13 Shoppen
Ich glaube, hier sollte ich mal klarstellen, dass diese Geschichten niemals meinen Mann vorführen oder gar lächerlich machen sollen. Er kennt sie alle, lacht herzlich darüber und ist der beste Ehmann, den ich mir wünschen könnte.
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Geht euer Partner oder eure Partnerin gerne shoppen?
Nein?
Ihr Glücklichen!
Ja?
Mein Mitleid gehört euch!
Mein Mann liebt es zu shoppen.
Egal, ob im Bau-, Elektronik- oder Lebensmittelmarkt.
Wie ein staunendes Kind schlendert er durch die Gänge, seine Augen liebkosen Nudelpackungen, Holzleisten oder Kaffeemaschinen.
Ich bin anfangs immer sehr liebe- und verständnisvoll, wenn meine Füße allerdings beginnen, Wurzeln zu schlagen, wenn meine Knie steif werden und mein Rücken nach einer Sitzgelegenheit lechzt, fange ich sanft an zu drängeln.
"Du wolltest doch Schrauben kaufen?"
"Man muss sich regelmäßig informieren!" kommt überzeugt als Antwort. Klar! Die Neuerungen bei Holzlatten sollte man auf keinen Fall versäumen.
Dreißig Minuten später.
"Wo sind jetzt die Schrauben?" mache ich einen erneuten Anlauf.
"Wir sind gleich da!" Er streichelt verzückt Metallscharniere. "Die brauche ich, wenn ich einen Schrank baue. Gut zu wissen!"
Ich werde blass. Einen Schrank bauen? Der Sperrmüll hat gerade einen abgeholt!
Und dazu bräuchte es sicher mehr als Scharniere.
"Du willst was?"
"Na, nicht jetzt! Aber irgendwann mal vielleicht. Dann weiß ich schon, was es alles gibt!"
"Vielleicht sollten wir sehen, ob es dafür auch die richtigen Schrauben gibt?" versuche ich ihn wieder in die Spur zu bekommen.
Sie warten zum Glück im nächsten Regalgang auf ihn - und es sind viele! Wir brauchen drei Stück, um den Riegel am Gartenhäuschen zu befestigen, den er letzte Woche besorgt hat - alleine.
Irgendwann sollte ich ja auch mal schreiben!
Dass er die Schrauben absichtlich vergessen hat, ist wahrscheinlich eine Unterstellung.
Nach weiteren dreißig Minuten schleppen wir unseren Großeinkauf zur Kasse.
Ein glücklicher Mann und eine kaputte Frau besteigen das Auto.
Seine Augen leuchten. "Hast du gesehen, was es für tolle Farben gibt?"
Die gleichen wie vor zwei Wochen.
Außerdem ist unser gesamtes Haus weiß gestrichen.
WAS! AUCH! SO! BLEIBT!
"Und diese Holzauswahl!"
Latten, Bohlen, Bretter, Balken! Gehobelt oder rau - wie immer.
"Und dieses wunderschöne Parkett!"
Bei uns ist alles gefliest, wegen der Fußbodenheizung.
"Du sagst ja gar nichts? Bist du müde?" Endlich strahlt er mich mal an, und nicht nur Tapeten, Teppichböden und Kunststoffplatten. "Ich mach uns gleich einen leckeren Cappuccino, wenn wir nach Hause kommen. Wir holen uns vom Bäcker zwei Teilchen!"
Ich erstarre. Jeder erreichbare Bäcker unserer Gemeinde ist im Gebäude eines Lebensmittelmarktes untergebracht, was heißt, dass wir ganz sicher ganz kurz noch schnell etwas anderes mitnehmen müssen.
Ich winke ab. "Wir haben noch Kekse!"
Trauer überzieht sein Gesicht.
"Brauchen wir nicht langsam wieder Nudeln?"
"Wir haben zehn Packungen."
"Tomaten?"
"Ein Pfund!"
"Essig? Öl?"
"Neihein!"
"Okay! Dann vielleicht morgen!" Er ergibt sich in sein Schicksal, heute keinen Lebensmittelmarkt mehr durchforsten zu können.
Aber am spannendsten ist es in Modemärkten.
Nach unserem Langzeiturlaub im letztenJahr hatte uns der Rappel gepackt. Drei Monate lang waren wir mit ein paar T-Shirts und Jeans ausgekommen.
Die Waschmaschine hatte dafür gesorgt, dass frische Kleidung immer verfügbar war, auch wenn sich das Trocknen schwierig gestaltetete - zumindest im Mai bei Dauerregen und im Juni bei täglich mindestens einem Gewitter.
Bei jedem Regenschauer mussten nicht nur die Polsterstühle, sondern auch der Wäscheständer ins Haus gebracht werden - bei Tag und auch bei Nacht.
Aber wir hatten es geschafft, mit wenig Kleidung auszukommen.
Wieder zu Hause standen wir etwas fassungslos vor zwei gefüllten Kleiderschränken und beschlossen, uns von vielem zu trennen.
Vier wirklich große Müllsäcke - drei von ihm, einer von mir - füllten sich schnell und wurden zum Ankerzentrum in Regensburg verfrachtet.
Dadurch wurde auch einer der Kleiderschränke überflüssig, der Mehr-Platz im Schlafzimmer machte uns euphorisch.
