Kapitel 47 ϟ Impact

Running Out - Etham ♪♫

Damals, als ich mit fast 13 Jahren von meiner Mutter unter dem Bett auf der Geschenkesuche ertappt worden war, fühlte sich jeder Muskel eingefroren, jeder Nerv bis aufs Äußerste gereizt an.

Abgesehen von dem Stein, der langsam in meinen Magen sank, als hätte ich ein halbes Sandwich ohne zu Kauen herunter geschluckt, erkannte ich nur bedingte Similarität zu diesem Moment.

Da war noch etwas anderes: In demselben Sommer, jedoch noch in den ersten Tagen, war ich mit Saiph, ihren Freunden und unseren Nachbarskindern zu einem nahegelegenen Bach gelaufen.

Froh, endlich nicht mehr zur Muggelschule gehen zu müssen und richtige Freunde in Hogwarts gefunden zu haben, war ich die gesamte Zeit und auch den Sommer davor nicht raus gegangen. Vielleicht noch in unseren Garten oder mit Evan auf die benachbarte Wiese zum Schnecken- und Schmetterlingsfangen und Quidditchspielen. Es hatte meine Mutter den ganzen Morgen gekostet, mich zu überreden, mein Buch wegzulegen und mit den anderen nach dem Mittag zum Bach zu gehen.

Ich konnte mich nicht erinnern, was mich schließlich dazu bewegt hatte, zuzustimmen - wahrscheinlich erhoffte ich mir, dass Mum mich danach die restlichen Ferien in Ruhe ließ.

Wir brauchten ungefähr eine Viertelstunde zum Bach. Saiph und unsere Nachbarn hatten in den ersten Tagen schon viel geleistet: Einen beachtlichen Staudamm, über welchen das in der Mittagssonne glitzernde Wasser langsam tröpfelte, neben dem von Gerümpel befreiten Ufer.

Sie breiteten eine Decke auf einer Stelle aus, an der die Wiese schon eine eckige Form trockenes Gras vorzuweisen hatte. Obwohl die Sonne auf uns niederknallte, war es zu kalt zum Planschen. Der Wind pfiff recht stark und das Wasser war durch den Sturm der letzten Nacht sogar zu kalt, um nur mit den Füßen durchzuwaten.

Mit der Eleganz eines flinken Niffers hüpfte Saiph über die Trittsteine auf die andere Seite des Ufers. Die anderen folgten, als hätte sie es schon tausend Mal getan - was wahrscheinlich hin kam. Dann war ich an der Reihe.

Schon als ich unsicher auf den ersten Stein trat, fingen die Kleinen an zu kichern. Ich machte mir nichts draus. Es waren schließlich nur meine Nachbarn, die keinen Grund hatten, mir etwas Böses zu wollen. Nach drei weiteren Schritten fühlte ich mich fast so sicher wie Saiph ausgesehen hatte und sprang leichtfüßig wie ein Wiesel von einem Stein zum nächsten.

Ich erinnerte mich noch genau daran, wie nur noch drei Steine zum anderen Ufer fehlten und das Gelächter schon aus allen herausbrach. Was ich bei keinem der sechs gesehen hatte, war, dass sie den vorletzten Stein übersprungen haben mussten. Noch während mein Fuß auf dem lockeren Mineral aufkam, wurde mir klar, was als nächstes passieren würde.

Ich spürte den Schauer, der mich durchfuhr, zeitgleich mit dem Schmerz des Aufpralls. Kurz zogen sich meine Lungen zusammen, weil ich keine Luft holen konnte und während ich in Teddys braune Augen blickte, füllte mich die Erinnerung und das dazugehörige Gefühl von Kopf bis Fuß aus.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, außer dass ich es hasste.

Die Art, wie ich mich gerade fühlte, den Stein, das Wasser, die anderen, die lachten und es alle gewusst hatten. Ich war mir nicht sicher, welche Rolle Teddy einnahm, denn damals hatte mich niemand geschubst.

Doch jetzt fühlte es sich so an. Als hätte Teddy mich zurückgeschubst, weil ich ihn zuerst gestoßen hatte, es aber sofort bereute und mir die ausgestreckte Hand zum Aufhelfen hinhielt. Ich wusste nicht, ob ich seine Hilfe annehmen oder ihn doch lieber vergiften wollte.

Als ich nichts sagte, zupfte Teddy vorsichtig an dem Ärmel meines beziehungsweise seines Pullis. Ich schob die Idee mit dem Vergiften beiseite. Teddy trug keine Schuld an irgendetwas dieser Situation. Er hatte niemanden geschubst, sondern sich neben mich ins kalte Wasser gelegt.

Meine Augen sprangen zu seinen. Plötzlich schämte ich mich, Teddy nichts früher gesagt zu haben. Jedes Mal halfen wir uns gegenseitig so viel weiter, wenn wir einander öffneten. Dennoch taten wir es viel zu selten.

Er war der einzige Mensch, bei dem ich mich nicht scheute, meine Narben zu zeigen. Ich hatte zwar auch Shawn zu so einer Person gemacht, doch die beiden unterschieden sich in einem wichtigen Punkt: Teddy verstand, dass man Narben nicht wieder öffnen konnte, ohne sie zu verschlimmer. Er widmete sich lieber den frischen Wunden - doch auch diese riss er nicht wieder auf. Er half, sie heilen zu lassen.

