Kapitel 13 ϟ Oppression
i can't breathe - Bea Miller ♪♫
Auf der Stelle beschleunigte sich mein Herzschlag und ich kniff meine Augen zu. Was genau ich erwartete, wusste ich nicht.
"Hallo, Kassy", knurrte eine tiefe Stimme und ich wusste sofort, zu wem sie gehört.
Lewis Flint.
"Netter Abend, was? Bist die letzte, alle anderen sind schon oben", zischte er und drückte die Spitze seines Zauberstabs tiefer in meine Haut.
Langsam öffnete ich meine Augen, doch es war stockdunkel. Ich konnte Flints Gesicht nicht erkennen. Lediglich sein Atem, den ich auf meiner Wange spürte, und der Gestank nach Alkohol verrieten, wie nah er war.
"Was willst du?", fragte ich ihn mit trockener Kehle. Automatisch versuchte ich mich klein zu machen, was sich allerdings als äußerst schwierig und schmerzvoll herausstellte.
"Ganz einfach", lachte er höhnisch. "Ich muss mich rächen, du hast ganz schön viel Scheiße gebaut."
Ich hatte nicht den geringsten Schimmer, was er von mir wollte. Was sollte ich angestellt haben, was Flint so stören würde?
"Ich weiß nicht, was du meinst", röchelte ich und der Druck auf meine Kehle verstärkte sich, sodass ich kaum noch Luft bekam.
"Ich hab jetzt sozusagen Hausverbot bei meinen besten Freunden, hab eine Mahnung zum Schulverweis, obwohl ich nur ein paar Erstklässler an die Decke gesetzt hab und steh unter besonderer Beobachtung von Flitwick."
"Und was hat das mit mir zu tun?", keuchte ich.
"Du warst gestern Abend die Einzige, die auf der Party, aber nicht im Gemeinschaftsraum war. Also bist du da geblieben und hast uns verpetzt. Du hast Luke verpetzt und Dave an McGonagall verraten. Und Shawn hast du aus der ganzen Situation raus gehauen. Damit eins klar ist - "
Flints Stimme war dicht an meinem Ohr und das Grollen ließ mich noch kleiner werden.
" - Shawn will nichts von dir. Er nutzt dich aus, weil du kleiner Streber ihm helfen kannst."
"Ach, und warum fragt er dann nicht einfach dich, wo du doch so toll in Allem bist?", sprach die pure und rasende Wut aus mir.
Flint bohrte den Zauberstab tiefer in mein Fleisch. Es brannte höllisch, Tränen stiegen mir in die Augen.
"Bole, hast du schon mal was von Wetten gehört? Rumkriegen und Fallenlassen heißt das Spiel. Macht furchtbar Spaß, vor allem wenn so eine naive Kandidatin wie du am Start steht."
Dieser Satz traf mich hart in die Magengrube. Die Übelkeit schlug mit voller Wucht zu und ich war kurz davor, das zweite Mal an diesem Tag zu kotzen. Flints Ellenbogen fand den Weg in meinen Bauch und rammte sich heftig hinein. Automatisch würgte und keuchte ich ein wenig.
"Das bleibt unter uns, oder dein kleiner Kumpel Henry fährt nach Hause, weil er sich um seine verletzte und arbeitslose Mutter kümmern muss."
Angst machte sich in mir breit. Henry lebte mit seiner Mutter allein, da sein Muggelvater die Familie verlassen hatte, als er raus fand, was mit seiner Frau und auch seinem Sohn wirklich los war. Es hatte ihm Angst gemacht. Seitdem versorgten die beiden sich selbst und Henrys Mutter arbeitete hart und unter egal welchen Wetter- oder Gesundheitsbedingungen im Ministerium, um den Lebensunterhalt zu finanzieren.
Wenn Henrys Mum ihren Job verlieren würde, wäre das das Ende der beiden. Und wie jeder wusste, war die Mutter der Flints ein hoher Tier im Ministerium - es wäre für sie kein Problem, Henrys Mutter zu entlassen und ihr Blessuren zu verschaffen, die sie als einen Unfall tarnte. Nebenbei könnte sie ihren Ruf ruinieren und damit dafür sorgen, dass sie für immer arbeitslos blieb.
