Kapitel 1 ϟ As Always
Part I
》Stars are only visible in darkness《
~ Imagine Dragons
Grow Up - Olly Murs ♪♫
"Teddy, wann hörst du eigentlich jemals auf zu essen?", fragte Katie den Jungen mit den hellblau-türkisen Haaren, der gegenüber von ihr saß.
"Hey, die letzten acht Tage musste ich von der spärlichen Erbsensuppe im Tropfenden Kessel leben, okay? Und das letzte Jahr hat krass an meinen Nerven gezerrt. Ich muss erst mal wieder zu Kräften kommen!"
"Übertreib mal nicht, Ted", grinste Tori. "Erstens hat nur Katie ihre ZAGs geschrieben und nicht du. Und ich hab dir angeboten, mit zu mir zu kommen, aber du wolltest ja nicht."
"Sicher nicht, Dominique hat gerade eine sehr schlimme Phase. Da kann ich gut drauf verzichten."
"Ist sie so schlimm, Tori?", fragte Alia neugierig.
"Oh ja, es ist die Hölle. Mum hat ihr schon gedroht, sie nach Frankreich zu schicken, wenn sie sich nicht bald bessert. Das Schlimmste ist die unerträglich laute Musik. Ganz zu schweigen von dem Stil, der ist schlimmer als Mums französischer Mist."
"Meine Schwester ist genauso schlimm", gab ich zum Besten. "Mum ist heilfroh, sie jetzt bis Weihnachten los zu sein."
Die anderen lachten und ich stimmte mit ein. "Nein, echt", deklarierte ich, "sie ist der Ansicht, ihre Wimpern würden die zehn Kilo Schminke halten und sie hübscher machen."
Teddy prustete los und auch Alia liefen Tränen über die Wangen. Melody mischte sich ein: "Lass sie doch machen, was sie will."
Die anderen schauten sie an und Teddy zog eine im Gegensatz zu seinen Haaren braune Augenbraue hoch. "Ist doch ihr Ding, wie sie rumlaufen möchte, oder?", erklärte Melody. "Ich kritisier dich doch auch nicht, nur weil deine Stirn aussieht als hättest du Drachenpocken."
Die Röte schoss mir ins Gesicht und augenblicklich wünschte ich mir einen Tarnumhang, Instant-Finsternispulver oder die Möglichkeit, einen Desillusionierungszauber über mich zu legen.
Melody war meine beste Freundin, ich war an solche Bemerkungen, vor allem über meine Haut, gewöhnt. Doch vor allen anderen war es peinlich.
Obwohl ich damals nach Ravenclaw kam und sie im zweiten Jahr in Slytherin war, wurden wir ziemlich schnell dicke Freundinnen und verbrachten die meiste Zeit gemeinsam. Egal ob beim Lernen oder beim Essen, wir saßen eigentlich fast immer irgendwo zusammen und hatten viel Spaß.
In letzter Zeit allerdings wurden die Sticheleien ihrerseits mehr. Ich sagte nichts dagegen, weil ich nicht mit ihr streiten konnte. Ihre Argumente waren total bescheuert, aber ihre dominante Art und ihre Blicke verunsicherten mich so stark, dass ich schnell aufgab und sie das Zepter in der Hand behielt.
Vier Jahre waren wir nun schon befreundet und eigentlich hatte ich mit Vorfreude auf mein fünftes Schuljahr geblickt. Vielleicht hielt ich deswegen unsere Freundschaft aufrecht. Ich wollte nicht auch noch diese in den Sand setzen - es sollte endlich mal was in meinem Leben funktionieren.
Aber obwohl ich nicht die Person war, die freudestrahlend auf jeden zu ging, hatte ich noch einige andere gute Freunde, die hinter mir standen.
Tori konterte: "Besser Drachenpocken auf der Stirn als am Gehirn - da erreicht man wenigstens was im Leben und muss sich die Freunde nicht kaufen."
Teddy sog laut die Luft ein und verkniff sich ein Grinsen. Trotzdem hörte ich ihn leise: "Gegeben!", murmeln.
"Oh, und", fügte Tori hinzu, "Charakter und Talent zählen viel mehr als gutes Aussehen. Und wenn man beides nicht hat, hat man ein viel größeres Problem als ein paar völlig natürliche Pickel."
Tori war die Einzige, die Melody regelmäßig in die Schranken wies. Ich dankte ihr dafür, denn ich tat es nicht, obwohl es meine Aufgabe war. Das würde ich jedoch vor Melody nie zugeben.
"Immerhin habe ich noch Talente außerhalb des Quidditchfeldes", fuhr Melody Tori an und stand erzürnt auf. "Schaff du erst mal deine ZAGs. Und wenn man andere beleidigt, nur weil man selbst nicht seinem Alter entsprechend aussieht, dann ist das einfach nur peinlich."
