Kapitel 20
[Fünf Tage]
Die Fremde lächelte leicht und sagte: „Mein Name ist Kalea und jetzt kannst du mir alles erzählen"
Ketara musterte Kalea eindringlich. Sie hatte gerade vor ihren Augen einen Mann ermordet (mit gutem Grund) aber Kalea schien weder verängstigt noch sonderlich angeekelt aus. Eher als hätte sie seinen Tod bereits erwartet und sogar gehofft das er Zustande käme.
„Ketara, aber das weißt du bereits" stellte sie sich etwas kleinlauter vor. Kalea rettete ihr gerade vielleicht das Leben und sie dankte es ihr mit genervten Antworten und sarkastischen Kontern, das war nicht fair. Ketara musste sich zusammen reißen und lernen das sie nicht mehr die Nummer 1 war, sondern nur mehr ein unbedeutender Mensch.
„Oh wow. Deine Stimme scheint doch mehr zu kennen als nur asozial und genervt. Ein Wunder" kicherte Kalea nur neckisch, aber Ketara fühlte sich nicht angegriffen oder beleidigt, ein kleines Lächeln bildete sich auf ihre Lippen und ihr Blick wanderte Richtung Boden.
„Komm. Steh auf. Ich kann dir hier in dieser dreckigen Gasse wo eine Leiche liegt nicht helfen. Erstens habe ich keine Lust von den Bullen erwischt zu werden und zweitens ist es hier sehr unhygienisch" meinte sie während sie sich selbst aufrichtete und Ketara ihre Hand anbot, um ihr aufzuhelfen.
Nach kurzem Zögern nahm Ketara das Angebot an und richtete sich auf ihre etwas wackeligen Beine. Der Schmerz zog noch immer in ihre Glieder und ihr Rücken brannte wie Feuer, aber sie musste nur mehr kurz aushalten damit Kalea sie untersuchen konnte und vielleicht sogar heilen. Vielleicht würden die Schmerzen dann endlich aufhören, auch wenn der Schmerz in ihrem Herzen für ewig halten würde. Nie wieder würde sie fliegen, nie wieder würde sie ihre treuen Flügel spüren, die sie mit nur einem Schlag hoch in mehrere Meter Höhe befördert hatten. Nie wieder würde sie frei sein.
Ketara schüttelte diese Gedanken schnell ab, sie musste sich ablenken. Am besten war es wohl wenn sie Kalea näher kennenlernte und so mehr über sie herausfand. Es war wichtig etwas über seine Feinde und vor allem Verbündete herauszufinden, das hatte Ketara in der Arena gelernt und es war ihr größter Fehler gewesen vorschnell zu vertrauen.
„Bist du eigentlich...auch eine Phoenix?" fragte sie sie als erste Frage. Es war die erste Frage die ihr in den Kopf geschossen war, aber sie bereute es schon. Es war eine sehr oberflächliche Frage, eine Frage die man jemanden schnell übel nehmen konnte aber sie war bereit gestellt und nicht mehr radierbar.
„Nein. Ich bin ein normales, langweiliges Mädchen aber meine kleine Schwester, sie ist eine Phoenix wie du" berichtete Kalea, aber sie klang nicht sauer oder angegriffen. Sie klang so, als wäre es eine normale Frage.
Ketara hatte normale Menschen nie wirklich gemocht. Sie waren ihr immer ein wenig...abstoßend vorgekommen. Sie hatte immer gedacht alle Menschen wären gleich, das alle die Arenakämpfe genießen und feiern würden, aber da hatte sie sich wohl geirrt. Kalea sah Ketara als ein Mensch, nicht als eine Kampfmaschine die schon tausende ihrer eigenen Art getötet hatte. Sie schien die Kämpfe gesehen zu haben, doch sie hatte immer einen Funken Menschlichkeit in den Phoenixe gesehen, die dort drinnen ihren Verstand verloren und aufgegeben hatten.
Allein der Fakt, dass es Kalea scheinbar egal war was Ketara getan hatte, was ihr Wesen gewesen war, beeindruckte sie und Ketara hatte den höchsten Respekt vor diesem Mädchen.
Nach einiger Zeit waren sie bei einem hohen Haus angekommen, das die Wolken zu berühren schien. Es war ein wenig heruntergekommen und bestimmt nicht der edelste Wohnort aller Zeiten, aber es schien sicher zu sein und bewohnbar. Genau das brauchte Ketara in diesem Moment. Ein Zuhause.
„Ich weiß, es ist nicht deine Luxussuite oder so aber es ist mein Zuhause und das Zuhause weiterer Phoenixe. Aber einen Champion haben wir noch nie aufgenommen" berichtete Kalea sie aber das war Ketara vollkomme egal. Sie wollte sich hinlegen und ausruhen.