Flint presste ein letztes Mal seine Arme gegen meinen Körper, ehe er sie wegriss und ich fast nach vorne fiel.
Ich konnte nur hören, wie er die Stufen hoch sprintete. Ich sank an der Mauer hinunter und setzte mich behutsam auf die Stufen. Mein Kopf fand den Weg in meine Hände, doch der Schock saß so tief, dass ich keine Träne verdrücken konnte.
Irgendwann gingen die Kerzen in ihren Haltern wieder an, aber das interessierte mich nicht. Ich rief mir verängstigt Flints Worte ins Gedächtnis. Seine Drohung hatte Effekt gezeigt, ich würde niemandem davon erzählen.
Plötzlich ergriff mich ein Schwall von Panik. Meine Lungen zogen sich zusammen. Ich wollte einatmen, doch es ging einfach nicht. Ich sprang auf und klopfte mir auf die Brust - es half nichts. Schließlich schlug ich mir selbst heftig ins Gesicht. Erschrocken floss der Sauerstoff in meine Lungen und ich atmete hektisch.
Mein Brustkorb schmerzte, aber auch meine Wange war heiß und zwiebelte. Ich hatte gut getroffen.
Doch beruhigt hatte ich mich noch lange nicht. Ich rannte die Stufen so schnell hoch, wie meine Beine mich tragen konnten. Sogar noch schneller, ich stolperte drei Mal. Vor der Tür raufte ich mir die Haare, als der Adler die Frage stellte: "Wo ist die Grenze zwischen Sinn und Unsinn?"
"Alter, nicht jetzt", keuchte ich völlig durch den Wind. Ich wollte nur in diesen scheiß Gemeinschaftsraum und dann sofort in mein Bett.
"Das ist nicht nachvollziehbar", antwortete der Türknauf beleidigt und fror ein.
"Was?", kreischte ich hoch. "Nein! Du dummes Ding, mach die scheiß Tür auf!"
Voller Wut klopfte ich mit dem Adler auf das alte Holz der Tür, doch er rührte sich nicht.
Es würde jetzt niemand mehr kommen, ich war um diese Uhrzeit die letzte, die rein wollte. Ich konnte bis jetzt jede Frage beantworten, aber mein Gehirn war in diesem Moment einfach nicht im Stande, zu denken.
Verzweifelt schlug ich mit aller Kraft meine Handflächen gegen den verschlossenen Eingang. Zu meiner Überraschung öffnete sich die Tür tatsächlich. Hinter ihr stand Flint mit einem ziemlich breiten Grinsen, was mir durch Haut und Knochen fuhr.
Wimmernd lief ich an ihm vorbei, durch den Gemeinschaftsraum, zur Schlafsaaltür hin. Die verwirrten Blicke meiner Freunde und Henrys Ruf ignorierte ich.
Erschöpft, aber nach wie vor voller Panik, bewältigte ich auch die letzten Stufen bis in unseren Schlafsaal. Dort schlug ich dir Tür hinter mir zu, streifte ungelenkig meine Schuhe ab, schmiss mich aufs Bett und zog mir die Decke bis ans Kinn. Eine einzelne Träne lief über meine Schläfe auf mein Kissen.
Und dann fing ich hemmungslos und bitter an zu weinen.
Es dauerte seine Zeit, bis ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Ich war froh, dass mir niemand gefolgt war und Davina heute entschied, erst gegen zehn schlafen zu gehen.
Schwach hob ich mich aus meinem Bett und schwankte ins Bad. Der Blick in den Spiegel erfolgte genauso schnell wie der Griff nach meinem Zauberstab. Meine Augen waren rot und ein wenig aufgequollen. In meinem ganzen Gesicht waren die Tränen verschmiert und die Haut an meiner Stirn leicht gerötet.
Die erste Angst war abgeflaut, dafür türmte sich Wut in meinem Inneren. Wut auf alles und jeden, aber vor allem auf Melody. Durch ihre unterdrückende Art stand ich jetzt hier. Ich wollte ihr nicht die Schuld in die Schuhe schieben, aber auf die Frage, wie mein Leben wohl ohne ihren Einfluss verlaufen wäre, war die Antwort primitiv: Besser.
