte er ihn nur seufzend. Clemens war die Eskapaden mit Casmiel schon gewohnt, schließlich war er fast schon seit Beginn an beim Widerstand, aber Eleanor zu so zur Weißglut bringen...das schaffte nur der Tripe.
„Absolut nichts. Sie wird mit jedem Tag störrischer, könnte eine Mission gefährden. Sie sollte sich beruhigen oder ich werde sie nie wieder losschicken um Ausschau zu halten" meinte er nur schulterzuckend.
Natürlich war nicht Casmiel Schuld an ihrem Fernweh. Natürlich war er nicht Schuld das sie so ausrastete jedes Mal wenn sie ein Gespräch führten. Casmiel war unschuldig, alle anderen trugen die Schuld. Er war perfekt. So funktionierte die Welt. So funktionierte die Illusion, die er jedem aufbereitete. Die Illusion, die jeder nur zu gerne glaubte.
„Cas. Weißt du noch was sie uns erzählt hat als sie sich uns angeschlossen hat?" fragte Clemens sanft. So war er immer. Nicht nachtragend, sanft und gutmütig. Aber diese Gefühle hatten in dieser Welt keinen Platz. Hier durfte man nur kalt und egoistisch sein. Hier gab es keine Hoffnung.
„Ich vergesse nie was die Meschen bei dem Ritus sagen" meinte Cas nur selbstsicher. Das war die Wahrheit. Für solche Sachen hatte sein Gehirn immer irgendwo einen Platz frei. Es waren wichtige Informationen die er speicherte.
Der Ritus. Jeder der dem Widerstand beitreten wollte musste eine Wahrheit über sich erzählen die er noch nie jemanden erzählt hatte. Sie schlossen die Person an einen alten, staubigen Lügendetektor an und ließen sie reden.
So hatten sie noch jede Lüge entlarvt und dem ein oder anderen Betrüger auf die Schliche gekommen. Durch diese Methode verrieten die Neulinge außerdem etwas privates, geheimes über sich was sie noch nie jemanden gesagt hatten.
Cas hatte viele Geheimnisse, doch noch nie hatte er auch noch eines davon verraten. Er war nicht ehrlich, er war nicht aufrichtig und er war schon gar kein Held.
Helden waren in dieser Zeit unnütz. Jeder Held landete irgendwann einmal in der Arena wo er sich entscheiden musste: Wollte er leben und dafür seine Heldenmaske absetzen oder als ein dämlicher Held sterben? Die meisten entschieden sich so wie er selbst sich entscheiden würde: Töten statt getötet werde.
Das war am Ende immer der Fall. Die Helden der heutige Zeiten wurden zu Marionetten des Systems und sie wurden zu denen, die nie etwas anderes leisten würden als zum Spaß und der Unterhaltung beizutragen.
Doch Cas hatte die Seile des Staates durchgeschnitten und war aus der Arena geflohen.
Darum hatte Cas aufgegeben ein Held zu sein. Ein Happy End gab es nur in Geschichten, die Helden kamen nie weit. Besonders wenn die Geschichte auf einer Lüge basiert. Einer Lüge, die Casmiels gesamtes Leben verworfen hatte.
„Sie hatte ein schweres Leben und manche Menschen kooperieren nicht mit Lösungen, sondern mit Rache. Eleanor ist so ein Mensch. Sie will Rache nehmen an den Jägern und du willst diese Rache ganz allein ausüben" Clemens legte seine Hand auf Cas' Schulter, „aber du vergisst das es Menschen gibt, die hinter dir stehen und diese Rache mit dir ausführen wollen. Vergiss uns nicht, Cas" meinte Clem noch bevor er Casmiel noch zwei Mal leicht auf die Schulter klopfte und dann die Hütte verließ.
Hätte Cas seine Gefühle nicht abgeschalten, hätten diese Worte ihn vielleicht zum Denken angeregt, aber so sah er nur seinen eigenen Plan, seine eigene Welt die langsam in den Flammen der Einsamkeit unterging.
Doch Cas bemerkte diese Flammen nicht, die ihn langsam aber sicher verschlangen und ihn in Staub und Asche verwandelten. Er hatte seine abgeschaltet und somit auch seinen natürlichen Menschenverstand. Cas war nur mehr sein eigener Mensch, sein eigenes Wesen.
Er brannte ohne es zu merken.
Er starb langsam durch seine eigene Hand, die sich mit jeder Sekunde, jedem Wimpernschlag fester um seinen Hals schlängelte um ihm die Luft zum Atmen zu nehmen. Um ihm langsam die Lebensenergie zu rauben.
Doch manchmal war es besser zu brennen, als zu ertrinken.
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