Kapitel 35 ϟ Genuineness
Wanted (String Mix) - OneRepublic ♪♫
"Alles hat damals angefangen, als ich zur Schule gekommen bin. Du fragst dich bestimmt, wie ich mit der Einstellung meines Vaters zur Schule gehen durfte. Das war eine der Bedingungen.
Wie du ja weißt, ist mein Dad nicht mein richtiger Dad. Theo ist mein leiblicher Vater. Das ist alles, was ich weiß, was meine Mum mir erzählt hat:
Sie hat Theo damals in London kennengelernt. Nach einiger Zeit kamen sie zusammen, obwohl Theo nur zum Studieren in England gelebt hat. Meine Mum wurde schwanger und hat es Theo auch relativ bald gesagt. Er hat sich gefreut, wollte sie heiraten, aber es kam wie es kommen musste. Er fand es raus. Er hat rausgefunden, dass Mum eine Hexe war, denn sie hat es ihm nicht gleich gesagt.
Und er ... er bekam Angst. Er hatte panische Angst und dazu ein Jobangebot im Ausland. Weg war er. Und meine Mum? Hochschwanger von einem Muggel, sitzen gelassen mit einem gebrochene Herzen.
Meine Großeltern wussten, dass niemand eine hochschwangere Hexe, noch dazu mit dem Kind eines Muggels, heiraten würde. Zumindest nicht allzu bald, und sie wollten auf gar keinen Fall, dass meine Mum zur Alleinerziehenden wird. Da kam ihnen mein Vater gerade recht.
Durch den ganzen Krieg und die Nachkriegs-Verhandlungen ist den Boles viel Geld abhanden gekommen. Geld, das meine Großeltern besaßen. Der Deal war leicht:
Lucian heiratet eine hochschwangere Blutsverräterin, dafür wurde er aus der verborgen Geldkrise gezogen. Versteh das nicht falsch, die Familie meiner Mutter ist nicht rassistisch, nur sehr auf die Äußerlichkeiten fixiert. Und in ihren Kreisen wird es alles andere als gut angesehen, wenn die Tochter aus einer Muggelaffäre schwanger und allein hervorgeht. Na ja, im Endeffekt bekam jeder, was er wollte: Der Name Bole wurde gerettet, der Name Flitwick wurde gerettet. Dass das Kind ... dass ich nicht von Lucian war, wurde geheim gehalten.
Aber meine Mum hatte Bedingungen. So wie Dad auch Bedingungen hatte. Ich sollte, wie viele reinblütige Kinder, nach einem Stern oder einem Sternenbild benannt werden. Um meine Herkunft zu verstecken. Die Wahl fiel auf Cassiopeia. Doch wie du vielleicht schon gemerkt hast, wird mein Name anders geschrieben. Mit K anstatt mit dem üblichen C. Mein leiblicher Vater ist Schwede, in Schweden schreiben sie Cassiopeia mit K. Meine Mum hat nie aufgehört Theo zu lieben, trotz allem, was er getan hat. Sie wollte mich nicht ohne Verbindung zu ihm großziehen.
Das war die erste Bedingung. Die Zweite war eine private Sache zwischen den beiden und meinem Großvater ... Lucians Dad. Er ... wollte sichergehen, dass Mum Dad auch wirklich heiratet und nicht abhaut. Die Abmachung war also, dass Mum für immer bei Dad bleiben musste. Mit zwei Ausnahmen: Dad löst die Ehe, oder ich wäre keine Hexe, sondern ein Muggel geworden. Dann hätte unser Tod durch einen Unfall vorgetäuscht werden und Mum mit mir abhauen sollen. Mum wollte für ein sicheres Zuhause für mich garantieren und verlangte daher, dass ich und jedes weitere Kind, welches noch entstehen sollte, zur Muggelschule gehen dürfe und sie in einem normalen Haus in einer normalen Nachbarschaft wohnen.
Mein Großvater hat diese Abmachung besiegelt ... er hat meine Eltern gezwungen, einen Unbrechbaren Schwur zu leisten. Deswegen verlässt meine Mum Dad nicht. Sie kann nicht. Sie würde sterben. Und da sie zu diesem Zeitpunkt kurz vor meiner Geburt stand, sind wir nicht sicher, ob mich das gleiche Schicksal ereilen würde.
