Kapitel 21
[Der wahre Casmiel Tripe]
Als Theseus und Aspen zurück auf die Lichtung kamen, waren alle anderen Geheimnisse schon gelüftet und es gab Essen.
Theseus erinnerte sich wieder das er eigentlich unfassbaren Hunger hatte und er fühlte wieder wie sein Magen knurrte. Auch Aspen schien hungrig zu sein, denn sie sah gierig auf das Fleisch, das über dem Feuer briet.
„Komm, gehen wir uns was zu essen holen. Das haben wir uns nach dem ganzen verdient" schlug Theseus sanft vor und zusammen gingen sie zu Lorcan, der gerade bei der Essensausgabe stand und nebenbei selbst etwas aß.
„Ah, da seit ihr ja. Kurz im Wald verschwunden, hm?" fragte der Mann neckisch und er zwinkerte Theseus vielsagend an. Dieser rollte nur mit de Augen aber Aspen konnte es dabei natürlich nicht belassen.
Sie zog den armen Mann näher an sich heran indem sie seinen Kragen packte und ihn mehr grob als sanft beinahe über den Tisch zog. Wortwörtlich.
Doch sie wirkte nicht wütend, im Gegenteil. Sie hatte ein leichtes Lächeln im Gesicht, das dem charmanten Lächeln von Casmiel glich und einen sanften Blick. „Neidisch?" hauchte sie leicht und Theseus konnte sich gerade so ein Lachen verkneifen als er Lorcan's verdutzten Blick sah.
Ja, Aspen war eben ein Fall für sich, aber deshalb mochte Theseus sie so.
„Nein Ma'am...ich denke nicht" meinte er und Aspen ließ ihn wieder los. Sie riss ihm fast schon den Teller mit dem Fleisch und dem Gemüse aus der Hand und zog Theseus, der sich noch schnell einen weiteren Teller mit Besteck schnappen konnte und hinter ihr hergezogen wurde.
„War das wirklich nötig?" fragte Theseus leicht grinsend, aber er meinte es nicht wirklich vorwurfsvoll. Eigentlich mochte er diese Aktionen, von Aspen gerne, er fand sie witzig.
„Ja natürlich. Man muss sich den Respekt andere verdienen auch wenn...außergewöhnliche Taten dafür von Nöten sind" meinte sie nur edel, als wäre sie eine Königin aber nach diesem Satz schien sie nicht mehr so glücklich zu sein. Ihre Mundwinkel waren zu einem falschen Lächeln verzogen, ihr Blick auf den Bode gerichtet und sie schien in Gedanken verloren zu sein.
„Hey, alles okay?" fragte Theseus sie besorgt. Er wollte nicht das es ihr schlecht ging und das er ihr nicht helfen konnte, regte ihn noch mehr auf. Er wollte nicht das sie sich schlecht fühlte auch wenn er ihr gerade gestanden hatte, das er niemals Gefühle für sie entwickeln könnte.
„Es ist nichts... Nur...diesen Satz hat mir meine Mutter beigebracht. Sie sagte immer es wären manchmal schreckliche Taten nötig um den Respekt andere zu verdienen..." sagte sie düster, in ihrer Stimme lag ein bitterer Unterton und ihr Blick war beschämt zu Boden gerichtet.
„Hey," begannt Theseus sanft und er lächelte sie an. „Deine Mutter hat ein schreckliches Zitat erfunden und du hast es verbessert. Das zeigt dir das du nicht sie bist" beruhigte er sie. Er war es nicht gewohnt so ruhig und sanft zu klingen, normalerweise war seine Stimme monton und kühl. Er wollte sich nicht mit anderen verstehen, doch Aspen hatte es bereits geschafft seine Philosophie umzuwerfen und seine Freundin zu werden.
Ein leichtes Lächeln umstrich ihre Lippen und sie nahm Theseus Hand, die sie dann fest drückte. „Du bist so ein Idiot" meinte sie nur leicht lachend und auch Theseus lächelte.
Normalerweise hielt er keinen Körperkontakt lange. Dieses Händedruck war ihm so fremd, aber es war etwas vollkommen besonderes für ihn. Berührungen. Er war es nicht gewohnt berührt zu werden, es war Jahre her seitdem er eine wahre, absichtliche Berührung erfahren hat die intimer war als ein leichtes Streifen der Schultern. Ein Händedruck, etwas eigentlich normales aber nicht in Theseus Leben.