Die Euphorie hielt an - einen Monat, zwei, drei.
Dann kam die Krise. Unerwartet, aber mit aller Macht.
"Ich habe nichts mehr zum Anziehen!" Sein Dackelblick signalisierte mir seinen innernen Kampf.
Klar! Zwei Drittel eines Drei-Meter-Schranks ist durchaus gleichzusetzen mit "nichts".
Mein grenzenloses Mitleid ließ mich die folgenden Worte sagen: "Dann schauen wir halt mal im Einkaufszentrum vorbei!"
Schneller war er noch nie abfahrtsbereit im Flur gestanden.
In seinem bevorzugten Modehaus begann dann die mir sehr vertraute Prozedur. Der Gang mit verträumtem Blick durch die Ständer, das sanfte Streicheln von Pullovern und Shirts, die Verklärung auf dem Gesicht, die nur Jeans auslösen konnen.
"Das ist doch toll!" versuchte ich ihn zu unterstützen.
"Schon! Aber eigentlich brauche ich ja nichts!" Diesen Satz habe ich sicher schon einige hundert Male gehört.
Ich selbst bin geflasht von den wunderbaren Farben der Saison, den tollen Materialien, den lässigen Schnittten - in der Herrenabteilung.
Nach einer Stunde lasse ich mich auf der Bank nieder, die vorausdenkende Menschen aufgestellt haben.
Der Verkäufer fragt, ob alles okay sei, ich nicke nur.
Beobachte das Paar, das eine Jeans für den übergewichtigen Mann sucht, dessen Bauch einfach nicht in eine Hose passen will.
Höre der Tirade einer Frau zu, weil es hier keine Klamotten in Größe 60 gibt.
Bewundere die Geduld eines Angestellten, den ein arroganter junger Mann gehörig auf Trab hält.
Werde mir wieder einmal bewusst, dass ein Job im Verkauf nichts für mich wäre.
Hole mein Handy raus, sehe nach, ob ich neue Wattpad-Nachrichten habe.
Lächle den Verkäufer an, der mich etwas besorgt ansieht und noch einmal fragt, ob alle in Ordnung sei.
"Ja, schon! Bei meinem Mann dauert das eben etwas länger!" antworte ich vergnügt und scrolle durch meine Nachrichten.
Beobachte die Menschen, es gibt nicht viel, was mir mehr Spaß macht. Den ungefähr Siebzigjährigen, der stolz mit einem orangefarbenen Pulllover von dannen zieht.
Den Nerd, der sichtlich lieber am Computer sitzen würde, als sich ein weißes Hemd auszusuchen.
Das verliebte Pärchen, das in der Umkleidekabine herumknutscht.
Meinen Mann, der selig lächelnd noch immer durch die Gänge geht, schließlich bei mir landet und den Satz ausstößt, auf den ich zwei Stunden lang gewartet habe, weil er so sicher kommt wie das Amen in der Kirche: "Ich überlege es mir noch! Jetzt schauen wir erst einmal für dich!"
Ich hiefe mich von der Bank hoch, lächle dem Verkäufer zu, der sich gerade wieder nach meinem Wohlbefinden erkundigen will, packe mein Handy in den Rucksack.
Die Rolltreppe bringt uns gemächlich ein Stockwerk tiefer, zielbewusst steuere ich die Abteilung mit Oberteilen an, weiß genau, dass mich gleich wieder bittere Enttäuschung treffen wird.
Noch immer die wunderbaren Farben bei den Herren vor Augen, leuchtet mir hier Hellgrün, Rosa und Lila entgegen.
Wir sehen uns an und lachen, weil wirklich jedesmal das Murmeltier grüßt, weil es the same procedure as every year ist.
Die Verkäuferinnen sehen uns etwas pikiert zu, als wir uns durch die Gänge bewegen, fasziniert davon, was erwachsene Frauen tragen sollen.
Drei Worte bringen das Angebot auf den Punkt: Kurz, eng, ausgeschnitten.
Ach ja! Und Rüschchen! Die dürfen natürlich nicht fehlen.
Und Kunstfasern! Auch klar! Alles muss ja dünn, fließend, weiblich wirken.
Ich weiß nicht, ob ich die falschen Modehäuser aufsuche, aber ich möchte einfach mal ein normal geschnittenes Sweatshirt in einer nicht schreienden püppihaften Farbe.
Einen Baumwollpulli ohne ausladenen Ausschnitt, weil es mich verdammt noch mal im Winter am Hals friert, weil ich es lästig finde, die Träger von BH und Unterhemd ständig aus dem Blickfeld schieben zu müssen.
Ich möchte ein Shirt ohne glitzernde Pailetten und in erdfarben oder einem Blauton.
Weinrot ginge auch noch.
Mein Mann sieht schnell, dass ich hier nicht fündig werde. Wir fahren wieder hinauf in die Herrenabteilung. Eine weitere Stunde später verlassen wir das Geschäft mit zwei prallgefüllten Tüten. Es hat schon einen Grund, warum zwei Drittel des Schrankes mit seinen Klamotten gefüllt sind.
Was mich auch nicht weiter stört. Denn ich sehe ja ihn öfter an als mich.
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