Meine Fähigkeiten haben sich relativ früh gezeigt. Mum hat mir erzählt, ich habe schon bevor ich laufen konnte nachts immer das Licht angezaubert, wenn es mir zu dunkel war. Damit war Mums Teil erfüllt, Dad kam nicht drum rum, seinen einzuhalten.
Das bedeutete für mich: Im Alter von fünf bis fast zwölf Jahren bin ich außerhalb unseres Hauses ein normales Kind. Ich bin auf zwei verschiedene Schulen gegangen. Ich habe mich gefreut, auf ein paar andere Kinder zu treffen als nur auf die, von denen mein Vater es wollte. Nico Goyle und Dorothy Stevens ... ich kenne sie seit Ewigkeiten. Ich habe sie vor meiner Schulzeit oft gesehen. Ich glaube, sie erinnern sich kaum noch an mich ... Sie mochten mich nicht wirklich ... Aber ich habe sie nie vergessen.
Die ersten drei Jahre habe ich die Schule in unserer Nachbarschaft besucht. In meiner Klasse habe ich wenig richtige Freunde gehabt, aber mit einem Mädchen habe ich mich super verstanden: Frankie Collins.
Frankie war auch eine Hexe. Wunder dich nicht, sie geht nicht nach Hogwarts. Ihre Familie unterrichtet sie Zuhause. Sie ist Halbblut und genießt deswegen eine Erziehung in beiden Welten - sie besucht wohl mittlerweile die normale Upper School und wird nachmittags und an den Wochenenden von ihrer Mum in Sachen Zauberei unterrichtet. Ich weiß es nicht genau, sie ist irgendwann weggezogen und ich habe sie nie wieder gesehen ...
Weil Frankie genauso anders war wie ich, sind wir schnell Freunde geworden. Natürlich durften wir niemandem von unseren Fähigkeiten erzählen, nicht mal unsere Lehrer wussten davon. Aber wenn wir alleine Zeit miteinander verbracht haben, konnten wir einfach Kinder sein und uns unterhalten, ohne ständig darauf achten zu müssen, was wir sagten.
Wir haben uns oft nachmittags zum Spielen verabredet, wann immer ihre Mum es erlaubte. Sie erhielt schon damals den ersten Unterricht ... Deswegen bin ich auch so gut in Zauberkunst. Ich habe manchmal dabei sein dürfen, hab viele hilfreiche Tricks gelernt und vor allem viel Theorie. Wir haben aber auch bei mir gespielt, wenn Dad arbeiten musste und nicht zu Hause war. Ich würde sagen, sie war meine beste Freundin.
Und dann gab es da Ivana Laine. Sie ging auch in unsere Klasse und verstand sich mit Frankie und zu Beginn auch mit mir. Aber nach einiger Zeit merkte ich, dass sie sich mit den anderen Mädchen aus meiner Klasse über mich lustig machte. Keines wollte mit mir befreundet sein, ganz zu schweigen von den Jungs. Es gab nur einen einzigen Jungen aus unserer Klasse, der Ivana nicht vergötterte. Finnick Fellmen, ich glaube er mochte mich, wir haben auch häufiger miteinander gespielt und unsere Mums sind noch heute befreundet.
Das hat aber nichts daran geändert, dass Ivana mich nicht mochte. Ich habe mich gefragt, wieso, was ich vielleicht falsch gemacht hatte, denn zu Anfang schienen wir uns ja zu verstehen. Ich dachte, ich verhielt mich vielleicht komisch oder anders. Ich dachte, vielleicht merkte sie, dass mit mir etwas nicht stimmte, weil ich eine Hexe war. Doch Frankie war ebenso eine Hexe und Ivana mochte Frankie.
Und genau das war der Punkt. Es ging schon vorher los, Ivana hackte ständig auf mir rum, machte sich über mich lustig, hetzte andere Mädchen gegen mich auf. Wenn ich mich meldete, um etwas zu sagen, lachte sie; wenn ich mitspielen wollte ließ sie mich, nur um mich dann bloßzustellen und mit allen anderen über mich zu lachen; und wenn ich mal nichts falsch gemacht, wenn ich nichts durch meine Tollpatschigkeit umgeworfen hatte oder nicht durch meine Gutgläubigkeit ein weiteres Mal auf sie reingefallen war, kritisierte sie meine zu groß aussehende Schuluniform, meine Haare, meine Größe allgemein, meine gemalten Bilder, meine Handschrift, meine Schuhe und mein Unwissen über die Muggelwelt.