Sie schob die Abteiltür auf und drehte sich zu mir um. "Kommst du? Oder möchtest du deine restliche Zugfahrt lieber mit diesen neidischen Versagern verbringen?"
"Nur weil ich nicht Schulsprecher bin?", zickte Teddy beleidigt.
Ich schluckte. Zeitgleich hörte ich, wie Katie neben mir zischte: "Der einzige Versager bist du, ich hab mehr ZAGs als deine mal drei genommen", und ihre Hand sich um den Griff ihres Zauberstabs schloss. Zögernd sah ich Tori an, deren eiskalter Blick plötzlich auftaute.
Fast unbemerkbar nickte sie und ich wusste, dass sie mir damit eine Entscheidung abnahm, die ich unmöglich hätte treffen können. Sie war mir nicht böse, denn sie kannte Melody und sie kannte mich.
Nach wie vor hochrot stand ich auf und nahm zitternd meinen Rucksack von der Gepäckablage. Ich hängte ihn mir über eine Schulter, murmelte: "Wir sehen uns bei dem Vertrauensschülertreffen", und folgte Melody auf den Gang hinaus.
"Ich glaub es nicht, wieso bist du immer noch mit denen befreundet?", beschwerte Mel sich im leeren Gang. "Die sind so peinlich und kindisch!"
Stumm nickte ich und klammerte mich an den Riemen meines Rucksacks.
"Das war das letzte Mal, dass ich mich mit dir da rein gesetzt habe!"
Ich wusste nicht recht, ob ich ihre Worte ernst nehmen sollte, denn das hatte sie die letzten drei Zugfahrten auch schon gesagt.
Plötzlich wurde weiter hinten im Waggon eine Tür aufgerissen und drei Jungen stürmten auf den Gang.
"Das wirst du nicht tun!", rief einer von ihnen und ich wusste sofort, wer es war.
Shawn Mendes, siebtes Jahr, Gryffindor, Vertrauensschüler, Jahrgangsbester und wahrscheinlich der diesjährige Schulsprecher, wenn Teddy dieses Amt verwehrt blieb.
"Doch, Camila wird sich bestimmt freuen, das zu hören!"
Das war Dave, hirnloses Anhängsel von Shawn.
"Ich steh aber nicht auf sie!", widersprach Shawn ärgerlich und jagte Dave und dem anderen Jungen den Gang entlang nach. "Wir sind nur Freunde!"
"Ist klar", meldete sich der Dritte zu Wort, den ich nun als einen der Flints erkannte. Er rannte ganz vorne und war nun fast bei uns angelangt, dicht gefolgt von Dave.
"Sorry, Ladies", lachte Dave, als er nach Flint an uns vorbei sprang.
"Dave! Lewis! Jetzt wartet gefälligst!"
Shawn war nun auch bei uns angelangt und ich machte ihm schnell Platz. Melody hingegen ging einen Schritt vorwärts und streckte die Brust raus.
"Na Shawn? Wie war dein Sommer? Bist du jetzt der neue Schulsprecher?", fragte sie und zwinkerte ihm zu.
"Shawn kann gerade nicht", rief Dave von weiter hinten. "Er hat zu tun. Camila!"
"Sorry - äh - "
"Melody", schoss es aus Mels Mund, der sich zu einem Lächeln verzog.
"Melody", wiederholte Shawn und drängte sich an ihr vorbei. "War nett, man sieht sich."
Damit hechtete er Dave und Flint in den nächsten Waggon hinterher.
"Er ist schon süß, oder? Aber ein bisschen kindlich. Sein Körper passt nicht zu seinem Gesicht, weißt du? Es ist noch so milchbubihaft."
Nein, ich wusste nicht, was sie meinte. Ich fand - wie jedes Mädchen sonst auch - dass Shawn gut aussah. Groß, muskulös, dunkle Haare und Augen. Man musste schon blind, blöd oder beides sein, um zu behaupten, dass er nicht gut aussah.
"Ja, irgendwie schon", stimmte ich Mel trotzdem zu. "Aber es passt zu ihm."
"Meinst du? Na ja, dann glaub das mal. Ach, aber sei nicht so naiv zu glauben, er hätte dich bemerkt", schob sie hinterher. Jetzt war ich wütend.
"Bin ich nicht", trotzte ich und griff fester an den Rucksackträger.
"Ist klar, in Wahrheit machst du dir doch auch Hoffnungen, von ihm beachtet zu werden. Das tut jedes Mädchen wie du, aber er steht nun mal nicht auf Scheue."
Ich sah auf den Boden. Was Mel dachte über meine Gedanken zu Shawn zu wissen, interessierte mich nicht. Mich störte viel mehr, dass sie mich wieder als scheu bezeichnete und den Ausdruck jedes Mädchen wie du benutzte.
