Kapitel 25

[Alles nach Plan]

Als der Hubschrauber abgehoben war, hatte Theseus alle Passagiere gemustert und ein erstes, psychologisches Bild erstellt. Von Lorcan, der neben ihm saß, hatte er auch die fehlenden Namen erhalten und sofort eingespeichert.

Den Helikopter selbst flog ein Mädchen namens Hailey. Er hatte noch kein Wort mit ihr gewechselt und dennoch lag sein Leben in ihren Händen, mit denen sie gerade ein tonnenschweres Gefährt flog, das jederzeit seinen Tod bedeuten könnte.

Mit dabei waren noch Lorcan, Aspen und Theon. Die drei einzigen, die Theseus wirklich kannte und mit denen er mehr oder weniger Worte gewechselt hatte.

Dann gab es noch Cyrian, ein sehr geheimnisvoller, junger Mann mit pechschwarzen Haaren, die über seine Ohren fielen und schön glänzten. Seine Augen waren grau, doch Theseus hatte nur einen kurzen Blick auf diese werfen können. Sie waren gen Boden gerichtete, allen Blicken abweichend und nur in den seltensten Fällen aufgerichtet. Er trug einen Gegenstand in den Händen, zuerst hatte Theseus gedacht es wäre ein Regenschirm denn eigentlich ließ der Griff darauf schließen, aber es war ein doppelschneidiges Schwert, das der Mann in seinen Händen trug. Mehr wusste er nicht über ihn, Lorcan schien diesem Mann seinen Respekt zu zollen also hatte er wohl einen höheren Stellenwert als er selbst.

Da gab es noch Kalomira. Ein hübsches Mädchen mit kupferfarbener Haut und dunklen Locken, die ihr bis zur Hüfte gingen. Leichte goldene Strähnen zogen sich durch das kastanienfarbene Haar und Theseus wusste selbst im Dunkeln, das ihre Haare in der Sonne bestimmt wunderschön waren. Sie hatte eine niedliche Stupsnase, übersäht von leichten Sommersprossen und schmalen Lippen die einen leicht pfirsichfarbenen Ton trugen.
Ihre Augen waren seltsam. Sie glänzten silbern, wie der Mond der die Nacht ein Stück erhellte, er schloss daraus das Kalomira blind war, aber dennoch ein atemberaubendes Gefühl für die Position der Leute hatte. Er hatte nicht viel von ihr gehört. Scheinbar war sie zu freundlich um auch nur einer Spinne schmerzen zuzufügen und von töten konnte man nicht einmal sprechen. Sie war ein süßes Ding mit einem großen Herzen und einem strahlenden Lächeln.

Pamelon und Pandora Montgomery, Zwillinge. Sie waren wohl unzertrennlich und konnten ihre Sätze gegenseitig beenden, vielleicht durch Gedankenübertragung oder einfach nur zu viel Zeit zusammen.
Während Pandora lange, dunkelbraune Haare hatte, die sie meist mit einem Tuch zurückband, hatte Pamelon kurze, rote Haare, die zu seinem Sommersprossen-übersäten Gesicht passten. Theseus hatte den Jungen meist nur mit einem frechen Grinsen im Gesicht gesehen, Ernsthaftigkeit wurde zwischen den Zwillingen eher klein geschrieben und unter dem Wort Spaß versteckt. Lorcan hatte ihm außerdem erzählt das Pamelon nicht als Junge geboren worden war, aber für Theseus war das kein Grund ihn nicht als einen Jungen zu beschreiben. Schließlich war er ein Junge.

Da war auch noch Sol. Er war ein größerer Mann mit scharlachroten Haaren und dunkelbraunen Augen, die zu seiner leicht gebräunten Haut passten. Er hatte schmale Lippen, einen schlacksigen Körperbau und nur ein wenig muskulös. Von ihm hatte Theseus noch nicht viel erfahren, nur das er dauerhaft gelangweilt wirkte und mit den Augen rollte. Er schien unfassbar gelangweilt, als würde nichts im Leben ihm ein Lächeln ins Gesicht zaubern können.