Betreten starrte ich eine Weile in den Spiegel, dann hob ich meinen Zauberstab und entfernte nicht nur die Spuren meines emotionalen Ausbruchs, sondern auch die kleinen Pickel und Mitesser auf meiner Stirn und Nase.
Es war nicht nur, dass der Zauber unheimlich schwierig war und gehörig nach hinten losgehen konnte, sondern dass ich generell gegen solche Eingriffe war. Irgendwie fühlte es sich für mich falsch an, wenn man sich verstellte, egal ob inner- oder äußerlich. Für mich zählte viel mehr der Charakter und in gewisser Weise fühlte ich mich nicht mehr wie ich selbst, wenn ich etwas an mir änderte. Auch wenn es Melody nicht passte, die pubertär bedingten Pickel waren ein Teil von mir und bevor sie mich kritisiert hatte, verspürte ich nie das Bedürfnis, sie zu verstecken. Schließlich achtete ohnehin niemand auf mich.
Allerdings brodelte die Wut in meinem Inneren so stark, dass ich ausnahmsweise einfach handelte, ohne vorher groß darüber nachzudenken. Ich hatte es satt, mir ständig Kommentare anhören zu müssen. Wenn Melody oder sonst jemand ein Problem hatte, sollte er mich drauf ansprechen.
Egal wer, außer die Flints.
Behutsam strich ich mir meine Haare nach hinten und blickte schockiert auf den Abdruck an meinem Hals. Die Stelle, wo Flint seinen Arm gegen gedrückt hatte, war schon leicht blau angelaufen und als ich mein Kinn nach oben hob, stach der wunde rote Punkt leuchtend hervor.
Vorsichtig berührte ich ihn mit meinen Fingerspitzen und zuckte zusammen. Die offene Druckstelle schmerzte stark. Seufzend nahm ich mir etwas von Ivys Make-up. Ihr Teint war zwar etwas heller als meiner, doch am Hals fiel das nicht so stark auf und ich lief lieber mit einer hellen als einer blauen Stelle herum.
Die Wunde konnte ich nicht überschminken, da es sich um eine der offenen Sorte handelte. Ich war mir sicher, Flint hatte nicht nur gedrückt, sondern auch einen Brandzauber verwendet.
Ich strich meine Haare zurück vor meinen Hals und senkte den Kopf. So müsste es morgen gehen und es sollte nichts auffällig erscheinen. Ich räumte Ivys Make-up zurück in ihr Täschchen und wusch mir die Hände.
Dann fiel mir auf einmal ein, dass mein Astronomieaufsatz noch nicht beendet war. Da mein Anblick nun wieder erträglich war, traute ich mich runter. Natürlich nicht ohne flaues Gefühl im Magen, immerhin hatte das halbe Haus mich beobachtet.
"Mir war schlecht", murmelte ich betreten, noch ehe Henry die Frage stellen konnte.
"Schlecht", feixte er. "Hat Shawn dich so hart dran genommen?"
"Pscht!", zischte ich ihn wütend an und schielte in Flints Richtung. "Bitte Henry, tu mir einmal den Gefallen und sei still."
Henry hob abwehrend die Hände und widmete sich Merlin sei Dank still seinen Hausaufgaben, so wie auch ich mich daran setzte, den Aufsatz zu beenden.
"Was ist mit deiner Haut passiert?", fragte Davina nach einer Weile verwundert und zu meinem Übel ziemlich laut. Die Sechstklässler um Jacob drehten sich neugierig um, als erwarteten sie, dass ich grün-lila-gestreift leuchtete.
Ich war kurz davor, Davina anzuschnauzen, ob sie nicht schon längst im Bett sein und schlafen müsste, hielt mich dann aber zurück.
Auch Olivia beugte sich vor und drehte meinen Kopf in besseres Licht. Ich drückte ihre Hand weg und senkte den Kopf, damit die Stellen am Hals keine Aufmerksamkeit erregten.
"Leute, echt jetzt", grummelte ich. "Ist nicht die Welt, war eigentlich mehr ein Ausrutscher."