Zugespitzt hat es sich dann auf einem Schulausflug am Anfang der zweiten Klasse. Finnick, ein paar andere Kinder und ich haben uns über Ivana aufgeregt. Ein Junge hat sie als Schnepfe bezeichnet. Das scheint irgendein Muggelausdruck zu sein, ich weiß bis heute nicht, was dieses Wort bedeutet. Aber ich habe, wie die anderen auch, gelacht und zugestimmt.
Wie ich gesagt habe, Kinder können grausam sein und nicht nur Ivana war es. Ein Mädchen, welches uns lachen gehört hat, ist zu Ivana gerannt und hat ihr alles erzählt. Und Ivana, die ihre Chance gesehen und genutzt hatte, hat es bei der nächst besten Lehrerin gepetzt. Sie hat ihr erzählt, ich hätte sie beleidigt und schlimme Dinge über sie gesagt. Ich wurde zu einem Einzelgespräch mit Ivana und unserer Klassenlehrerin geholt. Ivana hat geheult, weswegen sie sofort in der Opferrolle gesehen wurde. Dass ich versuchte, die Situation zu erklären, dass Finnick meine Unschuld bezeugen konnte und dass Ivana mich zwei Jahre lang geärgert hat, hat sie nicht interessiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie von nichts gewusst hat. Oder von nichts wissen wollte.
Ich hab dann jedenfalls erst mal einen Einlauf bekommen. Jeglicher Versuch die Sache aufzuklären hat mir nur noch mehr Ärger eingehandelt. Ich wolle die Schuld auf andere schieben. Ich solle keine Wörter einfach so sagen, wenn ich keine Ahnung hätte, was sie bedeuten. Das könne andere verletzten. Ich musste mir all diese Vorwürfe meiner Lehrerin anhören, während Ivana hinter ihrem Rücken fies grinste.
Ich weiß noch, wie ich krampfhaft versucht habe, nicht zu weinen. Doch als Ivana dann auf einmal das Thema Frankie ansprach, konnte ich es nicht mehr zurückhalten. Unsere Lehrerin holte Frankie dazu und dann tat Ivana das, was sie am besten konnte: Lügen.
Sie hat allerlei Geschichten erfunden, alles, was sie mir auf dem Schulhof angetan hatte, umgedreht. Ich weiß noch, wie sie unter Tränen ihren letzte Satz geschluchzt hat: "Kassiopeia nimmt mir Frankie weg." Ja, so geschockt habe ich in etwa auch geschaut. Ich würde mich angeblich nur noch mit Frankie treffen, sodass Ivana kaum Zeit mit ihr verbringen könne.
Frankie hat nichts dazu gesagt ... Ich glaube, sie hatte Angst vor Ivana. An diesem Punkt war ich schon am Ende, aber meine Lehrerin konnte alles noch schlimmer machen. Sie sagte mir, ich solle mir andere Freunde suchen, mit den ich spielen kann, und Frankie teilen.
Mein drittes Schuljahr hat sich so hingezogen. Frankie sprach kaum noch mit mir. Ich weiß nicht, warum. Ivana erzählte weiter Lügen über mich, nutzte mich aus, zerbrach jede kleine Freundschaft, die ich mir aufgebaut hatte. Sie schaffte es sogar, dass Finnick am Ende nicht mehr mit mir reden wollte. Das einzige, worin ich noch wirklich gut war, war der Unterricht. Ich habe zwar nicht viel gesagt, doch ich habe versucht, das Bestmögliche aus meinen Aufgaben herauszuholen.
Jetzt grins nicht so, ich weiß genau, was du denkst! Kassy, der kleine Streber, war schon in der Grundschule so verbissen gewesen. Weißt du, warum? Wir sollten Referate halten, für dessen Bearbeitung wir nur in der Schule Zeit hatten. Die ganze Klasse hat ihre Arbeit mit nach Hause genommen und dort gearbeitet. Nur ich nicht. Ich wollte mich an die Regeln halten, nicht schon wieder Ärger kriegen. Nach dem Vorfall auf dem Ausflug war ich in den Augen der Erwachsenen die Böse. Ich wollte niemandem einen weiteren Grund geben, sauer auf mich zu sein.