Ein Blick in Teddys Augen, ein Blick seinerseits zurück und wir brauchten nicht zu reden. Kein Dreck in die Wunde, in den tiefen Stich. Das Messer, welches Shawn vor langer Zeit unbemerkt in meine Brust gerammt hatte und das nun von Teddy herausgezogen worden ist.

Wir wussten beide, was die für mich neue Information bedeutete. Es brauchte keine Worte, um den Schmerz zu beschreiben. Keinen Ton, um den Schrei zu hören. Es war, als stellte Shawn den Fernseher auf Stumm, um dem Sturm draußen lauschen zu können und im nächsten Moment schlug der Blitz ein - nichts, außer dem Rauschen des Fernsehers, das Einzige im Raum, was noch am Leben war. Shawn und ich lagen am Boden.

Ich ließ mich von Teddys Armen auffangen und weinte, bis der Regen draußen aufhörte zu fallen. Bis ich aufhörte, zu fallen.

Der Regen hörte nicht auf.

Irgendwann fiel mir ein, dass Teddy zur Arbeit musste und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Als ich ihn erinnerte, bekam er meinetwegen ein schlechtes Gewissen, doch ich versicherte ihm, dass er mir gut ging und er jetzt wirklich besser gehen sollte.

Während ich also unsere Tassen abwaschen ließ, suchte er hektische seine sieben Sachen zusammen - denn zuletzt hatte auch Mr Lupin bemerkt, wie spät es wirklich war.

"Ich glaube, ich laufe nach Hause", sagte ich in den Raum hinein, was Teddy dazu veranlasste, wie angewurzelt stehen zu bleiben.

"Sternchen, das ist einmal durch ganz London. Im Regen."

Ich zuckte nur mit den Schultern.

Er warf einen Blick auf die Uhr. "Mir egal, mach was du willst. Du findest den Weg raus?"

Nickend begann ich, seinen Pullover auszuziehen, doch Teddy schaute mich böse an. "Den behältst du an, wenn du wirklich laufen willst. Kannst ihn mir bald zurückbringen, dann lässt du dich wenigstens mal blicken."

"Entschuldige", rief ich empört, was Teddys Grinsen nur noch verstärkte. "Ist ja nicht so, als würden wir uns nie sehen. Du sagst ja nicht ständig spontan ab, so wie Henry."

"Was ist eigentlich mit dem? Und Sydney?"

Ich verzog das Gesicht. "Lange Geschichte. Dafür hast du jetzt keine Zeit, Headboy."

Den Zauberstab zwischen den Zähnen zwängte Teddy sich in seinen Reiseumhang.

"Du kannscht es mir ertschählen, wenn ..." Er entfernte den Stab. "Wenn du den Pulli zurückbringst. Wir sollten dich zum Essen einladen!" Begeistert von der Idee schnappte er sich seinen Schal und warf ihn sich um den Hals. "Tori wird sich freuen. Also, bis dann, Sternchen."

Er winkte mir mit seinem Zauberstab zu und ich, auf dem halben Weg zum Badezimmer, winkte zurück. Teddy war schon hoch konzentriert, als mich ein komisches Gefühl packte. Etwas stimmte nicht.

"Teddy!", schrie ich und ebenso erschrocken wie ich zuckte er zusammen.

Das Gefühl verschwand genauso schnell, wie es gekommen war. Meine Ohren wurden heiß. Ich sagte das Erstbeste, was mir einfiel, und was ich hatte sowieso sagen sollen: "Danke."

Teddy lächelte mich traurig an und verschwand innerhalb eines Wimpernschlags.

Das Alleinsein hielt nicht lange an. Ich kam gerade aus dem Badezimmer, meinen Finger inspizierend. Ich hatte ihn mir beim Hände trocknen an dem Handtuchhalter aufgerissen und zog nun das angeschabte Stück Haut ab. Es brannte wie Feuer.

Fast wäre ich gegen ihn gerannt, als Teddy vor mir auftauchte. Versunken im Anblick meines Fingers wich ich ihm aus und trottete langsam zur Haustür, um meine herbeigezauberten Schuhe anzuziehen.

"Hast du was vergessen? Euer Handtuchhalter ist echt übel, ich ..."

"Kassy."

Ich fuhr herum. Etwas in Teddys Stimme alarmierte mich.

"Apparier sofort nach Hause."

Teddys Reiseumhang war völlig ruiniert. An manchen Stellen gerissen und sonst über und über mit Staub und Asche bedeckt, war er kaum noch auszumachen. Über Teddys Gesicht zogen sich mehrere kleine Schnitte und in seinem Haar klebte ... war das Blut? Was beim Barte des Merlin war in den zwei Minuten, in denen er weg gewesen war, passiert?

"Apparier sofort nach Hause", wiederholte er nun, den Tränen nahe. "Ohne Umwege. Bleib dort. Errichte einen Apparierschutz um eure Wohnung. Und einen Unortbarkeitszauber. Öffne niemandem die Tür. Warte auf Shawn - er weiß Bescheid. Jetzt."

Ich hatte Teddy fragen wollen, was passiert war, doch die wilde Angst in seinen Augen ließ mir den Ernst der Lage bewusst werden. Wenn Teddy anfing, völlig seriös zu sein - ganz Starr vor Panik - und Anweisungen zu geben, dann blieb keine Zeit für Erklärungen. Ich konnte nur hoffen, dass er wusste, was er tat und es ihm gut ging.