Theseus saß im Hubschrauber neben Aspen, die an einem ihrer Armbänder spielte und ungeduldig schien. Alle waren leise, niemand sagte auch nur ein Wort. Die Stille war erdrückend.

Es war als würde sie auf den Schultern der Anwesenden lasten, wie ein riesiger Steinblock den sie tragen mussten und das ohne Grund. Wenn doch nur jemand ein Gespräch anfangen würde, doch die Anspannung war zu groß und die Angst zu stark.

Plötzlich ruckelte der ganz Hubschrauber und Theseus spürte das er schneller wurde und nach steil nach unten stieg. Ein paar schrien auf und hielten sich aneinander fest, so auch Lorcan. Er schlang seine Arme um Theseus und quieckte leise auf als sich die Richtung des Helikopters schlagartig änderte.

Wäre dies keine ernsthafte Situation gewesen, hätte Theseus wohl aufgelacht aber jetzt entfernte er Lorcan's Hände, stand auf und ging zu Nika, die die Mission leitete.

„Was ist passiert?" fragte er sie möglichst ruhig doch er konnte das leichte Zittern seiner Stimme nicht verhindern. Er konnte zwar nicht sterben, aber er hatte Angst um andere.

Das hatte er lange nicht mehr gehabt. Freunde und die Sorge, die automatisch mit dem Vertrauen und der Liebe kam. Er wollte weder Aspen noch Lorcan verlieren, die er bereits als seine Freunde sah. Ebenso wenig wollte er alle anderen des Widerstandes verlieren. Sie waren sein Zuhause geworden. Schon so lange rannte er von der Wahrheit davon, dem Fakt das man Freunde und Familie brauchte, aber er würde immer miterleben müssen wie sie starben. Er würde immer der letzte sein, der an ihren Gräbern stand und Tränen vergoss. Deshalb hatte er sich geschworen niemanden mehr als seinen Freund zu bezeichnen. Das Leben war vergänglich, nur nicht für ihn.

„Ein anderer Hubschrauber der Arena hat Hailey gerammt" berichtete Nika ein wenig panisch und erschrockenes Gemurmel erfüllte den kleinen Raum, in dem die Flüchtlinge auf ihren Tod zu warten schienen.

„Was ist mit Cas?" fragte er sie weiter. Er musste doch einen Plan haben, wie sie sich retten konnten und Nika horchte in ihr Funkgerät hinein mit dem sie Casmiel gerade ein Zeichen sendete. Vollkommene Stille aber es kam kein Zeichen zurück. Nichts. Niemand meldete sich auf der anderen Leitung.

„Corey? Jason? Was ist mit ihnen?" fragte Theseus nun auch ein wenig panischer. Es standen so viele Menschenleben auf dem Spiel. Er würde diesen Schmerz nicht verarbeiten können. Er konnte kein weiteres Mal alles verlieren, was er sich aufgebaut hatte. Er konnte es nicht. Es würde ihn zerreißen, zerstören. Als würde man eine Glas Vase auf den Boden der Tatsachen werfen, wo ihre Splitter sich in die Haut anderer bohrte.

Nika sendete erneut ein Signal. Kurze Stille doch dann ertönte ein kurzes Piepen und danach noch zwei weitere, langgezogene Signaltöne. Nika atmete erleichter aus.
„Jason geht es gut. Sie sind im Unterschlupf aber Corey hat sich nicht gemeldet..."

Erdrückende Stille. Das konnte nichts gutes bedeuten. Weder Cas noch Corey hatte sich wieder gemeldet.

