Kapitel 41 ϟ Shy pt. II

Fix You - Coldplay ♪♫

Ich schleifte Alia erneut zu Madam Pomfrey, doch diesmal ließ ich mir auch einen Trank geben.

"Sie brauchen Schlaf, junges Fräulein", hatte Madam Pomfrey streng gesagt. Ich war froh, dass Alia durch Lewis abgelenkt war und es somit nicht gehört hatte. Dass ich Schlaf brauchte, wusste ich auch ohne Hilfe, vielen Dank.

Als ich mit den beiden Vertrauensschülern den Krankenflügel verließ, kam Henry uns entgegen. Er schien sich auch etwas zur Beruhigung holen zu wollen.

Denn ich war nicht die Einzige, der es schlecht ging. Sydney und Henry hatten Schluss gemacht - genau genommen hatte Sydney Schluss gemacht. Henry war so niedergeschlagen wie schon lange nicht mehr und nichts hatte ihn in den letzten zwei Wochen zum Lächeln bringen können.

Er tat mir wirklich leid, denn ich erkannte deutlich, wie sehr es ihn mitnahm. Ich glaubte zwar fest daran, dass die On-Off-Beziehung ihren Weg bald wieder auf On finden würde, bis dahin jedoch wirkte es, als würde Henry für sich und Syd leiden.

Am Morgen der praktischen Zauberkunstprüfung wachte ich mit Übelkeit auf. Noch halb schlafend hockte ich knappe zwanzig Minuten vor der Toilette und blockierte so, sehr zu Davinas Ärgernis, das Bad. Schließlich war ich mich sicher, dass ich mich nicht übergeben musste, und gab mein Lager auf.

Mein Magen hielt es trotzdem für das Beste noch weiter zu rebellieren, weswegen ich mich wieder ins Bett legte und mit dem Gedanken spielte, eine Nachprüfung in Zauberkunst zu absolvieren.

Noch im gleichen Moment verwarf ich den Gedanken wieder und setzte mich auf. Was für ein Weichei war ich? Ich hatte bereits die schriftliche Kräuterkundeprüfung vor zwei Jahre geschafft, also würde ich die praktische Prüfung in meinem stärksten Fach ja wohl mit links meistern.

Treu hielt ich an diesem Gedanken fest. Solange, bis mein Name als Zweites aufgerufen wurde und Alia und Olivia mir viel Glück wünschten.

Meine nächste Erinnerung bestand daraus, wie ich den Raum mit einem guten Gefühl verließ. Ich war erleichtert und stolz, doch was genau gerade passiert war, konnte ich nicht sagen.

So verlief es mit jeder einzelnen Prüfung, egal ob schriftlich oder praktisch. Nur wurde ich von Tag zu Tag müder, bis ich beinahe meine letzte Prüfung in Alte Runen verschlafen hätte, hätte Liv mich nicht aus dem Bett geworfen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.

In der Prüfung selbst fielen mir häufiger die Augen zu, was mich erschreckte und mir Angst machte. Ich hatte kaum noch Kontrolle über meinen eigenen Körper.

Ich musste aussehen wie ein Zombie, als ich auf den Pausenhof lief, um vor dem Essen noch etwas frische Luft zu schnappen. Tori musterte mich einfach nur sprachlos und die Blondine war selten sprachlos. Mein Blick musste ihr wohl ein Versprechen geben, denn sie beließ es dabei.

Am nächsten Tag beim Mittag fühlte ich mich besser, sogar fast blendend. Ich hatte alle Prüfungen hinter mich gebracht und meinem Abschluss stand nicht mehr viel im Weg.

Den Nachmittag über faulenzte ich mit Alia, Sydney und Bea am See (Olivia und Tori waren auf dem Weg nach London), bevor ich beim Abendessen so wach war wie schon lange nicht mehr.

Ich konnte lachen, Alice' Anwesenheit gänzlich ignorieren und an Shawn denken, ohne fast zu weinen. Als hätte der Schmerz keinen Einfluss mehr auf mich, als könnte er mich nicht erreichen.

Gegessen hatte ich trotzdem kaum etwas.

Wirklichen Hunger verspürte ich nicht. Sobald ich an Essen dachte, wurde mir nach wie vor flau und ich trank lieber etwas.

Schließlich gingen alle zu Bett, doch ich fand keine Ruhe. Um halb zwei lag ich immer noch wach, starrte gebannt in die Dunkelheit und lauschte dem gleichmäßigen Atmen Ivys, die neben mir als Einzige keine Eignungstests oder Vorstellungsgespräche hatte.

Ich besaß zu viel Energie. Obwohl mir ausnahmsweise nicht tausende von Gedanken durch den Kopf schwirrten, fühlte ich mich, als könnte ich an drei schwedischen Besenrennen hintereinander teilnehmen. Sobald ich meine Augen schloss, jagte der Unternehmungsgeist durch mein Blut und forderte meinen Körper auf, sich zu bewegen.

Diesem Verlangen gab ich schließlich nach.

Leise zog ich mir meinen Morgenmantel an und streifte das Paar neonpinke Socken über meine kalten und schwitzigen Füße. Mit meinem Zauberstab und zwei Büchern bepackt stahl ich mich aus dem Schlafsaal in den Gemeinschaftsraum.

Ich fand ihn leer vor, was ich um zwei Uhr in der Nacht nach den Prüfungen nicht anders erwartet hatte. Bis auf meine Gesellschaft bekam die Marmorbüste Rowena Ravenclaws auch die folgenden vier Stunden nicht mehr viel zu Gesicht.

Die freie Zeit vertrieb ich mir überwiegend damit zu lesen, zu zaubern und komische Bildchen auf Pergament zu kritzeln. Ich entdeckte in den Regalen ein Buch, welches ich noch nie gesehen hatte und überflog es, ehe ich mich wieder dem Geschmiere widmete.

Schließlich bekam ich doch Gesellschaft. Der Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass es sechs Uhr morgens war. Ich hatte mit niemandem vor sieben Uhr gerechnet, weswegen ich einen Fuß vom Tisch nahm und gegen den Sessel stieß, damit dieser zurückrutschte und Helenas Vorschlag einer Konversation zustimmte.

"Es ist sehr früh morgens, Kassiopeia", bemerkte sie, als sie mir gegenüberschwebte und den Sessel bewusst ignorierte.

"Oder sehr spät, je nachdem, wie man es betrachtet", entgegnete ich und setzte mich in den Schneidersitz.

Helena war noch nie der Geist für Smalltalk gewesen - ganz im Gegensatz zu dem Fastkopflosen Nick -, weswegen sie gleich zu Sache kam: "Du hast in letzter Zeit sehr viel gelernt."

"Richtig erkannt", stimmte ich zu. "Aber die Prüfungen sind jetzt vorbei. Zum Glück."

"Ich habe dich beobachtet, Kassiopeia. Du hast sehr wenig geschlafen, wieso bist du wach?"

"Kann nicht schlafen", gab ich zu und setzte zögernd hinterher: "Obwohl ... obwohl ich müde bin."

"Auf welche Weise?"

"Beide", flüsterte ich ganz leise, wusste aber genau, dass Helena es verstand.

