Kapitel 14 ϟ Manage
Timebomb - WALK THE MOON ♪♫
Mit aller Kraft versuchte ich mir Shawn aus dem Kopf zu schlagen. Ich musste mich aufs Spielen konzentrieren, Henry und Alia hatten recht: Ich wollte wirklich in diese Mannschaft.
Als der Quaffel nach oben flog, preschte ich nach vorne und schaffte es fast, an ihn zu kommen, doch Jacob war ein wenig schneller.
Er passte ihn zu Olivia, die unter Henrys gut geschlagenem Klatscher hinweg tauchte, und Olivia warf ihn weit, bis zu Akira Chang-Cook, die ihn geschickt auffing und Lians Faust auswich. Für eine Viertklässlerin war sie ganz schön gut.
Doch kurz vor dem Torraum schoss ein Klatscher knapp an ihrem Gesicht vorbei und um nicht vom Besen zu fliegen, musste Akira den Quaffel fallen lassen.
Sofort jagte ich dem Ball hinterher und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Jusrus siegreich seinen Schläger in die Luft reckte.
Ich fing den Quaffel auf und drehte sofort in die andere Richtung um.
Lediglich Vince und Derek befanden sich in meiner Nähe, weswegen ich freie Bahn hatte. Geschickt tauchte ich unter einem Klatscher durch, versuchte Derek nicht in seiner Flugbahn zu kreuzen und kam den gegnerischen Torringen immer näher.
"Spiel ab!", brüllte Lian mich von der anderen Seite an.
Ich stutze. Wieso sollte ich abspielen? Ich hatte freie Bahn!
Konzentriert ignorierte ich Lians Rufe und bahnte mir weiter meinen Weg. Flint schleuderte direkt einen Klatscher auf meinen Oberkörper, dem ich um ein Haar auswich.
"Flint! Nicht direkt auf die Spieler! Wie oft soll ich dir das noch sagen!", hörte ich Weena hinter mir rufen.
"Bole! Jetzt spiel ab!", schrie Lian wieder.
Ich warf einen Blick zu ihm rüber. Er wurde von Olivia verfolgt und Stacy vertrieb sich ihre Zeit, ihm ständig die Flugbahn zu kreuzen. Ich würde garantiert nicht abspielen.
Doch mein Blick nach links ließ mich entdecken, dass Jacob sich an der Flanke anschlich.
Ich warf den Quaffel zu Xavier, der sich weiter hinten in der Mitte befand, aber dafür frei stand.
Xavier raste durch den offenen Raum, killte die Distanz zwischen ihm und Eve und traf mit einem gezielten Wurf den rechten Torring.
Ich hörte Henry jubeln und auch Xavier riss einen Arm in die Luft. Auf meinen Lippen bildete sich ein breites Lächeln, doch Lian sah aus, als hätte er einen Eis-Oder-Scheiß-Bonbon aus der Sommerware der Weasleybrüder verschluckt, der nicht nach Eis schmeckte.
Eve wollte den Quaffel gerade zu Jacob passen, als Weenas Pfiff sie stoppen ließ.
Verwirrt sah ich in Weenas Richtung. Sie hielt sich den Zauberstab an den Hals und schon konnte man ihre Stimme im ganzen Stadion hören.
"Stacy Thorne hat den Schnatz gefangen!", sagte sie und alle Augenpaare suchten verwundert den Himmel ab - wir spielten noch keine fünf Minuten. "Ich lasse den Schnatz nochmal los und ihr spielt einfach weiter."
"Das ist unfair, wir haben die Runde gewonnen!", mischte Flint sich wütend ein.
"Es geht aber nicht darum, wer gewinnt", rief Weena aufgebracht. Ich zuckte zusammen und hielt mir die Ohren zu. Weena hatte vergessen, dass ihre Stimme ohne Anstrengung laut genug war.
"Sorry", quiekte sie, beendete den Sonoruszauber und pfiff das Spiel wieder an.
Als ich an der Tribüne vorbei flog, entdeckte ich Shawn und sofort fand er wieder Platz in meinem Kopf.
"Shawn ist wegen Flint da, Shawn ist wegen Flint da", murmelte ich immer wieder. "Konzentrier dich, Kassy!"