Du kannst dir vorstellen, worin das geendet hat. Zweiundzwanzig fertige Referate, nur Kassiopeia Bole stand mit fast leeren Händen dort. Am Elternsprechtag hat meine Lehrerin meine mangelhafte Leistung angesprochen. Ich sei deutlich aus dem Muster gefallen, was das Tempo und den Vortrag an sich anginge.
Diesmal war meine Mum an meiner Seite, deswegen habe ich mich getraut, zu sagen, woran es gelegen hat. Und rate mal, was meine Lehrerin gesagt hat: "Dann muss du das das nächste Mal eben auch machen, wenn alle anderen das tun." Mir wurde im Alter von sieben Jahren gesagt, ich solle mich aufgrund des Gruppenzwangs gegen die Anweisungen des Lehrers stellen.
Das kam mir so falsch vor, dass ich mit geschworen hatte, genau das nie zu tun. Dass ich in Zukunft härter arbeiten würde und meine Ziele fair erreichen würde. Irgendwann ist es zur Gewohnheit für mich geworden, immer über das Ziel hinauszuschießen und das Beste aus mir herauszuholen. Aber es fällt mir nicht schwer, verstehst du? Vor allem seit dem ich hier bin, macht mir das Lernen Spaß. Manchmal habe ich das Gefühl, es ist das Einzige, in dem ich wirklich gut bin.
Aber ich habe es überlebt, ich dachte, ich sei alle Probleme los, als ich endlich auf die Primary School gehen durfte. Finnick zog ans andere Ende der Stadt, in einen anderen Schulbezirk. Ivana bin ich losgeworden, sie wurde von ihren Eltern auf eine teure Privatschule geschickt. Doch das Verhältnis zwischen Frankie und mir hatte sie trotzdem zerstört.
Wir gingen auf dieselbe Schule, aber nicht mehr in dieselbe Klasse. Mit Ivanas Verschwinden trafen wir uns zwar wieder, zumindest ab und zu, doch der Schulaufwand wurde größer, der Schulweg länger. Frankie fand neue Freunde.
Genaugenommen eine neue beste Freundin. Foxie Evans. Es muss im November gewesen sein, draußen war es kalt und nass. Wir mussten mit dem Zug zur Schule fahren. Die Scheiben waren natürlich beschlagen und ich würde mir eher Gedanken über Kinder machen, die nicht mit den Fingern an beschlagenen Scheiben malen.
Foxie hat angefangen, hässliche Gesichter an die Scheibe zu schmieren. Weißt du ... Kinder sind grausam. Nach drei anderen Namen folgte auch ein Pfeil von einem Gesicht weg, der meinen Namen las. Und rate, wer ihn geschrieben hat - Frankie.
Von da an waren die Seiten wohl geklärt. Wieder stand ich alleine da. Meiner Mum hatte ich zwar davon erzählt, doch sie nahm sich keine Zeit für mich und hat einfach nur gesagt: "Vielleicht bist du Schuld, überleg mal, was du falsch gemacht hast."
Ich verzeihe ihr die Worte. Die Situation mit meinem Dad war zu diesem Zeitpunkt nicht leicht gewesen und Mum psychisch am Ende. Aber vergessen konnte ich es nicht. Und erzählt habe ich ihr auch nie wieder etwas.
Deswegen hat es keiner mehr mitbekommen, aber Foxie schien großen Gefallen an mir gefunden zu haben, da ich mich als einzige nicht gewehrt hatte. Der Winter war noch lang, jeden Morgen fand ich ein neues Gesicht an den Scheiben. Sie lachte ständig über mich, rief Beleidigungen durch den Zug. Es war nicht selten, dass Papierkugeln den Weg in meine Haare fanden oder einfach der ganze Rucksack voller Papiermüll über meinem Kopf ausgeschüttet wurde. Im Sommer wurde ich mit Wasser bespritzt. Im Winter wurden meine Mütze und Handschuhe durch den Waggon geworfen.
