Kapitel 20 ϟ Spurious
What About Us - P!nk ♪♫
"Wieso hast du das getan?"
Eine äußerst berechtigte Frage, wie ich fand.
Professor McGonagall ließ mich nichts erklären und berief mich sofort in ihr Büro. Dort musste ich mir eine Standpauke anhören, während Katie dazu geholt wurde.
Erst dann durfte ich erklären. Doch was hatte ich zu erklären, wenn ich nicht einmal selbst wusste, was los war? Ich hatte Katies Aufsatz nicht gestohlen, geschweige denn, kopiert. Selbstverständlich hatte Katie mich auch nicht abschreiben lassen, doch wie Professor Slughorn richtig betonte, es war eindeutig meine Handschrift auf meinem Pergament mit meiner Tinte.
Ich hatte die ganze Zeit diese Vorahnung in den Knochen gespürt, aber Anschuldigungen konnte ich mir nicht leisten. Lediglich durch Olivia konnte ich verhandeln.
Olivia und ich hatten unsere Aufsätze gegenseitig kontrollgelesen und glücklicherweise konnte Liv sich noch an die eine oder andere Formulierung erinnern. Sie stimmte mit denen, die auch ich den Lehrern diktiert hatte, überein.
Ich durfte auf meinen Wunsch hin die Sache selbst aufklären. Eine Stunde bekam ich Zeit, Beweise zu sammeln. Natürlich hatte ich keinen Plan, keinen Anhaltspunkt und keine Spur. Ich hatte nur eine Idee, ein klitzekleines Motiv.
Es war Samstagabend, um kurz nach acht. Ich wusste, dass sie sich im Gemeinschaftsraum befand und Professor Slughorn erwies sich als außerordentlich freundlich, eine Ausnahme zu machen, und mir das Passwort zu geben.
Nun stand ich vor Melody, die in einem der großen schwarzen Ledersessel saß und erschrocken und überrascht ihre Freunde hilfesuchend anblickte.
Da ich keine Antwort bekam, fragte ich nochmal: "Wieso hast du das getan?"
"Was getan?", verließen die falschen Worte ihre vollen hell rosa Lippen.
"Ach, tu doch nicht so!", rief ich.
Der Gemeinschaftsraum der Slytherins war voll, doch nur wenige interessierten sich für Melody und mich. Lediglich ihre Freunde, zu denen Dorothy, Nico, Hannah und neuerdings auch Thekla Bletchley zählten, beäugten mich seltsam. Am liebsten hätte ich ihnen bestätigt, dass ich die dumme naive Freundin von Melody war, doch Mel erhob sich nun.
Sie diskutierte generell nur im Stehen mit mir, das war schon immer so gewesen. Obwohl meine Größe nicht als gering zu betiteln war, verfügte Melody über noch längere Beine und auch sonst mehr Körpermasse als ich.
"Hast du mir was zu sagen?", drohte sie leise.
Ich lachte auf. Ja, und wie ich das hatte. Diesmal würde ich keinen Rückzieher machen.
"Da gibt es einiges, aber fangen wir doch einfach mal mit dem Aufsatz an. Das warst doch du, nicht wahr?"
Ein dreckiges Grinsen bildete sich auf ihren Lippen.
"Lass uns das doch draußen klären, dann stören wir die anderen nicht so sehr", schlug sie vor und ich willigte ein.
Wir beide hatten andere Gründe, als den, den Melody anführte. Ich fühlte mich zwischen den ganzen Slytherins unwohl, Melody hoffte, dass ich ohne Zuschauer schneller einknicken würde.
Auf dem Gang vor dem Gemeinschaftsraum war es kalt und düster, aber ich war viel zu sehr in Rage, um mich darum zu kümmern. Meine Stunde lief ab und da war noch einiges, was Melody zu hören bekommen sollte.
"Eigentlich", lächelte sie fies, "sollte das ein Geheimnis bleiben, aber du bist so schnell drauf gekommen, dass ich dich mit der Wahrheit belohnen kann. Ja, das war ich. Schick, nicht?"