Jacob wollte Olivia den Quaffel zuwerfen, doch Xavier fing ihn im Wurf ab, drehte in einem Looping um und fegte zurück.
Lian auf der linken und ich auf der rechten Seite folgten Xavier. Vor dem Torraum spielte Xavier den Quaffel zu Lian. Akira und Olivia stürzten sich augenblicklich auf ihn und Lian wollte zurück werfen, doch Flints Klatscher zwang den Sechstklässler nach unten.
Ich flog näher an Lian ran, sodass er mir den Quaffel zuspielen konnte, was er allerdings nicht tat. Er versuchte, Olivia und Akira zu entkommen und selbst ein Tor zu werfen.
Vielleicht hatte er mich nicht gesehen, weswegen ich rief: "Lian, ich bin frei!"
Lian sah zu mir, blickte finster drein und wich Olivias Versuch, ihm den Quaffel aus der Hand zu boxen, aus.
Fassungslos schwebte ich völlig frei anspielbar direkt vor dem Torraum in der Luft, während Lian mit drei Spielern rankte.
Schließlich pfiff Weena die Situation ab, da Lian Akira im Zuge seiner Verteidigung voll auf die Nase geschlagen hatte.
"Ich werd nicht mehr!", brüllte sie und zauberte sich den Quaffel in die Arme. "Freiwurf für die rechte Seite!"
Angepisst positionierte Lian sich neu und mindestens genauso angepisst heilte Weena schnell die Nase von Akira, welche richtig angepisst war.
"Nein Jacob, lass Olivia den Freiwurf ausführen!", verlangte Weena.
Olivia bekam den Quaffel in die Hand und traf mit ordentlich Wumms in den mittleren Torring.
Kieran schien leicht beleidigt zu sein und Teddy und Isabelle, die sich zu ihm gesetzt hatte, brüllten irgendwas von der Tribüne, was ich allerdings nicht verstand.
Das Spiel führte sich noch eine Viertelstunde fort. Das gegnerische Team erzielte zwanzig weitere Punkte, unser Team zehn. Das lag vorrangig daran, dass mir kein einziger Pass mehr zukam. Xavier und Lian spielten durchgehend nur einander zu, egal ob ich frei stand oder nicht.
Kurz vor Schluss hatte Stacy den Schnatz erneut gefangen und Weena beendete die erste Runde.
Ein wenig gefrustet landete ich auf dem Rasen und lief zu Henry rüber.
"Alter, Lian ist so ein Arsch", ließ dieser sich sofort aus. "Sogar ein Troll hätte gesehen, wie er dir mit Absicht keinen Ball zugeworfen hat! Wenn der es ins Team schafft, dann setzte ich Weena einen von Hagrids Sumpfkrattlern ins Bett - samt Sumpf!"
"Pscht, nicht so laut", lachte ich und riss Henry den Schläger aus der Hand, um ihm damit einen Klaps gegen die Ellenbogenschoner zu verpassen.
In der nächsten Runde musste ich nicht spielen und flog deshalb kurzer Hand auf die Tribüne. Vorsichtig landete ich neben Katie auf der Bank und sprang auf die Holzdielen, die leicht knatschten.
"Harris ist ein Arsch", regte Sydney sich entrüstet auf.
"Genau das hat Henry auch gesagt", schmunzelte ich und setzte mich auf das kalte Holz.
"Hast du ihm was getan?", beugte Teddy sich zu mir rüber.
"Ja, ich hab im vorgestern Abend ins Essen gespuckt und seine Würde als Kratzbaum benutzt."
Teddy sah mich vorwurfsvoll an.
"Ich hab nichts gemacht!", beteuerte ich. "Ich hab echt keine Ahnung, was sein Problem ist."
"Ich nehme mal stark an", schaltete Katie sich ein, "dass er etwas zu viel Ehrgeiz zeigt."
"Du meinst, dass er unbedingt die Tore machen will, um seine Chance zu erhöhen, ins Team zu kommen?", führte Tori aus und Katie nickte.
"Aber an Moore hat er auch abgespielt", gab Sydney zu bedenken.
"Der war doch die letzten zwei Jahre auch im Team, er kann spielen", sagte Alia und hängte mit ihren Fingern Anführungszeichen in die Luft.