Er lächelte sie leicht an aber sein Blick wurde abwesend als er Casmiel sah, wie er alleine, etwas abseits der Gruppe sein Essen aß. Überraschenderweise fand sich nur gebratenes Gemüse, Wurzeln und Brot auf seinem Teller, kein Fleisch.
„Entschuldige mich bitte" meinte Theseus zu Aspen und er löste sich aus ihrer Hand um zu Casmiel zu gehen. Er wollte endlich wissen ob Cas doch der Mensch war, für den er ihn hielt.
Theseus wollte es nicht wahr haben das ein Mann, der ihm so lange ein großes Vorbild war, ein Arschloch mit einem zu großen Ego war. Jahre lang hatte er an Casmiel Tripe geglaubt und er würde nicht aufgeben weiterhin an ihn zu glauben. Er musste anders sein, tief in seinem Herzen wenn er denn überhaupt eines in seiner Brust schlüge.
Er setzte sich neben ihn, auf die Holzbank und wartete auf seine Antwort, aber er sah nicht einmal zu ihm hoch, sein Blick lag nur auf der Wurzel, die er gerade in mundgerechte Stücke teilte.
„Theseus Rendall. Was genau willst du?" fragte er ihn aber Theseus war sich nicht sicher ob Cas genervt oder glücklich über seine Anwesenheit war.
„Nichts. Ich will dich nur verstehen, verstehen wie so ein verdammter Mistkerl so lange überleben kann" meinte Theseus und er bereute seine Worte bereits. Casmiel war hier der Anführer und auch wenn er Unsterblich war, durfte er es nicht riskieren sich weitere Feinde zu machen. Davon hatte er schon viel zu viele und Casmiel wäre bestimmt ein schrecklicher Gegner.
Cas musterte ich eingehend und sagte eine Zeit lang nichts. Seine dunkelblauen Augen glänzten, aber Theseus konnte keinerlei Emotionen aus ihnen lesen, wie er es normalerweise tat. Die Meschen waren vorhersehbar. Sie machten meistens die gleichen Fehler, trafen dieselben Entscheidungen wieder und wieder aber nicht Casmiel. Seine Methoden waren Theseus fremd, seine Augen waren ein Geheimnis. Ein wohlbehütetes Versteck, das niemand lebend betrat.
„Ich muss schon sagen, ich bin unglaublich talentiert" gab der Mann nur von sich, seine überhebliche Art war Theseus schon gewohnt und er hatte ehrlich gesagt keine andere Antwort erwartet. Zwar wirkte es manchmal so, als wäre Casmiel ein offenes Buch, aber dann machte er wieder etwas, das Theseus aus der Bahn warf und ihm zeigte, das Casmiel Tripe doch ein verschlossener Safe aus Obsidian war. Dunkel du hart.
„Ich wünschte ich könnte das verneinen aber du musst wohl talentiert sein um all das hier zu kontrollieren" gab Theseus zu bedenken und Cas' tiefblauer Blick ließ ihn nicht los, als würde er einen Angriff von ihm erwarten.
Cas hob eine Augenbraue und ließ seinen ausdruckslosen Blick über Theseus schweifen. Er war seltsam. So ruhig, so gelassen aber Casmiel wusste ganz genau was sich in dem Inneren dieses Mannes abspielte, das wusste er immer.
Innerlich war Theseus bereits lange tot. Er war nichts weiter als ein Wrack, eine abgetragenes Kleid das man abstreifen musste, aber es ging nicht. Der Reißverschluss war zu fest verankert und hing sich langsam in der Haut ein, die Hülle wurde selbstständig.
Casmiel war bewusst wie es war alleine zu sein, er kannte es nicht anders. Seine Arroganz und seine Selbstverliebtheit waren nur ein Schild, das alle von alleine abstieß. Er spielte seine Rolle so gut das niemand sie durchschauen konnte doch langsam wurde es gefährlich.
Langsam gab es keinen Unterschied mehr zwischen Maske und Gesicht, sie verhakten sich ineinander und fraßen sich auf, wie Kannibalen. Sie wurden eines.
„Also" riss Theseus ihn aus seinen Gedanken. Er konzentrierte sich wieder auf das Gespräch, verschob seine Gedanken auf später. Jetzt war keine Zeit zu träumen, er musste fokussiert sein.