"Du hast dir damit nur selbst ein Bein gestellt", prophezeite ich ihr den Ärger, in dem sie knietief steckte. "Und gebracht hat es dir auch nichts."
"Wer weiß, vielleicht hast du jetzt ja gelernt, dass du nichts weiter als eine schlechte Kopie bist", feixte sie.
"Oh, Mel, deine Metaphern waren schon immer schlecht. Ich habe es echt nicht nötig, je wieder irgendwas mit dir zu machen. Ich brauche dich nicht, das hab ich jetzt erkannt."
"Ohne mich bist du Nichts", zischte sie wütend.
"Ein ziemlich glückliches Nichts. Und ich glaube eher, du hast ohne mich ein Problem."
"Ach ja?"
Jetzt forderte sie mich heraus. Die Provokation nahm ich an.
"Du dachtest wohl, wenn du so einen billigen Trick anwendest, streite ich mich mit Katie und komme wieder zurück zu dir angekrochen, was?"
Jetzt schaute sie verletzt, erschrocken, ängstlich. Das hatte ich bei Melody vorher noch nie gesehen. Ich hatte ihren wunden Punkt erwischt, ich hatte verdammt noch mal recht.
"Hör zu, ich habe richtige Freunde und selbst wenn wir uns gestritten hätten, um nichts in der Welt will ich je wieder was mit dir zu tun haben."
"Aber du - wir hatten doch auch Spaß zusammen!"
Plötzlich änderte sich der Ausdruck in ihren Augen. Sie wollte mich wirklich zurück, doch ich wusste genau, wieso. Die Verzweiflung sprach aus ihr.
"Ja, das hatten wir, in der Tat", gab ich ehrlich zu, denn das hatten wir wirklich, "aber deine ganzen Bemerkungen wischen das alles wieder weg, das ist dir klar, oder?"
"Welche Bemerkungen?" Sie blickte mich ahnungslos und ich musste lachen.
"Welche wohl, hm, lass mich kurz überlegen. Da sind so viele, ich weiß nicht, mit welcher in Anfangen soll. Ah, da war doch die eine im Zug, am Anfang des Jahres. Meine Haut sei so hässlich. Das war nicht das erste Mal, dass du mir das gesagt hast.
Du hast mich darauf hingewiesen, dass meine Klamotten hässlich sind. Ich könne doch keine neonorangenen Socken anziehen, damit sehe ich aus wie ein Clown. Erinnerst du dich? Du hast es mir gleich zwei Mal gesagt, weil ich dich beim ersten Mal mit Absicht ignoriert habe. Danach habe ich sie nie wieder getragen, aber das werde ich jetzt wieder tun.
Ich bin es leid, mir ständig anhören zu müssen, wie unrein meine Haut ist. Wie hässlich ich bin. Wie anstrengend meine Stimme ist. Wie kindisch meine Vorliebe für Schokofrösche ist. Wie nervig mein Gerede über die Arrows ist. Du kritisierst sogar die Farbe meiner Schreibfeder!"
Melody blieb stumm und starrte mich nur ungläubig an.
"Ich weiß, wieso du mich zurück willst. Nicht, weil du mich magst, nein. Deine Leistungen kippen alle vom Besen, weil du jetzt keinen mehr hast, der dir deine Aufsätze schreibt. Weil dir niemand vor die Nase setzt, was du lernen sollst. Weil du eifersüchtig bist, dass ich auch sehr gut ohne dich klar komme und vor allem, weil durch mich deiner einzigen Möglichkeit, an Teddy ran zu kommen, Beine gewachsen sind."
"Das ist eine Lüge!", fauchte sie mich an.
"Dann nenne mir einen plausiblen Grund, wieso du im Zug immer noch bei uns sitzt, wieso du Tori so sehr hasst. Wie beide wissen, dass sie eine sehr gute Chance bei Teddy hat, im Gegensatz zu dir."