Ohne zu zögern zog ich nicht mal meinen Zauberstab, sondern disapparierte einfach. Meine Schuhe blieben neben dem Eingang zurück.

Ich führte alle Anordnungen Teddys binnen Sekunden aus. Ich blieb in der Wohnung. Ich wartete. Ich kontaktierte niemanden, auch wenn es mir unter den Nägeln brannte.

Nach einer Weile fing ich an, auf und ab zu laufen und die Wohnung nach verdächtigen Gegenständen abzusuchen. Doch das einzige Verdächtige war der aufgefüllte Wassernapf in Flashs leerem Käfig. Shawn musste es heute Morgen getan haben, und das war schon sehr verdächtig - Shawn kümmerte sich sonst niemals um Flashs Käfig.

Wenigstens meine Eule in Sicherheit zu wissen, stimmte mich minimal ruhiger. Ich hatte Flash erst vor zwei Tagen mit einem Brief für Aaliyah nach Kanada geschickt, also würde er so schnell nicht wieder auftauchen.

Irgendwann, zu einem Zeitpunkt, an dem die Innenseiten meiner Lippen weder oben noch unten als vorhanden gewertete werden konnten, hörte ich einen sich drehenden Schlüssel im Schloss. Mit erhobenem Zauberstab stellte ich mich schulterbreit zwischen Küche und Wohnzimmer auf und ging im Kopf jeden erdenklichen Zauberspruch durch, der mir eventuell nützlich werden könnte.

Als Shawn durch die Tür trat, ebenfalls in vergleichbarer Alarmbereitschaft, ließ keiner von uns beiden locker. Im Gegenteil - unsere Griffe verkrampften sich zeitgleich.

"Shawn" ließ die Tür ins Schloss gleiten, nahm aber keine Sekunden seine Augen von mir. Er blinzelte nicht einmal.

"Wo und wann ist es passiert und wer war der Grund?", fragte ich, meine Stimme viel sicherer, als ich mich fühlte.

Shawn ließ seinen Zauberstab sinken. "Astronomieturm, im Herbst in deinem fünften und meinem siebten Jahr. Das genaue Datum müsste ich jetzt ausrechnen, aber dazu bin ich zu müde. Kimber."

Mir war nicht nach Lachen zumute. Langsam entfernte ich Shawn aus meinem Angriffsbereich, hielt jedoch den Abstand. Es gab keinen Zweifel dass es er war, doch ich hatte nicht die Absicht, ihm flennend um den Hals zu fallen. Dieses Vertrauen hatte er sich verspielt.

"Was ist passiert?", stellte ich nun endlich die Frage, die mir seit gefühlten Stunden im Hals brannte.

Shawn antwortete ohne Umschweifen: "Es gab einen Anschlag im Ministerium, direkt in der Eingangshalle." Er murmelte einen Zauberspruch und kickte sich dann die Schuhe von den Füßen. "Vier Tote, sehr viele Verletzte."

Als er aus dem Halbdunkel des Flurs ins Licht der Mittagssonne trat, erkannte ich, dass auch er ein paar Kratzer abgekriegt hatte und sein Mantel Teddys stark ähnelte. Shawn riss sich das ruinierte Kleidungsstück vom Körper und schleuderte es in die Ecke. Kurz ballte er die Hände zu Fäusten und sah mich dann von der Seite an.

Er erwartete wohl eine Antwort, doch ich stand nur sprachlos da und zählte so schnell ich konnte bis hundert, damit die Welt aufhörte, sich zu drehen.

Ein Anschlag im Ministerium. Zu behaupten, ich hätte Angst, wäre untertrieben.

In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, was dies bedeutete. So viele Faktoren waren betroffen - Sicherheit, Politik, Machtverhältnisse, Leben. Doch die einzigen beiden oberen Gedanken waren simpel: Ich war beruhigt, dass Saiph in Hogwarts in Sicherheit war und betete, dass ich keinen der vier Toten kannte.

Ich wollte nicht mal eine Verbindung zu den Namen erkennen, damit ich sie wie alle anderen, die sie nicht kannten, vergessen konnte. Es ein grausamer Gedanke, doch ich schüttelte ihn nicht ab. Alles an diesem Moment war grausam und ich nur froh, mich an irgendetwas festhalten zu können, sei es der schlimmste Gedanke von allen.

"Teddy hat gesagt, du wärst bei ihm gewesen", sagte Shawn, als ich stumm blieb.

Diese Aussage hätte so vieles sein können. Eine Feststellung. Eine Frage. Ein Vorwurf, vielleicht sogar eine Unterstellung.

"Hat er das?", gab ich zurück und schluckte. "Dann muss da wohl was Wahres dran sein. Er zumindest lügt nicht. Wobei ich mir anscheinend bei niemandem mehr sicher sein kann."

"Wieso? Wieso warst du bei ihm?"

"Darf ich jetzt nicht mal mehr meine Freunde besuchen?"

Shawns Blick verfinsterte sich. "Er hat es dir gesagt."

"Er hat mir gar nichts gesagt", entgegnete ich giftig. "Und selbst wenn, darum geht es nicht. Es geht darum, was du mir nicht gesagt hast."

"Ich will jetzt nicht darüber reden." Shawn drehte sich weg.