Ihr Pullover war blutdurchtränkt, ihr Rücken war wund und offen. Sie verlor langsam aber sicher das Bewusstsein und benötigte ärztliche Hilfe, sonst würde sie nicht mehr lange überleben. Sie hoffte einfach darauf das das keine weiteren Psychospielchen der Leiterin waren, das Kalea ihr ehrlich helfen wollte und sie der richtigen ihr vertrauen schenkte.
„Keine Sorge, dir geht es gleich besser" beruhigte Kalea Ketara als sie ihr fahles Gesicht sah und ihre großen Pupillen, die nun fast all das grau ihrer Iris einnahmen. Sie sah wirklich nicht gut aus und die junge Frau machte sich Sorgen, das Ketara nicht überleben würde.
Sie stützte sie, als sie in das Gebäude gingen und setzte sie auf den Boden als sie den Farhstuhl betreteten, der sie in den obersten Stock fuhr. Doch konnte Kalea einmal durchatmen.
Zwar war sie eine starke Frau und Ketara war nicht wirklich schwer aber dennoch hatte der Weg hier her sie gefordert. Es war anstrengend, als müsste sie eine Leiche tragen. Zwar versuchte Ketara ein wenig zu gehen, aber Kalea hatte bemerkt, das es mehr ein antippen des Bodens war, als wirkliches Gehen.
„Kalea" murmelte Ketara ihren Namen und Kalea warf ihren Blick auf die am Boden liegende. Sie sah schwach aus, ihre Augenlider flimmerten und sie würde nicht mehr lange wach bleiben können. Zum Glück hatten sie es bald geschafft und Ketara konnte sich endlich ausruhen.
Kalea kniete sich zu ihr hinunter um ihr in die Augen sehen zu können. Es waren vielleicht ihre letzten Worte und diese sollten ausgerechnet an sie gehen.
„Ja?" fragte sie sanft während sie eine Strähne von Ketaras dunkelbraunen Haar hinter ihr Ohr strich. Sie sah trotz der Erschöpfung wunderschön aus. Ihr Haar war so dunkel wie Ebenholz, ihre bronzene Haut wirkte noch durchscheinbarer als zuvor und ihre grauen Augen leuchteten matt.
„Ich will dir ein Geheimnis erzählen" krächzte sie und sie versuchte Kalea anzudeuten näher zu kommen. Das tat die Frau auch, sie wollte Ketara helfen und auch wenn es ihre letzten Worte waren, war sie es wert.
„Hast du je das Gefühl gehabt...nicht...richtig zu sein? Als wäre dein Schicksal verschoben. Als wäre...wärst du im falschen Körper?" gab sie kleinlaut und leise zu. Es war als würde sie sich dafür schämen, aber Kalea lächelte nur leicht.
„Du fühlst dich nicht wohl? Wieso das denn?" fragte sie nur sanft während sie weiter über ihre Haare strich um sie zu beruhigen. Kalea war eine Psychologiestudentin, sie wusste also das Körperkontakt in solchen Situationen sehr wichtig war. Es beruhigte Menschen und ließ sie leichter schlafen. Kalea wollte zwar nicht das Ketara starb, vor allem nicht da sie so nahe dran waren sie zu retten, aber Ketara hatte schon viel zu lange gekämpft, beinahe ihr ganzes Leben lang. Sie hatte es verdient in Ruhe zu sterben und das ohne Stress oder Panik.
„Ich will kein Mädchen sein..." wisperte sie noch schwach bevor ihre Augen zufielen und sie einschlief. Kalea hielt sich ein schluchzen zurück und messte ihren Puls an ihrem Handgelenk. Ganz schwach pochte er hinter der blassen Haut und erleichtert seufzte Kalea. Sie lebte also noch.
In genau diesem Moment gingen die Türen des Fahrstuhles auf und Kalea trug die ohnmächtige Ketara in ein Zimmer. Sie machte die Tür nicht einmal wieder zu, sondern trug Ketara sofort hecktisch zum Sofa und legte sie dort drauf.
„Kalea?" fragte eine leichte Stimme aus dem Hintergrund. Die Tür wurde geschlossen und ein kleines Mädchen mit brustlangen, roten Haaren die sie in zwei lockere Zöpfe gebunden hatte. Sie war jung, gerade einmal 12 Jahre alt, aber sie sah schon so erwachsen aus, beinahe so wie Kalea selbst.