"Wenn du es wagst, das irgendjemandem zu erzählen, dann - "
"Dann was? Willst du mich anschreien, meine Socke kritisieren? Verpiss dich einfach, Mel!"
"Aber Kassy!", flehte sie nun wieder.
"Was, aber Kassy? Was? Ich bin immer dann gut genug, wenn du mich gerade brauchst. Zum Lernen, zum Lästern, zum Reden, aber letztendlich nutzt du mich nur aus. Letztendlich brauchst du mich immer nur dann, wenn du gerade niemandem anderen mehr hast, und sobald wir nicht mehr allein sind, lässt du mich fallen und als wäre das nicht schlimm genug, beginnst du hinter meinem Rücken über mich zu lästern. Sag mir gefälligst ins Gesicht, was dir außer meiner Socken nicht passt und verlange nicht von mir, dass ich dir helfe, dir vertraue oder dir meine Geheimnisse verrate, wenn nur wenige Sekunden später ganz Hogwarts darüber Bescheid weiß!" ***
So viel, was ich Melody sagen wollte. So viel, was ich ihr nie sagen würde.
Viel weiter als bis zu dem schwarzen Ledersessel war ich nicht gekommen.
Wieso hast du das getan? Wieso -
Die Worte fanden nicht den Weg über meine Lippen. So viel schwirrte in meinem Kopf herum, so viel, was ich sagen könnte, was ich endlich mal sagen wollte, was wahr war, doch nichts davon schaffte es, ausgesprochen zu werden.
"Kassy, was machst du denn hier?"
Melody stand aus dem Sessel auf. Sie stand meistens, wenn wir uns unterhielten. Ich war mit meinen 1,75 Metern nicht klein, aber sie war noch ein Stückchen größer als ich und hatte bei weitem ein paar mehr Kilos auf den Rippen. Doch nach ihrer Definition waren das alles Muskeln.
"Hey, könntest du kurz mit raus kommen?", fragte ich leise und beobachtete aus den Augenwinkeln Dorothy, Nico, Hannah und Thekla Bletchley, der neuerdings auch mit Melody unterwegs war. Sie ignorierten mich fast völlig, ich war ihnen egal.
"Was ist denn los?", fragte sie und ich hörte den komischen Unterton.
Wieso hast du das getan?
"Kassy? Was machst du denn hier drin?", fragte Saiph mich plötzlich.
"Hey Saiph! Ich wollte nur Melody was Wichtiges fragen. Ist alles gut."
Saiph zuckte mit den Schultern und haute mit ihrer besten Freundin Skye Khan, der kleinen Schwester von Hannah, wieder ab.
"Worum geht es denn?", wandte sich Melody wieder an mich.
"Professor McGonagall sucht nach dir. Ich weiß nicht, wieso. Sie hat mich geschickt, dich zu holen."
Ich wusste noch nicht, wie ich aus der Nummer wieder raus kommen sollte. Blöder Fehler. Doch Mel half mir.
"Ich hole nur schnell meine Tasche aus meinem Schlafsaal, ja?"
Mel ging nirgendwo ohne ihre Tasche hin. Ich nickte. "Ich geh schon mal vor."
Auch Mel tat das mit einem Nicken ab und verschwand.
Mein Blick fiel auf den Tisch, an dem sie bis eben gesessen hatte. Dort lag ihr Buch, ihr Pergament, ihr Tintenfass. Auf dem Boden ihre Feder, die sie beim Aufstehen mit nach unten gezogen hatte. Die Feder, die sie letztes Jahr zum Geburtstag bekommen hatte. Es war eine besondere Feder, ein Einzelstück, wie sie mir mehrmals erzählt hatte.
Kurzer Hand lief ich zu dem Tisch. Die Köpfe hoben sich an, ich schaute nicht hin. Ich hob die Feder auf und riss ein kleines Stück raus.
"Die ist runtergefallen", sagte ich nur leise und legte sie zurück auf den Tisch.