"Komm, wir suchen uns ein Abteil. Wir können zu Gree und Laurent gehen, dann erzählen sie uns was über die Aktion eben."
Gree und Laurent waren Schwester und Bruder von Lewis - die Flintgeschwister.
Seitdem die Flints an der Schule waren, gab es ständig Ärger. Das hatte ich vor allem im ersten Jahr gemerkt, da sie gerne Jagd auf schüchterne Erstklässler machten. Hätte ich nicht in Melodys Schutz gestanden, hätte es mich definitiv noch stärker und öfter erwischt.
Lewis Flint wurde ich nie ganz los, denn er gehörte verwunderlicher Weise genau wie ich Ravenclaw an. Laurent und Gree gingen beide nach Slytherin, wobei Gree diese Bestimmung voll und ganz auslebte.
Aber sonst ergänzten sich die drei perfekt. Laurent und Gree waren Zwillinge, was man auch merkte. Gree war das Selbstbewusstsein und Laurent das Gehirn. Lewis, ihr großer Bruder, rundete es perfekt ab und schaffte es fast jedes Mal, dass sie nicht erwischt wurden.
Damals ließen sie mich zum Glück schon kurz nach den Weihnachtsferien mehr oder weniger in Ruhe, da sie ihr ultimatives Opfer gefunden hatten: Lewis.
Nicht ihr Bruder Lewis Flint, sondern Lewis Johnson, der jetzige Vertrauensschüler aus Gryffindor (wie Alia uns mitgeteilt hatte). Lewis Flint, den jeder außer seiner Freunde wegen der Namensdopplung nur Flint nannte, mochte es anscheinend nicht, dass jemand anderes seinen Namen trug. Er machte es sich zur persönlichen Aufgabe, Lewis Johnson das Leben zur Hölle zu machen. Gree war dabei seine Geheimwaffe.
Allerdings verloren sie an Lewis auch nach drei Monaten den Spaß, da er sich von den fiesen Neckereien und Streichen nicht beeindrucken ließ. Vor allem nicht, nachdem einer der Streiche nach hinten losging und Peeves der Poltergeist zwei Wochen lang durch die Gänge des Schlosses streifte, Bluffknaller auf die Schüler schmiss und dabei die Zeilen: "Lewis Lousy hat's getroffen, in der Trickstufe ersoffen, wird's so schnell nicht mehr probieren, die Erstklässler zu provozieren!", sang. Danach ließen die Flints Lewis in Ruhe.
"Wie steht es eigentlich mit deinem Vater?", riss Mel mich aus meinen Gedanken, als ich neben ihr herging. "Ist er immer noch wütend auf dich?"
"Oh ja, er geht mir aus dem Weg, bevorzugt und redet nur noch mit Mum und Saiph - überwiegend mit Saiph - und weigert sich, mit mir in der Öffentlichkeit gesehen zu werden."
"Klingt hart, aber irgendwo verstehe ich ihn ja. Du hättest das echt nicht machen sollen, war dumm von dir."
"Vielleicht."
Da war es wieder. Das Wort. Dumm. Ich war nicht dumm. Ich hatte meine Gründe und Melody verstand das einfach nicht. Sie scherte sich nur um ihre eigenen Probleme. Außerdem reagierte mein Vater total über.
"Wie geht es Abby?", strebte ich einen Themenwechsel an.
"Oh, gut, glaube ich. Sie ist immer noch in ihrer Ausbildung zum Fluchbrecher. In den Ferien war sie da, aber wir reden nicht viel darüber. Das Meiste ist eh geheim. Oh, ich glaube wir sind da."
Melody öffnete eine Abteiltür und ging hinein. Ich schlüpfte schnell nach.
"Mel!", begrüßte Gree sie freundlich und nahm sie in den Arm.
"Ich hab euch vermisst!", sagte Melody und lachte.
"Oh, hi, du", grinste Gree fies und winkte mir. Ich schenkte ihr ein kurzes falsches Lächeln und ließ mich auf der Bank nieder.
Dass sie meinen Namen immer noch nicht kannte, störte mich nicht. Sie und ihre Ansichten waren mir ziemlich egal.
"Erzähl, wie geht es dir?", fragte Gree Mel, nachdem diese Laurent umarmt und sich zwischen die beiden gesetzt hatte.
Und dann begann Mel mit einer ellenlangen Erzählung über ihren tollen Sommer, in dem sie im Prinzip nichts weiter getan hatte, als irgendwo faul rum zu liegen, zu lesen, zu essen oder zu schlafen. Das hatte ich größtenteils auch getan, aber Melody verpackte es stets so, dass es sich anhörte, als sei sie auf halber Weltreise gewesen.