"Du willst nie darüber reden! Seit Wochen nicht, uns sieh, wohin es uns gebracht hat. Ob wir jetzt oder später reden, macht für dich keinen Unterschied mehr. Aber da du nachher wieder verschwinden wirst, und so wie die Situation gerade aussieht höchstwahrscheinlich auch noch für immer, will ich jetzt darüber reden, denn für mich macht das einen relativ großen Unterschied."

Noch nie hatte ich so mit Shawn geredet, nicht mal, wenn ich außer mir war vor Wut. Doch ich spürte keinerlei Mitleid oder Reue. Ich wusste, dass ich das Recht hatte, endlich nach Antworten zu verlangen, nachdem ich so lange Rücksicht genommen hatte. Zu lange.

"Stell dir vor, die Mission wurde abgesagt."

"Oh, Wunder!"

Ebenso hatte ich Shawn noch nie derart reden hören. Es lag keinerlei Wärme mehr in seiner Stimme. Seine Haltung strahlte Bedrohung aus, doch ich dachte nicht daran, mich einschüchtern zu lassen.

Was war nur aus uns geworden. Und vor allem - wann?

Wie beide waren in diesem Moment pure Einzelkämpfer und vielleicht war es nicht der richtige Moment, aber ich würde dieses Gespräch um nichts in der Welt auch nur eine Sekunde weiter hinauszögern.

"Wie kannst und nur über sowas Belangloses reden wollen, nachdem so etwas wie gerade passiert ist?", fragte Shawn mit erhobener Stimme.

"Wie kannst du es als Ausrede benutzten?", lärmte ich zurück, sofort durchschauend, dass er meine Schwäche für wichtigere Dinge ausnutzen wollte. "Tu nicht so, als würden diese Menschen dich interessieren!"

Von dieser Bemerkung schien Shawn kurz aus der Fassung gebracht zu sein, doch dann wurde sein Blick noch dunkler und er trat zwei Schritte auf mich zu. Es lagen noch immer vier Meter zwischen uns.

"Dass du es wagt, mir so etwas vorzuwerfen."

Ich blieb unbeeindruckt.

"Es ist die Wahrheit, Shawn", sagte ich nun leise. "Ich weiß nicht, wann und wie es dazu gekommen ist, aber es ist so. Im Moment kümmerst du dich nur um dich selbst. Keiner deiner Freunde außerhalb der Arbeit haben dich im letzten Jahr gesehen. Ich warte immer wieder wie ein anhänglicher Diricawl darauf, dass du verletzt zurückkommst, nur um zuzusehen, wie du dich kopfüber ins nächste Abenteuer stürzt. Deine eigene Schwester war im Sommer drei Wochen hier, um dich zu besuchen, aber du warst nicht da und hast dich danach nicht einmal daran erinnert. Deine Arbeit hilft Menschen, aber du tust es nicht für sie, sondern allein für dich!"

Nun verlor Shawn seine Contenance. Ich hatte ihm nichts von Aaliyahs Besuch, den vergessen hatte, erzählt, weil sie so wollte. Doch das war, wie so vieles, nicht fair. Gegenüber Shawn nicht und gegenüber Aaliyah erst recht nicht.

"Also, dein Gott Harry Potter arbeitet schon länger nicht mehr im Außendienst. Wie lange hast du dein eigenes Team schon? Sechs, sieben Monate? Acht? So ganz nebenbei, parallel zu den Büroaufgaben und Routinekontrollen, die du so als sein Schoßkniesel erledigst?"

"Wer hat dir davon erzählt? Teddy?! Ich bringe ihn um, und denjenigen, der es ihm gesteckt hat, er hat nicht das Recht ..."

"Teddy hat NICHTS damit zu tun!", brüllte ich wütend. "Falls du das auch vergessen haben solltest: Deine Freundin hat ein Gehirn! Und sie denkt gelegentlich damit! Denkst du, ich würde dein Verhalten und alles, was hier abgeht, nicht kombinieren können?"

Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Teddys Information hatte mich einige Möglichkeiten ausarbeiten lassen. Shawns eigenes Team war ein Schuss ins Blaue gewesen. Umso mehr erschütterte es mich, dass ich richtig lag. Aber das brauchte er nicht zu wissen.

"Ich hab es dir nicht gesagt, um dich zu schützen", begann Shawn, doch ich konnte nicht eine Sekunde zuhören.

"Genau wie du wochenlang kein Lebenszeichen von dir gibst. Genau wie du dein Lebens aufs Spiel setzt, jeden Tag, um deinen Job zu behalten. Was bestimmt auch nur eine Lüge war, um mich zu "schützen". Jede Mission, die du hättest ablehnen können, ohne deine Arbeit - die eigentliche - auch nur im Ansatz zu gefährden, hast du trotzdem angenommen, um mich zu schützen."

Shawn starrte mich nur an und mein Magen drehte sich um. Ich kannte diesen Blick. Zweimal mit meinen herbeigezogenen Anschuldigungen richtig zu liegen, überraschte mich. Und enttäuschte mich in erster Linie.

"Es gibt auch Leute, die an ihrem Leben hängen, bei denen ein falsches Wort den Tod bedeuten könnte!"

"Lass deine Eltern aus dem Spiel", entgegnete Shawn sofort. Er kannte mich ebenfalls viel zu gut. "Du verstehst das nicht!"

"Dann erklär es mir!"