Dann rannte ich. Ich rannte den ganzen Weg zurück zum Schulleiterbüro, die Treppe hinauf, durch die schwere Tür. Völlig außer Atem und mit einem starken Brennen in der Lunge schnappte ich nach Luft.
"Miss Bole, geht es Ihnen gut?", fragte Professor Flitwick mich.
"Ja, total. Äh - ich - ich tue alles, wenn sie mir helfen."
Ich berichtete die Kurzfassung meines Problems. Katie und Olivia wollten mich davon abhalten, doch ich bettelte förmlich.
"Bitte, Professor. Ich schwöre Ihnen, es war Melody. Bei Beweisen wird sie es zugeben. Sagen Sie, Sie haben dieses Stück der Feder zwischen Ihren Unterlagen gefunden. Sagen Sie, ich wusste nichts davon. Bitte."
"Kassy, das wäre nicht fair!", mischte Katie sich wieder ein.
"Das ist egal. Bitte!"
Professor Slughorn seufzte und sah zu Professor McGonagall.
"Miss Bole, dafür werden Sie Professor Slughorn helfen, seinen Vorratsschrank aufzuräumen. Sie brauchen doch noch Hilfe, oder, Horace?"
Slughorn nickte abwesend und streckte die Hand nach der einzelnen Feder aus. Ich gab sie ihm vorsichtig.
"Miss Thorne und Miss Shaw, Sie gehen jetzt besser. Was haben Sie hier zu suchen, Ihre Anwesenheit wird nicht benötigt!", verabschiedete Professor McGonagall die beiden.
Als sie weg waren, sah die Schulleiterin mich besorgt an.
"Miss Bole, ich dulde kein Mobbing auf meiner Schule, also wenn Sie - "
"Nein, Professor", unterbrach ich sie. "Es ist alles bestens. Ich will nur nicht - ich will die Situation mit meinem Vater nicht verschärfen, wenn Sie wissen, was ich meine."
Die Gesichtszüge der alten Hexe wurden sofort weich. "Ja. Ja, ich verstehe. Nun gut. Das war die letzte Ausnahme, das nächste Mal werde ich eingreifen."
"Ja, Professor. Haben Sie vielen Dank."
Als Melody kam, schickte Professor McGonagall mich raus und ich rannte wieder, den ganzen Weg bis in den Gemeinschaftsraum, wo ich sicher war. Ich konnte mein Glück kaum fassen und wäre am liebsten wieder zurück gerannt, um die Schulleiterin zu umarmen.
Einen Tag später erfuhr ich, dass Melody Vielsafttrank angewendet hatte, um sich in Katies Schlafsaal zu schleichen. Dort suchte sie den alten Aufsatz raus (wie die meisten hob Katie alle ihre O-Aufsätze auf) und ließ ihn mit einer verhexten Feder abschreiben, die meine Handschrift und meine Tinte kopierte.
Danach brach sie in Slughorns Büro ein, tauschte meinen bereits abgegeben Aufsatz mit ihrer Version aus und hatte so fast den perfekten Betrug erschaffen.
Nur das Stück der Feder, das sie gar nicht verloren hatte, hatte sie verraten. Als Melody diesen Beweis gesehen hatte, packte sie aus. Meine Vermutung war richtig gewesen.
Über den Grund schwieg Mel bis zum Schluss, doch ich kannte ihn. Es war, um mir eins Auszuwischen, damit ich mich mit Katie stritt - damit ich wieder angekrochen kam.
Das würde ich Mel nie verzeihen. Dieses Mal nicht, dieses Mal war es zu spät, um sich zu entschuldigen.
Es sprach sich in der ganzen Schule rum. Am Montagmorgen wusste jeder Bescheid, ohne Ausnahme. Fast jeder kannte nun meinen Namen. Trotzdem wurde ich kaum angeschaut, da die wenigsten das Gesicht zu dem Namen kannten.
