16 Die Küchenlampe

Vor einigen Wochen haben wir eine neue Küchenlampe gekauft – wohl die zehnte innerhalb von ein paar Jahren.

Der Grund dafür?
Unterschiedliche Anforderungen, die wir hier stellen.
Während mein Mann großen Wert auf Style legt, liegen meine Präferenzen eindeutig bei der Helligkeit.

Überall im Haus kann es Akzentbeleuchtung, Spots, Stehlampen, LED-Kunstwerke geben, in der Küche brauche ich Licht!

Und zwar überall!

Die vorletzte hat meinen Ansprüchen vollkommen genügt, aber sie war – zugegebenermaßen – hässlich.
Was mich nicht gestört hatte, ich blicke ziemlich selten zur Küchendecke.
Meinen Mann hat das mehr als gestört. Das liegt vielleicht auch daran, dass seine Augen weiter oben sitzen als meine, sein Blick eben der Lampe näher ist als meiner.

Vielleicht!
Vielleicht kann er sich aber auch etwas sehr in Dinge hineinsteigern, die ihm nicht passen!

Also gab ich nach und fuhr mit ins Möbelhaus. Ich hatte sicherheitshalber bequeme Schuhe angezogen, eine Wasserflasche in den Rucksack gesteckt und war fast geneigt, einen Dreibein-Klapphocker einzupacken.
Warum?
Siehe Kapitel „Shoppen"!

In der Lampenabteilung begann er die Stehlampen zu bewundern – warum auch immer. In jeder Ecke zu Hause stehen Exemplare, die seinen Ansprüchen genügen.
Langsam, ganz langsam tasteten wir uns zu den Deckenleuchten vor.

Meine Wasserflasche war leer, meine Füße platt, als wir endlich die Modelle erreicht hatten, die seinen Augen schmeichelten.
Dann wurde verglichen: Lumenzahl, Lichtfarbe, Stromverbrauch.
Letzteres ist ganz wichtig, mit einer PV-Anlage auf dem Dach!
Nicht, dass wir unserem innig geliebten Netzbetreiber ein paar Watt pro Tag vorenthalten und sie selbst verbrauchen.

Endlich war die Wahl getroffen. Eine große, runde, flache Kuppel mit LED-Lichtern.
Ich war zufrieden. Was so groß ist, macht sicher hell.

Der Weg zur Kasse führte durch die sehr umfangreiche Haushaltswarenabteilung, was unsere Abfahrt um eine weitere Stunde verzögerte.

Auf der Heimfahrt standen wir natürlich im Stau, aber das sind wir ja gewohnt.

Sechs Jahre lang wurden ein paar Kilometer der Autobahn rund um die Riesenmetropole Regensburg von vier auf sechs Spuren erweitert.
Mittlerweile ist fast alles fertig, der Verkehr fließt wieder, da dachten sich einfallsreiche Planer: Ach, die Bewohner des westlichen Landkreises sind die Staus schon mal gewohnt, jetzt sanieren wir die Autobahnbrücke – die einzige Möglichkeit, um über die schöne, blaue Donau zu kommen.

Das nur nebenbei.
Endlich zu Hause, musste die Lampe natürlich gleich montiert werden. Beim Auspacken bekam ich einen Schreck. Als erstes fiel nämlich eine Fernbedienung in meine Hände.

Für eine Deckenlampe?
Sollte das heißen, ich kann das Ding nur per Knopfdruck ein- und ausschalten?

Ein Blick in die Bedienungsanleitung (ein paar Seiten lang, wegen der ganzen Gefahrenhinweise) beruhigte mich. Nein, mit der Fernbedienung kann die Lichtstärke und-farbe eingestellt werden.
Das hieß, ich musste sie gleich verstecken, wenn ich die  hellste Stufe erreicht habe.

Sicherheitshalber.

Dann reichte ich brav den kleinen Schraubenzieher, den großen Schraubenzieher, die kleine silberne Schraube, die große schwarze Schraube, Leuchtmittelträger und Abdeckung nach oben, verblitzte mir die Augen an seiner Stirnlampe, denn mittlerweile war es ja stockdunkel und der Strom abgeschaltet.

Strom an, Schalter gedrückt.
Ja, sie funktionierte, das war schon mal was.
Während er das Werkzeug wegräumte, stellte ich auf höchste Lumenzahl und die kälteste Lichtfarbe – so könnte es klappen.

Danach verschwand die Fernbedienung in den Untiefen einer Schublade.

Seine Augen strahlten über das wunderschöne Ding da oben, ich begann, Zutaten für den Salat zu schneiden.

Also – ich wollte beginnen, aber ich sah nichts.
Die neue Schönheit strahlte sehr hell, aber sie strahlte nach unten, auf den Fußboden, beleuchtete jedes Brösel, jedes Staubkorn.

Meine Hände auf der Arbeitsplatte befanden sich in diffusem Dämmerlicht.
Okay, es gab ja noch die Leuchtstoffröhre über der Spüle.

Im Lauf der nächsten Tage gewöhnte ich mich daran, dass ich beim Kochen immer drei Lampen anschalten musste, am Dunstabzug waren auch noch ein paar LEDs angebracht.

Dann begann uns die Hübsche zu narren. Wenn man kurz hintereinander ein- und wieder ausschaltete, war von Helligkeit nicht mehr die Rede, war etwas wie ein Nachtlicht zu sehen, musste alles per Fernbedienung neu eingestellt werden.

Ich sagte nichts.
Triumphe auszuspielen ist unfair.
Er sagte nichts.
Niederlagen einzugestehen ist nicht prickelnd.

Aber die Stylische setzte noch eins drauf. Als ich ein paar Tage später Fleisch anbriet, flackerte die Welt um mich plötzlich.
Panische Gedanken schossen durch meinen Kopf: Schlaganfall, Gehirnschlag, Herzinfarkt, Migräneattacke.

Doch zum Glück war es nur dieses boshafte Ding da oben an der Decke. Lichtschalter an und aus, an der Fernbedienung  neu einstellen, alles war gut.

Allerdings kam das Flackern immer wieder zurück. Mal nur leicht, mal stärker.

Da musste auch mein Mann zugegeben, dass Schönheit nicht alles war im Leben.

Beim Abmontieren half ich noch, zum Umtauschen ließ ich ihn alleine fahren. In der Zeit konnte ich dann die Kurzgeschichte für den Ideenzauber fertigschreiben.

Was er heimbrachte, überraschte mich etwas. Ein schmales, längliches Teil - ohne Fernbedienung - , das nach allen Seiten Licht verbreitete.

Ich war glücklich.
Als er eine Stunde später in der Küche stand, versonnen nach oben blickte und gerade zu sprechen begann: „Aber  h...", traf ihn der drohende Sia-Zeigefinger und die warnenden Worte: „Sag nichts!"


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