Das letzte Mal in meinem Leben habe ich mich zur Wehr gesetzt: Nachdem ich wieder mit Papier beworfen wurde, bin ich aufgestanden und habe ihr gesagt, dass sie mich in Ruhe lassen soll. Sie hat mich nur angelächelt und den Kopf geschüttelt.
Im nächsten Moment ist alles so schnell gegangen. Der Zug hat gebremst, ein Rucksack auf der Gepäckablage ist verrutscht und ein Buch aus ihm auf Foxies Kopf gefallen.
Das war der stärkste magische Ausbruch, den ich je erlebt hatte. Natürlich hatte ich sofort gewusst, was passiert ist, weswegen ich mich aus Reflex entschuldigt habe. Foxie, als Muggel ahnungslos von Magie, dachte, ich hätte ihr das Buch mit Absicht über den Kopf geschlagen. Stell dir vor, danach hat sie mich nie wieder geärgert. Nur ein letztes Mal hat sie mir ein Bein gestellt und ich habe mir die gesamte Schuluniform aufgerissen. Aber hey, es war ruhig.
Für eine Weile. Bis ich verstanden habe, dass sie nur ihre Strategie gewechselt hatte. Plötzlich wurden ziemlich unschöne Dinge über mich verbreitet. Wieder stand ich ohne richtige Freunde dar. Im Unterricht konnte ich mich kaum konzentrieren, da ich bei jedem Flüstern fast in Tränen ausbrach. Es hätte ja um mich gehen können.
Es war psychische Folter. Da hat es angefangen. Ich habe mich unsichtbar gemacht. Wenn andere mich nicht sahen, konnten sie auch nicht über mich flüstern. Du ... weißt ja genau, wie das aussieht. Gekrümmte Schultern. Haare vor dem Gesicht. Stillschweigen.
Und die Mauer, die ich angefangen habe, aufzubauen. Ich wollte einfach nur allein sein. Niemanden sehen, vor allem niemanden hören. Doch ich wurde nicht nur taub für das Flüstern. Ich wurde taub für alles.
Nach der sechsten Klasse fragte niemand, welche Schule ich im nächsten Jahr besuchen würde. Ich log Zuhause über die Abschlussfeier und ich bin nicht hingegangen. Meine Mum hat Wind davon gekriegt und mich endlich ernst genommen. Sie stand auf meiner Seite, aber ich glaube, sie hat nie wirklich verstanden, was eigentlich passiert ist.
Wir wussten beide, Hogwarts würde ein Neuanfang sein. Es passierte endlich das, was ich immer wollte: Niemand kannte mich. Niemand wusste von meiner Vergangenheit. Ich durfte von vorne anfangen und ich bemühte mich wirklich.
Ich ... ich muss zugeben, nachdem ich damals in euer Abteil gestürzt bin und Dave mich so angeschnauzt hat, war ich kurz davor, aufzugeben und mich auf der Toilette zu verstecken. Aber dann bin ich in Tori gerannt.
Ich war einfach nur heilfroh, dass ich von jemandem angesprochen wurde und folgte Tori in das Abteil. Dort traf ich die wohl wichtigsten Menschen meines Lebens.
Tori war von vornherein sehr offen und unterhielt sich in den Pausen oder im Unterricht häufiger mit mir, genau wie Katie. Die beiden kannten sich durch Teddy, da er für Katie das gleiche getan hatte, was Tori für mich tat. Sie wusste, dass ich eher ein stillerer Typ war und nahm mich an die Hand, wofür ich hier heute so dankbar bin, dass ich mich immer noch schäme, sie vor den Ferien so blöd angemacht zu haben.
Teddy erkannte relativ schnell, dass ich einiges auf dem Kasten hatte. Bei vielen Dingen konnte ich ihm weiterhelfen. Im Gegenzug hatte er mir einfache Zauber aus den höheren Klassen gezeigt. Er war ... für mich eine Art großer Bruder, weißt du? Jemand, mit dem ich reden konnte. Der mich wertschätzte und ernst nahm.
Olivia lernte ich im Schlafsaal kennen. Es war lustig - sie war von Anfang an beliebt und so viele wollten mit ihr befreundet sein, doch sie unternahm so viel mit Alia und mir.