"Ich denke, er spielt nicht ab, weil Kassy ein Mädchen ist", behauptete Teddy. "Was? Das soll's geben!"
"Das ich ein Mädchen bin, scheint ihm egal zu sein", gab ich zurück und zeigte auf das Feld, wo das nächste Spiel schon lief. "An Liv spielt er ab."
"Es liegt jedenfalls nicht an dir", stellte Lil klar.
"Hm ...", murmelte ich.
Das zweite Spiel endete nach den abgelaufenen 25 Minuten, da keiner der beiden Sucher den Schnatz gefangen hatte (Stacy war nach zehn Minuten erneuter Eigentümer, Weena hatte den Fang ignoriert und den Schnatz neu freigelassen). Generell war das Spiel eher langweilig. Der spannendste Teil lag relativ in der Mitte, als Flint voller Inbrunst einen Klatscher ans andere Ende des Spielfelds geschlagen hatte, welcher Lian voll in die Flugkurve reingeflogen war.
Als Folge entpuppte sich noch eine blutende Nase, ein abgebrochener Schläger, ein Klatscher mit einem Rechtsdrall und ein Strafstoß, den Flint für absolut nicht berechtigt hielt und deswegen die restlichen Minuten schmollte.
Der Endstand betrug 30 zu 50 und ich machte mich schnell auf den Weg nach unten.
"Viel Glück!", rief Shawn mir zu, als ich an ihm vorbei flog. Für ein "Danke" war ich jedoch schon zu weit entfernt und sofort machte sich ein schlechtes Gewissen in mir breit.
"Letztes Spiel, wer jetzt noch dabei ist, hat eine ziemlich große Chance, ins Team zu kommen", motivierte Weena uns.
Die Namen des ersten Teams fielen und weder ich, noch Olivia oder Henry waren dabei. Auch Jacob wurde nicht genannt, allerdings folgte sein Name:
"Und im anderen Team ... Powell, Turner ... Welsh, Jacob ..."
Weena stöberte durch ihre Aufzeichnungen und mir war schon ganz schlecht. Die bereits Aufgerufenen stellten sich auf.
Mein erstes Spiel war nicht wirklich herausragend gewesen und wenn ich jetzt nicht noch eine Chance bekam, konnte ich es vergessen.
"Dann will ich noch Quin Darren sehen und - Xavier!"
Weena hätte mir genauso gut ihren Besen in den Magen rammen können. Pure Enttäuschung machte sich in mir breit und gleichzeitig wollte ich Lian verhexen. Olivia legte ihre Hand auf meine Schulter. Sie hatte noch eine Chance, denn sie durfte bereits zwei Mal spielen und war Olivia - es gab nichts, was sie nicht konnte.
"Halt, nein! Ich will Bole spielen sehen!", schrie Weena plötzlich aufgeregt. "Xavier, setz dich hoch, Bole spielt."
Jetzt war mir noch schlechter. Olivia strahlte mich breit an und schubste mich in Richtung Jacob. Ich zwang meinen Körper, die Aufregung zu ignorieren, um nicht komisch aufzufallen.
Da sag noch mal einer, Aufregung sei ein schönes Gefühl, murrte mein Unterbewusstsein beleidigt.
"Ich weiß genau, was du meinst", flüsterte ich leise.
"Was?", fragte Jacob neben mir und sah mich überrascht an.
"Nichts", antwortete ich erschrocken.
Mein Bauch wurde auf eine Achterbahnfahrt geschickt. Nur die kalte Luft sorgte für einen klaren Kopf, wobei mir die Höhe auf einmal auch ein weitaus mulmigeres Gefühl verschaffte.
Das erste Desaster folgte zugleich, als ich direkt den Anpfiff verpasste.
Alle anderen schossen los und ich hing regungslos in der Luft. Diese Panne lähmte mich vor Scham und das einzige, was sich bewegte, war das Blut, welches in meinen Kopf schoss.
Schließlich rettete Humphry Turner mich aus meiner peinlichen Situation, indem er einen Klatscher gut gezielt an meinem Gesicht vorbei schlug.
Automatisch jagte mein Besen nach vorne und ich riss ihn nach links.