„Wer ist das Mädchen da?" fragte das Mädchen verwirrt als sie Ketara sah, die nun nur mehr mit einem blutdurchtränkten T-Shirt auf dem Sofa lag während Kalea sie verarztete.
„Das ist Ketara Arayuma, Asha. Eigentlich solltest du sie kennen" berichtete Kalea nebenbei, ihre beinahe schwarzen Augen waren immer noch auf die offene Wunde gerichtete, aus der einst majestätische Flügel gewachsen waren.
Die hellbraunen, beinahe amber-farbenen Augen von Asha wurden groß und ihr Mund stand ein wenig offen. „Ketara Arayuma? Der Champion?" fragte sie weiter doch als Antwort erhielt sie nur ein leichtes Nicken von Kalea.
„Ich habe sie in einer Gasse vor der Arena gefunden. Sie war verletzt. Man hat ihr...man hat ihr ihre Flügel genommen" sagte sie nur mitleidig und kurz stoppte sie mit ihrer hecktischen Arbeit. Leicht kopfschüttelnd entfernte sie ihre düsteren Gedanken aus ihrem Kopf und machte weiter. Gerade schmierte Kalea ihr eine Heilsalbe auf den Rücken, wo die Wunde lag.
„Was ist hier los?" fragte eine weitere Stimme und ein älterer Mann trat in das Zimmer. Seine Haare waren braun aber sie waren kurz geschoren, wie die Frisur beim Militär. Seine Augen trugen die Farbe von einem rötlichen braun und sein Mund war zu einer strengen Miene gezogen.
„Kalea hat Ketara Arayuma vor der Arena gefunden und sie mitgenommen um sie zu verarzten" klärte Asha ihn auf ohne den Blick von der schlafenden Ketara abzuwenden.
Der Mann zog seine Augebrauen zusammen und musterte Ketara argwöhnisch. „Sobald sie aufwacht ist sie weg von hier. Wir brauchen keine Mörderin bei uns" befahl er mit einer düsteren Stimme und Asha drehte sich zugleich mit Kalea um.
„Was soll das heißen, Keyne? Sie hat dasselbe Recht hier zu sein wie du auch!" hielt Kalea gegen ihn aber der Mann schüttelte nur rechthaberisch den Kopf. Seine Miene wurde immer grimmiger.
„Nein. Ich bin kein verdammter Mörder der gemordet hat, sie hatte sogar Spaß daran, Kal" befahl er nur stur und zwischen zusammengepressten Lippen. Er ließ Ketara nie länger als ein paar Sekunden aus den Augen.
„Du hast kein Recht das zu bestimmen! Sie ist ein Phoenix und sie ist verletzt. Wir sind hier um genau diesen Menschen zu helfen!" nun war es Asha, die sich gegen den deutlich größeren Mann wehrte. Er war bestimmt um die zwei Meter hoch während sie nicht wirklich mit ihren 1,58 Metern mithalten konnte. Aber in ihren amber-farbenen Augen glühte eine solche Wut das sie sehr bedrohlich wirkte.
„Meine Antwort ist Nein. Sie wird nicht hier bleiben. Sie ist der Feind, die Arena hat ihr wahres Wesen zerstört. Sie ist nur mehr eine Mordmaschine, kein Mensch mehr" bestimmte er jetzt wütend und bei der Lautstärke seiner Worte zuckte Kalea zusammen, die gerade einen Verband um Ketaras Oberkörper band.
Asha ging zu ihrer Schwester und musterte sie besorgt. Keyne war viel stärker als sie beide zusammen und Ashas Fähigkeit würde ihr nicht wirklich weiter helfen. Sie konnte nur Energie erzeugen, zu entfernen und weiterzuleiten. Wenn Keyne also keine Glühbirne war (die hellste Leuchte war er sowieso nicht) dann könnte sie nicht viel anrichten.
„Lass sie wenigstens Genesen. Dann...dann werde ich sie wegbringen" gab sich Kalea geschlagen und Keyne wirkte nicht überzeugt, aber für den Moment besänftigt.
„Ich gebe dir fünf Tage dieses Monster zu retten. Fünf Tage, nicht mehr" bestimmte er mit rauer Stimme bevor er den Raum verließ und Asha, Kalea und Ketara alleine ließ.
Der Atem, der Bewusstloses hatte sich wieder etwas beruhigt und sie schien ruhig zu schlafen. Asha würde ihr später noch Energie geben, damit sie wieder sprechen und gehen konnte, aber jetzt sollte ihr Körper sich erst einmal selbst regenerieren.
„Fünf Tage..." überlegte Kalea laut. Eine Idee bildete sich in ihrem Kopf und ein leichtes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. „Fünf Tage..."
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