Theseus hielt Nika die Hand hin und sie gab ihm nach kurzen Zögern das Funkgerät.
„Jason" sprach er in den Gegenstand, „flieg los und überprüfe die Gegend. Hol Casmiel nicht ab, hörst du. Du musst sehen wo Corey steckt und was passiert. Versuch unauffällig zu sein, als wärst du einer von ihnen" wies er Jason bestätigte.

Theseus konnte seinen Herzschlag spüren. Er pochte gegen seinen Hals und erschwerte ihm das Atmen erheblich aber er durfte jetzt nicht hyperventilieren. Er musste Ruhe bewahren und den Anführer spielen. Er musste Cassys Posten übernehmen, da er vielleicht selbst gerade Probleme hatte und um sein Leben kämpfte.

Er atmete tief durch und schloss kurz die Augen. Denken wie Casmiel Tripe... redete er sich selbst ein. Es klang verrückt, aber er musste sich jetzt in den Anführer hinein versetzten damit alle überlebten. Den Menschen, der er wohl mehr als alles andere verabscheute. Casmiel Tripe.

„Okay. Casmiel ist nicht da, Corey meldet sich nicht. Wir haben nur uns allein. Jason wird sehen was passiert ist und uns darüber berichten, aber das reicht nicht. Wir müssen Hailey helfen und irgendwo landen, wo wir uns aufteilen können oder den feindlichen Hubschrauber irgendwie abschüttelt. Verstanden?" Zustimmendes Nicken. Seine Stimme zitterte nicht. Er riss sich zusammen und bemühte sich nicht zu verängstigt zu klingen und hoffte das er wenigstens ein wenig Mut spendete. In diesem Helikopter waren Kinder und Jugendliche. Er wollte nicht der Grund sein weshalb sie ihr Leben so früh beenden mussten.

„Hailey?" fragte er in das Funkgerät, der er in der Hand hielt, „Bist du da?" fragte er sie. Sie musste seinen Anweisungen folgen und er hoffte das sie genauso reagierte wie Jason und keine weiteren Fragen stellen würde.

„Warte...Theseus? Wieso genau hast du das Funk? Ich dachte Nika leitet diese Mission" Hailey's Stimme klang durch das alte Gerät verstellt und metallischer, als würde ein Roboter zu ihm sprechen.

„Ja ich bin es. Du musst mir zuhören und meinen Anweisungen folgen, okay? Ich weiß es klingt verrückt aber du musst mir vertrauen" bat er sie höflich aber dennoch dringlich. Er spürte erneut ein Ruckeln des Helikopters und musste sich an der Wand neben sich abstützen um nicht umzufallen.

„Ich arbeite schon zwei Jahre lang mit Casmiel zusammen. Verrückt klingt gut" sagte sie nur hastig. Theseus wusste das sie gerade in einer Stresssituation war, schließlich flog sie einen Hubschrauber der angegriffen und verfolgt wurde.

„Du musst die Türen öffnen und synchron mit dem anderen Hubschrauber fliegen, verstanden?" fragte er sie durch das Funkgerät und Stille folgte.

Sie schien so verblüfft zu sein, entweder war das ein gutes Zeichen, da Theseus es geschafft den Level Casmiel auf seiner Wahnsinnig-Skala zu erreichen, oder sie war von seiner Dummheit so überwältigt das sie gerade Lachen musste und deshalb nicht sprach.

„Du...das ist wahnsinnig. Gefällt mir" sagte sie schließlich und der Helikopter schien langsamer zu werden was wohl ein Zeichen war, das sie seinen Anweisungen tatsächlich folgte. Die Türe eben ihm öffnete sich mit einem Geräusch, das sich ein wenig so anhörte als würde der Hubschrauber ausatmen und der Wind schoss sogleich in die Kabine, in der Theseus und die anderen waren.

„Haltet euch fest" wies Theseus an und sein Herz schien noch weiter seine Kehle hinauf zu wandern sodass er tief und fest durchatmen musste um seine Panik zu kontrollieren.