„Dolores ist also deine Freundin?" fragte Theseus weiter und Casmiel konnte sich gerade noch so zurückhalten. Dolores? Seine Freundin? Casmiel Tripe und eine Freundin? Bah, für solchen Firlefanz hatte er keine Zeit, er musste schließlich perfekte Pläne ausführen und Gefühle hatten dort keinen Platz. Genauso wenig wie Freundschaften und Liebe. Liebe war meist der Fehler, der Auslöser für Probleme. Deshalb mochte Casmiel die Liebe nicht.
„Dolores? Du kennst sie?" fragte er scheinbar ahnungslos weiter. Es war einfach das menschliche Gehirn zu manipulieren und zu verwirren. Alles was es brauchte war eine schauspielerische Einlage und die Kraft der Überzeugung. Man musste nur den Gegenüber davon überzeugen das er scheinbar mehr wusste, klüger war, als man selbst und schon hatte man diesen Menschen in seiner Hand und man konnte dessen Fäden ziehen wie ein Puppenspieler.
„Nicht wirklich, aber ich habe doch gesehen wie ihr zwei interagiert habt. Außerdem erinnere ich dich an deine eigenen Worte, das du niemanden brauchst außer dich selbst und eine gewisse Dolores. Selbst ich kann eins und eins zusammenzählen" antwortete Theseus mit einem leichten, wissenden Lächeln auf den Lippen. Er hatte Casmiel Tripe also wirklich durchschaut, er hatte eine Schwäche von ihm gefunden. Das Mädchen von vorhin, Dolores.
Casmiel musste sich wirklich zusammenreißen um diesen Typen nicht auszulachen und als dämlichen Vollidioten darzustellen, aber nichts anderes war er in diesem Moment.
Casmiel wusste das er Eirene meinte und nicht Dolores.
Er musste zugeben, Eirene war für ihre zärtliche und meist mütterliche Art bekannt, für ihre festen Umarmungen und ihre liebevolle Art aber sie würde jeden so umarmen wie sie es bei Casmiel getan hatte. Seine Mission war eben riskant gewesen, aber er hatte alles im Griff gehabt.
Casmiel lachte einmal leicht auf und betrachtete Theseus fast schon mitleidig. Er musste es jetzt einfach aufklären, die Dummheit dieses Mannes musste beseitigt werden bevor sie auch noch Cas' Gehirn erreichte.
„Oh Darling" meinte er mitleidig und er wischte sich eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel. Theseus verdutzter Blick verriet ihm bereits alles was er wissen musste.
„Du bist so unfassbar dumm. Das Mädchen das du meinst heißt Eirene und sie wird nicht umsonst la grande Mama genannt. Dolores ist meine Violine und mein Unterbewusstsein. Kein Mensch. Ich könnte niemals jemanden mehr lieben als mich selbst, niemals" klärte er Theseus leicht lachend auf. Es war schon unfassbar was Menschen so denken konnten wenn sie ein kleines Gehirn hatten.
„Eirene? Violine?" fragte Theseus verwirrt nach und Casmiel legte ihm nur die Hand auf die Schulter. Er atmete tief ein und betrachtete Theseus amüsiert.
„Irgendwann wirst du verstehen das ich der einzigartige Casmiel Aradeon Tripe bin. Du wirst nie jemanden finden der besser oder schöner ist, denn ich bin ein verdammter Heiliger. Aber Dolores, sie ist die wahre Göttin, ich bin nur ihre Hülle" sagte er ruhig bevor er den Kragen seines Mantels richtete, aufstand und Theseus ein charmantes Lächeln zuwarf bei dem die meisten FanGirls wohl aufgekreischt und danach in Ohnmacht gefallen wären. Theseus sah ihn nur weiterhin verwirrt an.
„Ich mag dich Theseus. Du bist so niedlich wenn du versuchst klug zu sein, aber du wirst dennoch nie meine Intelligenz begreifen können. Ich wünsche eine schöne Nacht" verabschiedete sich der Tripe von ihm und ohne einen weiteren Blick zurückzuwerfen ging er weg.
Seine weiß-blonden Haare wehten im Wind und sein Mantel war wie ein Schleier, der seinem Meister folgte. Er sah so perfekt aus und doch hatte Theseus jetzt eines begriffen. Casmiel Tripe war nicht perfekt und er war kein Held. Er war ein arroganter Mistkerl der mit Violinen sprach und sie Dolores nannte. Nur ein Typ ohne klarem Verstand, ein Idiot mit einer Maske.
Nur eine Enttäuschung.
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