"Endlich!", hörte ich Alice lachen, als ich an ihr vorbei flog.
Wäre ich Treiber gewesen, hätte sie den nächsten Klatscher ins Gesicht bekommen.
Aber mir wurde anscheinend erlaubt, heute doch noch Glück zu haben, denn Jacob passte den Quaffel tatsächlich zu mir.
Ich kämpfte mich ein Stück nach vorne, aber Uriah bedrängte mich immer weiter, sodass ich an Quin abspielte.
Ohne groß zu zögern schoss Quin in den Torraum, doch Kieran ließ den Quaffel nicht durchkommen.
Es ging die nächsten zwei Minuten ein wenig hin und her. Das reichte mir nicht, denn das Spiel war ausgeglichen. Wenn ich ins Team wollte, musste ich jetzt klar zeigen, dass ich was drauf hatte.
Jacob und ich spielten ziemlich gut zusammen. Ich konnte problemlos jeden zugeworfenen Ball von ihm fangen und er fand immer die perfekten Räume.
Deswegen dauerte es nicht lange und wir führten zwanzig zu null. Das war meine Chance, langsam kippte das Spiel auf unsere Seite.
Ich versuchte mich so gut es ging anzubieten und die richtigen Räume zu nutzen. Genau so, wie Teddy uns es immer beim Spielen riet, verwirrte ich meine Gegner mit abrupten Manövern und plötzlichen Geschwindigkeitsveränderungen.
Jacob flog in rasendem Tempo an der rechten Seite und wich mit einer Faultierrolle einem Klatscher aus. Doch von vorne flogen ihm Uriah und Akira entgegen.
Wie ich es erwartet hatte, befanden sich die drei in einem verwirrenden Knäuel, wo ich nicht sagen konnte, wer den Quaffel hatte und wer gleich Reisig fressen würde.
Aus dem Gewusel schaffte es Akira mit dem Quaffel, doch der nächste Klatscher blieb nicht fern und Akira ließ den Quaffel fallen, um sich selbst zu retten.
Jacob und Uriah boxten sich gegenseitig gegen die Schultern, auf der Jagd nach dem nach wie vor fallenden Ball, und da sie sich immer wieder vom Kurs abbrachten, beschloss ich, einzugreifen.
Seth Luther schwebte auf der anderen Seite, er würde ewig brauchen, bis er bei mir wäre.
So schnell es mein Nimbus erlaubte, raste ich mit dem Oberkörper an den Stiel gebeugt, dem Ball entgegen und schnappte ihn Uriah sozusagen vor der Nase weg.
"Sehr gut, Kassy!", hörte ich Jacob rufen. Er zog den Besen rum und flog parallel zu mir dem Torraum entgegen. Uriah war mir dicht auf den Fersen, während Akira sich Jacob vorknöpfte.
Plötzlich hörte ich einen Schrei - ein Klatscher hatte Akira volles Rohr erwischt. Mein Gehirn arbeitete momentan aber nicht auf menschlicher Ebene, sondern auf der Mein-Team-Dein-Team Ebene.
Ich passte den Quaffel rüber zu Jacob, er wieder zu mir und ich zurück zu ihm. Langsam aber sicher schüttelte ich Uriah mit einem Woollongong Shimmy ab. Kurz vor dem Torraum spielte Jacob zu mir und schoss vor der Linie wie an einer unsichtbaren Wand nach oben.
Ich holte aus, flog direkt auf den linken Torring zu, beobachtete Eve, wie sie mir entgegen kam und warf schließlich auf den Mittleren.
Der Quaffel prallte gegen die innere Kante, doch schaffte es durch den Ring und ich drehte mich grinsend um. So konnte es gerne weiter gehen.
So ging es tatsächlich weiter. Jacob hatte mich nach dem ersten Treffer freudig angestrahlt und mir sogar die Hand hingehalten. Nachdem ich diese im vorbeifliegen eingeschlagen hatte, fühlte ich mich so cool, wie lange nicht mehr.
Nun fielen die Tore wie Schnee im Winter. Zwanzig Minuten lang trafen Jacob und ich fast abwechselnd und es machte riesen Spaß. Ich versuchte, ab und zu auch mal zu Quin zu spielen, allerdings bot er sich wenig an und verlor den Quaffel relativ schnell.