"Harry hat mir die Leitung des Teams ziemlich schnell angeboten, okay?!", brach es aus Shawn heraus. "Er hat schon länger nach jemandem gesucht, damit er eine Außeneinheit aufbauen kann! Er hat vor allen anderen geahnt, was passieren wird. Und er hat mein Potential gesehen. Während der Ausbildung hat er mich mit auf Routinekontrollen genommen und mir einen Platz in seinem Büroteam verschafft, damit ich die Führungsposition kennenlerne. Seit er der Chef der Abteilung für magische Strafverfolgung ist, darf er nicht mehr auf die Missionen gehen, auf die er mich geschickt hat. Am Anfang hat es sich noch um einfache Einsätze mit der Kontrollstaffel gehandelt, aber ich hatte den Dreh ziemlich schnell raus und er hat mir ein eigenes Team zusammengestellt. Einfache Jobs am Anfang, Strategieplanung im Büro, Kontrollgänge mit Harry. Im Frühjahr hat er mir jegliche Organisation meines Teams überlassen. Die Aufträge im Sommer waren wichtig, alle zusammenhängend. Wegen der eigenen Verantwortung, die ich trage, auch der ganze Papierkram in den letzten Wochen. Vorbereitung auf die Undercover-Mission, die - "

"Deine Idee war", schnitt ich dazwischen. "Dessen Erfolg dir endlich die Anerkennung der Älteren gebracht und mit der du dich bewiesen hättest. Mit der deine Stellung gerechtfertigt und für die nächsten Jahre sicher wäre."

Der dritte Treffer. Langsam beschlich mich eine Ahnung. Sie sollte der vierte werden. "Und damit ich etwas entspannter bin, hast du mir Felix Felicis in meinen Tee getan."

Ich trank jeden Morgen Tee und manchmal brühte Shawn mir einen auf, bevor er zur Arbeit ging. Der Tee heute Morgen auf dem Küchentisch war also nicht nur dazu da gewesen, sein Gewissen zu beruhigen. Oder doch. Vielleicht mehr als sonst.

"Ich wollte nur, dass du dir nicht so viele Sorgen machst."

Mein Kiefer fiel auf und ich schüttelte ungläubig den Kopf. Dies war nicht das erste Mal, dass er in mein Leben eingriff. Doch jetzt überschritt er eine deutliche Grenze. Nicht nur meine persönliche.

"Das ist gegen das Gesetz", betonte ich entsetzt.

"Das habe ich getan ..."

"Um ich zu schützen, weil du mir nicht vertraust. Hab ich gemerkt, danke."

"Kassy, du verstehst das nicht!"

"Immer noch nicht?", rief ich jetzt aus vollem Halse, sodass es wehtat. "Was, Shawn? Was verstehe ich nicht? Wozu bin ich nicht in der Lage?"

"Wie hättest du reagiert, wenn ich dir erzählt hätte, dass ich diese Mission freiwillig mache?!"

"Nicht anders als sowieso! Mit dem kleinen Unterschied, dass du mich nicht angelogen hättest!"

"Du hättest es mich nicht machen lassen", behauptete er bitter.

"Nein", erwiderte ich sauer. "Hätte ich nicht. Aber ich kann es dir ja schlecht verbieten, du kannst machen, was du willst. Trotzdem hätte ich mit dir darüber gesprochen. Es geht hier nicht nur um mich, die sich auf eine Beziehung mit dir eingelassen hat, obwohl ich gewusst habe, wie gefährlich dein Beruf ist. Es geht auch um dich, du hast dich dazu entschieden, dir Menschen nahe zu halten, denen du wichtig bist. Die sich um dich sorgen, Shawn."

"Das meine ich. Du verstehst es nicht. Ich kann nicht anders. Dieser Beruf ist alles, worauf ich hingearbeitet habe. Ohne ihn wüsste ich nicht, was ich machen würde. Ich brauche diese Stelle. Es ist das Einzige, worin ich wirklich gut bin. Es füllt mich aus, es ist alles für mich. Wenn ich diesen Beruf aufgebe, gibt es für mich keinen Grund mehr, mein Leben weiterzuführen."

Noch während die letzte Silbe im Raum verhallte, realisierte Shawn, was er eben von sich gegeben hatte. Und ich realisierte es ebenso.

Das, was ich fühlte, war nichts verglichen mit all den Schmerzen, die ich je erleiden musste.

Wenn es mich gekümmert hätte, hätte ich wohl mein Herz in zwei Hälften brechen hören können, aber ich war taub. Ich konnte nur immer wieder diesen einen Gedanken wiederholen: "Die anderen hatten Recht, ich hätte schon lange aufhören sollen, dich in Schutz zu nehmen."

"Was soll das heißen?" 

Shawns Stimme klang seltsam. Etwas verzweifelt, aber nicht so, dass er es zeigen wollte. Ich hörte es trotzdem. Ich kannte ihn. Aber anscheinend nicht so gut, wie ich dachte.

"Das heißt", wiederholte ich glasklar, baute mich auf und trat drei Schritte auf ihn zu, "dass du ganz dringend deine Prioritäten klären und auf den Boden zurückkommen solltest. Das heißt, dass dein verdammtes Glück dich soeben verlassen hat."

Durch einen einzigen Gedanken flogen mein Rucksack und meine wichtigsten Sachen aus dem Schlafzimmer und packten sich selbst zusammen.