Nach einer Stunde, in der ich immer wieder ungeduldig auf meine Uhr gestarrt hatte und Laurents nervenden Blicken ausgewichen war, schluckte ich kurz, damit meine Stimme nicht brach, und sagte dann: "Wir müssen los zum Treffen, es ist schon fast zwei Uhr."
"Ja, gleich", winkte Mel nur genervt ab und erzählte weiter.
Nach folgenden zehn Minuten erinnerte Laurent daran, dass es wirklich Zeit wurde und diesmal hörte Melody auf, zu erzählen.
"Wir sehen uns dann gleich, Gree", verabschiedete Melody sich und kam als letztes aus dem Abteil.
Während Melody und Laurent beide Vertrauensschüler waren, hatte Gree zu viel Mist gebaut, um dieses Amt zugeteilt zu bekommen. Ich war die neue Vertrauensschülerin der Ravenclaws, zusammen mit Henry Miller.
Katie war Vertrauensschülerin der Gryffindors im sechsten Jahrgang. Ich freute mich, auf Niveau zu stoßen.
"Ich hab so kein Bock auf Katie", klagte Melody und warf den Kopf in den Nacken. Mein Blick wanderte langsam vom Fußboden in Mels Richtung.
"Ich kann sie einfach nicht leiden", sagte Mel. "Die ging mir letztes Jahr schon so auf den Geist, ich überlebe die nächsten zwei Jahre nicht. Kassy, wie kannst du nur mit ihr befreundet sein?"
"Katie ist voll okay", gab ich kleinlaut zurück. Laurent zog überrascht die Augenbrauen hoch.
"Nein, Katie ist dumm, besserwisserisch und nicht lustig. Mal davon abgesehen, dass sie Muggelblut hat."
"Ihre Eltern haben Muggelblut. Sie nicht, sonst wäre sie ja kaum eine Hexe", antwortete ich kühl. "Außerdem hat das Eine nichts mit dem Anderen zu tun."
"Kassy, du tust dir nur das Beste, wenn du sie endlich abschiebst. Die kann niemand leiden", erwiderte Mel mit bebendem Unterton in der Stimme.
"Ach ja? Wieso ist sie dann Vertrauensschülerin?", entgegnete ich leise.
"Was hast du gesagt?", fragte Mel barsch.
Ich beschloss, entgegen zu gehen.
"Wieso sie Vertrauensschülerin ist, wenn sie niemand leiden kann?"
Mel kniff die Augen zusammen. "Aus demselben Grund wie du, schätze ich. Du bist auch nicht sonderlich beliebt. Streber, ein kleines Naivchen, ein bisschen dumm und eben total brav."
Jetzt hatte sie mich wieder. Stumm wendete ich den Blick ab und sagte auf dem restlichen Weg kein Wort mehr.
Als Laurent die Tür zu dem Waggon der Vertrauensschüler öffnete, staunte ich nicht schlecht. Mum sagte, damals hätten sie nur zwei Abteile gehabt. Wir hatten nun einen eigenen etwas kleineren Waggon, was ich super fand. An den Seiten standen Tische und Bänke, die um einiges bequemer aussahen, als die normalen. Etwas weiter hinten standen zwei Tische, auf denen Essen gedeckt war. Es war hell, angenehm warm und schon reichlich belebt.
"Ach, hier seid ihr ja", kam Eve auf uns zu. Ich kannte sie schon länger, sie war die Tochter einer Freundin meiner Mutter und im siebten Jahr in Gryffindor.
"Wir haben schon auf euch gewartet. Laurent, Melody - Kassy? Hi! Wie geht es dir?"
"Hey Eve, gut, danke."
"Deine Mum hat gar nicht erwähnt, dass du jetzt Vertrauensschülerin bist!"
"Ja, muss sie wohl vergessen haben..."
Oder verschwiegen, fügte ich in Gedanken hinzu.
"Ach so, na ja. Gehst du zu den anderen Fünftklässlern? Laurent, du weißt ja Bescheid. Melody, die Sechstklässler sitzen dieses Jahr dort drüben."
"Bist du Schulsprecherin?", fragte ich Eve, welche nur lachend den Kopf schüttelte. "Ich? Nein. Gegen Jules hatte ich schon im fünften Jahr keine Chance."
"Aber warum kümmerst du dich dann um alles?"
"Das ist eine sehr gute Frage. Shawn!", rief Eve durch den Waggon. "Du kannst jetzt auch mal was tun!" Sie drehte sich wieder zu mir. "Jules ist beschäftigt, ich kümmer mich um Shawn. Ich bin sowas wie seine Gehirnhälfte für Organisation."
Ich lachte und ließ mich von Eve zu den anderen Fünftklässlern begleiten. "Kassy!", rief Henry und stand auf.
"Hey", begrüßte ich ihn und er umarmte mich kurz. Ich winkte Alia zu, die neben Sydney saß und sich mit ihr unterhielt.