Deswegen passierte es auch, dass ich beim Mittag neben Karmie Nudesim und Alannah Dent saß (natürlich rein zufällig, denn nie wollte ich freiwillig etwas mit denen zu tun haben), und dabei zuhörte, wie sie über mich redeten.
Es war nicht sonderlich viel, aber aus dem anfänglichen Mitleid wurde ein "Vielleicht-hat-sie-es-ja-verdient" und daraus ein "Sie-hat-es-bestimmt-verdient-weil-sie-hässlich-oder-gemein-ist".
Ich wusste nicht, ob die beiden es schließlich verstanden hatten, als ich die Gabel auf meinen Teller fallen ließ, aufstand und verschwand, aber ich ging eher nicht davon aus.
Nicht mal Melodys Freunde erkannten mich wieder, als ich ihnen entgegen lief. Doch darüber war ich froh. Ich war generell glücklich, dass ich mal wieder unbeschädigt aus der Sache raus kam, aber darüber war ich besonders erleichtert.
Dies war die erste Begegnung auf dem Gang, die zweite ereignete sich am Montagvormittag. Ich lief fast in meinen Cousin.
Er war stehen geblieben, um mit mir zu reden, doch ich war fest davon ausgegangen, dass er mich ignorieren würde, so wie sonst auch immer. Jetzt besonders.
Doch Evan ignorierte mich nicht, was mich sehr wunderte.
"Hey Kassy, wie geht's dir?", fragte er halb flüsternd. Es war ihm also doch peinlich, wieso tat er dann so, als ob es ihn interessieren würde?
"Wie schon? So wie immer. Normal. Nur, dass alle über mich reden, das ist aber nicht schlimm, weil mich trotzdem niemand erkennt. Spätestens morgen früh redet jeder darüber und niemand erinnert sich an meinen Namen."
Ich ließ ihn im Gang stehen.
Selbstverständlich hatte ich recht. Melody blieb das Schulgespräch, mein Name verschwand sachte und leise aus jeder Erzählung. Dafür kamen die Gerüchte und Fantasien dazu und auf einmal wurde Melodys Handeln gerechtfertigt; Sie hätte es ja aus einer verständlichen Begründung getan.
Diese verständliche Begründung konnte allerdings nie jemand nennen, weswegen ich umso erleichterter war, aus der Angelegenheit raus zu sein.
Die Strafarbeit bei Slughorn erledigte ich noch am Montagabend und auf dem Weg zurück in den Gemeinschaftsraum passierte die dritte Begegnung.
Mel und ihre Freunde kamen mir aus Richtung der Bibliothek entgegen. Dass ihre Freunde mich ignorierten, war ich ja gewohnt, aber normalerweise erhielt ich von Mel noch einen Blick, selbst wenn er abschätzig war, oder eine leise Begrüßung, selbst wenn sie mich ins Lächerliche ziehen wollte.
Doch heute war da nichts.
Ich lief an ihr vorbei, neugierig, wie sie wohl auf mich reagieren würde. Ich schaute sie an, doch ihr Blick heftete an Dorothys Lippen.
Ich lief vorbei, sagte leise: "Hi", doch da war nichts. Kein Zucken, kein Blick, nicht mal eine Handbewegung. Als wäre ich Luft. Doch ich wusste genau, sie hatte mich gehört.
Das war das letzte Mal, dass ich sie ansprach. Danach wechselten wir in unserer Schulzeit nie wieder ein Wort.
Durch meine Mutter erfuhr ich, dass Mel dachte, es ging von mir aus. Dass ich nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte - was der Wahrheit entsprach, doch sie hatte ihren Teil dazu beigetragen.
Dad ist ausgerastet, aber es kümmerte mich nicht. Er verlange zu wissen, was passiert war, doch seinen Brief beantwortete ich nie.
Ich fand es nicht schlimm, ich war Melody endlich los.
Nach der letzten seltsamen Begegnung schaue sie mich immer wieder an, wenn wir aneinander vorbei liefen, doch jedes Mal war ich die, die sie nicht beachtete.