"Du machst Schluss", stellte Shawn nüchtern fest.

"Nein", widersprach ich. "Ich gebe dir die Möglichkeit, darüber nachzudenken, was du mit deinem Leben und dem anderer anstellst. Ich verschaffe uns den Abstand, den wir brauchen. Ich zeige dir, wie es ist, wenn man einfach geht und der andere nicht weiß, was man tut und wann man zurückkehrt. Wenn du erwachsen geworden bist, kannst du dich melden. Könnte nur etwas schwierig werden, mich zu finden."

Ich schulterte den Rucksack.

"Du rennst weg." Shawn verschränkte die Arme. Der unterschwellige Vorwurf schwebte zwischen uns. Er dachte, ich tat das, was ich immer tat. Er irrte sich.

"Nein." Grimmig trat ich ihm unter die Nase, es trennten uns nur noch Zentimeter. "Ich mache Urlaub. Weit weg."

Damit lief ich zur Tür hinaus, die Treppe nach unten, zwei Straßen Richtung Osten und apparierte von dort aus zu Alia.

Shawn hielt mich nicht auf.

Alia saß in Jogginghose und mit nassen, in einen Dutt gequetschten Haaren auf dem Boden in mitten von unzähligen Klamotten und Büchern.

"Kassy!", schrie sie erschrocken auf, als ich aus dem Nichts neben ihr auftauchte. "Das ist verdammt unverschämt, das weißt du! Ich hätte ... keine Ahnung, nackt sein können!"

Ich grinste. "Hättest du, aber ich weiß ja, dass Lewis momentan nicht da ist, sonst hätte ich mir das nie erlaubt."

Natürlich wusste ich, dass man normalerweise nicht direkt auf die Türschwelle apparierte, und schon gar nicht gleich ins Wohnzimmer.

"Tut mir leid, aber ich laufe heute keinen Zentimeter mehr." Ich schmiss mich aufs Sofa. "Genau genommen mache ich gar nichts mehr."

Müde erzählte ich Alia alles, was seit gestern passiert war (die vertraulichen Informationen ließ ich jedoch aus) und versuchte erst gar nicht, meine Wut und Enttäuschung zu verstecken.

"Und du hast nicht mit ihm Schluss gemacht?", fragte Lil fassungslos.

"Nein, ich wollte keine überstürzte Entscheidung treffen."

"Siehst du, genau deswegen hat dich dieser Junge nicht verdient!" Alia breitete empört die Arme aus. "Kassy! Das hat nichts mit überstürzter Entscheidung zu tun! Er hat dich die ganze Zeit angelogen" - schon wieder, schoss es mir durch den Kopf. Die Sache mit Kimber war verziehen, aber nicht vergessen - "Shawn hat total den Kontakt zum Boden verloren."

Dass Alia direkt auf den Punkt meiner Entscheidung kam, wunderte mich fast gar nicht. Es lag nicht an dem flüssigen Glück, sondern daran, dass sie als meine beste Freundin genauso tickte wie ich es tat.

"Genau das ist der Punkt, Lil", erklärte ich langsam, in der Hoffnung, sie würde mich verstehen. "Genau das habe ich ihm auch gesagt. Er ist abgehoben, hat den Bezug zur wirklichen Realität verloren. Ich glaube, in seinem Kopf funktioniert alles noch so perfekt wie zu Anfang. Genauso, wie ich sein altes Ich noch auf sein Neues projiziert habe. Wir beide haben uns verändert und dabei den Kontakt verloren."

"Aber", protestierte Alia sofort, "du hast ihm tausend Chancen gegeben. Immer wieder mit ihm geredet. Ihn auf den Boden geholt. Das gesamte letzte Jahr!"

Ich biss mir auf die Unterlippe und senkte beschämt den Blick. Langsam schüttelte ich den Kopf. "Das habe ich auch gedacht, aber das stimmt nicht. Eben habe ich ihm klar gemacht, was er da eigentlich abzieht. Jetzt gebe ich ihm eine berechtigte weite Chance. Diesmal nicke ich nicht einfach nur und entschuldige mich dafür, dass ich recht hatte. Diesmal bin ich zur Tür raus und habe ihm die Entscheidung überlassen, ob ich ihm es wert bin, sich zu melden und sich um uns zu kümmern."

"Natürlich wird er das!", entgegnete Alia. "Du bist nahezu perfekt und das weiß Shawn auch! Die Frage ist nur, ob er etwas ändert oder nicht. Und bis jetzt sehe ich keinen Grund, weswegen er das tun sollte."

"Weil ich das mit ihm gemacht habe, was er mir seit Monaten antut. Ich glaube, es ist ihm einfach nicht bewusst, aber jetzt gebe ich ihm eine faire Chance, zu verstehen, was er da tut."

"Ich weiß nicht, Kassy ..."

Man sah Alia an, dass sie Zweifel hegte, was ich ihr nicht verübeln konnte. Die hegte ich auch. Länger und stärker als sonst jemand. Ich hing zwar nicht davon ab, sie zu überzeugen, wollte ihr aber die Möglichkeit geben, mich zu verstehen.

"Ich muss dir noch was erzählen", gestand ich. Lil zog fragend die Augenbrauen hoch. "Weißt du noch als wir uns damals in der Siebten in McGonagalls Büro geschlichen und den Hut geklaut haben?"