"Wie war dein Sommer?"
"Ganz okay", log ich und setzte mich. Katie erblickte mich von der anderen Seite und kam schnell zu mir rüber gelaufen.
"Na?", stupste sie mich mit ihrer Schulter an. "Horrorzicke überlebt?"
"Sei nicht so gemein", forderte ich sie auf. Katie prustete leise. "Ich? Sie ist hier die, die mal wieder von ihrem hohen Hippogreif runter kommen sollte. Wieso machst du immer noch was mit ihr?"
"Sie ist meine beste Freundin", antwortete ich überzeugt.
"Jaah, eine beste Freundin, die dich vor allen deinen anderen Freunden beleidigt, hinter deinem Erfolg her ist und sich in deinen guten Beziehungen sonnt."
"Aber das macht sie nicht zu meiner nicht-besten Freundin. Und ich habe keine guten Beziehungen, und Erfolg erst recht nicht."
"Kassy, sowas ist nicht mal mehr eine normale Freundin. Das Mädchen macht dich kaputt."
"Können wir das wann anders besprechen?", beendete ich das unangenehme Thema und schaute zur Mitte des Waggons. Shawn war aufgestanden und Eve bat gerade um Ruhe.
Katie hatte zum Teil ja Recht, mir ging es gehörig gegen den Strich, wie Melody mich in letzter Zeit behandelte, aber was sollte ich tun? Wenn ich unsere Freundschaft quittierte, würde das die Situation zwischen uns verschärfen und Dad würde wohl nie wieder mit mir reden.
"Okay, hey, Leute!", sagte Shawn etwas lauter. "Ich will kein Sonorus benutzen, das fetzt uns wohlmöglich allen die Ohren weg. Ich begrüße euch herzlich und spreche vor allem an unsere neuen Vertrauensschüler des fünften Jahrgangs ein herzliches Willkommen aus. Wie ihr seht, wurde ich dieses Jahr von Professor McGonagall zum Schulsprecher ernannt - "
Shawn wurde von Jubel unterbrochen, der überwiegend von den Gryffindors kam. Er grinste breit und ein Sechstklässler pfiff. Katie seufzte und die Hufflepuffs schauten finster. Shawn war voll in Ordnung, aber trotzdem hatten die meisten von uns mit Teddy als Schulsprecher gerechnet.
"Danke, ist gut jetzt. Für die, die mich nicht kennen sollten, ich bin Shawn Mendes, Gryffindor. Jules Wilkinson ist Schulsprecherin, sie ist in Hufflepuff, und gerade noch beschäftigt, einen Streit zwischen zwei Zweitklässlern zu schlichten. Die eine wurde wohl von einem Densaugeo erwischt."
Die Slytherins fingen lauthals an zu lachen, einige andere Schüler auch. Shawn schmunzelte leicht.
"Es gibt eigentlich nichts Wichtiges zu sagen, die Verteilungen sind wie jedes Jahr. Jeder Vertrauensschüler kümmert sich um die Schülerinnen und Schüler in ihren Häusern. Euch ist es erlaubt, Punkte abzuziehen, Strafarbeiten zu verteilen und auch Nachsitzen aufzudrücken. Das wisst ihr alles schon aus den Briefen, aber ich sag euch eins: Wenn einer dieses Amt missbraucht, kriege ich das mit und derjenige lernt dann Fliegen ohne Besen."
Die einundzwanzig Vertrauensschüler und ich lachten und einige pfiffen.
"Die Fünftklässler kümmern sich um die Erstklässler, ich erzähle euch gleich noch mehr darüber; Die Sechstklässler um die Organisation innerhalb ihres Hauses und die Siebtklässler haben ein Auge über alles. Mit den festen Patrouillengängen durchs Schloss wechseln sich Sechst- und Siebtklässler ab. Das war's eigentlich auch schon. Ihr könnt die restliche Zugfahrt hier bleiben, ihr kennt das Spiel. Ich wünsche euch ein erfolgreiches Schuljahr, viel Glück bei den ZAGs und UTZ. Danke."
Wir klatschten, Shawn ging auf die Siebtklässler zu und der Lärmpegel stieg wieder.
"Es ist so schade um Teddy, er hätte sich mega gefreut. Er war ganz schön heiß auf das Amt, weil er schon gegen Dominic als Vertrauensschüler verloren hat. Gegen Dominic, mach dir das mal klar. Aber na ja, Shawn macht das trotzdem gut", lobte Katie Shawn. Ich stimmte ihr zu. "Und?", fragte ich sie. "Nächstes Jahr du?"