"Wie geht es dem jungen Mendes? Nick hat behauptet, er hätte schon länger nichts mehr von sich hören lassen."

Ein Grund für meine Schlaflosigkeit, schoss es mir ungewollt durch den Kopf. Doch war es die Wahrheit? Waren es meine Probleme, die mich unterbewusst wach hielten?

"Denken Sie, dass es mit uns funktionieren kann?", fragte ich ohne Umschweife und blickte Helena in die blassen Augen.

"Tut es das denn nicht schon?", entgegnete sie nach einer Weile des Schweigens. "Du hast mir doch erzählt, ihr beide seiet schon eine ganze Weile ein Paar."

"Er ... er hat einen blöden Fehler gemacht", sprach ich das erste Mal über den Grund unserer Unstimmigkeiten. "Einen, den man nicht wieder rückgängig machen kann."

"Bist du ihm böse?"

"Nein", antwortete ich und überraschte mich selbst. Gleichzeitig wusste ich, dass es der Wahrheit entsprach. "Ich bin einfach nur enttäuscht."

"Manchmal treffen wir falsche Entscheidungen, um andere zu schützen, und denken oft nicht über die Konsequenzen nach, die unser Handeln mit sich trägt."

"Aber er hätte es mir danach sagen können." Die ersten Tränen fanden den Weg in meine Augen. "Er ... er hätte es rückgängig machen können, mit mir reden können, seine Fehler korrigieren, als es noch möglich war."

Helena schwebte ein Stück auf mich zu und ich konnte spüren, dass sie, wenn sie kein Geist wäre, nun eine Hand auf meine Schulter gelegt hätte.

"Du weißt, was damals passiert ist, oder?", hauchte ich.

Die junge Ravenclaw nickte. Die erste Träne rollte über meine Wange und brach die Barriere.

"Ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist", fing ich an zu schluchzen. "Ich bin so ... abwesend, egal was ich mache, nichts ist gut genug, nichts hilft mir weiter. Ich weiß, ich sollte schlafen, aber ich tue es nicht. Ich weiß, ich sollte essen, aber ich will nicht. Ich weiß verdammt nochmal, dass ich mit jemandem reden sollte, aber ich kann einfach nicht. Und Shawn! Shawn ist ... er ist anders geworden. Und ich frage mich die ganze Zeit, ob es tatsächlich er ist, der sich verändert hat, oder ob ich schon wieder so naiv war, wieder einen Fehler begangen habe und Shawn schon immer so war und ich es jetzt erst erkannt habe. Oder ob ich mich verändere und alles zerstöre."

"Vermisst du ihn?"

"Drachenscheiße, ja. Ja, verdammt, ich vermisse ihn jeden Tag. Ich will nicht mehr diesen stummen Streit führen, ich will einfach nur vergessen und ich will, dass alles so ist wie früher."

"Dann hast du ihm schon längst vergeben."

Hatte ich das? Ich wusste es nicht. Genau genommen wusste ich gar nichts. Ich wusste nicht, was mit mir los war, wieso ich nicht schlief, wieso ich nicht aß, wieso ich nicht mal mehr spürte, was ich mir selbst sagen wollte.

"Es hat sich nichts geändert, zu damals", murmelte ich und schniefte. "Unsere Welten sind so verschieden ... zu verschieden."

Ich blickte zu Helena hoch. In ihrem Gesicht lag etwas Mitleidiges, etwas Verständnisvolles. Das erste Mal fühlte ich mich nicht mehr allein, seit Shawn mich am Bahnhof zurückgelassen hatte. Nein, seitdem ich Shawn am Bahnhof zurückgelassen hatte. Seitdem er mich hat gehen lassen.

"Glauben Sie, dass es mit uns funktionieren kann?", wiederholte ich meine Frage, die nun eine so andere Bedeutung trug.

Zuerst tat Helena nichts. Dann entfernte sie sich wieder ein wenig von mir und stieg in die Höhe. Schließlich nickte sie.

"Ich glaube, dass es funktionieren kann. Doch ich weiß nicht, ob es funktionieren wird. Das hängt von euch ab, und davon, ob ihr Fehler verzeihen könnt. Aber vor allem, ob ihr aus den Fehlern lernt und sie nicht wieder begeht. Und was deine Familie angeht - Familie ist kein Blut, Kassiopeia. Und Zuhause nicht immer ein Ort. Du solltest nun besser schlafen gehen."

"Danke, Helena."

"Kassiopeia, es war mir eine Ehre, deine Bekanntschaft gemacht zu haben."

Vor diesem Moment hatte ich mich gefürchtet. In wenigen Tagen war mein letzter Schultag und es wurde Zeit für einen Abschied.

"Die Freude liegt ganz meinerseits", erwiderte ich und wischte mir eine Träne von der Wange. Mein Magen knurrte. "Danke, Helena. Sie haben mir geholfen, mich vielleicht sogar gerettet. Uns gerettet. Ich danke Ihnen für alles, was Sie jemals für mich getan haben. Das werde ich Ihnen nie vergessen."

"Gern geschehen. Mehr als gern geschehen. Auf Wiedersehen."

"Auf Wiedersehen", flüsterte ich leise, als Helena durch das angelehnte Fenster in die kalte klare Nachtluft verschwand.

Es war kein auf Wiedersehen. Es war ein Abschied.

Ich war wieder allein.

Nach Helenas Verschwinden sammelte ich meine Sachen zusammen und befolgte ihren Rat, in dem ich endlich zu Bett ging, dies jedoch nur für etwa zwei Stunden. Mein Wecker klingelte und da ich Ivy keinen Verdacht schöpfen lassen wollte, stand ich auf.

Das Frühstück hätte ich genauso gut ausfallen lassen können, denn bis auf einen Tee fand nichts den Weg in meinen Magen. Ich starb fast vor Hunger, doch es hatte sich bis auf den Reiz immer noch nichts geändert: bei dem Gedanken an Essen wurde mir schlecht. Ich bekam einfach keinen Bissen runter, egal wie sehr ich es versuchte.

Tori schickte mir eine Eule mit den neusten Updates aus London, welche sich positiv anhörten. Anbei sendete sie ihre Rede für die Abschlussfeier und die Bitte, ob ich ihr helfen könne.

Somit hatte ich meine Tagesbeschäftigung gefunden und ging dieser fleißig nach. Henry half mir, um sich abzulenken, verlor allerdings am Nachmittag die Lust.

Flash wurde am Abend mit meinen Ideen und Denkanstößen nach London geschickt. Gleichzeitig lieferte er noch eine kurze Nachricht an Shawn, die ich mir einfach nicht verkneifen konnte. Es war unsinnig, doch ich hatte das Gefühl, dass das Hey Shawn, wie geht es dir? Kassy x ein Schritt zurück in die richtige Richtung sein könnte.

In der folgenden Nacht schlief ich das erste Mal wieder richtig tief und fest durch. Als ich siebzehn Stunden später aufwachte, traute ich meinen Rechenfähigkeiten zuerst nicht, doch es stimmte. Mein Wecker, welchen ich einfach überschlafen hatte, zeigte vier Uhr nachmittags an.