Trotz des großen Spaßes, den ich hatte, wurde ich das Gefühl nicht los, dass es Flint gar nicht gefiel - weder, dass ich Spaß hatte, oder dass ich gut war, noch dass Shawn zuschaute.
"Kassy, er ist wegen Flint hier. Flint ist sein Kumpel, deswegen ist er hier", murmelte ich, wusste aber genau, dass Shawn letztes Jahr bei der Auswahl, bei der ich zugesehen hatte, auch nicht da war.
Schließlich fing Stacy zum vierten Mal den Schnatz und Weena beendete die Dritte und letzte Runde.
Wir trafen uns auf dem Boden, in der Nähe des Mittelkreises. Olivia und Henry schlugen sich den Weg zu mir durch und ich blickte hoch zu Alia, die begeistert beide Daumen in die Luft streckte.
Unkontrolliert wanderte mein Blick zu Shawn. Peinlich berührt sah ich direkt wieder weg - er hatte mich ungeniert angestarrt und schief gegrinst.
"Okay, ich danke euch allen, dass ihr so zahlreich erschienen seid. Die Spiele waren von hohem Niveau und ihr wart alle überraschend gut, was ich ehrlich gesagt nicht erwartet hatte. Ich werde euch jetzt mitteilen, wer dieses Jahr in der Hausmannschaft spielen wird."
Weena zog ihre Liste hervor und verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein.
"Ich will kein Gemecker hören, geschweige denn irgendwelche Drohungen. Das hab ich alles schon erlebt. Wenn ich davon Wind kriege, gibt's richtig Stress", warnte Weena vor und sah gefühlt jeden einzeln an. "Wer Sucher ist, ist ja wohl keine Überraschung."
"Nein, wer wohl?", wieherte Uriah von hinten und gut die Hälfte der Masse um mich rum begann zu lachen.
"Ich würde gerne sagen, dass es mir für die Anderen leid tut", fuhr Weena fort, "aber das wäre gelogen. Sucher ist Stacy Thorne."
Stacy grinste über beide Ohren und wurde sogar leicht rot, als Olivia sie umarmte.
"Jaja, ist gut", winkte Weena ab und kritzelte auf ihrer Liste herum. "Thorne, antanzen."
Weena winkte Stacy ungeduldig zu sich und positionierte sie demonstrativ neben sich.
"Treiber, Treiber ...", murmelte Weena.
"Chrm chrm", räusperte Flint sich auffällig laut.
"Ja, ist ja gut, Flint, du bist Treiber", stöhnte Weena genervt. "Jetzt stell dich hier hin und halt die Klappe. Der andere Treiber ist Jusrus Gold."
Mein Blick zog es zu Henry, der geknickt den Kopf hängen ließ. "Ist egal, ich werd' dann einfach nächstes Jahr Hüter", spielte er die Situation mit einem Grinsen und einem Schulterzucken runter, aber ich sah, dass er gerne mitgespielt hätte.
"Hauptsache, ihr beide spielt", raunte er mir zu, als Weena zum Schluss die Jäger aufzählte.
"Erster Jäger, Jacob, wie sollte es anders sein", sagte Weena so teilnahmslos wie fast immer, dennoch schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen.
"Dann ... ja klar, Olivia Thorne, du bist dabei."
Liv strahlte über das ganze Gesicht und Henry klopfte ihr auf die Schulter. Ich konnte mir gerade mal ein leichtes Lächeln abringen.
Natürlich freute ich mich für Olivia, aber es war mir von vorne rein klar gewesen, dass sie es schaffen würde. Olivia war nun mal das Allround-Talent.
Ich hingegen war mehr der Mensch, der eine Sache mögen musste, um in ihr gut zu sein. Ich lernte schnell und war meist nicht schlecht, wenn ich mir eine Sache in den Kopf gesetzt hatte.
Doch es brauchte seine Zeit, bis es bei mir klick machte. Während andere sich langsam steigerten und immer besser wurden, war ich am Anfang eine absolute Niete, und das eine ganze Zeit. Irgendwann, wenn alle anderen schon fast die Hoffnung an mich aufgegeben hatten, klickte der Schalter und ich schoss mich mit meinem Können an die Spitze.
