Kapitel 23
Mein bisheriges Lieblingskapitel. Vielleicht nicht nachzuvollziehen aber ich liebe es einfach *-*
[Insomnia]
Casmiel lag wach in seinem Bett. Er sollte schlafen, das hatte Eirene ihm geraten als sie gesehen hatte das sich sein Körper langsamer regenerierte und er schon die ersten Übermüdungsanzeichen zeigte. Wunden schmerzten länger und heftiger, er war unkonzentriert. Sein Fokus war irgendwo in dieser Welt verloren gegangen und obwohl er schlafen hasste musste er an seinen Körper denken, nicht an seinen Geist, der sich gegen die Trance wehrte.
Aber es ging nicht. Casmiel versuchte sogar zu schlafen doch seine Augen blieben nicht geschlossen. Es war, als würden sie nicht wollen, das er in die Dunkelheit eintauchte, obwohl sie bereits seit Tagen brannten. Kein Wunder, den einzigen Schlaf den er seit vier Tagen erhalten hatte, war als Eirene ihn gestern ins Bett getragen hatte aber da hatte er gerade einmal drei Stunden geschlafen und das war definitiv zu wenig für einen gesunden Körper. Schon gar nicht für einen Körper der ständig Anstrengung und Stress ausgesetzt war, sowie es bei Casmiel Tripe eben der Fall war.
Doch nun lag er da, in der Dunkelheit seiner Hütte. Alles war leise, nur das sanfte Zirpen der Grillen ließ diese Nacht lebendiger klingen. Nicht einmal der Wind rauschte um die hohen Bäume, die den Wald säumten. Nichts tat sich, seine Kameraden schnarchten nicht einmal.
Er lag da, wach, vollkommen wach. Es war seltsam. Er war müde, wirklich müde, aber er konnte keinen Schlaf finden. Egal was er tat, egal wie sehr er es wollte.
Ja, er hasste es die Kontrolle zu verlieren und genau das passierte wenn er schlief aber er brauchte diese Zeit der Regeneration, der Genesung. Er musste ein guter Anführer sein, auch wenn er diese Last nicht auf seinen Schultern spüren wollte. Auch wenn er nichts von all dem geplant hatte wollte er der Welt zeigen das er nicht der nutzlose Junge war, den seine Eltern immer gesehen hatten. Er wollte ihnen zeigen das mehr in ihm steckte als nur ein kaputtes Wrack, das es nicht einmal schaffte seine Schwester zu retten, der nichts auf die Reihe bekam weil er schwach und nutzlos war. Eine Last für alle die lebten und ihn ertragen mussten.
War er das? War er nur eine Last für jene, die mit ihm hier lebten? War er nichts weiter als Dreck der sich selbst vergoldet hatte um wertvoller zu werden? Sein Inneres würde sich aber niemals ändern, er würde immer Dreck bleiben. Mit jeder Minute seines Lebens.
Casmiel drehte sich auf die andere Seite. Er legte die Decke über seine Schulter sodass nur mehr sein Kopf frei lag und er schloss erneut seine Augen. Ein neuer Versuch Schlaf zu finden.
War er ein guter Anführer? Konnte er diesen Menschen überhaupt bieten was er versprach, den perfekten Plan?
War sein Plan überhaupt perfekt? Konnte er wirklich von sich sagen das er immer den perfekten Plan parat hatte?
Drehung. Nun lag er wieder auf dem Rücken und starrte mit wachen Augen die Decke über seinem Kopf an. Sie war so weit entfernt, aber doch sah es aus als könnte er sie einfach berühren wenn er seinen Arm nach ihr ausstrecken würde.
Er tat es, keine Ahnung wieso und betrachtete seine Hand genauer. Die feinen Striche, die sich durch seine Handfläche zogen erinnerten ihn an ein Muster, eine Karte für Straßen oder ähnliches.
Dann ließ er seinen Arm wieder auf sein Bett fallen und schloss ein drittes Mal seine Augen. Er war fest entschlossen sie dieses Mal geschlossen zu halten aber erneut flossen die Gedanken durch seinen Kopf.
Morgen würden sie weiterziehen, oder besser gesagt heute. Nach dem Stand des Schlafes, der im Lager zu hören war, war es bereits Morgens, vielleicht zwei oder drei Uhr aber Casmiel war wach. Hellwach.
Seine Augen brannten, aber sie wollten nicht zugehen. Sie schienen nicht einmal blinzeln zu wollen und Cas zwang sich dazu.
Er fragte sich, ob sie auch wirklich wussten was zu tun war. Ob sie wussten, welche Aufgaben sie morgen hatte. Leise murmelte Cas sie vor sich hin.