"Ein Ausrutscher?", entfuhr es Olivia. "Das nennst du einen Ausrutscher? Das ist perfekt geworden!"
"Ja", zischte ich genervt zurück, "aber ich hatte es strenggenommen nicht vor."
"Was denn überhaupt?", wollte Davina wissen und Henry nickte zustimmend.
"Kassy hat ihre Pickel weggezaubert", erklärte Olivia und in dem Moment, wo sie es laut aussprach, merkte ich erst, wie unangenehm es klang. "Das ist ein mega schwerer Zauber, der sehr schnell danebengehen kann. Teddy hat doch mal von der einen Hufflepuffschülerin erzählt, die zur Golden Trio Zeit versucht hat, ihre Akne wegzuzaubern."
Ich senkte meinen Blick wieder auf meine Arbeit. Olivia erzählte Ivy, Davina und Henry die Geschichte, die ich schon kannte und ich versuchte so gut es ging Davinas lautes Lachen zu ignorieren.
"Kannst du mir das auch machen?", bettelte Henry hoffnungsvoll.
"Nein, garantiert nicht", verweigerte ich mit gesenktem Kopf.
"Wenigstens der am Kinn, komm schon."
"Nein", beharrte ich und sah leicht auf, da ich ein mulmiges Gefühl bekam.
In der Lücke zwischen Henrys und Davinas Köpfen grinste Flint mich an. Ich wusste genau, eben saß er da noch nicht. Sein einer Fuß lag auf seinem anderen Knie und sein Bein wippte leicht, während er die Augenbrauen hob und mich herausfordernd ansah.
Schnell senkte ich den Blick wieder und drehte mich im Sessel so, dass meine Haare vor meinem Gesicht hingen und Flint mich nicht weiter beobachten konnte. Jetzt war mir wirklich schlecht.
Der Astronomieaufsatz wurde noch rechtzeitig fertig und fand am nächsten Morgen den Weg in Professor Ronios Hände. Die Stunde ging nach meinem Geschmack viel zu schnell um.
Auf dem Weg nach oben zum Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen Künste kamen uns diverse Schüler entgegen, unter anderem auch der Jahrgang meiner Schwester.
"Kassy!", rief sie mir entgegen und ich sah erschrocken auf.
Normalerweise ignorierte Saiph mich und wir taten beide so, als gehören wir nicht zu einer Familie. Wir sahen uns zwar relativ ähnlich, aber die wenigsten ordneten uns zueinander. Lediglich unser Nachname schuf dann die Verbindung.
"Hi, Saiph", versuchte ich so cool wie möglich zu sagen, da ihre Freunde neben ihr liefen.
"Eure Party war awesome, hat richtig gefetzt! Nächstes Mal musst du uns auch rein lassen!"
Ich runzelte die Stirn, fing mich aber schnell wieder. Saiph lief an uns vorbei und hielt mir ihre Faust entgegen. Zögernd schlug ich meine Faust gegen ihre und lächelte schwach.
"Man sieht sich, Kas!", rief sie über ihre Schulter und widmete sich wieder ihren Freunden. "Stay fresh!"
"Was war das?", fragte Olivia belustigt.
"Eine sehr gute Frage", stimmte ich ihr zu.
Die Antwort erhielten wir beim Mittag, aber vorher stand noch eine Stunde Verteidigung an.
Gleich zu Beginn gab ich Professor Goldstein den Schlüssel zurück, allerdings nicht, ohne einen überraschten und gleichzeitig neugierigen Blick zu erhalten.
Olivia, Davina, Ivy, Sydney, Toby Rogers, Bea Scott, Chris Tico und Max Cauldwell brachten diese Stunde einen Patronus zustande. Natürlich keinen gestaltlichen, aber einige konnten sich durchaus sehen lassen. Nach Professor Goldstein konnte Olivias sogar einen Dementor vertreiben.
Bei mir passierte wieder nichts. Nichts im Sinne von die altbekannten Striemen.
Professor Goldstein beendete die Stunde und entlastete uns, indem er uns keine Hausaufgaben aufgab.
"Ihr braucht auch nicht üben", ließ er uns wissen, als wir unsere Sachen schnappten. "Das ist sehr anstrengend und ich sehe, wie es bei euch allen langsam von alleine klappt. Bis Montag!"
