Kapitel 28
[Der Anfang von manchem]
Casmiel schreckte auf und sah in die schönen Augen von Eirene. Er fasste sich an seinen Hinterkopf und fühlte kein Blut, kein Loch. Er war nicht tot.
Dann bemerkte er das Eirene neben ihm stand und ihn mit einem glücklichen Lächeln ansah. „Eirene!" rief er auf und ohne weiter nachzudenken warf er sich um ihren Hals. Er drückte sie an sich und strich ihr über die Haare. Sie war auch nicht tot.
„Cas" lachte sie nur und ihre Hände strichen über seinen Rücken. Sie freute sich sehr über seine Genesung, schließlich war er einen ganzen Tag nicht aufgewacht und sie hatte bereits die Sorge gehabt, das er wohlmöglich in ein Koma gefallen war.
Er löste sich wieder von ihr und sah sich um. Eirene und er lagen in einer Höhle auf einer Decke. Ein kleines Feuer prasselte neben ihnen und ein sanfter Windzug drückte es in eine andere Richtung. Zum Glück war das Feuer aber stärker und widerstand dem Druck des Windes, es sendete weiterhin Wärme aus.
„Wo...was ist passiert?" fragte Cas. Es waren nur mehr Fragmente von den Geschehnissen übrig. Er hatte gedacht die wahren Geschehnisse seihen sein Tod gewesen, doch scheinbar war es nur ein Traum, der nun seine Erinnerung überschattete und die Wirklichkeit verdrehte. Eine Illusion, die seinen Filmriss ausglich und das Loch füllte, das in seinem Gedächtnis zurückgeblieben war.
Eirene musterte ihn besorgt senkte dann aber ihren Blick und begann zu erzählen:
„Irgendwie hat die Arena uns gefunden. Ich weiß nicht wie, aber sie haben es geschafft und unser Lager angegriffen. Zum Glück waren nur mehr wir zwei da, der Rest ist mit den Helikoptern geflohen, aber sie haben uns überrascht und umzingelt. Ich weiß nicht wie du es geschafft hast, aber du hast eine unfassbar starke Welle ausgesendet und alle Wächter sind wimmernd zusammengebrochen. Scheinbar...scheinbar hast du ihnen ein Gefühl übermittelt, das sie unfassbar verletzt hat ohne sie wirklich zu verletzten. So konnten wir fliehen"
Cas erinnerte sich wieder an diesen Teil. Er hatte sich zuerst noch auf seine Worte verlassen, wollte sie Wächter überreden das sie Eirene in Ruhe ziehen lassen und ihn mit in die Arena nehmen können, aber sie haben gedroht Eirene als erste zu töten. Als einer der Wächter sie angepackt hat und eine Pistole an ihre Schläfen gehalten hatte, war Casmiels Kontrolle gebrochen worden und er hatte seinen eigenen Schmerz herausgelassen. Scheinbar war dieser doch heftiger als gedacht.
„Und die Leiterin?" fragte er sie weiter. Vielleicht hatte er sie getötet und war sie endlich los. Er wünschte nur er könnte sich daran erinnern in ihr totes Gesicht sehen zu können.
„Sie war nicht da. Sie wollte nach kommen und dich dann persönlich töten. Aber Cas" sie legte ihre Hand auf seine Wange, „du hast uns gerettet" versicherte sie ihn aber wieso zweifelte er dann daran?
Wieso fühlte er sich dann nicht wirklich als hätte er jemanden gerettet sondern alles nur noch schlimmer gemacht? Er war sich sicher, das die Leiterin diesen Fehler nutzten würde und etwas schreckliches damit anfangen würde.
„Wieso war ich ohnmächtig?" fragte er weiter. Es war seltsam keine Erinnerung zu haben, als würde etwas in einem fehlen, ein wichtiges Puzzleteil. Es lag ihm auf der Zunge, aber sein Mund war zugenäht.
„Du hast sehr viel Kraft verbraucht als du diese Welle ausgesendet hast. Sie hat mehrere Kilometer überdauert wie ein Tsunami. Du bist umgefallen und ich hab dich weggetragen und hier sind wir. Leider...bist du auf einen Stein geflogen als du in Ohnmacht gefallen bist, da ich zu langsam reagiert habe. Deshalb hast du jetzt wohl keine Erinnerung aber ich bin froh das es dir gut geht" seufzte sie noch erleichtert. Sie schien müde zu sein, kein Wunder. Eirene hatte Holz gesammelt, ihn getragen und anschließend geheilt. Vermutlich schrien alle ihre Knochen nach Schlaf. Er würde später noch mehr über die Geschehnisse erfahren und mit ihr sprechen, aber es war besser das sie jetzt Casmiels Zustand nutzten und sich ausruhten.
„Leg dich hin. Du musst müde sein. Ich werde aufpassen und dich wecken wenn etwas passieren sollte. Versprochen" meinte er ruhig aber ernst. Sie schien noch kurz zu zweifeln, legte sich dann aber hin und stützte ihren Kopf auf seinem Oberschenkel. Sie schloss ihre Augen, machte sich ganz klein wie eine Katze und Cas spürte wie ihr ganzer Körper sich langsam entspannte und sie einschlief.
Er selbst lehnte sich zurück an die kalte Steinwand und beobachtete das Feuer, wie es wild um sich flackerte und das Holz langsam zerfraß. Wie es langsam schwarz wurde und zu weißem Staub zerfiel in nur einem einzigen Wimpernschlag. Wunderschön aber doch so gefährlich.