Hailey, Jason und Corey würden die drei Hubschrauber fliegen, die ihnen zur Verfügung standen und sie würden jeweils zu zwölft fliegen können. So viele Leute hatten Platz und nicht einmal dann ging es sich wirklich aus. Sie musste ein weiteres mal zurück und dieselbe Menge mitnehmen.
Aber...was wenn sie vergesse hatten das es ihre Aufgabe war zu fliegen? Was wenn morgen niemand mehr wissen würde was er oder sie zu tun hatte? Was wenn Pandora und Pamelon wieder einmal einen ihrer nervigen Streiche ausführen würden? Würden sie die ganze Sache zerstören nur um einen Moment Spaß zu erhalten?
Er würde so einiges geben für ein ehrliches Lachen. Das hatte er schon lange nicht mehr gemacht. Lachen. Es war etwas Schönes, jedenfalls wenn er seinen Erinnerungen Vertrauen schenkte. Hatte er jemals gelacht?
Cas überlegte fieberhaft. Sollte er jetzt aufspringen und die anderen Fragen ob sie alle ihre Aufgaben kannten? Nein. Das hatte Zeit bis morgen...oder doch nicht?
Er musste es einfach tun, sonst würde er niemals Schlaf finden.
Also nahm er die Decke von sich, zog sich seinen dunkelblauen Mantel, der immer neben seinem Bett auf einem Kleiderständer hing, über die Jogginghose und das einfache, dunkelblaue Shirt, das er immer noch von der Arena hatte und verließ die Hütte.
Manchmal war es eben doch schwer sich von Erinnerungen zu trennen, einfach loszulassen. So war es mit dem T-Shirt. Zwar hatte Cas sich geschworen das Shirt zu verbrennen sobald er aus der Arena geflohen war, aber er konnte es einfach nicht. Nicht weil er das Kleidungsstück so schön fand, sondern weil es immer noch de süßen Duft von Cassiopeias Parfüm trug. Jedenfalls dachte er das. Der Duft war schon lange verflogen, alles was von ihr übrig war, war der Blutfleck, der auf dem dunkelblauen Stoff lag. Ihr Blut, das sie am Tag ihres Todes verloren hatte.
Deshalb konnte er nicht loslassen. Es war alles, was er von ihr hatte. Sie war schon so lange weg, ganze zehn Jahre, aber dennoch war die Wunde frisch und sie würde nie wirklich verheilen. Dafür lag der Schmerz viel zu tief.
Cas atmete die kühle Nachtluft ein. Sie umspülte seine Lunge wie Wasser, das gegen eine Felslandschaft prallte während einem wilden Sturm. Es tat gut aber Casmiel war nicht für frische Luft aufgestanden. Er musste Jason unbedingt wecke und fragen ob er sich noch an Cas' Anweisungen erinnerte.
Er war bei der Hütte angekommen, in der Jason mit ein paar anderen Jungs schlief und ohne weiter nachzudenken weckte er Jason durch starkes Rütteln.
Er schreckte hoch und zückte ein Messer, oder besser gesagt einen Stock. Es war Jasons Absicht gewesen ein Messer zu ziehen, aber er hatte danebengegriffen du hielt nun einen Stock in der Hand der vor seinen Augen in zwei Teile brach.
„Mit dem Stock wirst du wohl eher weniger anrichten können, findest du nicht J?" meinte Cas nur unbeeindruckt als er seine ach so gefährliche Waffe sah.
„Cas? Es ist mitten in der Nacht. Was machst du hier?" zischte Jason schlaftrunken als er den nächtlichen Besucher erkannte und den Stock sinken ließ.
„Ich kann mich nicht auf eure Unfähigkeit verlassen. Weißt du noch was du zu tun hast morgen...heute?" fragte Cas ihn eingehend. Er musste es wissen, sonst würde er nicht schlafen können.
Jason blinzelte einmal. Er blinzelte ein zweites Mal und rieb sich angestrengt die Schläfen als könnte er nicht glauben das Cas deswegen zu ihm gekommen war.
„Casmiel. Wir machen das jetzt schon das hundertste Mal. Ich weiß ganz genau was ich zu tun habe" seufzte er nur beinahe verzweifelt.
„Und jetzt geh schlafen, wie Eirene es dir aufgetragen hat. Du musst dich jetzt einmal zusammenreißen und nicht nur an dein eigenes Wohl denken. Geh endlich schlafen, Vollidiot" knurrte er noch zum Abschied bevor er sich wieder in seine Decke einrollte und den Rücken zu Cas kehrte.