Seufzend verließ ich neben Henry das Klassenzimmer.
"Am Montag schaff ich das", behauptete Henry fest. "Ich weiß, dass es dann klappen wird."
"Wusstet ihr, dass Harry Potter den Patronus angeblich beim ersten Versuch geschafft hat?", fragte Sydney und schloss zu uns auf.
"Ich hab was anderes gehört", widersprach Lian und rückte neben Henry. "Er hat einen Monat gebraucht."
"Einen Monat, bis der Patronus stark genug war, oder?", fragte Henry. "Das hab ich auch gehört."
"Weiß nicht", zuckte Syd gut gelaunt mit den Schultern. "Aber ich bin auch so zufrieden. Am Montag ist meiner garantiert genauso gut wie Olivias."
"Das will ich sehen", grinste Henry.
"Willst du wetten?", feixte Sydney.
"Immer doch", antwortete Henry. "Auf drei Sickel."
Als wir nach Verwandlung und Zauberkunst zum Mittag strömten, fing Teddy uns noch vor der Tür ab.
"Kassy und Henry, antreten!", verlangte er.
Ich sah Henry fragend an, aber er zuckte nur ahnungslos mit den Schultern. Hinter Teddy warteten bereits Tori und Katie.
"Was hat er?", murmelte ich Katie zu.
"Gute Frage, nächste Frage", flüsterte sie zurück.
"Okay Leute, einer hat geplaudert. Wer war's?", horchte Teddy uns aus.
Wir starrten ihn alle stumm und fragend an.
"Hey, nicht alle auf einmal!", schnaubte der Hufflepuff.
"Was geplaudert?", erkundigte Tori sich für uns alle.
"Die halbe - ich lüge. Die ganze Schule weiß, was genau abgegangen ist."
"Ja, natürlich, Teddy", bestätigte Katie. "Waren ja genug dabei."
"Ihr versteht mich nicht. Wir kriegen richtig Stress. Klar haben wir McGonagall alles erzählt, aber die anderen wussten das nicht."
"Teddy, rede bitte Klartext mit uns. Die anderen haben doch gesehen, wie wir da geblieben sind", erinnerte Tori ihn.
"Schon, aber ich hab mit Evan gesprochen und er hat gesagt, er hätte sich selbst gestellt, ebenso wie Luke, Demian und die anderen. Niemand hat gewusst, dass wir sie verpetzt haben. Bis jetzt. Jetzt wissen es alle!"
"Ich verstehe dein Problem nicht", bemerkte Henry.
"Das merke ich", seufzte Teddy und rieb sich über das Gesicht. "Hört zu, mit Owen, Bell und vor allem den Flints ist nicht zu Spaßen. Wenn die wissen, dass wir sie verraten haben, was sie sicherlich schon wissen, dann stehen wir offiziell auf der Abschussliste. Das wird denen gar nicht gefallen."
"Das könnte übel ausgehen", fügte ich leise hinzu und dachte sofort an meinen Hals. Unweigerlich pochte der Druckpunkt des Zauberstabs.
"Das könnte richtig übel ausgehen", unterstütze Teddy mich. "Und deswegen schlage ich folgendes vor: Wir streiten alles ab. Wir - "
"Sicher, dass das eine gute Idee ist?"
"Tori, wir haben keine andere Wahl", unterstütze Katie den Schulsprecher.
"Katie sagt es", bestätigte Teddy ihre Aussage. "Wir tun so, als hätten wir nichts gesagt, niemanden verraten. Wir haben nur unseren Ärger und die Strafarbeit bekommen und sind dann gegangen. Das hat sich einfach jemand ausgedacht. Klar?"
"Klar", antworteten wir alle leise.
"Gut", stieß Teddy die Luft aus. "Ich habe nämlich echt keine Lust auf Stress mit den Flints."
Denn haben wir schon längst, schoss es mir durch den Kopf. Aber waren es wirklich wir? Ich hing ohne Frage mit drin, auch Henry war indirekt betroffen, aber so gesehen hatte Teddy nichts damit zu tun. In Flints Augen zumindest.