Ausgeschlafen fühlte ich mich immer noch nicht, doch schon um einiges besser und ich ging sofort in die Küche, um ein paar Sandwiches zu besorgen.

Tori und Olivia kehrten mit positiven Neuigkeiten aus London zurück. Tori würde bald Rückmeldung vom Büro der Internationalen Verteidigung von Zauberern erhalten und Olivia hatte ihre Aufnahmeprüfung für die Ausbildung zum Heiler ebenso erfolgreich wie Shawn damals gemeistert.

Die Schulsprecherin bedankte sich tausendmal bei mir für die tolle Einleitung der Rede und zusammen schliffen wir sie bis zur Perfektion. Tori wollte mich zum Schluss erwähnen, doch ich verzichtete auf die Aufmerksamkeit.

Mein Selbstvertrauen hatte in den letzten zwei Jahren an einer Menge zugenommen, die ich mir selbst nie zugetraut hätte. Dennoch konnte ich auf solche überflüssigen Momente verzichten.

Schließlich erreichte uns der Nachmittag des letzten Schultags und die Huttradition, oder auch die "Hutgeschichte", wie Sydney es nannte, überrumpelte mich völlig. Ich hatte es ganz vergessen und war überrascht, als Olivia auf mich zu kam und mir sagte, die Ravenclaws hätten sich für mich entschieden.

Anscheinend bestimmten die auserwählten Schüler des vorigen Jahres - in Ravenclaws Fall Jacob und Ginger - eine der folgenden Personen ihres Hauses - in unserem Fall Olivia. Diese musste nun einen weiteren Schüler auswählen, sich aber Resonanz der gesamten anderen Siebtklässler des Hauses suchen.

Nie hätte ich erwartet, dass um so eine Albernheit so viel Aufwand betrieben wurde, aber anscheinend nahmen die Siebtklässler das Verfahren und vor allem die Geheimhaltung sehr ernst. Noch weniger erwartet hatte ich, dass meine Mitschüler mit mir einverstanden gewesen waren. Ich befürchtete Teddy hatte letztendlich doch gewonnen - vielleicht war ich doch kein Niemand.

Die beiden Slytherins waren Kylen Callis und Septimus Selwyn, Hufflepuff hatte sich für Nate und Sydney entschieden, Gryffindors Auserwählte waren Tori, Cole, Clove und Alia.

Meine beste Freundin war den gesamten Vormittag für uns beide am Ausflippen, aber ausgesprochen sauer auf Olivia, dass sie uns ein Jahr lang ihren Status verschwiegen hatte.

Olivia und ich gingen früh zum Mittagessen und verschwanden relativ bald wieder, um die anderen im dritten Stock zu treffen. Die Gryffindors kamen etwas zu spät, da sie sich, wie Alia mir genervt erzählte, nicht über den Nachfolger hatten einigen können. Olivia und ich hatten uns nach ungefähr drei Sekunden für Livs Schwester Stacy entschieden und sie noch vor dem Essen eingeweiht.

Wir schlichen uns als Gruppe im Gänsemarsch erfolgreich an Rose Zeller vorbei, die es zwar zu verbergen versuchte, doch ganz klar nach uns Ausschau hielt. Im Gang zum Schulleiterbüro setzte sich plötzlich ein Stein in meinem Magen ab.

Ich dachte, nach allem, was ich in den letzten drei Jahren durchgemacht hatte, hätte ich meine Aufregung unter Kontrolle.

Weit gefehlt, ich war genauso aufgeregt wie als Elfjährige.

Mit dem Unterschied, dass der alte Filzhut nicht mehr über meine Augen rutschte (das tat er bei niemandem außer Alia, da ihr Kopf nach wie vor sehr schmal war). Die meisten waren bereits an der Reihe gewesen, nun stand ich vor dem Schreibtisch und hörte sogleich eine flüsternde Stimme in meinem Ohr.

"Ach, die reine Ravenclaw, sieh einer an ... ist ja noch schlimmer mit dir geworden", murmelte der Hut. Reine Ravenclaw? So hatte er mich letztes Mal nicht genannt. "Wieso du dabei bist, sehe ich sofort."

Was hatte das zu bedeuten?

Auf einmal erschien mir die ganze Sache nicht mehr so cool zu sein und ich wünschte, Alia hätte sich nur für sich selbst freuen müssen. Ich musste meine gesamte Kraft zusammennehmen, einen normalen Gesichtsausdruck zu bewahren und mit nicht den Hut vom Kopf zu reißen.

"Oh nein, ganz rein bist du nicht, aber auf dem besten Wege dahin. Ah ... nein, es bedeutet nicht, dass du genau wie Rowena Ravenclaw bist. Sie hätte dich nur sehr geschätzt, du bist so, wie sie sich die Schüler ihres Hauses vorstellt. Wohl das nächstbeste Schulbuchbeispiel, das mir in den letzten Jahren untergekommen ist."

Seine Worte sollten mich schmeicheln, doch sie taten es nicht. Im Gegenteil: sie jagten mir Angst ein. Eine Menge.

"Du hast dich ganz schön verändert, bist selbstbewusster geworden, das sehe ich ... aber du scheinst es immer noch nicht verstanden zu haben. Ich helfe dir hier mal auf die Sprünge, um dir dein Leben zu erleichtern: Ich sehe alles. Deine Gedanken, dein Unterbewusstsein, Dinge, von denen du noch nichts weißt. Verbindungen, die du erst knüpfen musst. Und daraus kann ich mir die Zukunft ableiten. Du, Bole, bist mächtig. Sehr sogar. Du hast Fähigkeiten, die noch längst nicht voll entwickelt sind, aber schon bald wirst du merken, wie weitreichend deine Magie ist."

Mir blieb das Herz stehen. Ich musste mir die Worte einbilden, ich musste träumen, halluzinieren. Ich sollte was? Er musste mich verwechseln, mich aufziehen.

"Irgendwann wirst du mir glauben. Du solltest nur aufpassen, ich sehe einen leichten Hang zum Verursachen von Schwierigkeiten. Das hat jedoch nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun, eher im Gegenteil ... das alles kommt mir sehr sehr bekannt vor."

Ich hielt die Luft an. Sprach der Hut von dem, an was ich dachte?

"He he ...", lachte er leise in mein Ohr. "Richtig erkannt, es geht um deinen Freund Mendes. Bei dem habe ich vor zwei Jahren Ähnliches gesehen. Ihr Kinder solltet aufhören, euch einen Spaß zu erlauben. Mich kränkt dieser Missbrauch nicht, es macht sogar Spaß, ab und zu in ein paar ältere Köpfe zu schauen, aber euch scheint es nicht gut zu tun."

Was willst du mir damit sagen, sprach ich den Hut in Gedanken an. Langsam ging er mir auf den Poltergeist. Er sollte einfach mein Haus ausspucken und mich dann für immer in Ruhe lassen. Die anderen fingen schon an zu starren. Das alles war eine bescheuerte Idee gewesen.

"Du und Shawn Mendes, ihr habt eine seltene außergewöhnliche Macht. Nur ihr unterscheidet euch in einem wichtigen Punkt: Kontrolle. Du solltest auf ihn Acht geben, er braucht jemanden, der dafür sorgt, dass diese Macht nicht außer Kontrolle gerät."