Alia war genauso still wie ich. Ich kann mich nicht an unser erstes richtiges Gespräch erinnern, aber sie war einfach immer da, verstehst du? Tori hatte sich wie bei mir um sie gekümmert. Wir haben beide unser Bestes gegeben und nach kurzer Zeit gemerkt, dass wir relativ viel gemeinsam hatten.
Ich glaube, wäre Mel nicht gewesen, wären wir viel schneller zu dem geworden, was wir jetzt sind. Aber Mel war da. Sie war ... zu Beginn sehr lustig und sympathisch. Ich war es nicht gewohnt, so viele Freunde um mich zu haben und versuchte daher, es allen recht zu machen. Ich wollte niemandem einen Grund geben, mich nicht zu mögen. Also horchte ich meist auf das, was Mel sagte.
Zu Anfang verbrachte ich noch gleichviel Zeit mit allen, aber die Flints hatten es besonders gerne auf Erstklässler abgesehen. Vor allem Gree hatte einen Riesenspaß daran, sich über mich lustig zu machen. Ich weiß bis heute nicht warum, ich denke aber, sie hat es mit allen getan. Aber ich habe gemerkt, dass meine Freundschaft zu Mel mich davor beschützten konnte. Also verbrachte ich mehr Zeit mit Mel. Gree verlor die Lust.
Mel nicht. Sie hielt mich an der kurzen Leine. Natürlich hatte ich in meinen Briefen nach Hause auch viel über sie geschrieben. Und an diesem Punkt ging das Drama mit meinem Dad los.
Mein Dad wollte mich krampfhaft in Slytherin haben. Ich war seine große Hoffnung. Er wollte, dass ich die Karriere hinlegte, zu der er es nie gebracht hatte. Hat sich gefreut, dass ich Mel als Freundin gefunden habe. Das war alles was zählte. Er hat noch nie richtig zugehört. Er hatte sich auch für nichts interessiert als die Dinge, die auf Leistung abzielten. Nur das gesehen, was er sehen wollte. Er dachte, er sei erfolgreich gewesen und schwelgte in Selbstlob.
Er hat sofort angenommen, ich sei nach Slytherin gekommen. Er las keinen einzigen meiner Briefe selbst. Und meine Mum verpasste den Moment, es ihm zu sagen.
Zuhause war es kein Thema. Nach außen hin musste Dad so tun, als sei es keine Leistung, sondern völlig normal. Meine Schwester kam auch nach Slytherin, es war einfach nichts, was je zur Sprache kam.
Ich hatte selbst ewig keine Ahnung, dass Dad im Unwissen lag und Mum ... ich weiß auch nicht, was sie sich dabei gedacht hat.
Es ist so verrückt, weißt du, wie lange das ganze gehalten hat? Vier Jahre. Saiphs komplettes erstes Schuljahr. Dads Freunde von der Arbeit hatten entweder keine Kinder oder interessierten sich genauso wenig für sie, wie Dad es für uns tat. In den Ferien musste er immer arbeiten, häufig Nachtschichten. Wir bekamen ihn nicht viel zu Gesicht. Und natürlich fragte er kein einziges Mal, wie es uns ging.
Nur einen Morgen in den Osterferien. Es ging - natürlich - um die Schule. Um Leistung. Darum, wonach unser Wert gemessen wurde. Dad hat Saiph gefragt, ob sie denn mit mir für die Prüfungen lernen würde. Saiph antwortete nein und erklärte, dass sie lieber im Gemeinschaftsraum bliebe, während ich mit Melody ständig in der Bibliothek lernte. Dad hat mich gefragt, weshalb, und bevor ich es verhindern konnte, hat Saiph ganz fröhlich geantwortet: "Na, weil Kassy ihren Gemeinschaftsraum viel lieber mag. Sie kommt nicht gerne in unseren."
Dad ist komplett ausgerastet, kannst du dir ja vorstellen. Die Schläge blieben nicht aus. Er wurde über mehr als drei Jahre belogen und steckte mir jegliche Schuld zu. Er brüllte mich tagelang an und ließ ab und zu seinen Frust an mir aus. Diese Woche in den Osterferien war wohl die Schlimmste meines Lebens.
Dann ging es zurück nach Hogwarts und mein Dad ignorierte mich komplett. Er rastete wohl noch häufiger aus, doch wenigstens schlug er niemanden. Ich dachte, er würde sich vielleicht über die Sommerferien beruhigen, doch dann kam der Brief.