"Dieses Gespräch hat nie stattgefunden. Und jetzt ab zum Essen", scheuchte Teddy uns.
Wir gingen los, doch Teddy hielt Henry und mich fest.
"Halt! Nicht alle auf einmal, das kommt auffällig", mahnte er uns. Jetzt wurde es wieder lächerlich.
"Teddy", grinste ich.
"Immer wachsam", verzog Teddy den Mund zu einem Lachen.
"Henry, geh du schon mal, bitte", wies ich den Braunhaarigen an.
Henry nickte und ging vor. Ich zog Teddy etwas weiter in die Ecke.
"Hör mal ...", fing ich an und schluckte. Teddy musste es wissen, bevor er noch andere Pläne ausbrütete. "Es war Flint, der uns verraten hat."
"Lewis Flint?", wisperte Teddy mit großen Augen.
"Ja. Ich hab nichts gesagt, echt nicht", beteuerte ich und versuchte unauffällig, meine Haare so gut es ging, vor meine überschminkte Stelle am Hals zu streichen. "Ich glaube, er hat einfach eins und eins zusammengezählt, ein bisschen Salz in die Wunde gestreut und ein Gerücht verbreitet, was zufällig und ausnahmsweise die Wahrheit ist."
"Kassy", sah Teddy mich intensiv an. "Ist alles in Ordnung?"
Nein, nichts ist in Ordnung!, wollte ich am liebsten schreien, aber ich hielt das Verlangen unterdrückt.
Ich senkte meinen Kopf, biss mir auf die Lippe und nickte.
"Wirklich?", vergewisserte Teddy sich unsicher.
"Ja", log ich und ignorierte den pulsierenden Schmerz. "Es ... ist nichts."
Mit dem verschwiegenen Teil musste ich selbst klar kommen. Solange ich niemandem von Flints Drohung erzählte, würde Henry nichts passieren. Es war nur eine leere Drohung, sonst nichts. Flint wollte verhindern, dass ich jemandem was erzählte. Ich brauchte es niemandem erzählen, immerhin stand mir nichts bevor.
"Teddy, tu mir nur einen Gefallen", bat ich den Schulsprecher. "Unternimm nichts. Lass Flint einfach machen und streite alles ab. Okay?"
Teddy blickte mich bedauernd an. Er wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Natürlich wusste er es, schließlich war er Teddy. Vor Teddy konnte ich fast nichts verstecken.
"Gut. Aber versprich du mir auch etwas", verlangte Teddy. "Pass auf dich auf und sag was, wenn es gefährlich wird, okay?"
"Versprochen", versicherte ich ihm.
Teddy drückte mir in seiner herzlichen Art einen freundschaftlichen Kuss auf den Haaransatz (den er durch seine Größe problemlos erreichen konnte) und lächelte mich traurig an.
"Wenn einem von euch was passiert, dann würde ich mir das nie verzeihen. Ihr seid doch meine Occamy-Küken."
"Du bist nur anderthalb Jahre älter als ich", erinnerte ich ihn grinsend.
"Na und? Ich bin Schulsprecher", strahlte er mich an.
"Du genießt das richtig, was?"
"Aber sowas von!"
Beim Essen unterhielten sich die anderen über die Verteidigung Stunde und ihre Erfolge. Ich für meinen Teil aß stumm meine Pasteten.
Mittlerweile hatte ich mich mit meinen Fäden abgefunden. Ich wusste jetzt genau, dass ich mehr schaffen konnte, aber nicht heute. Flint verließ meinen Kopf nicht, ich war blockiert. Doch das war okay. Ich wusste, dass ich nicht zu dumm war, sondern durchaus fähig. Es war okay, nicht die Beste zu sein. Ich würde mich übers Wochenende beruhigen und es am Montag schaffen.
Ich beruhigte mich nicht übers Wochenende.
Jedes Mal, wenn ich Henry, Teddy, Flint, Shawn, Dave, Laurent oder Gree sah, spukte Flints Blick in meinem Kopf rum. Egal, wie oft ich mir einredete, dass er mir nichts tun würde, ich hatte ständige Angst. Vor allem war ich mir unsicher, ob Shawn in seiner Drohung mit eingeschlossen war. Würde Flint Henrys Mutter etwas antun, wenn ich mich weiterhin mit ihm traf?