Katie lachte. "Schön wär's, aber bleiben wir mal realistisch. Nein. Ich bin mir ziemlich sicher, das Mary und Jacob die Neuen werden. Ich weiß nicht, es ist nur so ein Gefühl. Ich glaube, sobald Shawn, Jules und Teddy weg sind, haben die beiden, Luke und Tori die ganze Aufmerksamkeit. Obwohl sie gerade mal fünfzehn ist, starren ihr die Jungs jetzt schon wie Affen hinterher."
"Oh Gott, dann leiden wir ja noch mehr", stöhnte ich gespielt und Katie lachte.
"Oh, Shawn ist bei den anderen, ich geh dann mal schnell", teilte sie mir mit und lief hinüber zu den Sechstklässlern.
Ich unterhielt mich in der Zeit ein wenig mit Henry, der leise mit mir die anderen Vertrauensschüler bewertete.
"Hannah vertraue ich echt nicht. Die tut immer nur so nett, um das zu kriegen, was sie will. Und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass sie die Schlauste ist. Immerhin ist sie mit Nico Goyle zusammen", wisperte Henry.
"Ist sie nicht", protestierte ich. "Dann fehlt ihr Gehirn komplett."
"Definitiv. Alia und die andere neben ihr kennst du, oder? Wie heißt sie gleich noch - Harding?"
"Ja, die neben Lil ist Sydney, sie ist schon letzten Sommer aus Amerika zurück nach England gezogen, weil ihr Vater ein Verbindungsmann der MACUSA ist. Sie ist nett, genauso wie Alia. Sind engere Freunde von mir."
"Echt? Cool, dann werde ich in Zukunft mehr Zeit mit dir verbringen, wenn du Zeit mit ihnen verbringst."
"Tu, was du nicht lassen kannst", grinste ich ihn an.
Henry und ich waren erst im letzten Jahr engere Freunde geworden. Nachdem die anderen vier Ravenclawjungs am Ende des Jahres dermaßen Scheiße gebaut hatten (Filch und Madam Pince waren wahrscheinlich heute noch dabei, die Bücher zu reparieren und die verbrannten zu ersetzen), war glasklar, dass Henry Vertrauensschüler werden würde und deswegen hielt er sich vorzugsweise an uns Mädchen. Sonst hatte er auch niemanden, da Lian, Vince, Toby und Gavin jeden Nachmittag in Stücke gerissene Buchseiten zusammen zaubern durften. Sie hatten Glück, dass sie nicht alle von der Schule geflogen sind.
"Was hältst du von Lewis?", fragte Henry mich und zeigte auf den Gryffindor, der gerade mit Nate Kennedy rumalberte.
"Lewis Johnson? Der ist okay. Ich kenne ihn nicht wirklich gut, aber das, was ich von ihm mitbekommen habe, war eigentlich nur positiv. Besser als Lewis Flint, den kann ich nicht ab. Aber ich frag mich, wie Zack Lestrange es geschafft hat, Vertrauensschüler zu werden."
"Das ist eine sehr gute Frage, Kassy. Das wüsste ich auch gerne. Ich traue diesem Typen noch weniger über den Weg als Maddox."
"Und das hat was zu heißen, denn der ist nun wirklich einfach nur gruselig."
Henry lachte leise und ich grinste.
"Hey, Shawn kommt", bemerkte Henry plötzlich und zeigte hinter mich. Ich drehte mich auf meinem Platz um und sah Shawn, wie er von den Sechstklässlern zu uns rüber kam.
"Neues Spiel, neues Glück, was?", grinste er uns an und setzte sich neben Sydney auf die Kante der Bank. "Ihr und eure Familien wart sicherlich total aus dem Häuschen, als ihr den Brief gekriegt habt, oder?"
Die anderen lächelten und nickten. Ich nicht. Im Prinzip hätte mir nichts Schlimmeres außer ein Schulverweis passieren können.
"Schön. Jules ist immer noch beschäftigt, also muss ich euch wohl allein einweisen. Ich hoffe, ich vergesse nichts. Jedenfalls freut es mich, einige bekannte Gesichter zu sehen. Auch wenn ich bei einigen nicht gedacht hätte, dass Professor McGonagall sich für solche als Vertrauensschüler entscheidet."
Ich sah instinktiv hoch zu Alia. Sie sah mich genervt an und ich konnte ihre Meinung nur teilen - Shawn sprach definitiv von uns. Ich statt Olivia, Lil statt Tori. Niemand verstand, wieso.
"Aber das hätte bei mir sicherlich auch niemand. Reid, du brauchst mich gar nicht so böse anzugucken", bemerkte Shawn
Sammy-Lee Reid hob ahnungslos die Hände und räusperte sich leicht. Natürlich hatte er sich als stolzer Hufflepuff Teddy gewünscht.
"Eure Aufgaben", fuhr Shawn fort, "sind wenig, aber dann doch irgendwie die größten. Ihr führt die Erstklässler nachher nach dem Festessen in die Schlafsäle", begann Shawn uns zu erklären.