Du musst der Held sein, der Casmiel Tripe immer für dich war, Theseus. Du musst der Held sein, der du nie sein wolltest redete er sich selbst sein. Er brauchte diesen Mut.

Vielleicht war Casmiel nicht der Held, wie er in den Bilderbüchern stand, aber Theseus war sich sicher das er es auch sein konnte, wie jeder einzelne Mensch auf diesem Planeten ein Held sein konnte.

Man musste sich nur überwinden etwas zu ändern, Fehler riskieren und seine eigene Meinung vertreten. Man musste nicht für andere der Held sein, sondern für sich selbst und das wurde Theseus jetzt klar. Casmiel Tripe war nur kein Held, weil er es für sich selbst nicht war. Er war viel verletzlicher als man vermuten würde, als man jemals sehen könnte wenn man nicht selbst ein Held war.

Dort stand er nun, vermutlich seinen nächsten Tod näher als dem Leben, aber was bedeutete das schon? Er lebte ewig, es machte keinen Unterschied mehr.

„Cas wäre stolz auf dich" meinte eine Stimme neben ihm. Es war Aspen, die besorgt aus der offenen Tür sah, als wäre dort eine Lösung für ein Problem, aber es war zu weit entfernt um es zu erreichen.

„Wieso sagst du das so, als wäre er nicht mehr da?" fragte Theseus sie verwirrt ohne den Blick von der Freiheit dort draußen zu wenden. Der Helikopter wurde langsam von dem anderen eingeholt und bald wäre es soweit.

Sie atmete einmal tief durch.
„Ich weiß nicht. Casmiel Tripe würde niemals seinen eigenen perfekten Plan gefährden indem er nicht an sein Funkgerät geht. Und vertrau mir. Wenn die Arena ihn wirklich haben sollte..." sie machte eine Pause und richtete ihren Blick auf den Boden vor ihr, „dann kommt er nicht wieder zurück"

Theseus wusste das Casmiel, falls er wirklich in Gefangenschaft geraten sein sollte, niemals wieder kommen würde. Vermutlich hatten sie ihn noch vor Ort exekutiert und er war gestorben. Mit seinem charmanten Lächeln im Gesicht, den Kopf erhoben und zur Leiterin gerichtete sodass sie in seine glänzenden, dunkelblauen Augen sehen konnte und wusste, das sein Tod nicht das Ende von allem war, nur von manchem.
Er hätte leicht mitleidig gelacht, den Kopf geschüttelt und dann ebenso mitleidig gesagt: „Mein Tod wird in die Geschichte eingehen. Es geht mit nicht um den Ruhm oder die Ehre. Nein, ich bin kein Held. Mir geht es nur darum das kein einziger Tag vergeht, an dem mein Feind nicht einen Gedanken an den legendären Casmiel Aradeon Tripe verliert. Ich werde ewig leben, ob sie es wollen oder nicht"
Dann hätte sie ihn hasserfüllt angesehen und...

Theseus schüttelte den Kopf. Er musste jetzt stark sein, für Casmiel. Der Vorteil daran Unsterblich zu sein war, das er Casmiels Geschichte für immer in die Gedächtnisse der Menschen brennen konnte. Es wäre sein Wunsch niemals vergessen zu werden und diesen Wunsch würde Theseus ihm erfüllen.

Theseus drehte sich um, seine schwarzen Locken wurden von dem stätigen Wind zerzaust und durcheinander gebracht, aber es gab wichtigeres zu tun.

„Alle die sich zum Kampf bereit fühlen, begleiten mich. Wir werden auf den Hubschrauber springen und den Vogel vom Himmel schießen, sodass wir ungestört in das Lager können" schrie er gegen den Lärm der Luft, die die offene Tür und die drehenden Rotorblätter verursachten.

„Alle bereit? Und los!" schrie er bevor er sprang und auf den fremden Helikopter zu segelte mit seinen Freunden hinter ihm.

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