Er flötete noch kurz: „Gute Nacht, Arschloch" und verschwand dann wieder in seine eigene Hütte. Jason hatte ja keine Ahnung. Er lag jetzt schon Stunden wach in seinem Bett, versuchte die Gedanken in seinem Gehirn auszublenden und endlich Ruhe zu finden aber es war eine unmögliche Aufgabe, als müsste er, wie Sisyphos einen Stein auf einen Hügel schleppen und jedes Mal kurz vor dem Ziel abrutschen.
Da lag er wieder, in seinem Bett. Eingewickelt in seine Bettdecke, mit nackten Füßen und freien Gedanken, die scheinbar überall im Raum herumflogen. Er wollte sie aber nicht einfangen, sie fingen sich selbst und störten ihn, raubten ihn den kostbaren Schlaf.
Was ist wenn sie wussten wer er wirklich war, wie er wirklich war? Was wenn sie erfuhren was seine Gabe war, nachdem er sie all die Jahre verborgen hatte. Nachdem er sich all die Jahre dafür geschämt hatte. Seine Schwester hatte sich nie für diese Gabe geschämt, die sie sich geteilt hatte. Ein Wunder, aber Cas hatte es immer als Schicksal gesehen.
Cassiopeia war immer so begabt gewesen, vor allem wenn es um das Geige spielen ging. Sie hatte immer so schön gespielt, die himmlischen Klänge umspülten noch immer Casmiels Ohren wenn er an sie dachte.
Außerdem war Cassy eine gute Kämpferin gewesen. Ihre Eltern hatten von ihren Fähigkeiten gewusst, aber ihr einziges Ziel war es immer das sie die Nummer 1 der Arena wurden. Die Zwillinge hatten immer gedacht ihre Eltern hatten ihre Kräfte akzeptiert aber nein. Sie hatten sie ebenso wie Tiere behandelt, wie die Arena.
Als sie beide stark genug waren, waren sie verkauft worden und alles was sie von diesem Moment an gehabt haben waren sie selbst.
Wie gerne würde Cas mit seiner Schwester den Platz tauschen. Sie wüsste bestimmt was zu tun war in dieser Art von Situation, das hatte sie immer gewusst. Sie war immer so klug, so talentiert, so...so unfassbar perfekt gewesen.
Vielleicht versuchte Cas deshalb die absolute Perfektion zu erreichen. Vielleicht war es nur sein Wille so zu sein wie Cassiopeia.
Keine Sorge, Kleiner. Irgendwann sind wir hier raus und das erste was wir dann machen wird etwas besonderes sein. Hallte ihre Stimme durch seinen Kopf.
Töten wir dann unsere Eltern? Hatte er sie gefragt. Damals war er noch auf Rache aus gewesen, Rache für das was er dank seiner Eltern erlebt hatte. Rache für all die schrecklichen Szenen, die seine Gedanken noch immer Heimsuchten.
Nein, du kleiner Psychopath. Gewalt ist die Waffe der Dummen. Aber wir besitzen die Worte, die Waffe der Intelligenz. Dieser Spruch hatte sich in Casmiels Hirn eingebrannt und er hatte sich immer daran gehalten. Er war es nie gewesen, der die Pistole abgedrückt, das Messer in den Bauch gestochen oder die Faust gegen die Nase geschlagen hatte. Er war nur der Kopf hinter all dem gewesen, der wahre Meister.
Was machen wir denn dann, Cassy? Hatte er gefragt. Oh, wie unschuldig er damals gewesen war. Er war fünfzehn gewesen, ein kleiner Junge ohne große Gedanken und noch kleineren Taten. Ein Junge, der noch nicht wusste was Leben wirklich bedeutete, was es hieß Verantwortung zu übernehmen.
Nach dieser Frage hatte sie ihren Arm um seine dünnen Schultern gelegt, ihn charmant angelächelt und gesagt: Wir werden eine Bank überfallen und uns mit dem Geld das teuerste Eis der Stadt holen. Dann verklagen wir den Eisverkäufer weil wir Steinchen in unserem Eis gefunden haben, jubeln ihm das gestohlene Geld unter und sobald die Polizei sein Geschäft durchsucht, finden sie das Geld und verhaften ihn. Wir werden als Helden gefeiert und bekommen noch mehr Geld als wir gestohlen habe, das ist aber bereits gewaschen. Und dann...dann werden wir abhauen. Wir lassen Amerika hinter uns und fliegen weg, vielleicht nach Australien oder so
Der kleine Cas hatte gegrinst und den Kopf geschüttelt. Du bist wahnsinnig, Cassiopeia
Dann hatte sie ihn angegrinst, ihm in die Augen gesehen und gesagt: Wahnsinn ist nur ein Wort um außergewöhliche Intelligenz zu beschreiben. Außerdem ist Wahnsinn ein Zustand der sich zwischen Chaos und einem Traum verbirgt. Merk dir das, Darling
Cassiopeia Aradea Tripe. Sie war der klügste Mensch auf dieser Welt gewesen den er jemals gekannt hatte, so viel hatte er von ihr gelernt obwohl sie gleich alt waren.