In diesem Moment wurde die Waggontür geöffnet und Jules hechtete herein.
"Sorry Shawn, Krieg zwischen kleinen Kindern. Was hab ich verpasst?", begrüßte sie den Schulsprecher und setzte sich neben Henry auf die Bank.
"Hier nicht viel, hab gerade angefangen", lächelte Shawn und fuhr fort.
Er und Jules beschrieben nach und nach noch andere Aufgaben, die sich nicht wirklich von denen der höheren Jahrgänge unterschieden - Hauspunkte abziehen, Nachsitzen verteilen, Strafarbeiten aufdrücken. Außerdem sollten wir im Zug ein bisschen durch die Gänge streifen.
"Und wie alle Vertrauensschüler Gryffindors und Slytherins bekommen Lewis, Zack, Hannah und äh - Alia, richtig? - die Passwörter für die Gemeinschaftsräume, sobald diese geändert werden", erläuterte Jules. "Ihr bringt sie dann unter eure Hausangehörigen. Oh, und bevor ich es vergesse: Ihr müsst für alle Aktionen euer Abzeichen tragen, sonst könnt ihr niemandem Punkte abziehen oder so. Ansonsten wird von euch nur vorbildliches Verhalten erwartet und dass ihr in Gefahrensituationen vernünftig handelt. Aber ich glaub, das kriegt ihr hin."
Die anderen nickten und Shawns Blick streifte durch die Runde. Als er in Henrys und meine Richtung guckte, wendete ich schnell meinen Blick ab und versteckte mich hinter meinen Haaren. Dabei tat ich so, als hätte ich gerade etwas lustiges entdeckt, was mich ablenkte. Darin hatte ich bereits jede Menge Übung.
Ich mochte direkten Augenkontakt nicht - ich hasste ihn regelrecht - und einer mit Shawn würde mich nur noch nervöser machen.
"Ihr dürft ab sofort für die restliche Schulzeit übrigens das Vertrauensschülerbad im fünften Stock benutzten", ließ Shawn uns wissen. "Das Passwort bekommt ihr von den ältesten Vertrauensschülern oder von uns gesagt. Und diesen Waggon auch, er ist nur für Vertrauensschüler. Ihr könnt kommen und gehen wann ihr wollt, aber bitte bringt keine anderen Leute mit, die kommen hier sowieso nicht rein."
Ich grinste leicht und sah im Augenwinkel Henry, der das gleiche tat.
"Wieso kommen andere hier nicht rein?", fragte Hannah, die neben ihrem Hauspartner Zack saß.
"Frag die Ravenclaws", lächelte Shawn sie an und zeigte mit dem Daumen auf Henry und mich. "Die haben's schon verstanden."
Dann erhob er sich, grinste uns ein letztes Mal an und ging wieder zu seinen Freunden.
"Viel Erfolg für das kommende Jahr", verabschiedete Jules sich und folgte Shawn.
"Arschlöcher. Warum kommen die anderen denn jetzt nicht rein?", fragte Hannah an uns gewandt.
"Hast du nicht zugehört? Wenn wir unsere Abzeichen nicht dabei haben, können wir nicht als Vertrauensschüler handeln", erklärte Henry das völlig Offensichtliche.
"Ja und? Hä?"
Ich verkniff mir ein Grinsen, während Sammy antwortete: "Ohne ein Abzeichen kommst du hier nicht rein."
"Aber dann kann ich doch trotzdem jemand anderem mein Abzeichen geben", antwortete Hannah, als sei es selbstverständlich.
"Es heißt ja nicht umsonst dein Abzeichen. Es gehört dir, bei anderen wird es nicht funktionieren", fügte ich zu Sammys Aussage hinzu.
Erst hatte ich Angst, dass mich alle anschauen würden, doch glücklicherweise zog Hannah die Aufmerksamkeit wieder auf sich: "Also wie bei Zauberstäben?"
Ich seufzte innerlich. Sie war echt nicht die Hellste.
Zack übernahm die Aufgabe, ihr mürrisch zu erklären, dass Zauberstäbe durchaus die Gefolgschaft wechseln können, während Katie von den Sechstklässlern zu uns rüber gelaufen kam.
"Alia, Kassy, gehen wir wieder zu Tori und Teddy? Oh, hi, Sydney!" Katie ging auf Sydney zu, welche aufstand und sie mit einer Umarmung begrüßte.
"Ja, hier ist es eh nicht so toll, wie ich gedacht hatte", willigte Alia ein und schaute unauffällig in Hannahs Richtung. "Vor allem ohne Teddy."
Katie lachte leise auf.
"Aber lasst uns was zu essen mitnehmen", schlug Alia vor.