Ich wurde zur Vertrauensschülerin ernannt.
Es sei eine Schande, dass ich mir das erlaubte, ich hätte diese Leistung in Slytherin bringen sollen, jetzt hätte ich im Ministerium keine Chance mehr, Ravenclaw konnte mein Gesicht nie wieder vergessen, und, und, und.
Ein letztes Mal ist er ausgerastet, ich habe wieder Schläge kassiert, aber dann war es ruhig. Ich wurde erneut ignoriert. Es war wie das letzte Mal, fühlte sich nur tausendmal schlimmer an. Du glaubst gar nicht, wie froh ich war, als Dad mich nach über vier Wochen beim Essen angekeift hat, ich solle ihm das Salz reichen. Ich bekam zwar immer nur Befehle zu hören, auch wenn die wenigsten an mich gingen, aber ich hatte mich noch nie so sehr darüber gefreut.
Nun ja, von der restlichen Geschichte hast du ja etwas mehr mitbekommen. Ich habe mich mit Rosier angelegt, hab dich kennengelernt - einen Muggelgeborenen Gryffindor. Mel und ich sind getrennte Wege gegangen, ich spiele zu allem Überfluss auch noch Quidditch bei den Ravenclaws.
Mein alter Besen ist draufgegangen. Saiph sollte ihn eigentlich kriegen, sobald ich den Feuerblitz zum Geburtstag bekommen hatte, aber dieser Plan ist dann auch ins Wasser gefallen. Dad musste wieder meinetwegen Geld ausgeben.
Ich habe immer mehr Zeit mit dir verbracht und mein Vater konnte nichts über dich herausfinden. Nur, dass du nicht von hier kommst und Muggelgeboren bist. Aber hey, das hat ihm gereicht, um dich zu hassen.
Silvester hat dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Die ganze Situation war ohnehin komisch und ich habe mich ehrlich gesagt schon gefragt, wann Dad mich über alles Geschehene zur Rede stellen und wieder ausrasten würde.
Dass du ausgerechnet dabei warst, tut mir wirklich leid. Aber ich habe schon wieder hinter seinem Rücken gehandelt und dich ins Haus geholt. Dann ist einfach alles aus ihm heraus gebrochen.
Ich war nie die Tochter, die er haben wollte und ich war das genaue Gegenteil von ihm. Das passte ihm nicht, denn er wollte meine wahre Herkunft ja mit allen Mitteln verstecken. Meine Zukunft war durch die Schule im Eimer und du hast das Butterbierfass zum Überlaufen gebracht. Er dachte, er hätte mir genug Angst eingejagt, aber ich habe dich trotzdem kennengelernt.
Ich habe bis auf Melody niemandem etwas erzählt. Aber besser gemacht hat das auch nicht. Sie hat mir wie Dad die Schuld in die Schuhe geschoben. Das Ganze hat vor etwas mehr als einem Jahr angefangen und fühlt sich schon so weit weg an. Als wäre ich, seitdem ich dich kenne, ein ganz anderer Mensch. Meine Vergangenheit ist ein wirklich dunkler Teil von mir und ich hatte mir eigentlich geschworen, ihn nie ans Tageslicht kommen zu lassen.
Denn ich will kein Mitleid. Gut, ich hab's vielleicht verbockt, aber ich habe Erfahrungen gemacht, die andere zu spät machen. Ja. Ich weiß. Schau mich nicht so an. Ich habe sie vielleicht zu früh und zu oft machen müssen, aber ich bin vorsichtig geworden.
Und ich will auch nicht, dass du versuchst, mir einzureden, ich müsse meine Vergangenheit so annehmen. Denn das werde ich nicht.
Das ist ... vielleicht nicht einfach zu verstehen. Für dich. Ich ... Oh, Merlin, das ist jetzt ein ganz blöder Vergleich, aber stell dir mal ein Brot vor. Wir alle, wenn wir Kinder sind, sind wie der rohe Teig. Von den Eltern gerührt und in Form gebracht. Jeder will der Größte werden, aber dafür reicht der Platz auf dem Blech nicht. Also fängt es an: Du wirst von anderen verformt, total verzogen und auch, wenn du im Innern immer noch aus denselben Dingen bestehst, siehst du von außen längst nicht mehr so aus.
