8 Pech

Ich bin nicht ungeschickt.

Nein!
Ganz und gar nicht!

Meine Hände sind sogar sehr gut drauf.
Ich stricke, häkle, sticke die tollsten Dinge, bastle Modeschmuck aus winzig kleinen Perlen.

Aber manchmal habe ich eben Pech.

Zum ersten Mal so richtig, als sich die Schwiegereltern Nr. 2 zum ersten Besuch in der neuen Heimat ihres Augensterns angesagt hatten. Meine Schwiegermutter und ich werden nie Freundinnen werden, schließlich hatte ich es gewagt, den Kronprinzen aus Unterfranken in die unterentwickelte Oberpfalz zu entführen.

Ich war also entsprechend nervös, hatte für zehn Mahlzeiten eingekauft, falls bei neun etwas schief lief.
Den vollpepackten Curver schleppte ich zur Haustüre, als es  kurz Klack-Klack machte, der Faltkorb sich auf seine Bestimmung besann und sich eben zusammenfaltete.

Auf dem schrägen Fußweg vereinten sich die seltsamsten Dinge. Majonäse mit Obstler, Wurst mit Gewürzgurken (das passt ja sogar), creme fraiche mit Rapsöl, Wein mit Jogurt.

Der Salat schwamm schon in einem fertigen Dressing aus Essig und Senf, aber eben nicht in einer Schüssel wie üblich, sondern auf den Pflastersteinen.

Fassungslos starrte ich auf das Chaos, hielt noch immer den sturen Faltkorb, leider ohne Boden, in den Händen.
Danach machte ich, was ich meistens bei Katastrophen dieses Ausmaßes mache - ich legte mich ins Bett. Mit meinem dunkelblauen Hosenanzug, der von oben bis unten mit Zutaten mehrerer Gerichte bespritzt war.

Wie ein Kind, das glaubt, man würde es nicht finden, wenn es nur die Augen schlösse. Doch nach und nach drang in mein Bewusstsein, dass der Scherbenhaufen vor dem Haus eine Gefahr für andere darstelllte.

Ich rappelte mich hoch, schaufelte, was nicht mehr zu retten war in die Mülltonne. Nur kurz regte sich mein Umweltgewissen, weil Glas, Plastik und Metall nicht getrennt wurde.
Ja, auch zwei Ringpull-Dosen hatte es zerrissen, als die Olivenölflasche auf ihnen gelandet war.
Es war eine große Flasche, und sie war teuer gewesen.

Danach wollte ich die ganze Sauerei mit dem Schlauch in Richtung Gulli spülen. Leider war der vor dem Haus noch nicht angeschlossen, aber im Garten gab es ein nagelneues Exemplar, das ich bei einem Onlinehändler gekauft hatte: Einen Spiralschlauch mit Spritzdüse, powervoll und unendlich dehnbar, hatte es in der Werbung geheißen.
Ich drehte das Wasser auf, zog die Gummischlange einmal durchs Haus, betätigte den Hebel. Wasser marsch!

Doch heraus kam ein klägliches Rinnsal, das eigentlich nur die ganzen Zutaten zu einem Brei vermischte. Sicher hatte sich das Gummitier in eine Schlaufe gelegt! dachte ich. Im Haus merkte ich schnell, dass die Spritzdüse unwirksam war, weil das Wasser überall herausspritzte, nur nicht da, wo es gebraucht wurde: An seinem Ende.

Also: Wasser stopp!

Kurz spielte ich mit dem Gedanken, mich wieder hinzulegen, aber mitlerweile war mein Anzug zwar etwas sauberer, aber triefnass.
Ich schloss die Augen, atmete tief ein und aus, zählte bis drei, bis dreißig, bis dreihundert, holte Wischlappen und Eimer, legte das Haus trocken, schwemmte  den Dreck mit dem Schrubber in den Gulli, schwor mir, dem Klärwerk zehn Euro extra zu spenden, für die ganze Mehrarbeit.

Und dann stellte ich mich unter die Dusche, legte mich ins Bett. Morgen war auch noch ein Tag. Wir konnten ja auch zum Essen gehen, dahin, wo es ganz schrecklich schmeckt. Ich würde das Schwiegermonster süß anlächeln und erklären, dass ich leider nicht kochen kann.

Ein solches Unglück biblischen Ausmaßes ist mir kein zweites Mal passiert. Eher Kleinigkeiten.

Ich räumte den Einkaufskorb aus, stellte das Glas mit Gewürzgurken daneben, die Flasche Wein im Korb fiel um um, kickte das Glas auf den Boden. Das war nicht weiter schlimm, denn mein Mann war zu Hause.

Ein anderes Mal holte ich Karotten und einen Selleriekopf aus dem Kühlschrank, bemerkte im Augenwinkel, dass das Radiogerät, das auf dem Kühlschrank stand, im Begriff war, mir auf den Kopf zu knallen, warf den Sellerie auf den Küchenschrank, um den Angriff auf meine körperliche Unversehrtheit zu verhindern, der Gemüse-Kopf traf den Wasserhahnhebel von unten, das Wasser traf den Rand der Pfanne im Spülbecken.

Gut, die Küche hatte sowieso wieder einmal geputzt werden müssen, und mein Mann war dankbar, dass ich sie schon mal eingeweicht hatte.

Gestern ist etwas passiert, das der Grund dafür ist, dass ich diese Geschichte schreibe. 

Wir achten sehr auf gesunde Ernährung 😉
Doch!  Wir versuchen, unseren Fleischverzehr drastisch zu reduzieren. (Wie das sich schon anhört)

Deshalb war heute fleischlos angesagt: Blumenkohl in Käsesoße und Salzkartoffeln.
Die Kartoffeln schwammen erwartungsvoll im Wasser, die Soße war fertig, die Röschen lagen gewaschen  in einer länglichen Glasform auf der ovalen Doppelplatte hinten.
Ich pflückte gerade Petersilie  vom Stöckchen auf dem Fensterbrett, als es einen lauten Knall machte.

Ich drehte mich um, sah, dass es die Glasform in der Mitte zerrissen hatte, sich ungefähr zwei Liter Wasser über die Arbeitsplatte ergossen, der ungeschütze Blumenkohl auf der Herdplatte briet.
Nach Luft schnappend überlegte ich, ob ich mich gleich hinlegen  oder erst nach meinem Mann rufen sollte.

Ich entschied mich für Letzteres. Er kam angerast, sah, dass ich mir keinen Finger amputiert hatte und sagte genau die richtigen Worte: "Leg dich hin, Schatz! Ich mach das schon!"

Als die Küche einigermaßen trocken war - zwei Liter Wasser sind eine Menge, wenn sie sich barrierefrei ausdehnen können - versuchten wir, den armen Blumenkohl, der ja nichts für das Malheur konnte, zu retten.

Da an der Glasform kein Teil fehlte, waren wir ziemlich sicher, dass wir keine Splitter schlucken würden. Trotzdem duschten wir die Röschen ein paar Mal.

Nachdem wir auch heute noch leben, hatten wir wohl recht - und geschmeckt hat es auch.

Ein angenehmer Nebeneffekt des Ganzen: Dort, wo die Glasform gestanden hatte, ist jetzt Platz im Küchenschrank. Doch aus Erfahrung weiß ich, dass sich das sehr schnell ändern wird.

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