Wie die Welt selbst. Sie war wunderschön, mit ihren Wälder, Wiesen, Tälern, Bergen und auch Städten, die von Menschenhand erbaut wurden. Sie war einzigartig und jeder Tag bot einen außergewöhnlichen Augenblick wenn man nur genau hinsah und beobachtete. Voller Schönheit, voller Magie und dennoch lauerten überall Gefahren, die nur darauf warteten aus ihrem Versteck zu springen und das wunderschöne der Welt in ein tiefes, schwarzen Loch zu ziehen aus dem es kein entrinnen gab. Das Leben war schön, aber die Dunkelheit würde immer wieder kommen und das Herz umschließen, wie ein dicker Wintermantel.
So waren auch Träume. Manche zeigten eine schönere, bessere Welt. Wie Casmiels einziger Traum, ein normales Leben zu führen. Aber es gab auch Alpträume, die dich nie vergessen ließen, wie dein Leben einmal war oder wie es aussehen könnte wenn du auch nur eine Variable in die falsche Gleichung einsetzt.
Cas hatte geträumt wie er selbst starb. Er hatte den Lauf der Pistole an seinem Hinterkopf gespürt und den Schmerz, als er Eirene's leblosen Körper in seinen eiskalten Händen gehalten hatte. Es war so real gewesen, so unfassbar real.
„Das liegt daran das du von einer anderen Dimension geträumt hast" sagte eine kindliche Stimme und neben ihm saß Dolores. Sie hatte lange, dunkelbraune Haare die dem Holz einer Geige glich und ebenso schöne Augen. Ihre Haut trug eine blasse Farbe, den typisch-englischen Hautton und sie lehnte sich an die Wand, wie es auch Cas tat. Sie sah ein wenig durchsichtig aus, als wäre sie nur ein Geist und genau das war sie. Eine Einbildung.
„Eine andere Dimension? Wie meinst du das?" fragte er sie. Dolores war eigentlich seine Violine, die er genauso sehr liebte wie einen Menschen. Er liebte sie sogar noch mehr als einen Menschen, denn eine Violine könnte ihn nie so verletzten wie es Menschen getan hatten.
„Du hast einen Teil von deinem Gedächtnis verloren, nicht deinen Verstand, Cassy. Denk nach. Was war in deinem Traum anders als in der Realität?" schnaubte sie nur kopfschüttelt. Sie hatte wohl recht. Casmiel tat so, als wäre er Theseus, der immer nachfragte und niemals einfach das tun konnte, was man ihm sagte wie ein trotziges Kind.
„Naja. Ich bin nicht gestorben, Eirene ist nicht gestorben und...die Leiterin war nicht da" stellte er fest und Dolores klatschte unbeeindruckt in die Hände.
„Bingo. Die Leiterin war nicht da. Dein Trauma manipuliert deine Fähigkeiten, Darling. Wenn du sie siehst, funktionieren sie nicht so gut wie normalerweise" erklärte die Einbildung geduldig. Es war zwar seltsam das Dolores aussah wie ein zwölfjähriges Mädchen das sogar wirklich niedlich war, aber solch intelligente Wörter spuckte und Cas erklärte wie man lebte, aber schließlich sprach er gerade mit seinem eigenen Unterbewusstsein.
„Trauma? Ich habe kein Trauma" stritt er ab. Er konnte kein Trauma haben, er war perfekt und perfekte Menschen hatten kein Trauma vor allem nicht von einer dämlichen Leiterin.
Dolores hob eine Augenbraue und musterte ihn nur als wäre er das dümmste Wesen auf diesem Planeten. Cas kannte diesen Blick nur zu gut. Er warf ihn immer den anderen zu, wenn sie seine Entscheidungen hinterfragten.
„Darling. Wenn man einen Steckbrief über dich anfertigen wöllte, müsste dein Charakter nur aus deinen zahlreichen Traumen bestehen. Du bist ein einziges Trauma, du bist nur zu blind um es zu erkennen. Ein Beispiel: du versuchst dich nach all den Jahren noch immer als perfekt zu bezeichnen weil dein Vater von dir verlangt hat Perfektion zu erreichen. Reicht das oder soll ich noch die weiteren Taten deines Daddys aufzählen?" fragte sie ihn spöttisch und ihre Augen blitzten kalt.
„Du bist kaputt, Casmiel Tripe. Du wirst dich auch nie wieder reparieren können. Aber du kannst deine zerstörten Teile nehmen und diese Scherben als Waffe nutzen. Du musst nur lernen wie" sagte sie nun etwas sanfter.
„Aber wie soll ich das schaffen wenn ich kaputt bin? Ich schaffe das nicht alleine, Dolores" widersprach er ihr nur und sie lachte leicht auf. Ihre Stimme klang wie ein wundervolles Geigenspiel in den Ohren eines Virtuosen, einfach unfassbar schön. Er könnte ihrer Stimme ewig lauschen.
„Du bist nicht alleine, Cassy. Du hast so viele Leute, die dir in den Tod folgen würden. Die Liebe deines Lebens, wie du sie nennst, liegt neben dir und da draußen sind irgendwo noch die anderen. Ich bin nur dein Unterbewusstsein, alles was ich anrichten kann ist dich in der Öffentlichkeit als wahnsinnig darzustellen aber das schaffst du auch so ganz gut. Also tu endlich etwas und hör auf dich selbst zu bemitleiden. Setzte dein stolzes Lächeln auf, Cassy. Setze es auf und nimm es nie wieder ab" sprach sie ruhig aber zugleich leuchteten ihre Augen wie zwei Edelsteine. Die goldenen Akzente darin glänzten wie Diamanten und Cas nickte.
„Das werde ich. Ich verspreche es dir, Dolores" schwor er und die Einbildung löste sich in Rauch auf. Casmiel sah noch einmal in ihre glänzenden Augen und das charmante Lächeln auf ihren Lippen bevor sie verschwand und ihn alleine in der Dunkelheit der Höhle neben dem prasselnden Feuer alleine ließ.
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