Über die Jahre wirst du hart, gebacken, und zwar in der Form, in die du gebracht wurdest. Es besteht keine Chance mehr, dich zurück zu formen. Du bleibst für immer so.
Na ja, oder solange, bis jemand kommt und es trotzdem versucht. Und solange drückt und reißt, bis du brichst.
Shawn, es gibt keine Möglichkeit, ein gebrochenes Brot zu heilen. Meine Vergangenheit ist gebrochen und es gibt keine Möglichkeit, das ungeschehen zu machen. Das einzige, was ich tun kann, ist diesen Teil hinter mir zu lassen, selbst in die Küche zu gehen und mich erneut zu erschaffen.
Ich bin mir nicht sicher, ob du bis jetzt verstanden hast, worauf du dich eingelassen hast. Ich habe oft versucht, es dir klar zu machen. Jetzt weißt du es. Und es ist mir egal, was du denkst. Ich kann mich nicht mehr komplett nach anderen ausrichten.
Aber ich sage es dir trotzdem nochmal: Ich habe über die Jahre viel gelernt. Ich weiß, was Menschen verletzt. Ich weiß, was man sagen muss, um andere zu kränken und ich weiß, wie man sich verhalten muss, um andere für immer zum Schweigen zu bringen. Aber ich weiß jetzt auch, wie man sich dagegen wehren kann und jeder weitere Stich, der zur Narbe wurde, hat mich stärker gemacht.
Ich verspreche dir eins, Shawn. Wenn du mich versuchst zu verformen, dann brech ich dich."
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Well, that escalated quickly.
Sorry für diese ganze Story, aber ich habe mir zu Kassys Hintergrund viele Gedanken gemacht und dachte, es sei Schade, wenn ich sie nicht teile.
Ich möchte, dass ihr nachvollziehen könnt, was Kassy so geformt hat und dass es eben nicht ein prägendes Ereignis, sondern viele kleine dauerhafte waren. Sozusagen durchgehende psychische Belastung.
Wie fandet ihr den ultra schlechten Vergleich mit dem Brot?
Könnt ihr nachvollziehen, wieso Kassy so ist wie sie ist?
Sind alle eure Fragen nun beantwortet? xD
13. What house would you be in?
Ich verstehe die Frage nicht. Ich bin in Ravenclaw.
14. How did you first get into Harry Potter?
Ich muss sagen, ich finde es so cool, dass ich mich noch heute so genau an den Abend erinnern kann. Ich war ca. 5 Jahre alt, als ich nicht schlafen konnte und in das Schlafzimmer meiner Eltern gekommen bin. Meine Mum hat zu diesem Zeitpunkt den sechsten Harry Potter Band gelesen, mein Papa den fünften. Ich habe ihn überredet, dass er mir ein wenig vorliest.
Hatte in dieser Nacht dann den Übelsten Albtraum, aber hey, die Story hat mich nie losgelassen und meine Eltern (oder mein Onkel, bin mir nicht mehr sicher, wer - den 2., 3. und 4. habe ich definitiv von meinem Onkel bekommen), haben mir den ersten Teil zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt.
Mein Papa hat mir also mit sechs Jahren den ersten Teil vorgelesen, und ab da auch die sechs weiteren. Wir waren beim fünften, als der siebte Teil raus gekommen ist. Ich glaube, mit ca. 9 müssten wir alle durchgelesen haben.
15. What's one thing you would change about the plot?
Nur eine?! Holy ... das ist schwierig, und ich denke morgen sehe meine Antwort schon wieder anders aus, aber heute würde ich Fred nicht sterben lassen.
Aber kann mir bitte jemand erklären, wie die Kammer des Schreckens im Badezimmer angelegt sein kann und der Basilisk sich durch Rohre bewegt, wenn weder das eine noch das andere zur Zeit des Baus existiert haben??
Ach, ich bin so froh, dieses Kapitel endlich veröffentlicht zu haben. Es hat mich echt verrückt gemacht, weil ich so oft geändert habe, aber ich bin ganz zufrieden.
Wie geht's euch eigentlich in the quarantine?
Bis demnächst, Amelie :)
Next Update ⥋ 07.05.2020 (Thursday)
[01.05.2020]
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