Mir gefror das Blut in den Adern. Jetzt. Ich wollte jetzt aufhören, zuzuhören. Ich wollte diesen Hut wegwerfen und aus dem Büro rennen. Doch jeder meiner Muskeln war wie eingefroren.

"Das bedeutet nicht, dass du für ihn verantwortlich bist. Du solltest dir gut überlegen, welche Entscheidungen du in den nächsten Tagen triffst. Ich will dir nur mit auf den Weg geben - ihr beide seid so etwas wie perfekt füreinander. Ihr gleicht euch aus, ergänzt euch. Äußerst interessant zu beobachten. Aber lass dir eins gesagt sein: Perfekt füreinander sein kann gut ausgehen. In den meisten Fällen jedoch geht es gehörig den Bach runter."

Wieso?, fragte ich wütend. Die Angst kroch meine Adern unaufhörlich hoch und das ärgerte mich. Immerhin waren es nur die dummen Worte eines blöden Hutes. Der bis jetzt immer recht gehabt hatte.

"Das musst du selbst herausfinden. Glaub mir, irgendwann wirst du es erkennen, du bist ja nicht dumm. Keineswegs. Erinnere dich an meine Worte. Oh, und achte auch gut auf deine Freundin Harrison, in ihr schlummert gleichfalls so einiges. RAVENCLAW!"

"Na endlich", atmete Alia auf, während Nate mir den Hut abnahm. "Was hat so lange gedauert?"

"Konnte sich nicht zwischen Gryffindor und Ravenclaw entscheiden, glaub ich", murmelte ich. "Oder er war sich so sicher, dass er überlegt hat, mich aus Prinzip woanders hinzustecken."

"Was laberst du für Drachenmist?", fragte Henry und runzelte die Stirn.

"Frag ich mich auch ..."

"Ist doch egal, Kassy als Gryffindor? Ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder dich auslachen soll", grinste Lil.

Bis auf meinen Fall, der mehr als seltsam gewesen war, gab es keine Veränderungen. Jeder blieb bei seinem Haus und meine Fast-Versetzung somit das Interessanteste.

Ich fragte mich, ob die anderen auch solch komische Ratschläge erhalten hatten. Es wirkte nicht so, weswegen ich nicht nachfragte. Ich wollte niemanden noch skeptischer machen. Als Alia mich schließlich erneut nach meiner Reaktion aushörte, nahm ich mir vor, die Worte des Hutes mit ins Grab zu nehmen.

Vor dem Festessen erhielt ich eine Antwort von Shawn und mein Herz schlug schneller, als ich sie gleich drei Mal durchlas.

Hey Kas,

mir geht es gut, mehr oder weniger. Bin ein wenig im Prüfungsstress, das ist aber nicht der Grund. Ehrlich gesagt geht es mir beschissen. Ich vermisse dich.

Es tut mir leid, alles, was ich getan und gesagt habe. Ich hasse mich jeden Tag selbst ein wenig mehr und habe verstanden, dass es falsch war. Alles. Auch, dich zu vernachlässigen und der Sache aus dem Weg zu gehen.

Kassy, ich will einfach nur reden. Bitte. Bitte komm nach Hause und lass uns reden. Ich weiß, dass ich es nicht wieder gut machen kann, und ich frage auch nicht nach einer zweiten Chance. Ich will einfach nur, dass wir uns aussprechen.

Ich will nicht, dass wir an dieser Sache zerbrechen.

Ich hoffe sehr, ich sehe dich abends in der Wohnung. Werde dort auf dich warten.

Genieß die letzten Tage und grüß die anderen von mir. Shawn xxx

Jegliche Last fiel von meinen Schultern. Shawn wollte reden. Er hatte seinen Fehler eingesehen und zeigte Reue. Ich hätte ihm sofort verziehen, nach dem Gespräch mit Helena, doch der Hut verunsicherte mich. Die beiden verhielten sich wie Engelchen und Teufelchen auf meinen Schultern.

Ich wurde einfach nicht aus den Worten des Hutes schlau. Welche Macht sollten wir besitzen? Und wenn Shawn und ich perfekt füreinander waren, wieso konnte es dann scheitern? Konnten wir wieder imperfekt werden?

Mir blieb kaum Zeit darüber nachzudenken, da ich mir noch für das Festessen umziehen und packen musste, weswegen ich die Meinung des Hutes beiseiteschob und Shawn antwortete.

Ich vermisse dich auch. Wir sehen uns morgen, Kassy xxx

Mit den Tränen kämpfend rollte ich das Pergament zusammen und band es Flash an den Fuß.

"Du kannst gleich bei Shawn bleiben, ich seh dich morgen Abend wieder", verabschiedete ich meine Eule und streichelte ihr über den Kopf.

Flash blickte mich zuerst verschlafen an, plusterte sich dann aber auf, gab einen komischen Laut von sich und wirkte hellwach. Sein Kopf drückte freundschaftlich gegen meinen Hand, ehe er aus dem noch offenen Fenster der tiefliegenden Sonne entgegen flog.

Er würde nicht wieder hier hin zurückkehren, zumindest nicht für längere Zeit. Dies war nicht mehr sein Zuhause. Und meins auch nicht.

"Olivia, heult sie?", riss Alice mich plötzlich aus meinen Gedanken.

Ich wirbelte herum und Liv fror in ihrer Bewegung ein.

"Ich wüsste nicht, was dich das angeht", antwortete ich kühl.

Alice ging mir gewaltig auf die Nerven - seitdem sie bei uns im Schlafsaal war ohnehin noch viel mehr - und da ich nicht geplant hatte, sie nach morgen je wiederzusehen, hielt ich es auch nicht mehr für notwendig ihr vorzugaukeln, ihr Verhalten sei okay.

"Reg dich ab, war ja nur 'ne Frage."

"Wieso fragst du, wenn du dich eh nicht interessierst? Und wieso fragst du sie nicht gleich direkt?" Breit grinsend blickte ich zu Liv rüber, welche einen Haufen Socken in ihren Koffer fallen ließ und Alice düster anfunkelte. Anscheinend hatte auch sie genug von ihr.

"Du musst dich da jetzt nicht einmischen."

"Du hast sie gefragt!", merkte ich an. "Außerdem mischst du dich doch auch in meine Angelegenheit ein. Und nur fürs Protokoll, nein. Ich heule nicht."

"Ich habe doch nur eine ganz normale Frage gestellt!", verteidigte Alice sich. Ihre Augen waren noch weiter aufgerissen als sonst, sodass ich Angst bekam, sie könnten raus fallen, wenn sie einen leichten Schlag gegen den Hinterkopf bekäme.

"Aber sonst redest du auch nicht mit mir und wir wissen alle, dass du nicht aus Sorge gefragt hast, sondern nur um einen Grund zu haben, mit Olivia zu reden! Falls du es immer noch nicht gerafft hast: du nervst!"

Alice schnappte empört nach Luft und drehte sich um.