Alia schlug die Hände vors Gesicht. "Das ist jetzt nicht dein Ernst, Kassy."

"Ich habe es niemandem erzählt ..."

"Also hat der Hut doch noch was zu dir gesagt! Ich hab's gewusst! Tori muss mit den Knut zurückgeben! Sorry. Wir ... was hat er gesagt? Du hast damals ziemlich wütend ausgesehen."

"Echt? Er ... er hat gesagt, Shawn und ich seien perfekt füreinander."

Alia zog die Stirn kraus. "Das ist doch was Gutes, oder nicht?"

Ich schüttelte den Kopf. "Er hat gesagt, wir seien so perfekt, weil wir uns gegenseitig ergänzen und beide eine seltene ... außergewöhnliche Macht haben." Es fühlte sich sehr komisch an, Alia diese Information weiterzugeben. "Aber auch, dass es in den meisten solcher Fälle den Bach runter geht. Wieso, wollte er mir nicht sagen. Ich sollte es selbst herausfinden."

"Und jetzt hast du es herausgefunden."

"Ich glaube schon."

"Raus mit der Sprache, Genius. Falls du es vergessen hast, ich war Gryffindor." Alia verlangte nicht von mir, dass ich auf den Witz einging, was ich ohnehin nicht getan hätte.

"Shawn und ich nehmen uns als selbstverständlich. Der Hut hat gesagt, wir ergänzen uns. Das stimmt, wann immer wir zusammen sind, bin ich glücklich. Das hat es für mich so schwer gemacht, ihm klar zu sagen, was er tut. Aber du hast recht, eine Beziehung bedeutet Arbeit. Und Shawn denkt, nur weil alles perfekt ist, wenn wir zusammen sind, kann er machen, was er will. Es hat so lange gedauert, bis ich das verstanden habe, aber jetzt ergibt alles Sinn. Hätte ich ihn heute sitzenlassen, wäre ich mir unfair vorgekommen. Und ..."

"Was, und?", drängte Alia.

"Er weiß nicht das, was ich weiß, und das rechtfertigt nicht sein Verhalten, ich weiß. Schau nicht so. Der Hut hat gesagt, es sei nicht meine Verantwortung, aber Shawn bräuchte jemanden, der seine Macht unter Kontrolle hält."

"Nicht deine Verantwortung! Wie viele Beweise willst du noch?"

"Alia ...", klagte ich.

"Nichts, Alia."

"Ich verspreche, ich treffe meine Entscheidungen nicht nach diesen Worten. Ich habe Shawn nur eine Chance gegeben, zu verstehen, weshalb er etwas ändern muss. Und wenn er gelandet ist, können wir wirklich reden."

Alia blieb eine Zeit lang stumm und starrte nur die Wand an, die sie mit einem Tuch angehängt hatte, um die Bilderrahmen vor Staub zu schützen, da sie es hasste, sie sauber zu machen.

"Ich habe das letzte Jahr mit Lewis gelebt", fing sie leise an und spielte an ihren Socken. "Deswegen kann ich dich verstehen. Wirklich, ich sehe, worauf du hinaus willst. Was nicht heißt, dass ich es für richtig halte. Aber du kannst auf dich selbst aufpassen und deswegen hoffe ich, dass du ihn wirklich verlässt, wenn er das hier vermasselt. Ich merke ja, wie verknallt du bist und kann es dir nicht übel nehmen. Shawn ist in der Theorie wirklich der Inbegriff des perfekten Freundes. Aber ich sage dir, ich knüpfe ihn mir persönlich vor ...!"

Erleichtert umarmte ich Alia. Es war vielleicht nicht nötig, dass sie meine Entscheidung nachvollzog. Einfach jemanden an meiner Seite zu wissen, der es akzeptierte, reichte.

Noch während ihr Kopf auf meiner Schulter ruhte, fragte sie in den Raum hinein: "Aber was machst du jetzt?"

Ich biss mir auf die Lippe. Sie hatte den Rucksack wohl nicht bemerkt.

"Du kannst ja nicht nach Hause zurück, wenn du ihm eins auswischen willst."

"Ich hab ihm gesagt, wenn er erwachsen geworden ist", wiederholte ich langsam, "kann er sich bei mir melden. Es könne nur etwas schwierig werden, mich zu finden."

"Also ... versteckst du dich?"

Ich löste unsere Umarmung und versuchte, Lil anzulächeln. "Ich habe ihm gesagt, ich mache Urlaub."

"Oh", stieß Lil aus, überlegte kurz und sah dann von meinem Rucksack zurück zu mir. Ich lächelte ihr nach wie vor dämlich zu. "Ooooh."

Zum Glück hatte Alia nichts gegen meine Begleitung. Sie freute sich sogar, die Reise nicht alleine bewältigen zu müssen (es erinnerte sie an Uagadou) und bestand darauf, dass ich das Gästezimmer in der Wohnung bezog, die das Nationalteam Lewis zur Verfügung gestellt hatte.

Die Zeit, die sie durch meine Einlage verloren hatte, holten wir gemeinsam wieder auf. Während sie zu Ende packte und ihren Kleiderschrank sortierte, machte ich uns eine Kleinigkeit zu Essen, räumte anschließend die Küche auf, stellte alle Heizungen runter und zog die Stecker aus den elektronischen Geräten.