Sie hatte immer mit den Menschen gesprochen während Casmiel dem Streit immer aus dem Weg gehen wollte. Er hatte immer gehofft das ihre Provokation ein Ende finden würde, aber sie hatte immer weiter gemacht bis sie schließlich eine gebrochene Nase kassiert hatte und an genau diesem Tag beschlossen hatte das sie fliehen würden. Das sie, die Chaos-Zwillinge es sein würden, die die unüberwindbaren Mauern der Arena überwinden würden und allen zeigen würden wer sie wirklich waren. Am Ende war nur einer der beiden auf der Mauer gestanden, hatte eine Hand gen Himmel gehoben und hatte geweint. Geweint weil seine bessere Hälfte nie wieder da sein würde, das sie nie wieder ihre verrückten Pläne mit ihm teilen würde. Das eine Seite für immer schwieg.
Cas schüttelte diese tiefen Gedanken schnell aus seinem Kopf und er versuchte generell einen Moment nicht zu denken.
Doch da kamen schon die nächsten Gedanken.
Wieso konnten Enten schwimmen und fliegen aber Pinguine nicht? Rassismus. Gott war ein Arschloch. Deshalb glaubte Cas an Dolores, nicht an diesen Idioten im Himmel der vorgab perfekt zu sein. Das war schließlich nur seine kleine Dolores.
„Rassist" murmelte Cas nur während er sich umdrehte und versuchte eine neue, bequemere Position zu finden. Er sah auf die Uhr, die an seinem Handgelenk lag. Fünf Uhr morgens. Eine weitere Nacht ohne Schlaf also. Großartig.
Er hatte seine Nacht, die eigentlich erholsam hätte sein sollen mit Gedanken über rassistische Götter und Enten verschwendet, oh und vergessen wir nicht die Pinguine. Cas war schließlich kein Rassist wie dieser sogenannte Gott.
Casmiel setzte sich auf und rieb sich die Augen. Er nahm den Spiegel von seinem Nachttisch, sah hinein und erblickte sein Gesicht. Sein so perfektes Gesicht.
Die scharfen Züge, die weißblonden Haare, die verstrubelt über seine Schulter fielen und wie ein weißer Wasserfall aussahen und nicht zu vergessen seine tiefen, dunkelblauen Augen, die ein leichtes Glänzen im Licht der aufgehenden Sonne zeigten.
Er atmete die Luft tief ein und wieder aus, nahm einen Kamm von seinem Nachttisch und begann seine Haare, die nun in leichten, gleichmäßigen Wellen sein Gesicht umrahmten zu kämmen sodass sie leicht glänzten, wie weiße Sonnenstrahlen.
Cas holte alle seine Haare zusammen und rollte sie um seinen Finger bevor er das Haarband befestigte, das zuvor an seinem Handgelenk gelegen hatte an dem die Nummer 7 prangte, die vor Jahren in seine Haut gebrannt worden war.
Ein perfekter Dutt aus dem keine Strähne fiel war entstanden, so wie Cas sein Haar immer trug, so wie ihn jeder kannte. Einfach perfekt.
Er schloss kurz die Augen, ließ den Plan vor seinem inneren Auge abspielen und öffnete die Augen wieder. Er erblickte sein Spiegelbild und statt der ernsten Miene setzte er ein charmantes Lächeln auf, das seine dunkelblauen Augen nicht erreichte.
„Sei perfekt" wisperte er zu sich selbst bevor er sich erhob, den Spiegel wieder an seinen rechtmäßigen Platz zurück stellte und seinen dunkelblauen Mantel anzog der den leichten Geruch von Rauch und seinem liebsten Parfüm trug.
Der Stoff schmiegte sich sanft an seinen femininen Körper und brachte seine Taille zur Geltung. Da war er also, Casmiel Tripe wie man ihn eben kannte.
„Sei perfekt" wisperte er ein letztes Mal bevor er auf die Lichtung hinaus ging und von den ersten Sonnenstrahlen verschluckt wurde.
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