"Keine schlechte Idee, aber ich glaube kaum, dass wir das hier raus kriegen", widersprach ich. "Wenn das nur für Vertrauensschüler ist, liegt bestimmt ein Zauber drauf."
"Ach Drachenmist, Teddy hat bestimmt nichts vom Mittag übrig gelassen!"
Katie und ich lachten und ich stand auf. "Lasst uns gehen. Syd, kommst du mit?"
"Jap", antwortete Sydney und stand ebenfalls auf, genauso wie Alia.
"Willst du mich echt alleine lassen?", fragte Henry mich halb sarkastisch empört, halb entsetzt.
"Du kannst doch mitkommen. Wird ein bisschen eng, aber das kriegen wir schon hin. Nur Essen kriegst du wahrscheinlich nicht mehr, sorry."
"Ich fall schon nicht vom Fleisch. Meine Mutter hat mich fast die ganzen Ferien kochen lassen, weil sie arbeiten musste, und irgendwie hab ich viel zu viel gegessen."
"Oh, dann ist Hogwarts aber 'ne schlechte Idee zum Abnehmen", kicherte Sydney und Henry lachte.
"Ja, wahrscheinlich."
Wir machten uns auf den Weg aus dem Waggon auf den Gang, doch ehe wir an der Tür angelangt waren, wurden wir aufgehalten.
"Kassy! Bleibst du hier und isst was mit uns?"
Melody winkte mir über die Köpfe von Luke und Jacob zu. Ich ließ die Schultern nach unten sacken und wollte schon zu ihr rüber gehen, da hielt ich wie von selbst inne.
Alia und Katie schauten mich fragend an und Henry zog verwirrt die Augenbrauen hoch.
"Nein, danke", verwehrte ich. "Ich..."
Zuerst wollte ich lügen und sagen, ich hätte keinen Hunger, doch warum auch immer überkam mich eine Welle des Mutes.
"Ich esse lieber mit Katie, Lil, Syd und Henry zusammen im Abteil, mit Tori und Teddy. Die warten sicher schon auf uns."
Melodys Blick war unbezahlbar. In der ersten Sekunde war mein Körper mit Stolz gefüllt, die zweite hielt zwar den unbezahlbaren Blick aufrecht, ließ allerdings die Welle des Mutes im Sand versickern.
Was ich nicht erwartet hatte: Melody stand auf, drängte sich zwischen Jacob und Luke durch und kam direkt auf mich zu.
Ich atmete durch und sammelte mich. Ich würde jetzt nicht nachgeben.
"Mit wem bist du eigentlich befreundet, sag mal?", fragte sie mich fassungslos und schaute mich mit einem ihrer Blicke an, die mich normalerweise weich werden ließen. Aber nicht heute.
Ich war nicht umsonst Vertrauensschülerin geworden. Ich musste mich nicht ständig in ihrem Schatten verstecken, das hatte ich nicht nötig.
Denn in diesem Moment erkannte ich, wieso ich so eine Abneigung gegen Mel entwickelt hatte. Ihr Verhalten ähnelte einfach immer mehr dem meines Vaters.
"Du stellst mich vor die Wahl?", fragte ich deshalb klar und war stolz, dass meine Stimme so fest klang.
"Wenn du es so nennen willst, ja", antwortete sie und sah mich herablassend an. Ich war froh, dass sich Luke und Jacob außer Hörweite befanden.
"Mel, weißt du was, das ist einfach nur erbärmlich. Werd endlich erwachsen und hör auf, ständig andere Leute zu benutzen. Das steht dir nicht. Entschuldige mich, ich gehe jetzt mit meinen richtigen Freunden was essen. Man sieht sich."
Ich umfasste Katies Arm, da dieser mir am nächsten war, und zog sie an Melody vorbei. Alia schaute so verdattert, dass sie von Henry nach vorne gestupst werden musste, bis sie Sydney folgte.
Melody ließ ich das erste Mal seit wir uns kannten sprachlos zurück.
ϟ ϟ ϟ
Leute, es ist #19YearsLater ich bin schon den ganzen Morgen am austicken :D
Ein sehr langes erstes Kapitel, ich hoffe, es hat euch gefallen und der kleine Zeitsprung hat euch nicht zu sehr verwirrt ;)
Vielen Dank für eure Unterstützung, den ganzen Votes und den Kommentaren, das freut mich riesig!
Was glaubt ihr, hat Kassy Schlimmes angestellt?
Und wie wird es mit Melody weitergehen?
Ich freue mich total auf eure Ideen. Ansonsten wünsche ich euch allen einen schönen neuen Schulstart, rockt das Jahr, wir sehen uns auf dem Quidditchfeld!
Amelie, die im Zug sitzt und ihr letztes Jahr antritt *-*
Next Update ⥋ 04.09.2017 (Monday)
[01.09.2017]
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