Pünktlich, wie es in Alias Reiseplan vorgesehen war, verließen wir die Wohnung. Wir hatten sogar noch Zeit, um bei einer Eulerei anzuhalten. Lil schickte eine Einladung, die um Besuch in Australien bat, zu Jace und ich versendete einen schnell gekritzelten und in Kurzfassung erklärenden Brief zu Saiph.

Ich hoffte, Flash würde mich mit Antworten in Australien finden und mich nicht zu sehr dafür hassen, dass ich ihn im wahrsten Sinne des Wortes um die halbe Welt gejagt hatte. Bei der Vorstellung, dass er Alia und mir den gesamten Weg hinter herfliegen würde, immer einen halben Knieselsprung hinter uns, brachte mich das erste Mal heute zum Lächeln.

Flash würde mich definitiv hassen.

***

Siebzehn Tage später konnte ich mir kaum noch vorstellen, jemals ein anderes Leben geführt zu haben. Zu behaupten ich hätte nicht die beste Zeit meines Lebens, wäre gelogen. Jace war vor einer Woche angereist und auch Olivia ist vor zwei Tagen zu uns gestoßen. Mein Alltag bestand aus Ausschlafen, draußen Frühstücken, Surfen gehen, Quidditch spielen, Lesen, abends Grillen und nachts nach einer späten Runde Schwimmen im Meer auf dem Gras liegend Sternschnuppen zu beobachten.

Uagadou war ein einmaliges Erlebnis gewesen, auch die Quidditch-WM würde ich nie vergessen. Doch einfach nur die Zeit mit meinen besten Freunden zu verbringen und mich das erste Mal richtig frei zu fühlen, übertraf alles.

Ich erkannte, dass es nicht viel brauchte, um glücklich zu sein. Bestärkt in meinem Gefühl, das Richtige getan zu haben, hob ich mein Glas an, um mit Olivia, Jace, Lewis und Alia auf die Verlobung der letzen beiden anzustoßen. Denn nicht nur ich hatte die beste Zeit meines Lebens - auch Alia sah man nicht mehr ohne Grinsen auf dem Gesicht, vor allem nicht, seitdem seit gestern Abend der Ring an ihrem Finger steckte.

Während ich an meinem Weinglas, in dem sich eine Mischung aus den Muggelgetränken Cola und Feigling befand (auch hier handelte es sich um eine eher lange Geschichte), nippte, kam mir ein Gedanke. Draußen regnete es in Strömen, das erste Mal, seitdem wir angekommen waren, und ohne es verhindern zu können, dachte ich an Teddy.

Daran, wie ich mich vor einigen Wochen noch gefühlt hatte. Jetzt saß ich im Trockenen. Dennoch würde ich nie das Gefühl vergessen, als ich vor so vielen Jahren von Kopf bis Fuß durchweicht in das Haus zurückgekommen war, welches ich damals Zuhause genannt hatte.

Alia erzählte gerade etwas über Flubberwürmer und die anderen lachten. Er übertrug sich in meine Erinnerung.

Als ich nach meinem unfreiwilligen Sturz klitschnass und halb erfroren nach Hause gelaufen kam - das Lachen der anderen immer noch in den Ohren ringend - berichtete ich meiner Mutter schon alles, bevor ich ganz durch die Tür getreten war.

Sie kam nur lachend auf mich zu, strich über meine kalte und von Scham gerötete Wange und fragte mich, wieso ich wegen so etwas weggerannt sei, wo ich besser hätte den Spaß mitmachen sollen. Ich ging nur unter Tränen, mit schmerzenden Gliedern und unter den Anweisungen, nicht alles vollzutropfen, nach oben, um mich umzuziehen.

Ich war nicht weggelaufen, weil mir kalt war, meine Klamotten durchweicht oder mir die Situation peinlich. Ich war nicht weggelaufen, weil ich keinen dummen Scherz verstand. Ich war weggelaufen, weil ich in der Hoffnung auf etwas Gutes mit zum Bach gekommen war, die anderen es jedoch für überflüssig gehalten hatten, mich vor dem Stein zu warnen.

Weil aus einem Spaß kein Spaß mehr geworden war, zumindest nicht für mich oder meine aufgekratzten Ellbogen. Ich war nicht weggerannt, weil ich enttäuscht, sondern weil ich wütend gewesen war - zur Hälfte auf mich selbst.

Den restlichen Sommer und jeden folgenden verbrachte ich lesend in meinem Zimmer. Nicht, weil ich eingeschnappt, sondern weil mir klar geworden war, dass ich niemandem zum Spielen brauchte, der mich ohnehin nicht wollte und ohne mich besser klar kam.

Ich war glücklich mit dem, was ich hatte. Ich brauchte Saiph und die Nachbarskinder nicht. Ich brauchte keinen kalten Bach, keinen Wasser aufhaltenden Staudamm und keine blöden Steine, auf denen ich immer wieder ausrutschte. Ich hatte die Schnauzte voll vom ständigen Ausrutschen.

Ich brauchte diese Leute am anderen Ufer nicht.

Ich brauchte Shawn nicht.

ϟ          ϟ           ϟ

I must say, I kinda love my dramatic exits.

Versteht ihr Kassys Entscheidung?

And can we talk about, dass ich mega eifersüchtig bin, weil ich auch nach Australien will?

Bis demnächst, Amelie :)

Next Update ⥋ 15.07.2020 (Wednesday)

[09.07.2020]

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