Die Antwort erhielt ich wohl oder übel frühestens Dienstag, dachte ich zumindest. Denn vor Dienstag kam noch etwas anderes, überaus eigenartiges (neben dem Nachsitzen bei Filch, welches glücklicherweise nur drei Stunden gedauert hatte): Das Quidditch-Auswahlspiel.
Da Ravenclaw die Saison mit dem ersten Spiel gegen Hufflepuff eröffnen würde, hatte Weena das Auswahlspiel relativ früh angesetzt. Als erstes der vier Häuser trafen wir uns am Samstagvormittag auf dem Quidditchfeld.
Henry, Olivia, Lian Harris, Vince Martin und ich würden unser Glück aus dem fünften Jahrgang versuchen. Als wir auf dem Feld ankamen, warteten bereits diverse andere Schüler auf uns. Einige aus dem siebten und vierten Jahr waren da, aber vor allem viele aus dem sechsten. Weiter hinten erkannte ich auch Olivias Schwester Stacy, die trotz ihres jungen Alters ziemlich gut spielen sollte.
"So, bevor ihr euch weiter um die Besen prügelt", rief Weena laut und die Jungs hörten auf, sich um die Flugobjekte zu kloppen, "hört erst mal kurz zu!"
Die Traube um den Besenhaufen löste sich auf und alle stellten sich im Halbkreis um Weena auf. Zu meinem Unglück war Flint, der Xavier Moore gerade auf die Schultern klopfte, auch unter ihnen.
"Wie ihr wisst, kommen nicht alle, die letztes Jahr im Team waren, dieses Jahr wieder rein", begann Weena und grinste dabei Jacob Newton an.
Jacob war seit der dritten Klasse Jäger im Team und hatte bisher in jeder Saison Glanzleistungen gezeigt. Es stand außer Frage, dass Weena ihn definitiv spielen lassen würde.
"Ich freue mich aber, so viele neue Gesichter zu sehen", Weena fort und ihr Blick pendelte in unsere Richtung.
Von uns Fünftklässlern hatte lediglich Lian es letztes Jahr probiert und es nicht geschafft, weswegen sein Ehrgeiz für dieses Jahr doppelt so groß war.
"Wie einige von euch wissen, halte ich nicht viel vom Spielen lassen nach Positionen. Ich will euch als Team sehen, denn der beste Treiber bringt mir nichts, wenn er seinen Mitspielern ständig Klatscher an die Köpfe knallt."
Weena stemmte die Hände in die Hüfte.
"Und noch etwas", sagte sie völlig ernst. "Ich will hier niemanden sehen, der nicht vernünftig spielen kann, geschweige denn nach drei Metern vom Besen kippt."
Sie reckte die Nase nach oben (Weena war nicht die Größte) und guckte zwischen den Köpfen von Uriah und Lexa hindurch, direkt auf eine Gruppe Drittklässler, die kicherten.
"Sollte das also der Fall sein, dann geht jetzt, oder ich pfeffere euch eigenhändig einen Klatscher an den Kopf!"
Die Gruppe kichernder Drittklässler huschten davon und auch zwei Jungen, die keine Erstklässler waren, aber zusammen gerade mal die Größe von Teddy erreichten, liefen panisch vom Feld.
"Wir spielen drei Spiele a fünfundzwanzig Minuten", fuhr Weena fort. "Ich bilde die Mannschaften jedes Mal neu, je nachdem, wer benötigt wird und wen ich spielen sehen will. Stellt euch bitte nach Positionen auf. Die Sucher hier, die Jäger nach da drüben und die Treiber dorthin."
Das Gewusel ging los und viele kämpften sich den Weg zu ihren zugewiesenen Plätzen. Olivia und Lian folgten mir, Henry und Vince blieben stehen. Henry spielte zwar eigentlich als Hüter, da aber Weena diese Position gehörte, versuchte er sein Glück als Treiber.
"In der ersten Runde spielen ...", überlegte Weena und lief mit einem Stück Pergament und einer Feder vor uns auf und ab, "auf der linken Seite ... Jacob ... Chang-Cook, Olivia Thorne ... Martin, Flint und Stacy Thorne gegen ... Harris, Xavier ... Bole, Gold, Miller und ... Powell!"