"Alles ist gut, Alice", sprach sie zu sich selbst und wir alle wussten, dass sie es mit Absicht in einer für uns hörbaren Lautstärke tat, "es können nicht alle so intelligent sein wie du. Einige suchen einfach immer nach Streit."

Als Liv grunzte, konnte auch ich mich nicht mehr zurückhalten und fing an zu kichern. Ich hörte auf, mich über Alice aufzuregen. Es brachte mir nichts und Liv hatte ein weiteres Mal gezeigt, auf wessen Seite sie stand.

"Liv, ich soll dich von Shawn grüßen", sagte ich deswegen, in dem Wissen, dass Alice genau zuhörte, auch wenn sie Gegenteiliges vorspielte.

"Danke! Wie geht es ihm?", fragte Liv entzückt.

"Ganz gut, er ist etwas gestresst, wegen der Abschlussprüfung, aber ich hab ihm gesagt, er muss sich keine Sorgen machen. Wenn er kein Auror wird, wer dann?"

Es machte Spaß, Alice zu ärgern. Auf der einen Seite steckte mir mein Gewissen zu, dass es gemein war. Auf der anderen hatte sie es verdient. Irgendwie. Und es fühlte sich gut an, endlich mal nicht alles einzustecken, sondern meinen Frust rauszulassen.

"Das stimmt. Denkst du, Teddy hat geschrieben?"

"Weiß nicht, vielleicht. Lass uns schon zur großen Halle gehen und die anderen suchen, Tori weiß bestimmt was. Ivy, willst du mitkommen?"

Die Blonde nickte fröhlich und begleitete uns aus dem Schlafsaal, in dem Alice nun allein zurückblieb. Davina hatte schon gestern gepackt und befand sich, ihren Worten nach, wohl in einem ernsten Gespräch mit Vince.

Alice jagte uns tatsächlich einen stummen Fluch nach, doch mein Protego war schneller und der zurückgefeuerte Densaugeo schoss haarscharf an ihr vorbei.

Beim Festessen saß Alice bei einer Gruppe Fünftklässler, doch sowohl wir als auch die Gruppe um Sarah und RJ wussten, dass sie eigentlich alleine war. Ich bekam ein wenig Mitleid und überlegte kurz, mich zu entschuldigen. Aber dann blickte sie zu uns rüber und warf mir einen so wütenden Blick zu, dass ich wohl bei einem zauberstablosen Zweikampf mit einem Drachen unversehrter rauskommen würde.

Kurz bevor McGonagall zu ihren einleitenden Worten aufstehen wollte, kam Henry verspätet mit Vince und Davina in die Halle, erhöhte sein ohnehin schon hohes Tempo und stolperte die letzten Meter auf uns zu.

"Nur um euch vorzuwarnen: Keine blöden Kommentare oder Fragen, Davina und Vince haben sich getrennt. Ignoriert einfach alles in die Richtung, okay? Sonst überlebt ihr nicht."

Wir nickten nur und starrten einander an. Diese Nachricht kam überraschend, da Davina nie von Problemen erzählt hatte (und sie teilte sonst ihr ganzes Leben) und wir alle dachten, die beiden gehörten wie Alia und Lewis zu den Paaren, die später heiraten würden.

Doch wir alle wollten unser Leben behalten und lernten aus dem Fehler, den Henry anscheinend begangen hatte. Keiner deutete nur irgendwas in diese Richtung an. Vince war sehr ruhig, doch Davina verhielt sich wie immer.

Voller Erleichterung, heute richtigen Appetit zu spüren - trotz der Hutgeschichte - genoss ich das letzte Festessen in diesen Hallen. Nach dem wirklich leckeren Pudding erhob Professor McGonagall sich erneut.

Der Hauspokal dieses Jahr ging an Gryffindor, was allerdings niemanden überraschte.

Hufflepuff und Slytherin waren schon länger aus dem Rennen; die Hufflepuffs hingen trotz Nate und Sydney beim Quidditch zu sehr durch und die Slytherins hatten zu viele Punkte durch Saiph und Skye verloren.

Skye war mit ihren Freunden beim billywiggen erwischt worden. Dies schien zu einem neuen Problem zu werden, seitdem Thekla und seine Zaubertränke verschwunden waren.

Der Ausdruck "billywiggen" hatte sich in den letzten Jahren eingezaubert. Man traf sich meist in einer Gruppe, suchte sich ein ruhiges Plätzchen und dann packte einen gefangenen Billywig aus. Alle ließen sich freiwillig von der kleinen magischen Stechmücke piksen, um von ihrem Gift high zu werden.

Viele scherzten darüber, da Muggel unter "high sein" einfach nur das unter Drogen stehen verstanden, man aber unter der Wirkung des Billywiggifts wirklich high wurde. Man fing an zu schweben.

Die Haltung eines Billywigs war nicht nur verboten, sondern auch gefährlich. Bei zu vielen Stichen oder zu viel Gift im Körper hörte man nicht mehr auf zu schweben.

Skye und die Gruppe um sie herum waren aufgeflogen, weil Slughorn das Fehlen eines seiner Insekten merkte. Zuerst wurde vermutet, es sei abgehauen, doch die Lehrer und Vertrauensschüler hatten ihre Ohren überall und es dauerte nicht lange, bis die Slytherins fast alle gewonnenen Punkte und somit auch die Chance auf den Hauspokal verloren hatten.

Nachträglich hatte Saiph mir in einem Brief gebeichtet, dass auch sie in einer der ersten Runde mitgemacht hätte. Sie bereute es ganz offensichtlich und schwor mir, es nie wieder zu tun. Sie kniffen nur die Gewissensbisse und sie legte mir offen, dass sie überlegte, es unseren Eltern zu sagen.

Zuerst wusste ich nicht, ob ich enttäuscht oder stolz sein sollte. Doch der Stolz nahm ziemlich schnell mein gesamtes Gemüt ein, aus mehreren Gründen, mit denen ich Saiph antwortete.

Ich fand es gut, dass sie Dinge ausprobierte, auch wenn es nicht die besten waren. Sie lernte eindeutig aus ihren Fehlern und hatte ein gesundes Urteilsvermögen. Ich riet ihr dennoch davon ab, es Mum und Dad zu beichten. Es gab Dinge, die mussten Eltern nicht wissen, wenn sie auch noch so schlimm waren. Saiph hatte sich mir geöffnet und ich war eine der Personen, die sie am besten kannte. Sie würde ihr Versprechen halten und es nicht erneut tun.

Außerdem war ich einfach heilfroh, dass sie mir nichts früher erzählt hatte, sondern erst nachdem die anderen erwischt worden waren, sonst hätte es mich als Vertrauensschülerin in eine sehr unangenehme Position versetzt.

Skye und ihre Freunde wurden nämlich für das restliche Schuljahr suspendiert und verpassten somit die Abschlussprüfungen. Sie würden das Jahr wiederholen müssen und ich wusste, dass es Saiph wie mir ging, auch wenn meine Schwester es nicht offen zugeben würde: Wir waren froh und erleichtert, dass sie nun nicht mehr in denselben Jahrgang gingen.