Dies hatte mir geholfen, Geduld zu bewahren und Durchhaltevermögen zu beweisen. Beim Quidditch hatte sich der Schalter im Alter von acht Jahren umgelegt und ich wusste, dass ich nicht schlecht war.
Es könnte sogar reichen, um in der Hausmannschaft zu spielen, allerdings wies ich neben diesem höchst eigenartigen Lernprozess auch noch eine andere Eigenschaft auf: Ich besaß das Talent, in der Masse unterzutauchen.
Das tat ich gewiss nicht mit Absicht. Manchmal war es wirklich praktisch, aber in Momenten wie diesen wünschte ich mir einfach, dass man sich auch mal an mich und meine Leistungen erinnerte.
Zu meiner Überraschung hatte Weena heute einen guten Tag, oder ich einfach nur Glück, oder beides, aber der Stein in meinem Magen wurde bei dem Klang meines Namens wie gewohnt noch schwerer.
"Und Kassiopeia Bole, du bist die Dritte und Letzte."
"Was?!", entfuhr es Xavier, Akira und Lian empört.
Toll, bevor ich mich freuen konnte, fühlte ich mich schon wieder schlecht. Henry schubste mich leicht nach vorne und mit eingezogenem Kopf stellte ich mich zu Olivia. Trotzdem war mir etwas übel vor Glück und ich hielt das riesen Grinsen in einem leichten Lächeln zurück.
"Ich sagte, kein Gemecker!", kreischte Weena wütend.
"Was soll das?", beschwerte Xavier sich lautstark. "Ich hab viel besser gespielt als sie!"
"Anscheinend ja nicht!", keifte Weena zurück. "Wenn du meine Entscheidungen anzweifelst, hast du hier erst recht nichts verloren!"
"Das sind Fünftklässler!", argumentierte Xavier und Lian sah ihn unwirsch an.
"Ja, und du warst ein Viertklässler, als du das erste Mal gespielt hast. Du warst zwei Jahre in der Mannschaft und jetzt ist dein Potential ausgeschöpft", bebte Weena ungeduldig. "Verstehst du das? Kein Platz mehr nach oben. Die beiden" - Weena zeigte mit einer ausladenden Geste auf Olivia und mich - "haben genauso gut gespielt wie du und da sehe ich noch viel Platz nach oben!"
Weena war inzwischen rot angelaufen und Xavier eher blass. Beleidigt hob er das Kinn an und stiefelte mit seinem Besen davon.
"Und was ist mit mir?", verlangte Lian missmutig nach einer Erklärung.
"Soll ich euch jetzt allen eine Rezension geben? Na klar, Sprechstunde bei Weena, um halb drei, weil meine Entscheidungen nicht verständlich sind!", tobte Weena und baute sich zu ihrer vollen Größe auf. Sie war trotzdem ein Kopf kleiner als Lian.
"Ich sag dir jetzt mal was, Harris", gnatzte die Kapitänin. "Wer nicht abspielt, weil er denkt, dass er ins Team kommt, wenn er die meisten Tore wirft, der hat weder auf dem Quidditchfeld, noch in Ravenclaw was zu suchen."
Lian sog erbost die Luft ein, drehte sich weg und stapfte ebenfalls von dannen.
"Sonst noch welcher Probleme?", presste Weena hervor und sah drohend in die Runde.
Akira holte Luft, um sich auch zu beschweren, doch der Satz blieb ihr im Hals stecken, als Weena sie so böse wie niemanden sonst anstarrte.
"Und deswegen sag ich immer, leg dich nie mit Weena an", murrte ich Olivia zu, welche leicht nickte.
"Jeder, der es nicht ins Team geschafft hat, geht jetzt bitte augenblicklich vom Feld. Sofort!"
Prompt setzten sich alle in Bewegung. Einige flüchtig, andere eher niedergeschlagen und träge, doch im Endeffekt befanden sich nur noch die Truhe mit den Bällen, ein Haufen Besen und die neue Hausmannschaft auf dem Rasen.
