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Stripper

Vielleicht erinnert sich noch jemand an das Interview, das @vermittlerin Christine in ihrem Buch „Author's Corner mit mir gemacht hat.

Ich hatte berichtet, dass ich während meines Studiums bei unserer Tageszeitung als freie Mitarbeiterin gearbeitet habe und unter anderem einen Artikel über den Auftritt von Strippern schreiben musste.

Es war der Absatz mit den meisten Kommentaren, was mich schon seeeehr nachdenklich gemacht hat.
Ich hatte versprochen, den Artikel zu suchen und hier zu veröffentlichen.

Nun habe ich mich durch die wirklich dicke Mappe gearbeitet - ich hatte gar nicht mehr gewusst, wie viel ich geschrieben hatte - und mich während dieser Suche auf eine Zeitreise in die Vergangenheit begeben.

Natürlich war besagter Artikel ganz weit unten, wie es immer bei Dingen ist, die man sucht. Ich tippe euch das Ganze ab, nur den Namen der Gruppe werde ich ändern, ich möchte nicht noch einmal Schwierigkeiten bekommen.

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Der Tag im Januar hätte nicht schlechter beginnen können. In der Nacht hatte es geschneit, dann gefroren, die Straßen waren spiegelglatt. Der Bus zur Uni war verspätet und gnadenlos überfüllt. Die Vorlesung war langweilig, das Seminar uneffektiv. Mein Hals kratzte, und ich wusste, dass sich eine Erkältung anbahnte.

Dabei kreisten meine Gedanken ständig um diesen Nachttermin, auf den ich eigentlich null Bock hatte, auch wenn mich die Herausforderung reizte. Als dann auch noch meine Freundin anrief und mir erklärte, dass ihr Freund es nicht gerne sehen würde, dass sie mich zu Strippern begleitete, war meine Stimmung vollends im Keller.

Später hatte ich oft überlegt, ob mein Artikel freundlicher ausgefallen wäre, wenn der Auftritt an einem warmen Sommerabend während der Semesterferien stattgefunden hätte.

Aber ich glaube - eigentlich nicht.

Über- und Unterschriften wurden vom zuständigen Redakteur verfasst.

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Vom Traummann zum Alptraum (Ja, auch Redakteure sind nicht unfehlbar, damals war Alptraum noch nicht als Variante zu Albtraum vorgesehen)

Strip-Show der Sugar Boys eher peinlich / Hart an der Grenze

„Wir haben schöne Körper, Gefühl für Musik, und wir sehen gut aus", meint Giovanni, Italiener mit unverkennbar fränkischem Dialekt. An Selbstvertrauen mangelt es den Jungs der Gruppe „Sugar Boys" anscheinend nicht. Versprochen hatten die Veranstalter für den Rockfasching im Obertraublinger „Airport" eine erotische Strip-Show mit männlicher Besetzung, gezeigt wurde dann eher Peinliches, hart an der Grenze zum guten Geschmack.

Die hauptberuflichen Stripper - „Wir leben davon, aber wir machen es nicht wegen des Geldes!" - sind international besetzt. Die jungen Männer, die sich selbst für so unwiderstehlich halten, kommen aus Puerto Rico, Jamaika, Amerika, Italien und Deutschland. „Jede Hautschattierung ist vertreten, für jeden weiblichen Geschmack ist etwas dabei", so Giovanni. Seit fünf Jahren „beglücken" sie die Damenwelt mit ihren Auftritten. Eine Tanzausbildung haben sie nicht, „der Rhythmus liegt uns im Blut". Die Worte Giovannis lassen hoffen.

Dann beginnt die Show. Erster Auftritt: lederbedresster Motorradfreak nähert sich mit wiegenden Hüften einer 1100er Kawasaki, steigt auf und - rollt mit ihr hinaus. Das ist's dann. Es folgen zwei Dandys, nicht ungeschickt im Discotanz. Sie werfen sich ein paar Mal gegenseitig über die Schulter und warten, bäuchlings auf dem Boden liegend, keuchend das Ende ihrer Musiknummer ab.

Schließlich beginnt das, was wohl der erotische Teil sein soll. Ob im Blaumann oder in Uniform, die Jungs lassen kein Klischee aus. Das „Strippen" wirkt eher peinlich, auf den Rhythmus im Blut wartet man (frau) vergebens, ebenso wie auf eine gewisse Ausstrahlung. Die Kontaktaufnahmen mit Zuschauerinnen gehen nahe an die Grenzen des guten Geschmackes. Nach einer Tanzrunde sollen weitere Nummern folgen, doch wendet sich hier der Gast mit Grauen. Für einen Abend ist es genug!

„Die Frauen haben es langsam satt, als Sexsymbole betrachtet zu werden!", erklärte Giovanni vor der Show. Nach der Show haben sie es hoffentlich satt, eingebildete, selbstverliebte Männer als solche selbst zu betrachten.

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Blöderweise wurde der Artikel mit meinem vollen Namen versehen, nicht, wie sonst üblich, mit dem Kürzel.

Androhung einer Klage und Beschimpfungen am Telefon folgten. Okay, irgendwann ebbte die Aufregung ab, aber so ganz lustig war das nicht. Doch im Rückblick bin ich eigentlich der Meinung, dass ich noch relativ positiv geblieben bin.

Was ich nicht näher beschrieben hatte, was mir aber noch immer negativ in Erinnerung ist, war die Art und Weise, wie die jungen Männer die Mädels da in dieser Diskothek benutzt haben, und keine hatte sich gewehrt dagegen, auf den Boden geworfen zu werden, eindeutige Bewegungen und Berührungen an sich vornehmen zu lassen.

Ich hoffe, dass so etwas zu Zeiten von „MeToo" nicht mehr möglich wäre.


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