Die entscheidenden Punkte verloren Lian und das Handymädchen, die von Finley nach neun Uhr dabei beobachtet wurden, wie sie in Flitwicks Büro einbrachen, um die Aufgabe der Zauberkunstprüfung zu erfahren. Finley haderte, ging schließlich aber doch zu Flitwick. Allen dreien wurden Punkte abgezogen, doch keiner war Finley böse. Gerade als Ravenclaws verletzte uns ein solches Verhalten des Handymädchens und vor allem Lians, der erneut versucht hatte, zu schummeln. Beide wurden suspendiert und Lian verkündete groß, dass es ihm reichte und er nie wieder einen Fuß in dieses Gebäude setzten würde.

Wie auch vor zwei Jahren bei Teddy und Shawn und letztes Jahr bei Katie, wurden alle nicht-Abschlussschüler nach dem Abschluss des offizielle Teils aus der Halle gescheucht. Anders als die Jahre davor gehörten wir heute nicht dazu.

Tori zitterte am ganzen Körper und fluchte durchgehend darüber, dass sie Nate hätte die Rede halten lassen sollen.

"Du schaffst das schon", versuchte ich sie zu beruhigen. "Deine Rede ist großartig, sei mal ein bisschen Selbstbewusster."

Das entlockte Tori ein Lächeln. "Hätte nie gedacht, dass du das jemals sagen würdest."

Ich lachte. "Glaub mir, ich auch nicht."

"Was ist, wenn sie die Witze nicht lustig finden? Ich hab meinen Ruf im sechsten Jahr echt in den Dreck gezogen. Die Hälfte hasst mich."

"Das stimmt doch gar nicht", widersprach ich. "Und selbst wenn, du hast jetzt Teddy, das weiß jeder. Ihr seid seit fast einem Jahr zusammen, deine Noten sind spitze, du bist Schulsprecherin. Also jetzt hör auf so ein Gesicht zu ziehen und zeig allen, dass du Teddy in seiner Rede übertrumpfen kannst."

"Ohne dich wäre sie niemals so gut geworden. Sicher, dass ich deine Hilfe nicht erwähnen soll?"

"Ganz sicher. Und jetzt will ich keinen Ton mehr davon hören. Du rockst das, damit basta."

Tori blieb still, doch so aufgeregt hatte ich sie tatsächlich noch nie erlebt.

Schließlich konnte ich ihr nur ein weiteres Mal viel Glück wünschen, da wir uns nach Häusern auf die bereitgestellten Bänke setzten, und hörte Professor McGonagall bei einer weiteren Rede zu.

Danach folgte noch eine Ansprache der Prüfungskommission, dann war Tori dran. Mit den drei Seiten Pergament in der Hand schlich sie auf das Rednerpult zu und räusperte sich.

"Guten Abend liebe Professoren, liebe Ministriumsabgeordnete, aber vor allem liebe Mitschüler. Lieber Abschlussjahrgang Zweitausendachtzehn."

Tori atmete tief durch, doch ihre Hand zitterte nach wie vor wie Espenlaub.

"Ja, jetzt ist es soweit. Wir stehen so kurz vor dem Abschluss und ich stehe hier. Etwas, von dem ich jahrelang geträumt habe und bis letztes Jahr nicht erwartet hätte, dass es wahr wird.

Bevor wir zum eigentlichen Teil kommen, möchte ich mich noch kurz bei Nate bedanken, dafür, dass er mir die Ehre überlassen hat, heute zu euch zu sprechen und dafür, dass er im letzten Jahr ein sehr guter Schulsprecher und Arbeitspartner gewesen ist."

Wir hatten ewig an diesem Satz gefeilt, damit es nicht falsch klang.

"Ich möchte heute über ein ganz besonderes Thema sprechen, welches unseren Jahrgang irgendwie stärker betrifft, als vielleicht andere Jahrgänge das Glück hatten. Dieses Thema ist Freundschaft."

Ich sah mich um und blickte überwiegend in schmunzelnde Gesichter. Gesichter, die das aussagten, was ich mir erhofft hatte.

Denn es stimmte. Trotz vieler Streitereien war unser Jahrgang einer der wenigen, die viele Freundschaften außerhalb der Häuser pflegten und auch wenn wir uns gegenseitig nicht alle leiden konnten, begegneten wir uns stets mit Respekt. Meistens jedenfalls, Lian zählte schon länger nicht mehr zu uns.

"Die vier Häuser unserer Schule sind unser Zuhause, doch trotzdem sind Freundschaften darüber hinausgewachsen. Und wir sind mit ihnen gewachsen. Das ist das andere Thema des heutigen Abends. Es geht ums Erwachsenwerden."

Ein leises Gekicher ging durch die Reihen, welches Tori verunsicherte. Ich versuchte ihren Blick aufzufangen, um sie zu beruhigen, doch sie schaute nicht in meine Richtung.

Erneut atmete sie durch, ihr Finger fuhr über das Pergament und sie setzte ein Lächeln auf, ehe sie mit einer etwas kräftigeren Stimme fortfuhr. Die Einleitung klappte gut, schon bald bemerkte ich, wie sich die Stille mit Respekt füllte.

"Es ist egal, wie lange jeder von uns schon weiß, dass er ein Zauberer ist. Egal, ob Reinblut, Halbblut oder Muggelgeboren, egal ob Heiler, Auror oder Quidditchspieler. Wir alle haben erkannt, dass zusammen mit dem Brief eine großartige Zeit vor unserer Tür liegt.

Doch niemand hatte erwartet, dass es so großartig werden würde. Denn die Dinge, von denen wir am wenigsten erwarten, dass sie geschehen, sind meist die besten Dinge, die uns passieren. Wir alle waren nervös am ersten Tag, das kann niemand bestreiten. So nervös wie wahrscheinlich auch jeder von uns am heutigen Tag ist. Aber ist es nicht verrückt, dass sich kaum etwas und doch so viel verändert hat?

Wir sind alle Älter geworden, haben dazugelernt, haben Freunde gefunden und andere gehen lassen. Und dennoch sitzen wir heute hier, alle gemeinsam nebeneinander, der Freiheit so nahe. Immer noch aufgeregt wie am ersten Tag, mit den gleichen bescheuerten Hüten und den gleichen bescheuerten Mitschülern."

Nun mussten selbst die Lehrer lachen und ich spürte, dass Tori alle auf ihrer Seite hatte.

"Ja, die Dinge haben sich gedreht und gewendet. Wir alle wurden durchgeschüttelt und hatten ab und zu eine schwierige Zeit. Umso mehr kann jeder Einzelne von uns nun stolz auf sich sein, egal, ob man den Abschluss geschafft hat oder nicht.

Es ist nicht selbstverständlich, dass wir uns allen das Privileg zu Teil wurde, hier zur Schule zu gehen. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir alle uns durch Geschichte der Zauberei und Astronomie gequält haben.

Deswegen können wir stolz sein. Auf das, was wir schon erreicht haben, und auf das, was wir noch erreichen werden. Auch wenn es bei den meisten von uns vielleicht nie dafür reicht, ein perfektes Prüfungsergebnis zu erzielen und fast direkt als Heiler eingestellt zu werden."

Die Köpfe drehten sich in unsere Richtung, und Liv, welche neben mir saß, stimmte in das Lachen der anderen mit ein.