Die genannten sortierten sich und ich stellte mich mit einem mulmigen Gefühl zu Henry.
"Einen Hüter zu suchen wäre schön blöd, aber ohne geht's auch nicht", scherzte Weena. "Deswegen habe ich mir Kieran Spinnet und Eve Gray ausgeliehen, die heute spielen."
Sie zeigte hinter sich auf Eve, welche leicht lächelte, und Kieran, der uns zuwinkte.
Erwartungsvoll und stumm schauten wir Weena an, die nur zurück starrte.
"Na was jetzt", pflaumte sie uns an. "Auf die Besen, fertig, los! Bewegt eure Ärsche in die Luft!"
Das ließ sich keiner zweimal sagen. Die, die nicht spielten, suchten sich einen Platz auf der Tribüne. Der Rest schnappte sich einen Besen und entfloh in die Lüfte.
Ich hatte meinen eigenen Besen, einen Nimbus 1700, auf den ich unheimlich stolz war. Natürlich gab es bessere Modelle, aber der nächstbeste Besen war der Feuerblitz, und den erhielt man neu ab einer Summe von etwa 400 Galleonen.
Während Henry sich noch einen Schläger schnappte, stieß ich mich schon ab und flog zwei kleine Runden im Kreis. Sofort bekam ich bessere Laune. Der Wind war kalt, aber das Gefühl war nach wie vor unersetzbar.
"Alice!", brüllte Weena, die noch unten auf dem Rasen stand, um die Bälle ins Spiel zu bringen. "Alice! POWELL! Das hatten wir letztes Jahr doch schon! Nimm deine stinkende Katze hier weg!"
Ich blickte nach unten und entdeckte eine dicke hellhaarige Perserkatze, die die Truhe mit den Bällen beschnüffelte.
Alice preschte im Sturzflug auf den Boden zu, fing sich allerdings nicht mehr rechtzeitig ab krachte voll auf den Rasen, auf dem sie sich planlos hin und her rollte.
Ich schlug mir die Hand vor den Mund und fing an zu lachen. Es schwebte momentan niemand in meiner Nähe, weswegen mein Lachen von keinem gehört wurde, doch auch Henry und Olivia hatten Probleme, sich auf dem Besen zu halten.
Alice trug ihre fette Katze vom Spielfeld. Weena akzeptierte diese Notlösung jedoch nicht und zwang Alice, ihre Katze im Schlafsaal einzuschließen.
Damit wurde Alice durch Derek ersetzt und Weena war bereit, dass Spiel zu starten. Ich schwebte zwischen Jusrus Gold und Xavier Moore.
Aufgeregt warf ich einen Blick auf die Tribüne, auf der die anderen Kandidaten saßen. In der Nähe dieser sitzend winkte mir Alia zu, die meinen Blick bemerkt hatte. Sie saß mit Tori, Katie, Sydney und Teddy auf einer der höheren Ränge.
Leicht winkte ich zurück und obwohl sie mein Gesicht nicht erkennen konnte, lächelte ich, fast automatisch.
Dann nahm ich eine Bewegung unterhalb meiner Freunde wahr. Meine Augen fixierten die einzelne Person und ich kniff sie leicht zusammen, um besser sehen zu können.
Es war mir schon fast klar, ohne, dass ich das Gesicht erkannte. Seufzend spielte ich an meinem Besenstiel rum, während ich Shawn dabei beobachtete, wie er mir zuwinkte.
"Gut, alle bereit! Und Flint, wehe du verletzt wieder jemanden!", mahnte Weena von unten, öffnete die Truhe mit den Bällen und eröffnete mit einem kräftigen Pfiff die erste Runde.
ϟ ϟ ϟ
Es war also Flint. Glaubt ihr, dass er Kassy ernsthaft gefährlich werden könnte?
Und was wird beim Quidditch-Auswahlspiel passieren?
Danke für die unzähligen Kommentare und die mittlerweile 4K Reads <3
Bis demnächst, Amelie :)
Next Update ⥋ 28.10.2017 (Saturday)
[24.10.2017]
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