"Jetzt wird Klartext gesprochen", warnte Weena vor und ich befürchtete eine weitere Standpauke, die jedoch nicht folgte. "Ich will dieses Jahr den Quidditchpokal, ohne Widerrede, ohne Umstände, keine Ausnahme. Ich will diesen Pokal und ich will die Hufflepuffs in Grund und Boden rammen."
"Ansage", grinste Jacob breit und stütze sich mit dem Ellenbogen auf Jusrus Schulter ab.
"Allerdings. Erstes Training ist direkt Montagabend, viertel nach sechs. Ich weiß, dass Isabelle heute den Termin der Auswahlspiele der Hufflepuffs bekannt gibt, sie werden am Freitag stattfinden. Ihr Team wird überwiegend aus Siebtklässlern bestehen, ähnlich wie letztes Jahr. Das bedeutet erfahrene und starke Spieler. Ich will dagegenhalten.
Unser Vorteil ist, dass wir vier neue Spieler haben, die Isabelle nicht kennt. Unser Nachteil ist, dass wir vier neue Spieler haben.
Wir müssen als Team" - Weena sah verdächtig zu Flint - "neu zusammenfinden.
Ihr erfahrt den Termin des nächsten Trainings immer recht kurzfristig, damit wir vermeiden, dass Isabelle sich unser Training anschaut. Schlimm genug, dass sie heute da war. Wir werden trotzdem jede Woche mindestens dreimal trainieren, Ausreden gibt es nicht. Und ich erwarte von euch, dass ihr am Freitag alle antanzt und euch die Auswahl der Hufflepuffs anseht. Ich schwöre euch, auch wenn die Hälfte Flaschen sind, werden sie für ihr Team nur das Beste zusammenkratzen."
"Denkst du auch, Weena ist etwas überehrgeizig?", fragte Olivia mich leise, als wir zu den anderen gingen, die vor dem Ausgang der Umkleidekabine auf uns warteten.
"Dezent", gab ich zurück.
"Teddy, Sydney, wir werden euch stalken", kündigte Olivia an, als Katie uns zuwinkte, um zwischen den anderen Gruppen auf unsere aufmerksam zu machen.
"Könnte ich dir vielleicht erst mal gratulieren, bevor du mich schon wieder bedrohst?", lachte Teddy und schloss zuerst mich und dann Olivia in die Arme, bevor die anderen es ebenfalls taten.
"So, jetzt kannst du uns bedrohen", grinste Sydney. "Wann stalkt ihr uns?
"Am Freitag, Weena erwartet von uns, dass wir zu eurem Auswahlspiel antanzen", erklärte ich grinsend.
"Ah, sie sind also am Freitag. Ich hab kein Wort aus Izzy raus gekriegt. Ihr wärt doch aber sowieso gekommen, oder?", fragte Teddy fast etwas gekränkt.
"Aber klar!", versicherte ich ihm. "Dominic Russell auf 'nem Besen? Das lass ich mir doch nicht entgehen!"
Gemeinsam gingen wir hinauf zum Mittagessen. Ich hatte einen Wampushunger und jetzt, wo alle anderen weg waren, konnte ich mich so richtig freuen.
Ich hatte es in die Hausmannschaft geschafft, ich hatte mein Ziel erreicht. Ich war sogar besser als Xavier Moore gewesen, hatte es Lian heimgezahlt und spielte nun verdammt nochmal in der Hausmannschaft.
Somit blieb das breite Grinsen auf meinen Lippen, bis spät in die Nacht. Bis ich wieder an Flint dachte und es kläglich erstarb.
Allerdings lebte ich jetzt immer noch, Flint hatte einen ganzen Tag verstreichen lassen, an dem er mir hätte den Kopf abreißen können.
Trotzdem fand das Lächeln erst am Dienstag den Weg zurück auf meine Lippen, doch das trug einen ganz anderen Grund und irgendwie auch eine bittersüße Erkenntnis bei sich.
ϟ ϟ ϟ
Kassy hat es ins Team geschafft :D
Was mich brennend interessiert: Wie findet ihr Weena?
Und mal eine ganz andere Frage: Wie verbringt ihr Halloween dieses Jahr?
Als kleine Erinnerung, am Mittwoch öffnet mein Trailerbuch wieder. Bis demnächst, Amelie :)
Next Update ⥋ 02.11.2017 (Thursday)
[28.10.2017]
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top