"Erwachsenwerden ist beängstigend. Man weiß nie, was einen erwartet und was als nächstes passieren wird. Einige werden sich in das Berufsleben stürzen, ob erfolgreich oder nicht kann uns auch Professor Trelawney nicht sagen. Andere werden die Welt bereisen und Erfahrungen sammeln, die keine sieben Professor Slughorns uns berichten könnten."

Jubel strich durch die Reihen und der alte Zaubertränkemeister schmunzelte. Etwas wehleidig dachte ich an die unzähligen Ausschweifungen seines Unterrichts zurück, zu jeder Anekdote eine weitere. Es gab definitiv Dinge, die ich vermissen würde.

"Wieder andere lassen sich treiben, anstatt mit oder gegen den Strom zu schwimmen. Vielleicht heiraten einige von uns bald, setzen Kinder in die Welt oder lieben einzig und allein sich und den süßen Geruch der Luft außerhalb der Schule.

Erwachsenwerden ist beängstigend, weil niemand sagen kann, wohin wir gehen. Bleiben wir hier? Fahren wir nach Hause? Wohnen wir in London, ziehen wir in die Welt hinaus oder verkriechen uns irgendwo in der Pampa von Wales?"

Septimus Selwyn und Ralph Dover jaulten laut auf und steckten die anderen an.

"Wir wissen nicht, was wir später einmal machen werden. Selbst, wenn wir nun anfangen unseren Träumen zu folgen und Pläne zu schmieden, kann niemand wissen, wo wir in fünf Jahren stehen werden. Außer vielleicht Cole, wenn du nicht irgendwen herumkommandierst, gebe ich die Hoffnung auf."

Tori hatte es geschafft, Cole Flawley zum Lachen zu bringen. Als dies mir bewusst wurde, klarte sich auf, dass Tori eine blendende Zukunft vor sich hatte. Sie konnte wirklich alles erreichen.

"Erwachsenwerden ist Angst einflößend, weil wir nie wissen, wen wir auf unserem Weg noch treffen werden. Wen wir einstecken, wen wir verlieren, an wem wir vorbeiziehen und wen wir vielleicht eines Tages wiederfinden.

Wir können nicht immer wissen, wieso die Dinge so sind wie sie sind, warum es auf die Art geschieht, auf die es eben geschieht. Manchmal erkennen wir unsere Fehler erst Jahre später, manchmal wirken sie sich erst Jahre später aus. Aber dann wird es passiert sein und Fehler machen ist gut. Wir lernen aus ihnen, häufig mehr als in den letzten sieben Jahren, und vor allem lernt jeder individuell für sich. Denn Fehler gehören zum Leben dazu.

Wenn wir Fehler verzeihen, teilen wir Erfahrungen. Und mit etwas Glück verstehen wir dann, warum die Dinge so sind, wie sie sind."

Ohne es zu wollen, drehte sich mein Kopf zu Alia und ich stellte erschrocken fest, dass ihr Blick schon starr auf mich gerichtet war.

Niemand wusste, dass ich diesen Absatz über Shawn geschrieben hatte. ich hatte es niemandem gesagt. Einige meiner Freunde vermuteten es vielleicht, aber niemand wusste es. Niemand, außer Alia.

Dies war der Moment, indem ich sie als Freundin erst richtig schätzen lernte. Niemand verstand mich so gut wie Lil, und egal wie durchgeknallt und nervig sie manchmal sein konnte, ich wollte kein Leben ohne sie führen.

"Wir werden neue Freunde finden, das ist unvermeidlich."

Tori riss mich zurück ins Hier und Jetzt und versetzte mir sogleich einen Stich. Diese Worte stammten allein von ihr und auch wenn sie wehtaten, bestanden sie aus purer Wahrheit.

"Uns werden immer wieder Menschen über den Weg laufen, seien es nun Zauberer oder nicht, die sich den Weg in unser Herz bahnen. Oder eben auch nicht.

Aber keiner kann die Freundschaften nehmen, die hier entstanden sind. Denn alte Freunde kann niemand ersetzen. Genauso, wie niemand die Erinnerungen ersetzen kann.

Es ist egal, ob wir immer noch die gleichen Freunde haben wie am ersten Tag, ob welche dazugekommen oder welche verloren gegangen sind. Wir alle teilen Erinnerungen, die uns keiner nehmen kann.

Denn Erinnerungen vereinen uns."

In der Halle war es totenstill und alle hingen gebannt an Toris Lippen. Sie hatte sich den höchsten Tribut eines Publikums verdient - die gesamte Aufmerksamkeit jedes Einzelnen gebrühte ihr.

"Ich wage zu behaupten, dass jeder von uns in diesem Raum mindestens einen Menschen hat, den niemand ersetzen kann. Dass jeder von uns mindestens einen Freund hat, der für immer bleibt. Denn wahre Freunde bleiben für immer."

Tori warf einen Blick auf uns und Tränen stiegen ihr in die Augen.

"Die, die uns kennen. Die, die uns lieben. Die, die immer da sein werden, wenn wir sie nahe bei uns behalten.

Wir alle sind gemeinsam durch sieben verrückte Jahre gegangen und nun wurde uns das Tor zu vielen weiteren geöffnet, weil mittlerweile sogar alle den Alohomora beherrschen."

Die Blicke vielen auf Max Cauldwell, der nach Jahren auch darüber lachen konnte.

"Damit möchte ich mich bei allen Lehrern bedanken, bei unserer Schulleiterin Professor McGonagall, bei der Prüfungskommission, bei unserem alten Hausmeister Mr Filch und unserer neuen Hausmeisterin Miss Zeller. Aber vor allem möchte ich mich bei euch allen bedanken. Ich möchte mich bei uns allen bedanken. Für sieben Jahre, die uns alle geprägt und geformt haben. Wir teilen gute, schlechte, lustige, traurige, ernste und fröhliche Momente miteinander.

Dabei ist es egal, ob wir uns leiden können oder nicht, denn die Wahrheit ist, dass wir heute als einundvierzig erwachsene Hexen und Zauberer gegenüber von einander stehen. Nebeneinander stehen.

Wissen wird uns im Leben helfen, aber Freundschaft bringt uns weiter.

Ich hoffe mit ganzem Herzen, dass jeder von uns seine verlorenen Freunde wieder aufsammeln oder ohne Schmerz an sie zurück denken kann. Und dass wir alle irgendwann mit einem seligen Gewissen auf Hogwarts und unsere Zeit hier zurückblicken können und beides als unser Zuhause erkennen werden.

Ich danke euch."

Der Applaus erhob sich mit den Schülern und erinnerte mich an den Lärm auf dem Gleis neun dreiviertel. Mit Rauschen in den Ohren und Tränen in den Augen dachte ich daran, dass wir in weniger als zwölf Stunden zum letzten Mal den Zug nach Hause nehmen würden.

Nach Hause klang so fremd in meinen Ohren - wo fühlte ich mich zu Hause?

Bei meiner Familie sicher nicht, doch auch Shawn und ich hatten noch einiges zu klären.