Ich hielt es nicht für fies oder unfair. Ich tat das, was sie sonst getan hatte. Sie war nicht besser gewesen, ich wurde ebenfalls so behandelt, nur offensiver.
Denn jetzt waren wir nicht mehr befreundet, also trug ich keinerlei Verpflichtungen oder Schuld.
Meinen einzigen Fehler, den ich erst Wochen später erkannt hatte, konnte ich nicht rückgängig machen.
Auch wenn es für mich völlig offensichtlich war, hatte Mel nie verstanden, wieso ich mich abgewandt habe.
Ich hatte ihr nie den Grund gesagt, ich war - aus ihrer Sicht - einfach stumm gegangen.
Etliche Monate nach der Einsicht dieses Fehlers wurde mir jedoch noch etwas anderes klar - ich konnte es ihr damals nicht sagen.
Ich hatte nicht die Möglichkeit, ich war nicht fähig.
Nie wieder konnte ich jemandem meine Meinung sagen, mich aussprechen oder über meine Gefühle reden. Diese Fähigkeit hatte Melody mir mit ihrem ersten zum Schweigen bringenden Blick angefangen zu nehmen.
Allerdings gab es andere Person, Menschen, die mir diese Fähigkeit zurück geben konnten. Mir war klar, es würde Jahre dauern, Jahrzehnte, damit ich es nicht als schwach betrachtete.
Doch alles fing klein an und Shawn Mendes machte an diesem Dienstagvormittag den ersten Schritt für mich, mit mir.
Er saß bereits auf dem Tisch, als ich den Klassenraum betrat. Ohne zu zögern stand er auf und nahm mich in den Arm.
An seine Umarmungen war ich mittlerweile gewohnt, doch so plötzlich und heftig hatte ich es nicht erwartet.
"Willst du darüber reden?", fragte er, ohne mich loszulassen.
Natürlich; er wusste, wie ich vorher zu Melody gestanden hatte. Wir hatten uns einige Male über sie unterhalten und ich hatte ihm erzählt, wie unser Verhältnis mal war und was dann passierte.
Es war Shawns Art, sich um jeden und alles Sorgen zu machen und jetzt kam es mir gerade gelegen.
Ich liebte meine Freunde über alles, aber von ihnen kam keiner und hatte mich gefragt, ob ich darüber reden wollte. Sie haben nur über Melody gelästert, mir erzählt, dass sie sie noch nie leiden konnten und alles das raus gelassen, was sich über die Jahre angestaut hatte.
Nichtsdestotrotz war sie vier Jahre lang meine beste Freundin gewesen. Und so ein Verlust war nicht leicht, egal, wie oft sie mich beleidigt und verletzt hatte.
"Ja", murmelte ich deswegen in Shawns Umhang. "Ja, ich will darüber reden."
Er ließ mich los und sah mich an. Augenkontakt. Die erste Kanonenkugel traf meine Mauer. Angriff.
"Aber ich werde es nicht."
"Wieso nicht?", schoss es aus Shawn, als hätte er schon damit gerechnet. "Ich hör dir einfach nur zu, ich werde nichts sagen und dich nicht verurteilen!"
"Es liegt nicht an dir", entgegnete ich ehrlich. Ich setzte mich auf den Tisch, Shawn brauchte keine zwei Schritte, um neben mir zu sitzen. "Es liegt daran, dass ich über sowas nicht rede. Ich mache das mit mir selbst aus, dann ist gut."
"Nein, das ist nicht gut", widersprach Shawn mir.
Obwohl es ein Einwand war, empfand ich es nicht wie bei jeder anderen Person als einen Vorwurf.
"Wenn du immer nur einsteckst, alles in dich rein frisst und es einfach nur verdrängst, anstatt es zu verarbeiten, dann explodierst du irgendwann! Das ist, als würdest du ganz viel essen - immer und immer mehr. Irgendwann kotzt du, irgendwann kommt alles wieder hoch."