Momentan fühlte ich mich in Hogwarts zu Hause. Denn das Schloss konnte nichts dafür, dass ich mich von den Prüfungen so sehr habe stressen lassen.

Ich wollte nicht gehen. Ich wollte wissen können, nach dem Sommer wieder zurückzukehren. Schon wieder fühlte ich mich aus meinem Zuhause vertrieben, herausgerissen. Nicht fähig, mich vernünftig zu verabschieden.

Und dennoch standen wir um halb elf auf dem Bahnhof in Hogsmeade und wie Shawn vor zwei Jahren starrte ich traurig auf Hogwarts zurück - nur mir entwich eine Träne.

Obwohl ich seekrank war, hatte ich die Rückfahrt mit den Booten ohne weitere Zwischenfälle verkraftet. Ich war viel zu abgelenkt von Alia und Olivia gewesen, die sich an alle lustigen Momente der letzten sieben Jahre erinnerten.

"Kassy, kommst du?", rief Lil, welche bereits auf der Stufe zur Tür stand und sich mit einer Hand an dem Griff festhielt. "Ich will ein Abteil für mich, wir müssen es schließlich ausnutzen, schon so früh hier zu sein."

Nach und nach füllte sich der Bahnsteig mit Schülern, die mit den Kutschen gefahren waren.

"Sucht euch eins, ich komm gleich nach", ließ ich Lil wissen. Sie verschwand sogleich im Zug.

Ein letztes Mal blickte ich sehnsüchtig auf die Mauern zurück und spürte wieder das Stechen im Herzen.

Ich würde mein Zuhause nun für immer verlassen. Auch wenn die letzten zwei Jahre hart gewesen waren und ich froh, dass es endlich vorbei war, schmerzte es zu wissen, dass sich alles verändern und ich niemals wieder zurückkehren würde.

Teddy hatte recht gehabt; seelischer Schmerz tat so verdammt weh.

Dies bekam ich erneut zu spüren, als ich Shawn in London auf dem Bahnsteig warten sah.

Zuerst zog sich mein Herz unangenehm zusammen und ich ging fast in die Knie.

Er sah aus wie immer, nur irgendwie anders. In seinem Gesichtsausdruck lag Stress verborgen und er spielte nervös an seiner Uniform herum. Die spezielle Aurorenkleidung stand ihm so unglaublich gut.

Neben Shawn lehnte Teddy, deutlich gelassener. Seine Haare waren mittlerweile nicht mehr türkis, sondern zurück zu ihrer Naturhaarfarbe braun (wie wir zumindest vermuteten) verändert worden. Es lag an seiner Ausbildung, an den Wochenenden färbte er sie manchmal in den wildesten Nuancen.

Tori sprang breit lächelnd aus dem Zug und Teddys zur Begrüßung hochgehobene Hand war nicht mehr notwendig - Tori wusste genau, wo er stand und rannte schon auf ihn zu.

Als die beiden sich in den Armen lagen, was mein Herz aufgehen ließ, fiel Shawns Blick schließlich in die Richtung, aus der Tori gerannt kam und traf sogleich auf meinen.

In diesem Moment betrat ich das Auge des Sturms.

Der Tornado, der die ganze Zeit in meinem Inneren gewütet hatte, den ich über die letzten Jahre geschaffen hatte, umschloss mich in seinem Zentrum. Das erste Mal blickte ich mich um und erkannte, was dort meterhoch in jeder erdenkliche Richtung um mich herum bestand. Ich gestand mir ein, dass das, was ich dort produziert hatte, nun nicht mehr zu ignorieren war.

Doch ich befand mich genau im Mittelpunkt des Unwetters. Alles um mich herum legte sich, es wurde ruhig, und ich befand mich in einem Gefühlszustand, als würde ich fliegen.

Sofort schossen mir Tränen in die Augen und ich fing an zu zittern. Shawns Augen glitzerten und er biss sich auf die bebende Unterlippe. Seine Hände lösten sich von der hellgrauen Anzugweste und seine rechte Handfläche öffnete sich leicht in meine Richtung.

Diese nonverbale Frage beantwortete ich, indem ich Finley und Nate von mir fast über den Haufen rannte. Im nächsten Moment lag ich in Shawns Armen und er drückte mich fest an sich.

"Es tut mir so leid", schluchzte er in meine Haare und drückte mich noch fester. "Es tut mir so so leid."

Ich ließ ihn nicht los, nicht mal, als meine Zehenspitzen anfingen wehzutun und ich kaum noch Luft bekam. Meine Arme waren einfach nur um seinen Hals geschlungen und ich drückte mein verheultes Gesicht in seinen Umhang.

Helena hatte recht gehabt, ich hatte Shawn schon längst verziehen. Daran konnte auch kein Hut etwas ändern. Ich konnte jeden noch so fiesen Gedanken verbannen, ich liebte diesen Jungen aus ganzem Herzen. Die augenscheinliche Unterbrechung des Sturms ließ mich endlich wieder klar sehen.

"Versprich mir, dass du mir sowas nie wieder antust", weinte ich irgendwann.

"Versprochen." Shawns Stimme brach und er schniefte. "Versprochen. Bei meinem Leben."

Der Nachteil am Auge des Sturms war, dass er nicht einfach abflaute, nur weil man sich im Mittelpunkt befand.

Denn er hörte nie auf sich zu bewegen. Der Sturm würde weiterziehen und man selbst sich erneut in Mitten reißender Winde wiederfinden, zwischen Leben und Tod, hin und her geschleudert.

Er würde wachsen. Aus der Brise würden starke Winde, aus den Winden ein Wirbelsturm werden. Und er würde nach dem Auge noch stärker werden. Die Verwüstung, die er hinterließ, war groß.

Schlimmer als die Verwüstung würde jedoch sein, dass man das Chaos und die Verluste ertragen musste. Wenn man selbst noch lebte.

ϟ          ϟ          ϟ

Unsere Friends haben also endlich ihren Abschluss (zumindest für dieses Jahr, wer weiß schon, ob es alle geschafft haben) und ich konnte nicht anders - ich habe es als Anlass für ein Edit gesehen.

https://youtu.be/3cWIS0xvSX4

Wie fandet ihr Toris Rede?

Und glaubt ihr dem Hut?

Wie auch die anderen stellen wir uns jetzt den letzten Fragen:

28. What do you most want to hit the screenplay writers for?

Dass Ginny so ein Weichei und Harry so eine Nervensäge ist. Oh, und dass das mit Moody im vierten Teil so OBVIOUS war und dass sie die ganze Story um Remus und Tonks und Teddy komplett ignoriert haben

29. What character would you play?

Das ist schwierig! Hermine wäre natürlich cool und nachdem mein älterer Aupair-Boy mir gesagt hat ich sehe aus wie sie (immer noch größtes Kompliment, was ich jemals erhalten habe xD), wäre ich wohl damit einverstanden. Aber für Ginny würde ich mir auch ohne zu zögern die Haare wieder rot färben.

30. How would you sum up Harry Potter in one word?

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Ich lass das jetzt einfach mal so stehen :)

Bis demnächst, Amelie :)

Next Update ⥋ 11.06.2020 (Thursday)

[06.06.2020]

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