Ich schwieg einen Moment, doch dann bildete sich ein dämliches Grinsen auf meinen Lippen.
"Shawn, das ist echt eklig - "
Wir brachen in Gelächter aus und ich fühlte mich zumindest für den Moment so gut wie in den letzten drei Tagen nicht mehr.
"Ich hab mir trotzdem was überlegt."
Ich starrte Shawn an. Wir hatten uns wieder beruhigt und eigentlich dachte ich, das Thema hätte sich erledigt.
"Wie jetzt?", lautete meine Antwort.
"Um dich auf andere Gedanken zu bringen. Ich hab das Treffen in Hogsmeade wirklich sehr genossen und hätte eine wunderschöne Idee, die dir bestimmt gefallen würde."
"Es gibt einen Haken", kombinierte ich sofort.
"Lernt ihr Ravenclaws das irgendwie, ständig alles vorher zu wissen?", grinste er. "Es gibt einen Haken. Es ist ... na ja, ja, es ist verboten und wenn wir erwischt werden, stecken wir in Schwierigkeiten."
Schwierigkeiten. Da war es wieder, dieses Wort. Das Wort, welches mir in letzter Zeit viel zu häufig begegnete. Seitdem ich Shawn kannte, wich das Wort Schwierigkeiten mir nicht mehr von der Seite.
Gab es Shawn ohne Schwierigkeiten überhaupt?
Schwierigkeiten war ein ganz schön großer Haken, vor allem, weil ich mehrfach gewarnt wurde. Doch eine innere Kraft drängte mich dazu, ja zu sagen.
Die innere Kraft wollte wohl unbedingt Gryffindor sein. Mein Ravenclawteil war strikt dagegen, betrachtete allerdings auch das Gesamtbild.
Wenn wir erwischt werden würden...
"Na ja, mit einem zukünftigen Auror sollte ich ja in Sicherheit sein, oder?"
Tatsächlich war ich in Sicherheit, dafür passierte in der Nacht etwas anderes, das die Schwierigkeiten plötzlich nebensächlich werden ließ.
*** Credits to _time_to_fly_
ϟ ϟ ϟ
Das letzte Update für eine etwas längere Zeit :D
Was mich brennend interessiert: Was ist euch durch den Kopf gegangen, als ihr das mit Mel gelesen habt?
Und dass Kassy wieder einmal davongelaufen ist?
Was hat Shawn wohl geplant?
Wie ich bereits am Rande erwähnt habe, gibt es jetzt eine kleine Update-Pause. Das hat einige Gründe. Zum Einen gehen meine vorgeschriebenen Kapitel zu neige und ich will a) nicht auf dem Trockenen sitzen und b) nicht im Nachhinein, wenn ihr die Kapitel schon gelesen habt, etwas ändern müssen.
Zum Anderen komme ich momentan mit dem Schreiben nicht hinterher (was sich aus dem ersten Punkt schließen lässt) und der Dezember macht das Ganze nicht wirklich einfacher. Noch dazu geht es jetzt bei meinen Trailern weiter, was mir zusätzlich die Zeit raubt.
Es wird ein Kapitel am 24.12. kommen, als ein kleines Weihnachtsgeschenk (auch wenn ihr mich für den Cliffhanger am Ende hassen werdet). Vielleicht lade ich dann, um euch nicht zu sehr zu strapazieren, am 31.12. das letzte Kapitel für das Jahr 2017 hoch.
Ich hoffe, ihr seid mir nicht zu böse und könnt das ein wenig nachvollziehen. Vielen Dank für eure Unterstützung, ich schätze das. Wirklich.
Sonst kann ich euch nur eine wunderschöne Weihnachtszeit wünschen. Kommt ein wenig zur Ruhe und scheißt auf den Stress. Bis demnächst, Amelie :)
Next Update ⥋ 24.12.2017 (Sunday)
[30.11.2017]
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